FACTORING

Von der Ottawa-Konvention zum Factoring Model Law

Internationales Factoring-Recht im Wandel der Zeit

Dr. Ulrich Brink, Foto: Brink Law

Seit über 30 Jahren gibt es internationales Factoring-Recht. Was in den 1980ern in Kanada mit einer überschaubaren Bandbreite an Regelungen für eine Handvoll Länder begonnen hatte, ist im Laufe der Jahre ausgebaut worden. Der Autor wirft einen kritischen Blick auf diese Entwicklungen und lässt dabei ein Stück juristische Geschichte aufleben. Abschließend gibt er einen Ausblick auf eine möglicherweise international besser abgestimmte Factoring-Rechtslage, die nun in Rom ausgearbeitet werden soll. (Red.)

Als im Jahre 1988 in Ottawa die von der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, kurz UNCITRAL) initiierte Konvention über internationales Factoring vereinbart wurde, konnten sich die vertretenen Länder nur auf eine schmale Bandbreite von Regelungen verständigen. So ist die Konvention lediglich für das offene Factoring anwendbar. Inhaltlich bringt sie hierfür die Anerkennung der Abtretung künftiger Forderungen (Artikel 5) und der Globalzessionen sowie ein Verbot von Abtretung hindernden Absprachen (Artikel 6). Hiervon wird dann aber wieder eine Ausnahme für diejenigen Länder zugelassen, die einen entsprechenden Vorbehalt bei der Ratifizierung hinterlegen.

Darüber hinaus regelt das Übereinkommen nur einige - wenn auch wichtige - Aspekte, wie etwa die Auslegung des Übereinkommens (Artikel 4), den Übergang von Nebenrechten (Artikel 7), die Auswirkungen einer Abtretungsanzeige auf die Zahlungspflicht des Schuldners (Artikel 8) sowie die Problematik, welche Einwendungen der Schuldner geltend machen kann (Artikel 9) und die Frage nach den dem Schuldner bei Schlechtleistung des Lieferanten gegenüber dem Factor zustehenden Rückforderungsansprüchen (Artikel 10). Siehe hierzu Ferrari, FactÜ, Einleitung Rn. 23, Münchener Kommentar zum HGB, Bankvertragsrecht, München 2019.

Breitere Aufstellung notwendig

Es verwundert daher wenig, dass lediglich eine beschränkte Anzahl von Ländern diese Konvention ratifiziert hat. Noch weniger überrascht es, dass in Deutschland Rechtsprechung zu dieser Konvention praktisch nicht vorhanden ist. Aus heutigem Rückblick der Sicht ist die Konvention daher letztlich gescheitert. Insbesondere fehlen Regelungen zur Frage der Priorität bei Mehrfachabtretungen; hier wird auf das nationale Recht zurückgegriffen.

Einen breiteren Ansatz nahm dann die UNCITRAL im Jahre 1993 auf, als sie begann, die Konvention über die Abtretung von Forderungen im internationalen Handelsverkehr zu entwickeln. Dies wurde 2001 als UN Convention on the Assignment of Receivables in International Trade (CARIT) von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Breiter war dieser Ansatz schon dadurch, dass man sich nicht nur auf das offene Factoring beschränkte, sondern sämtliche Formen der Forderungsfinanzierung im grenzüberschreitenden Bereich ins Auge fasste. Das umfasst sowohl die grenzüberschreitende Abtretung von Forderungen als auch die Abtretung grenzüberschreitender Forderungen. Vorausgesetzt wird nur, dass der Zedent in einem Vertragsstaat ansässig ist. Ergänzend musste dann wiederum klargestellt werden, dass bestimmte Forderungsfinanzierungen nicht unter diese Konvention fallen (Artikel 4).

Diese Abgrenzungen betreffen das Factoring-Geschäft aber nicht. Sowohl das echte wie auch das unechte Factoring, sowohl das offene wie auch das nicht notifizierte Factoring werden von der Konvention geregelt. Es muss sich lediglich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handeln.

Inhaltliche Veränderungen

Auch inhaltlich geht die Konvention weit über die Bestimmungen der Ottawa Konvention hinaus. Bedeutsam für das Factoring-Geschäft sind die Anerkennung von Globalzessionen und der Abtretung künftiger Forderungen (Artikel 8 Absatz 1). Weitergehend ist aber die Bestimmung, dass Abtretungsverbote bei Handelsforderungen unwirksam sind, ohne dass ein Vorbehalt Abweichungen erlaubt (Artikel 9).

Außerdem wird detailliert das Recht aller Vertragsparteien geregelt, die Verträge frei zu vereinbaren unter Beachtung der vereinbarten Gepflogenheiten. Hervorzuheben sind:

- die Garantie des Forderungsverkäufers für die Verität der Forderung, nicht aber für die Zahlungsfähigkeit des Debitors (Artikel 12)

- das Recht des Zedenten und des Zessionars, Abtretungsanzeigen an den Schuldner zu senden (Artikel 13)

- das Recht des Zessionars auf die Zahlung, auch wenn die Zahlung an den Zedenten oder einen Dritten erfolgt

- das Prinzip des Schuldnerschutzes (Artikel 15)

- Regelungen zur Benachrichtigung des Schuldners, insbesondere die Wirksamkeit von Notifikationen für zukünftige Forderungen (Artikel 16)

- die Befreiung des Schuldners von der Zahlungsverpflichtung (Artikel 17) den Erhalt von Einwendungen des Schuldners gegen den Zessionar und einer Aufrechnungsmöglichkeit, die dem Schuldner im Zeitpunkt der Notifikation offen gestanden hat (Artikel 18)

- die Möglichkeit eines Einwendungsverzichts in schriftlicher Form (Artikel 19)

- Änderungen des Liefervertrages nach Abtretung (Artikel 20), die grundsätzlich der Zustimmung des Zessionars bedürfen

- den Schutz des Zessionars vor Rückzahlungsansprüchen des Debitors bei Schlechterfüllung des Liefervertrages (Artikel 21)

- die Voraussetzungen der Notifikation des Schuldners und die Verpflichtung des Schuldners, nach Notifikation an den neuen Gläubiger (Factor) zu zahlen

Eine substanzielle Einigung über die Frage der Priorität bei Mehrfachabtretungen konnte zwar auch in dieser Konvention nicht gefunden werden. Hier sind die Unterschiede zwischen den Rechtssystemen zu groß, um eine einheitliche Lösung vorzustellen. Einige Länder verweisen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Abtretungsvertrages, andere wiederum auf den Zeitpunkt der Benachrichtigung des Schuldners und eine dritte Gruppe verlangt für die Drittwirksamkeit die Registrierung der Forderungsabtretung in einem Register. Die UN-Konvention beschränkt sich darauf, einen Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Recht zu bestimmen, indem es insoweit auf das Recht des Zedenten verweist. Dies ist deshalb praktisch, weil das Recht des Zedenten regelmäßig auch das Insolvenzrecht sein wird. Daraus ergibt sich dann, inwieweit derartige Forderungsübertragungen in der Insolvenz des Zedenten anerkannt werden. Darüber hinaus gibt die UN-Konvention zahlreiche Bestimmungen für solche Länder vor, die über ein funktionierendes Internationales Privatrecht zur Bestimmung des jeweils anwendbaren Rechts bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht verfügen.

Diese Konvention ist bislang nur von wenigen Staaten unterzeichnet. Ende 2019 wurde sie von den Vereinigten Staaten ratifiziert. Es steht zu hoffen, dass auch die Länder der Europäischen Union, wenn sie einmal die Problematik des Brexits gelöst haben, sich dieser Konvention anschließen.

Weiterentwicklung des Rechts

Aufbauend auf den Regelungen der Konvention hat die UNCITRAL dann in den folgenden 15 Jahren Regelungen entwickelt, die nicht nur grenzüberschreitende, sondern auch nationale Sachverhalte betreffen. Nach dem Gesetzgebungsleitfaden zum Kreditsicherungsrecht mit nachfolgenden Ergänzungen wurde bis 2017 ein Modellgesetz zur Kreditsicherung entworfen, das bezüglich der Forderungsabtretung die Regelungen der UN-Konvention aufgreift und umsetzt.

Wichtig für den Factor - und jeden anderen Sicherungsnehmer - ist hierbei stets, dass das Sicherungsrecht nicht durch Dritte beeinträchtigt werden kann. Bei Mehrfachabtretungen der Forderungen durch den gleichen Zedenten, die zum Beispiel durch die Kollision mit verlängerten Eigentumsvorbehalten oder der Kreditsicherung dienende Zessionen auftreten, muss geregelt werden, wem die Forderungen erstrangig zustehen. Gleiches gilt für die Frage, ob die Abtretung in der Insolvenz des Factoring-Kunden insolvenzsicher ist. Diese Fragestellungen werden unter dem Stichwort der Priorität zusammengefasst.

Hierfür schlägt das Modellgesetz eine Registrierungspflicht für alle besitzlosen Sicherungsrechte vor. Dazu zählen auch Forderungsabtretungen. Gedacht ist an ein elektronisches, allzeit erreichbares Register, in dem jederzeit festgestellt werden kann, ob bestimmte Forderungen bereits anderweitig abgetreten sind. Dies mag dem deutschen Juristen zunächst befremdlich erscheinen, ist er doch an den Umgang mit besitzlosen Sicherungsrechten gewöhnt.

Glücklicherweise hat die deutsche Rechtsprechung für das echte Factoring den Vorrang des Factorings vor den Vorbehaltslieferanten anerkannt. Andererseits muss bei jedem Abschluss eines Factoring-Vertrages vorab geprüft werden, ob nicht anderweitige zeitlich vorrangige Abtretungen vorliegen, insbesondere an die Hausbanken des Factoring-Kunden. Speziell für Länder, die noch nicht über ein ausgefeiltes Kreditsicherungsrecht verfügen, bieten sich aber einfache Lösungen an.

Das Modellgesetz zur Kreditsicherung enthält neben Regelungen zur Forderungsabtretung weitgehende Bestimmungen für andere mobile Sicherungsobjekte. Das macht die Handhabung dieses Modellgesetzes sowohl in der legislativen Behandlung als auch in der Umsetzung schwierig. Schließlich sind sämtliche traditionellen Sicherungsmechanismen zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.

Die Praxis hatte daher versucht, die für die Forderungsabtretung maßgeblichen Bestimmungen in Form eines Modellgesetzes für das Factoring zu übertragen, ohne die gefundenen Ergebnisse der langjährigen internationalen Verhandlungen zu gefährden. Hier hat die International Factors Group (IFG) im Jahre 2014 den Entwurf eines Modellgesetzes vorgelegt. Dieser wurde dann aber im Hinblick auf die Verschmelzung der IFG mit der Factors Chain International (FCI) nicht weiterverfolgt.

Ab Sommer 2020 wird sich UNIDROIT mit der Entwicklung eines Modellgesetzes für das Factoring befassen. Diese der Rechtsvereinheitlichung verpflichtete Organisation, die bereits die Ottawa-Konvention eingeleitet hat, wird nunmehr den Versuch unternehmen, zu einem breiteren Ansatz zu kommen und mehr Einzelheiten zu regeln.

Modellgesetzgebung für Factoring

Es steht zu hoffen, dass sie sich in vielen Fragen auf die Ergebnisse der UN-Konvention auch für das jeweilige nationale Recht verständigen kann.

Eine Vereinheitlichung des Abtretungsrechts würde die grenzüberschreitende Finanzierung von Unternehmen wesentlich erleichtern. Dazu würde es deutschen Factoring-Unternehmen erlauben, in größerem Umfang auch ausländische Factoring-Kunden zu bedienen. Hierzu wäre für die Factoring-Institute aufsichtsrechtlich ergänzend ein Europäischer Pass nützlich.

DR. ULRICH BRINK ist Senior Consultant bei Bette Westenberger Brink Rechtsanwälte, Mainz. Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht hat an den Workshops der UNCITRAL zu den im Beitrag beschriebenen Projekten teilgenommen und wird die FCI in den Workshops der UNIDROIT vertreten.
Dr. Ulrich Brink , Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht , Bette Westenberger Brink Rechtsanwälte PartGmbB, Mainz
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