FACTORING

Wie unterscheiden sich Ärzte von anderen Factoring-Nutzern?

Merkmale, Motive, Erfahrungen

Dr. Thomas Hartmann-Wendels, Foto: Universität zu Köln

Gesundheitsdienstleister zeigen ein stark abweichendes Nutzungsverhalten im Vergleich zu Factoring-Kunden aus anderen Branchen. Etwa ein Fünftel der teilnehmenden Unternehmen an der Factoring-Umfrage der Universität zu Köln kamen aus der Gesundheitsbranche. Daher ist erstmals ein Vergleich dieser Nutzergruppe mit anderen Branchen möglich. Der Beitrag beschreibt die Besonderheiten beim Factoring im Gesundheitswesen. (Red.)

Factoring im Gesundheitswesen, das schon länger eine der klassischen Factoring-Branchen darstellt, hat in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Der starke Kundenanstieg in den Nutzerzahlen in letzter Zeit ist zum großen Teil durch das breiter werdende Spektrum an Factoring-Dienstleistungen im Gesundheitswesen und die immer intensivere Nutzung begründet.

Im Gesundheitswesen entstehen die abgetretenen Forderungen in der Regel aus Privatliquidationen von Leistungserbringern gegenüber privat und gesetzlich Versicherten, die Debitoren sind häufig Privatpersonen (B2C-Factoring).

Im "Meinungsspiegel Factoring 2017/ 2018"1) wurden unter anderem Factoring-Nutzer zu ihren Einstellungen und Erfahrungen mit dem Factoring und ihren Motiven für den Einsatz dieses Finanzierungsinstrumentes befragt. Da etwa ein Fünftel der an der Umfrage teilnehmenden Unternehmen aus der Gesundheitsbranche kommen, können nun erstmalig die Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Nutzergruppen systematisch analysiert werden. Hierdurch gelingt es aufzuzeigen,

- durch welche Merkmale sich Factoring-Nutzer aus der Gesundheitsbranche von denen aus anderen Branchen unterscheiden,

- welche Motive die jeweiligen Nutzergruppen für den Einsatz dieses Finanzierungsinstruments haben und

- welche Erfahrungen diese beiden Nutzergruppen mit Factoring-Dienstleistungen gemacht haben.

Merkmale der Nutzer

Eine wichtige Besonderheit der Factoring-Nutzer im Gesundheitswesen ist ihre geringe Größe, gemessen an der Anzahl der Mitarbeiter und am Jahresumsatz. Ungefähr 78 Prozent der Leistungserbringer im Gesundheitswesen haben bis zu 15 Mitarbeiter, knapp 10 Prozent beschäftigen 16 bis 25 Mitarbeiter. Alle anderen Größenklassen kommen sehr selten oder gar nicht vor. Dies steht im deutlichen Gegensatz zu "klassischen" Factoring-Nutzern, deren Mitarbeiterzahlen mehrheitlich über 25 Mitarbeitern liegt (siehe Abbildung 1, Seite 8).

Entsprechend gering - verglichen mit den Factoring-Nutzern in anderen Branchen - sind auch die Umsatzgrößen (siehe Abbildung 2, Seite 8). Mehr als 90 Prozent der Factoring-Nutzer im Gesundheitswesen erzielen einen Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro. Zum Vergleich: In den anderen Branchen liegt der Anteil der Nutzer in diesen Größenklassen nur bei knapp einem Viertel.

Trotz einer geringen Unternehmensgröße und eines auch geringen Finanzierungsbedarfs im Umlaufvermögen weisen die Leistungserbringer im Gesundheitswesen deutlich mehr Debitoren (in der Regel Patienten) auf als die Factoring-Nutzer anderer Branchen, das heißt die Einzelbeträge der abgetretenen Forderungen (überwiegend privatärztliche Liquidationen) sind deutlich niedriger als in anderen Branchen. Mehr als 80 Prozent der Befragten haben mehr als 500 Kunden (Patienten), in den anderen Branchen lag dieser Anteil nur bei 27 Prozent (siehe Abbildung 3, Seite 9).

Ärzte nutzen die ihnen von Banken eingeräumten Kreditlinien mehrheitlich (73 Prozent) zu weniger als 10 Prozent, während dieser Anteil bei anderen Factoring-Nutzern nur bei 34 Prozent liegt. Dies verdeutlicht, dass Ärzte ihre Liquidität mehrheitlich mit anderen Mitteln als mit Kontokorrentkrediten sicherstellen. Die sehr gute Liquiditätssituation von Ärzten lässt sich auch aus dem Zahlungsverhalten bezüglich ihrer eigenen Verbindlichkeiten ablesen: So begleichen die befragten Factoring-Nutzer aus dem Gesundheitswesen ihre eigenen Verbindlichkeiten durchschnittlich nach weniger als 14 Tagen und somit gut zehn Tage früher als Factoring-Nutzer in anderen Branchen (siehe Abbildung 4, Seite 9). Neben der sehr guten Liquiditätssituation weisen Factoring-Nutzer aus dem Gesundheitswesen auch eine signifikant geringere Eigenkapitalquote auf. So gaben etwa zwei Drittel der befragten Ärzte an, dass ihre Eigenkapitalquote unter 20 Prozent liegt. Eine so geringe Eigenkapitalquote wiesen nur 43 Prozent der befragten Vergleichsgruppe auf.

Die Abtretung von Forderungen an einen Dienstleister hat im Gesundheitswesen eine längere Tradition als in anderen Branchen. Entsprechend ist der Anteil der Leistungserbringer, die Factoring schon länger als zehn Jahre nutzt, mit gut 38 Prozent in etwa doppelt so hoch wie bei den Factoring-Nutzern aus anderen Branchen. Umgekehrt gibt es wenige "Neulinge": Der Anteil derjenigen, die Factoring weniger als zwei Jahre nutzen, liegt unter 10 Prozent. Bei den Factoring-Nutzern in den anderen Branchen ist dieser Anteil fast dreimal so hoch (siehe Abbildung 5, Seite 9).

Interessant ist auch, dass bei der Auswahl des Factoring-Unternehmens ganz überwiegend zwei oder drei Anbieter (durchschnittlich 2,58 Anbieter) in die engere Auswahl einbezogen werden. In den anderen Branchen werden tendenziell mehr Anbieter (durchschnittlich 3,23 Anbieter) in Betracht gezogen.

Bei der Auswahlentscheidung für ein Factoring-Unternehmen sind die Kriterien Flexibilität, Schnelligkeit und fachliche Qualifikation der Ansprechpartner dominierend. Dies gilt im Prinzip auch für die Factoring-Nutzer in anderen Branchen, allerdings wird dort ergänzend der Preis als gleichbedeutend angesehen. Dieser ist zwar ebenso für die Factoring-Nutzer im Gesundheitswesen wichtig, tritt aber weit hinter die Kriterien Flexibilität, Schnelligkeit und fachliche Qualifikation zurück.

Die Bedeutung der bevorzugten Akquisitionskanäle im Gesundheitswesen unterscheidet sich von denen in anderen Branchen. Neben der "Empfehlung durch sonstige Geschäftspartner" und der "Direktansprache durch Anbieter", die ebenfalls in den anderen Branchen von herausgehobener Bedeutung sind, können zahlreiche Kunden im Gesundheitswesen ersichtlich durch Werbung und durch Anwesenheit auf Messen und Konferenzen gewonnen werden. Diese Akquisitionskanäle spielen außerhalb des Gesundheitswesens praktisch keine Rolle (mehr).

Motive für die Factoring- Nutzung

Im Gesundheitswesen steht eindeutig das Outsourcing der Buchhaltung, des Mahnwesens und der Abrechnung im Vordergrund (also die Servicefunktionen des Factorings), weniger dessen Finanzierungsfunktion. Auch die Delkrederefunktion, also die Übernahme des Ausfallrisikos, spielt eine wichtige Rolle bei den Factoring-Nutzern aus dem Gesundheitswesen. Diese drei Funktionen des Factorings sind im sogenannten Full-Service-Factoring zusammengefasst. Im Gegensatz zu Factoring-Nutzern aus anderen Branchen präferieren Ärzte mit weitem Abstand diese Art des Factorings (siehe Abbildung 6). Das Inhouse-Factoring, bei dem die Servicefunktionen vom Unternehmen selbst übernommen werden, ist die Factoring-Art, die von den klassischen Factoring-Nutzern am stärksten gewählt wird (rund 42 Prozent) - bei Ärzten ist diese Art des Factorings hingegen völlig unbedeutend. Dies hängt offenbar zum einen mit der geringeren Betriebsgröße der Factoring-Nutzer aus dem Gesundheitswesen zusammen. Zum anderen wird durch die Auslagerung der Buchhaltung, des Mahnwesens und vor allem durch das Outsourcing der Abrechnung versucht, das sensible Arzt-Patienten-Verhältnis zu schützen. Die Erbringung und die Abrechnung der Gesundheitsdienstleistung werden dadurch von unterschiedlichen Stellen geleistet.

Dass Factoring vor allem zur Entlastung der Buchhaltung genutzt wird, kommt deutlich in den Gründen für die Nutzung von Factoring zum Ausdruck. Neben der Liquiditätssicherung und dem Schutz vor Zahlungsausfällen, die auch außerhalb des Gesundheitswesens für kleine Unternehmen ein wichtiges Motiv für Factoring sind, wird die Entlastung der Buchhaltung von fast 80 Prozent der Befragten als Grund genannt, warum die Abrechnung der Gesundheitsleistungen über einen Factor erfolgt. Daneben spielt die Gewährung längerer Zahlungsziele eine gewichtige Rolle. Die Unabhängigkeit von Banken, die in anderen Branchen häufig genannt wird, ist bemerkenswerterweise für die meisten Leistungserbringer im Gesundheitswesen kein Grund, Factoring einzusetzen (siehe Abbildung 7).

Die Leistungserbringer im Gesundheitswesen nehmen - im Gegensatz zu anderen Factoring-Nutzern - mehrheitlich keine zusätzlichen Services in Anspruch (knapp 57 Prozent). Eine gewisse Bedeutung haben noch Inkassobüros, die von knapp einem Drittel der Befragten genutzt werden (knapp 32 Prozent). Da Factoring-Nutzer aus anderen Branchen überwiegend kein Full-Service-Factoring nutzen, ergänzen sie ihre in Anspruch genommenen Factoring-Dienstleistungen um zusätzlichen Service wie beispielsweise Auskunfteien (18 Prozent), Kreditversicherungen (33 Prozent) oder Inkassobüros (10 Prozent).

Erfahrungen der Factoring-Nutzer

Die Erwartungen, die durch die Nutzer im Gesundheitswesen mit dem Einsatz von Factoring verknüpft sind, werden ganz überwiegend erfüllt: Die mit Abstand vier häufigsten Motive für die Wahl von Factoring im Gesundheitswesen, nämlich Sicherung der Liquidität, Schutz vor Zahlungsausfällen, Entlastung der Buchhaltung und Gewährung längerer Zahlungsziele, sind die mit Abstand am häufigsten genannten Auswirkungen, die der Forderungsverkauf hatte (siehe Abbildung 8, Seite 10).

Ungefähr 95 Prozent der Leistungserbringer im Gesundheitswesen beurteilen die Anbindung an das Factoring-Unternehmen als gänzlich unproblematisch oder als einfach. Dieser Wert übertrifft noch die durchweg positiven Erfahrungen der Factoring-Nutzer anderer Branchen (siehe Abbildung 9). Möglicherweise macht sich hier bemerkbar, dass das Factoring im Gesundheitswesen nur von Unternehmen angeboten wird, die auf die besonderen Eigenarten dieser Branche spezialisiert sind. In den übrigen Branchen sind die erbrachten Leistungen sehr viel heterogener und lassen sich weniger stark standardisieren.

Die durchweg positiven Erfahrungen bei der Anbindung an das Factoring-Unternehmen korrespondieren mit der Dauer der Einführung von Factoring: Im Durchschnitt wurde für jede der drei Phasen (Kontaktaufnahme bis Angebot, Angebot bis Vertragsabschluss und Vertragsabschluss bis Erstauszahlung) weniger als drei Wochen benötigt. Die vielfältigeren Strukturen und Bedürfnisse der Factoring-Nutzer aus anderen Branchen führen dazu, dass in allen drei Phasen im Durchschnitt mehr Zeit zur Umsetzung benötigt wurde (siehe Abbildung 10).

Die guten Erfahrungen, die die meisten Nutzer aus dem Gesundheitswesen mit Factoring gemacht haben, schlagen sich in einer ganz überwiegend positiven Gesamteinschätzung nieder: Knapp 80 Prozent der Befragten bewerten das Image von Factoring mit sehr gut und gut; dieser Wert liegt deutlich über dem Wert von gut 58 Prozent, der in anderen Branchen erzielt wurde (siehe Abbildung 11).

Fußnote

1) Vgl. Hartmann-Wendels, Thomas/Spörk, Wolfgang: Steigende Akzeptanz und häufigere Nutzung von Factoring, in: FLF, 66. Jahrgang, 2/2019, Seite 82 - 91.

UNIV.-PROF. DR. THOMAS HARTMANN-WENDELS ist seit 1999 Direktor des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln und außerdem geschäftsführender Direktor des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht sowie des Forschungsinstituts für Leasing.
E-Mail: hartmann-wendels[at]wiso.uni-koeln[dot]de
 
DR. WOLFGANG SPÖRK ist Akademischer Oberrat am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln.
E-Mail: spoerk[at]wiso.uni-koeln[dot]de
Dr. Wolfgang Spörk , Akademischer Oberrat am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln
Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels , Direktor, Seminar für ABWL und Bankbetriebslehre, Universität zu Köln, Köln, geschäftsführender Direktor, Institut für Bankwirtschaft und Bankrecht, Forschungsinstitut für Leasing

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X