INTERNATIONAL

Auswirkungen von Covid-19 auf die globale Fintech-Industrie

Interview mit Dr. Francesc Rodriguez Tous

Dr. Francesc Rodriguez Tous, Foto: Cass Business School

Die Coronavirus-Pandemie hat erhebliche Auswirkungen auf die globale Finanztechnologie. Die elektronische Zahlung erweist sich dabei für Verbraucher als eine praktische und auch hygienische Methode zur Abwicklung von Transaktionen. Kleine Unternehmen nutzen vermehrt selbst Kreditplattformen, um in dieser Krise auf dringend benötigte Notfallfonds zuzugreifen. Was bedeuten diese Entwicklungen für den Finanzsektor? Dr. Francesc Rodriguez Tous erläutert die Herausforderungen und Chancen, die die Krise für Online-Kredit- und Zahlungsplattformen mit sich bringt. (Red.)

Herr Dr. Rodriguez Tous, wie hat das Coronavirus Global Fintechs beeinflusst?

Der Einfluss des Coronavirus auf Fintechs hat eine Reihe von Permutationen. Schon vor der Krise sprachen einige Stimmen von der Fintech-Blase, aber die Pandemie bietet mehreren Akteuren der Branche neue Chancen. Beispielsweise sind Peer-to-Peer-Kreditplattformen zu einem wichtigen ergänzenden Instrument geworden, um die finanzielle Unterstützung der britischen Regierung für kleine Unternehmen weiter zu verteilen und ihnen dabei zu helfen, während der Turbulenzen der Abriegelung notwendige Mittel zu leihen.

Es hat auch eine starke Verlagerung weg vom Bargeld gegeben, da die Zahl der persönlichen Interaktionen und Transaktionen stark zurückgegangen ist und das Virus über Banknoten und Münzen übertragen werden kann. Fintech-Firmen, die sich auf bargeldlose Transaktionen spezialisiert haben, sehen die Vorteile dieser Entwicklung durch die verstärkte Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungen. Natürlich muss dem mit wirksamen Cyber-Sicherheitsmaßnahmen begegnet werden. Kurz gesagt, die verschiedenen Fintech-Segmente sind auf unterschiedliche Weise betroffen, und es wird interessant sein zu sehen, welche Firmen gestärkt werden und welche ihren Vorsprung verlieren.

Inwieweit wirken sich die Bedrohungen der Cyber-Sicherheit aufgrund der zunehmenden Fernarbeit auf die Anbieter aus?

Cyber-Sicherheit ist ein wichtiges Thema, das von vielen Kunden übersehen zu werden scheint. Ein großer effektiver Hackerangriff auf eine große Fintech-Plattform kann die gesamte Branche gefährden und das Vertrauen der Verbraucher in die Finanzverschlüsselung schädigen.

Je mehr Online-Transaktionen genutzt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit von Cyber-Angriffen und Cyber-Angriffsversuchen. Gleichzeitig erhöhen Fintech-Firmen ihre Investitionen in die Cyber-Sicherheit und mit dem Aufkommen des Quantencomputings schreitet der Sektor technologisch sehr schnell voran.

Kann die Cyber-Sicherheit mit den raschen Entwicklungen der Fintechs mithalten?

Das ist schwer zu sagen, aber der Cybersicherheitssektor wird genutzt, um gegen immer raffiniertere Hackerangriffe anzutreten. Es stimmt jedoch, dass die Online-Nutzung aufgrund der Pandemie zugenommen hat und daher der potenzielle Gewinn durch Hacking höher ist. Es gibt noch andere Elemente, wie zum Beispiel die Wirkung des Quantencomputers bei den gegenwärtigen Verschlüsselungsmethoden. Aber insgesamt bin ich zuversichtlich, dass die Cybersicherheit mit den Entwicklungen Schritt halten wird.

Wie sieht es denn mit dem Datenschutz aus bei Global Fintechs?

Dieser Punkt steht in enger Verbindung zur Cyber-Sicherheit und ich denke, es gelten die gleichen Bemerkungen, solange es um den Schutz von Daten vor Hacking-Versuchen geht. Wenn dies andererseits mit Einschränkungen bei der Verwendung von persönlichen Daten zusammenhängt, wie sie beispielsweise von der EU (Datenschutz-Grundverordnung) auferlegt werden, dann kann dies das Wachstum einiger Fintech-Unternehmen in Europa begrenzen. Selbst große Unternehmen wie Facebook sehen sich aufgrund ihres Umgangs mit persönlichen Daten einer starken Kontrolle ausgesetzt.

Können die Technologie-Unternehmen nach der Pandemie stärker denn je sein?

Die Zunahme der Fernarbeit bedeutet, dass größere Mengen an Online-Daten und -Informationen über Netzwerke ausgetauscht werden. Diese Daten können vom Einsatz von Videokonferenzsoftware über häufigere Online-Einkäufe bis hin zu Online-Finanztransaktionen zur Vermeidung von Bargeld reichen. Der Hauptvorteil für die Fintech-Industrie liegt in der Nutzung und Speicherung solcher Daten, die im Prinzip den Unternehmen des Sektors weitere Möglichkeiten bieten sollten, während ihre Dienstleistungen stärker nachgefragt werden.

Geraten die traditionellen Banken durch Corona weiter ins Hintertreffen?

Möglicherweise, aber vielleicht nicht auf kurze Sicht. In dieser Krise haben Regierungen und Zentralbanken die Banken genutzt, um Gelder in die Realwirtschaft zu leiten. Damit wurde ihre traditionelle Rolle in gewisser Weise gestärkt. Aber ich denke, dass die Folgen der Pandemie den bereits bestehenden Trend beschleunigen werden. Kunden, die aufgrund der schlechten Online-Infrastruktur bestimmte Bankgeschäfte nicht durchführen konnten oder Schwierigkeiten hatten, werden sicherlich nach Alternativen suchen.

Was sind die Vorteile von Fintechs, die traditionelle Banken nicht bieten (können)?

Es gibt mehrere, aber ich möchte auf die Flexibilität, den Mangel an regulatorischen Beschränkungen und die Erfahrung mit großen Datenbeständen als drei der markantesten Merkmale im Vergleich zu traditionellen Banken hinweisen. Globale Fintechs können ihr Geschäftsmodell viel schneller anpassen als traditionelle Banken, was es ihnen erlaubt, profitablere Möglichkeiten zu verfolgen. Dazu trägt natürlich auch die Tatsache bei, dass der traditionelle Bankensektor streng reguliert ist. Dies könnte sich jedoch ändern, da einige Aufsichtsbehörden weltweit Fintech-Firmen verstärkt unter die Lupe nehmen. Schließlich haben viele globale Fintech-Firmen ein Fachwissen über große Datenmengen entwickelt, das den traditionellen Banken fehlt, obwohl einige von ihnen aufholen.

Bei Fintechs spielt sich alles digital ab. Was ist mit kompetenter, persönlicher Bankberatung?

In der Robo-Beratungsbranche gibt es eine Debatte zu diesem Thema, und derzeit stellen einige der Firmen menschliche Berater für Kunden ein, die einen solchen benötigen. Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, aber meine persönliche Meinung ist, dass Computer bessere Ratschläge geben - typischerweise ohne menschliche Voreingenommenheit. Jedoch könnte man Menschen brauchen, um Kunden davon zu überzeugen, diesen Rat zu befolgen. In gewisser Weise gibt es also eine große Chance für eine Zusammenarbeit.

Wäre die Kooperation von Fintechs mit Banken also ein erfolgsversprechendes Konzept?

Das könnte sein, aber die Zusammenarbeit mit konventionellen Banken ist mit hohen regulatorischen Kosten verbunden. Zum Beispiel könnte die Zusammenarbeit mit Banken bedeuten, dass alle Anti-Geldwäsche-Bestimmungen eingehalten werden müssen. Selbst wenn es generell Raum für eine solche Zusammenarbeit gibt, ist es daher so, dass Fintech-Unternehmen dadurch einen Teil ihres Vorteils verlieren könnten.

Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Fintech-Landschaft?

Nun, ich habe keinen Rahmen, um die Entwicklung in diesem Sektor wirklich zu bewerten. Einige Sektoren waren etwas enttäuschend, wie zum Beispiel die Peer-to-Peer-Kreditvergabe, aber das ist wahrscheinlich eher auf einen übertriebenen Hype zurückzuführen. Ein weiteres Problem war, dass viele Fintech-Firmen länger als erwartet brauchen, um ein profitables Stadium zu erreichen, was kontinuierliche Runden mit frischem Kapital erfordert. Die gegenwärtige Krise könnte daher einige dieser Firmen aus dem Markt drängen.

Manche Fintechs stehen anderen Fintechs gegenüber besser da. Was zeichnet den Erfolg aus?

Es gibt viele Merkmale und auch wenn wir von Fintech sprechen, unterscheiden sich ihre Merkmale in Wirklichkeit sehr stark. Unternehmen, die sich eine Nische erobern konnten, in der traditionelle Banken früher hohe Gewinnspannen hatten - grenzüberschreitende Überweisungen kommen in den Sinn - sind in der Regel Erfolgsgeschichten.

Mit welchen Schwierigkeiten haben Fintechs nach wie vor zu kämpfen?

Viele haben noch nicht das Stadium der Rentabilität erreicht, sodass sie ständige Finanzierungsrunden benötigen. Dies, zusammen mit der potenziell zunehmenden Aufsicht durch die Aufsichtsbehörden, könnte ihren potenziellen Erfolg relativieren.

Was sagen Sie Fintech-Kritikern?

Ich habe noch keine getroffen! Aber es gibt immer eine gewisse Besorgnis der Kunden, wenn neue Firmen entstehen. Vor allem, wenn alles online abgewickelt wird. Aber das passiert bei jeder Innovation; letzten Endes nehmen viele dieser Kunden die neue Technologie an, weil sie in der Regel bequemer ist.

Kann man sagen, dass Global Fintechs nachhaltiger sind als die traditionellen Banken?

Nicht unbedingt. Aufgrund der Schlüsselrolle, die die traditionellen Banken zumindest im Moment spielen, ist ihr Geschäft mittelfristig nachhaltig. Obwohl der Sektor sehr streng reguliert ist, profitieren sie auch von der billigen Liquidität durch die Zentralbank und die Einlagensicherung.

Der Fintech-Sektor hingegen verändert sich sehr schnell - das ist ein großes Merkmal des Sektors - und das bedeutet, dass einige Geschäftsmodelle sehr schnell unrentabel werden könnten. Aber als Sektor betrachtet, denke ich, dass der Fintech-Sektor in einigen Jahren eher dominieren wird.

Herr Dr. Rodriguez Tous, vielen Dank für das Gespräch und Ihnen alles Gute.

Aus dem Englischen übersetzt von Ida Junker.

Dr. Francesc Rodriguez Tous ist Dozent an der Fakultät für Finanzen der Cass Business School, London, und Mitglied des Cass Centre for Banking Research. Seine Forschung konzentriert sich auf das Bankwesen, mit besonderem Schwerpunkt auf Bankenregulierung und systemische Risiken.
Twitter
Noch keine Bewertungen vorhanden


X