LEASING

"Erfolgreiche Digitalisierung im IT-Leasing"

Interview mit Martin Feith und Elena Diehl

Martin Feith, Foto: Lukas Dostal

Sich ständig ändernde Marktbedingungen sowie immer neue gesetzliche Regularien und aufsichtsrechtliche Vorgaben üben Druck auf Leasing-Gesellschaften aus. Digitale Lösungsansätze können helfen, diesen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig Prozesse zu optimieren. Die beiden Interviewpartner vertreten die Navax Unternehmensgruppe und kennen die Zwickmühle, in der viele Unternehmen derzeit stecken. Sie beschreiben eine Lösung und zeigen im Rahmen eines Best-Practice-Beispiels, worauf bei der Implementierung zu achten ist. (Red.)

Was sind die modernen Herausforderungen für Leasing-Gesellschaften?

Martin Feith: "Moderne" Herausforderungen würden wir in diesem Kontext nicht sehen. Was für andere Branchen seit Jahren selbstverständlich ist, kommt jetzt erst bei den Leasing-Gesellschaften langsam an. Die aktuellen Herausforderungen sind die logische Konsequenz einer verzögerten Digitalisierung der Finanzdienstleistungsbranche, die sich zu lange vor Investitionen und großen technologischen Umstellungen wie beispielsweise ihres Kernsystems gefürchtet hat. Die Probleme sind sozusagen überfällig.

Elena Diehl: Die Unsicherheit ist maßgeblich auf eine Inflexibilität, bedingt durch sich ständig ändernde Marktanforderungen, diverse aufsichtsrechtliche Regularien und zunehmende Compliance-Anforderungen zurückzuführen. Diese machen auch vor kleineren Gesellschaften keinen Halt, die oftmals nicht über die Expertise, Zeit- und Geldressourcen verfügen, um beispielsweise die neue BAIT Novelle, die in Richtung Sicherheit neue Anforderungen definiert, zu erfüllen. Veraltete IT-Systeme speichern gegebenenfalls nicht die erforderlichen Daten. Wenn hier Standardtechnologien eingesetzt werden, sind diese einfacher und kostengünstiger auf Sicherheitslücken zu prüfen und weisen aufgrund regelmäßiger Betrachtung für gewöhnlich weniger Sicherheitsrisiken auf.

Man versucht also, mit veralteter Technik aktuelle Probleme zu lösen?

Martin Feith: Die Branche steht seit Jahren unter einem enormen Ertrags- und Kostendruck, gepaart mit einer zunehmenden Komplexität in der Abwicklung. Dabei müssen Produkte, Prozesse und Dokumente kurzfristig erweitert und angepasst werden, um auf neue Marktanforderungen rasch reagieren zu können. Oftmals werden also schnelle Lösungen gefordert, was zur Folge hat, dass eine bestehende, technologisch veraltete Systeminfrastruktur modular erweitert wird. Dass die einzelnen Programme schließlich technologisch auf verschiedenen Ständen sind und daraus enorme Wartungsaufwände resultieren und Innovationen gehemmt werden, ist eine logische Konsequenz.

Elena Diehl: Das Kernsystem füttert andere Applikationen mit relevanten Daten. Die Aufbereitung dieser Daten und Konsolidierung der verschiedenen IT-Anwendungen ist oftmals sehr aufwändig und fehleranfällig. Die Herausforderung, die IT-Infrastruktur technologisch auf dem aktuellen Stand zu halten und gleichzeitig die diversen fachlichen und regulatorischen Anforderungen zu meistern und schnell umzusetzen, existiert folglich seit vielen Jahren.

Das Einzige, was sich geändert hat, ist das zunehmende Tempo der Digitalisierung durch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz sowie die Bedeutung von Cloud oder Software-as-a-Service. Viele Applikationen sind nunmehr ausschließlich als Cloudlösungen verfügbar. Eine intelligente Risikosoftware braucht beispielsweise valide Daten und oftmals ist die benötigte Rechenleistung nur in der Cloud realisierbar und wirtschaftlich. Sogar die Bundesbank setzt bereits auf Cloudlösungen, um ihre Analysefähigkeiten zu verbessern. Das bedeutet, es muss jetzt und nicht irgendwann gehandelt werden. Digitale Nachzügler sind langfristig nicht mehr handlungs- beziehungsweise wettbewerbsfähig.

Welchen Lösungsansatz verfolgen Sie?

Martin Feith: Wir setzen auf eine Komplettlösung im Rahmen eines Softwarestandardprodukts. Diese Finanzierungsplattform ermöglicht, durch eine einfache und flexible Hinzunahme miteinander interagierender intelligenter Systemlösungen und Services, die Anreicherung der Value Proposition - also der Alleinstellungsmerkmale - eines Finanzdienstleisters. Unsere Lösung ist sowohl auf lokalen Servern beziehungsweise Rechenzentren (on-premises) als auch in der Cloud (off-premises) verfügbar. Dabei ist neben der Abwicklung des Leasing-Geschäfts die Möglichkeit, Kredit-, Einkaufsfinanzierungs- oder Factoring-Geschäfte mitabzubilden, gegeben.

Elena Diehl: Der Einsatz einer Standardsoftware reduziert den Anteil an Individualprogrammierungen. Als Komplettlösung werden weniger verschiedene Anwendungen zur Abwicklung des operativen Geschäfts benötigt und somit Schnittstellen und damit verbundene Aufwände reduziert. Dadurch ist eine optimierte Datenqualität gegeben, welche die Auswertung und Analyse von Kundendaten stark vereinfacht und die Aussagekraft und Validität der Ergebnisse garantiert. Die Mitarbeitenden arbeiten zentral aus einer Lösung mit einer gewohnten und bedienerfreundlichen Benutzerober fläche.

Wichtig ist außerdem, dass die gewünschte Lösung nachhaltig konzipiert ist. Eine Technologie, die beispielsweise als Cloudlösung betrieben werden kann, ermöglicht auch kleinen Finanzinstituten den Zugang zu leistungsstarken und kostenintensiven Technologien.

Was muss eine geeignete Software können?

Martin Feith: Die Digitalisierung ermöglicht, einen Leasing-Vertrag vollautomatisch, ohne manuellen Eingriff und ortsunabhängig abzuwickeln. Zudem bieten die neuen Technologien eine erhöhte Verfügbarkeit und Sicherheit indem Daten in der Cloud abgespeichert und flexibel orts- sowie geräteunabhängig abgerufen werden können. Eine geeignete Software muss den gesamten Leasing-Prozess abbilden - von der Finanzierungsanbahnung über ein vollintegriertes Webportal, den Genehmigungsprozess, die Aktivierung bis hin zu täglicher Vertragsverwaltung, Zahlungsverkehr, Finanzbuchhaltung und Reporting. Außerdem sollte die Systemarchitektur durch Programmierschnittstellen (API) einen sicheren Datenfluss zu eventuell erforderlichen Drittsystemen oder Meldesoftware ermöglichen. Die Software sollte aber auch nachhaltig und revisionssicher sein sowie mit der Firma mitwachsen.

Elena Diehl: Durch eine flexible Softwarekomplettlösung erwirbt man gleichzeitig Standardprodukte sowie Standardprozesse und kann diese individuell einrichten. Somit werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schrittweise durch vordefinierte sowie effiziente und intelligente Arbeitsprozesse geführt. Effizienzgewinne können also durch gut durchdachte und flexibel anpassbare Prozesse realisiert werden.

Bei der Miller Leasing haben Sie eine spezielle Softwarelösung für Finanzdienstleister eingesetzt. Was zeichnet diese aus?

Martin Feith: Ja, die Miller Leasing ist ein inhabergeführter Spezialist für IT-Finanzierungen. Dort haben wir Henri for Leasing eingesetzt. Das ist eine Komplettsoftware für sämtliche Geschäftsprozesse einer Leasing-Gesellschaft, inklusive integrierter Finanzbuchhaltung und vielfältiger Reportingmöglichkeiten auf Basis eines sogenannten Data Warehouses. Sämtliche Geschäftsvorfälle werden sofort verbucht und Auswertungen sind in Echtzeit verfügbar. Herzstück sind unter anderem der integrierte Produktkonfigurator sowie der Workflow- und der Dokumentenkonfigurator. Diese erlauben eine flexible Anpassung der Lösung auf die individuellen Bedürfnisse.

Die Software eignet sich nicht nur für kleine oder mittlere Leasing-Gesellschaften, sondern ermöglicht, auf Grundlage der APIs, ebenfalls die Anbindung komplexer Bankingsoftware oder anderer Fremdlösungen. Somit lässt sich Henri in bestehende Systemlandschaften integrieren.

Elena Diehl: Wir bieten damit in der Tiefe die Möglichkeit, auch komplexe Prozesse im Standard abzubilden. Durch die offene Systemarchitektur können ergänzend andere Anwendungen angebunden werden. Der Kunde startet also mit Henri und entwickelt seine Prozesse und Produkte laufend im Standard weiter. Wenn das Unternehmen an seine funktionellen Grenzen stößt, kann es durch API spezialisierte Technologien anbinden.

Die wesentlichen Kundenanforderungen können durch Einrichtung, anstelle von Programmierung, flexibel umgesetzt werden. Im Produktstandard ist bereits ein Querschnitt aller Branchenanforderungen enthalten. Durch die flexible Entwicklungsumgebung lassen sich fast alle individuellen Anforderungen umsetzen.

Was sind die Vorteile?

Martin Feith: Der Automatisierungsgrad der Prozesse ist bei Miller Leasing beispielsweise deutlich gestiegen. Die Prozesse rund um Angebots- und Vertragserstellung, Bonitätsprüfung und Refinanzierung werden in Visio skizziert und können direkt in Henri abgebildet werden. Dies gibt den Mitarbeitenden mehr Flexibilität und Eigenständigkeit. Zusätzlich können sie mit der neuen Lösung viel effizienter arbeiten, denn die Oberfläche ist intuitiv und modern. Davon profitieren auch die Kunden.

Elena Diehl: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Miller Leasing sind mit individuellen Leasing-Szenarien und auch grenzüberschreitendem Leasing-Geschäft täglich konfrontiert. Diese komplexen Szenarien einfach abzubilden, innerhalb von kürzester Zeit ein maßgeschneidertes Leasing-Angebot zu kalkulieren und darauf aufbauend einen Vertrag zu erstellen, ist dank unserer am Standard orientierten Software und den durchdachten Prozessautomatisierungen umsetzbar.

Die Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse ermöglicht ein noch effizienteres Arbeiten bei gleichzeitiger Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit. Mit Henri ist Miller Leasing zukunftssicher aufgestellt, kann schnell auf aktuelle Anforderungen von Markt und Gesetzgeber reagieren, verfügt über mehr Transparenz durch umfangreiche Auswertungsmöglichkeiten und hat eine erstklassige Datenqualität.

Was muss man bei der Implementierung beachten?

Martin Feith: Solch ein Projekt ist ganzheitlich anzusehen. Es betrifft alle Ebenen eines Unternehmens und sollte von allen gleichermaßen mitgetragen werden. Daher sollte auch die interne Kommunikation diesbezüglich forciert werden, um eventuelle Ängste und Unsicherheiten im Vorfeld zu zerstreuen. Wichtig ist, den Go-live-Termin einer solchen Softwarelösung so zu wählen, dass genügend Zeit vorhanden ist, um sich mit dem neuen System vertraut zu machen und die Funktionen ausführlich zu testen. Damit kann gewährleistet werden, dass das Tagesgeschäft nicht unter der Einführung leidet.

Elena Diehl: Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es außerdem wichtig, sich von alten Prozessen zu lösen. Henri hat seine eigene Struktur, auf die man sich voll und ganz einlassen sollte. Hilfreich sind dabei die Bereitstellung von erfahrenen Key-Usern sowie klare Entscheidungswege im Projekt. Bei Miller Leasing war es das Ziel, alle Leasing-Kernprozesse im Enterprise-Resource-Planning zu integrieren, über eine erstklassige Datenqualität zu verfügen sowie effizientes Arbeiten durch Prozessoptimierung und Digitalisierung zu ermöglichen. Das umfasst, so nah wie möglich am Standard zu arbeiten und Individualprogrammierungen zu reduzieren, um unnötige Kosten zu vermeiden. Zusätzlich sollte eine schnelle Reaktion auf aktuelle Anforderungen von Markt und Gesetzgeber gegeben sein.

Gibt es Grenzen der Software?

Martin Feith: Henri wird laufend weiterentwickelt und regelmäßig auf den neuesten technologischen Stand gebracht, um zukunftssicher zu sein. Mit Blick auf das zunehmende Tempo der Digitalisierung und der zahlreichen Möglichkeiten, die moderne Technologien bieten, ist es erfolgskritisch, eine Softwarelösung technisch aktuell zu halten. Dies ermöglicht die Realisierung einer nachhaltigen IT-Strategie und die Absicherung gegen das Risiko, dass eine veraltete IT-Infrastruktur das Unternehmen de facto handlungsunfähig macht.

Martin Feith , Mitglied der Geschäftsleitung der Navax Unternehmensgruppe
Elena Diehl , Sales Managerin bei der Navax Unternehmensgruppe

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