FACTORING

"Factoring ist eine langfristige Partnerschaft"

Interview mit Christian Stoffel

Christian Stoffel ist Chief Commercial Officer Factoring der Targobank AG, Mainz, Foto: Targobank

Seit mehr als 20 Jahren ist Christian Stoffel bei Targo Commercial Finance und den Vorgängergesellschaften GE Capital Bank AG und Heller Bank AG tätig. In dieser Zeit hat der 42-Jährige mehrere Unternehmensübernahmen miterlebt, zuletzt die durch die Targobank AG. Wie beurteilt der heutige Chief Commercial Officer Factoring die Marktentwicklung und welche künftigen Trends sieht er? Dazu mehr in diesem Interview. (Red.)

Seit November 2018 sind Sie Chief Commercial Officer Factoring der Targobank AG. Was verbirgt sich hinter dieser Funktion?

Vor gut 20 Jahren habe ich in diesem Hause angefangen, das war 1998 und in meinem Fall damit fast ein halbes Leben. Damals kam ich über ein berufsintegriertes Studium zum Factoring, habe verschiedene Regionalleiterfunktionen im Vertrieb und später regionale Vertriebsleiterfunktionen übernommen. Seit 2011 habe ich die Gesamtvertriebsleitung für Deutschland inne. Im Rahmen der Veränderungen auf Geschäftsleitungsebene, die sich zum 1. August 2018 ergaben, bin ich zum 1. November 2018 Chief Commercial Officer Factoring geworden. Damit verantworte ich neben den klassischen Vertriebsbereichen und der Vertriebsunterstützung alle marktseitigen Aktivitäten wie zum Beispiel den Bereich der Strukturierten Finanzierung, in dem wir komplexe Finanzierungslösungen, die auch grenzüberschreitend sein können oder im Rahmen von M&A-Transaktionen stattfinden, an bieten.

Seit mehr als 20 Jahren sind Sie im Factoring-Markt aktiv. Wie hat sich die Branche seither gewandelt?

Factoring ist nach wie vor ein wachsendes und überaus spannendes Produkt. Mit Blick auf die Factoring-Quoten im europäischen Vergleich haben wir dort durchaus noch Potenzial in Deutschland. Hauptargumente für Factoring sind weiterhin schnelle und einfache Liquidität - und dies verlässlich und planbar. Sehr viele unserer Kunden sind schon seit etlichen Jahren, teilweise sogar seit Jahrzehnten, bei uns. Factoring ist eine langfristige Partnerschaft. Da begleitet man einen Unternehmenszyklus, in dem es für das Unternehmen hervorragend läuft. Aber auf der anderen Seite gibt es auch das eine oder andere Tal, das man dann gemeinsam durchschreiten muss. Wir beobachten, dass es gerade in schwierigen Zeiten für die Unternehmen eine Herausforderung ist, eine Bankfinanzierung zu bekommen. Eine Factoring-Gesellschaft hingegen steht als verlässlicher Finanzierungspartner in den verschiedensten Situationen zur Verfügung.

Factoring ist im Laufe der Jahrzehnte deutlich aus dem Exotenstatus zu einem gängigen Finanzierungsinstrument erwachsen. Auch große Unternehmen mit deutlich über 500 Millionen Euro Jahresumsatz beschäftigen sich heutzutage mit Factoring, für den gehobenen Mittelstand gilt es als adäquates Finanzierungsmittel und als Alternative zu einem ABS-Programm. Das liegt sicherlich auch daran, dass der Mittelstand einen Generationswechsel vollzogen hat. Die heutige Generation im "Driver seat" schaut ergebnisoffen auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten. Mit Blick auf die gesamte Branche würde ich darüber hinaus noch eine wesentliche Veränderung in der Regulierung des Factoring-Geschäftes sehen. Die regulatorischen Anforderungen sind stetig gestiegen.

Die jüngeren Unternehmenslenker sind zumeist internetaffiner. Auf der Marktseite entstehen zunehmend Fintechs, die schnelles Factoring über das Internet anbieten. Wie stehen Sie dazu?

Wir schauen uns sehr interessiert auch andere Modelle an und haben enge Beziehungen mit dem einen oder anderen Fintech. Die Welt ist an der Stelle wie so häufig nicht schwarz oder weiß. Oftmals kommt auch bei Fintechs eine Hybridform zur Anwendung mit sehr vielen digitalen Prozessen, von denen etablierte Partner lernen können - zum Beispiel beim KYC-Prozess oder Prozessen im Zahlungsabgleich. Dennoch stehen neben diesen digitalen Prozessen auch manuelle Prozesse und Entscheidungen sowie der persönliche Kontakt zum Kunden. Es ist also häufig nicht nur ein digitales Miteinander. Wir betrachten sehr genau, was die einzelnen Marktteilnehmer tun, um modulweise zu lernen und einzelne Themen auch für unser Haus zu nutzen.

Ich persönlich denke nicht, dass das Factoring-Geschäft in absehbarer Zeit ohne jeglichen persönlichen Kontakt funktionieren wird. Am Ende des Tages sind es Menschen, die miteinander zu tun haben. Und ich habe bisher in dem Marktsegment, in dem wir tätig sind, noch keinen Anbieter gesehen, der eine mittlere zweistellige Millionenfinanzierung ausschließlich durch einen digitalen Prozess entscheiden lässt, ohne den Unternehmer dahinter kennen und verstehen zu wollen.

Was das Thema Digitalisierung angeht, haben wir unsere Hausaufgaben frühzeitig gemacht. Unsere Prozesse laufen heute schon sehr stark automatisiert. Mit rund 280 Mitarbeitern bearbeiten wir rund 80 000 Rechnungen pro Tag. Das geht nur mit einem hohen Automatisierungsgrad.

Dennoch muss man sich kontinuierlich verbessern und die Prozesse weiter optimieren. Dafür ist es gut, sich mit den entsprechenden Fintechs auszutauschen und zu schauen, was man daraus lernen kann. Was uns als Factoring-Branche auf jeden Fall hilft: Dadurch, dass Fintechs in aller Munde sind, können wir die Lösung Factoring im Markt bekannter machen, was uns allen in der Branche zugutekommt.

Welche Entwicklungen sehen Sie im Factoring-Markt? B2C hat aktuell hohe Zuwachsraten.

Das ist ein spannendes Feld, weil es ein großes Potenzial mit sich bringt. Und die Targobank ist eine Bank, mit der wir eine gute Kundenbasis und entsprechendes Knowhow haben. Dennoch tue ich mich mit B2C-Factoring etwas schwer aufgrund der vielen datenschutzrechtlichen Besonderheiten. Hier wären Erleichterungen wünschenswert. Ähnliche Erleichterungen wären auch für den Healthcare-Markt in Deutschland zu wünschen.

Wenn man sich die demografische Entwicklung in Deutschland anschaut, ist der Gesundheitsmarkt ein stark wachsendes Marktsegment, aber aus dem Sozialgesetzbuch heraus getrieben bestehen hier teilweise sogar noch höhere Anforderungen an die Abtretbarkeit und den Verkauf von Forderungen.

Wo sehen Sie Zukunftsfelder für Ihr Unternehmen??

Wir haben sehr viel Erfahrung in unserem Hause, was Themen wie die Einbindung von Factoring in bestehende syndizierte Finanzierungen betrifft, beim Cross-Border-Factoring oder bei der Einbindung von Factoring in einen M&A-Prozess. Wir können beispielsweise Factoring-Lösungen in verschiedensten Jurisdiktionen anbieten, wie den USA, UK oder den Niederlanden. Dabei wollen wir der Begleiter von Unternehmen sein, die einen Bedarf an internationalen Factoring-Lösungen haben. Durch unser Knowhow schaffen wir einen deutlichen Mehrwert in Bezug auf Finanzierungsvolumen und Prozessgeschwindigkeit.

In welchen Branchen ist Targo Factoring aktiv?

Wir sind überall dort tätig, wo Factoring rechtlich möglich ist. Factoring ist ein relativ einfaches Produkt: Wir kaufen eine Forderung. Und so einfach wie dieses Produkt ist, so einfach sollte möglichst auch das Grundgeschäft sein, das der Forderung zugrunde liegt. In jeder Branche, in der die Verität der Forderung gegeben ist, kaufen wir die Forderung an und finanzieren diese. Es gibt keine Ausschlusskriterien, die wir geschäftspolitisch aufgesetzt hätten. Hinsichtlich möglicher Chancen und Risiken schauen wir uns jedes Unternehmen einzeln an. Die Erfahrung zeigt, dass es nicht die eine ausfallträchtige Branche gibt, sondern es ist immer das einzelne Unternehmen, welches es individuell zu betrachten gilt.

Wo sehen Sie weitere Wachstumschancen im Markt?

Wir wollen das Rad sicherlich nicht vollständig neu erfinden, aber es gibt Möglichkeiten, unter dem Oberbegriff Factoring weitere Produktinnovationen zu entwickeln. Und das ist eines unserer strategischen Ziele in den kommenden Jahren.

Wir werden sehen, dass die Digitalisierung weiter voranschreitet und dies wird weitere Möglichkeiten auf der prozessualen Seite ergeben. In der Factoring-Branche wird sich die Konsolidierung sicherlich weiter fortsetzen. Und wir werden sehen, dass weitere Player, auch internationale, dazu kommen. Chinesische Banken drängen in den europäischen Markt, die auch Factoring anbieten könnten. Wenngleich der deutsche Markt im Moment doch sehr stark französisch geprägt ist.

Dazu gehört ebenfalls die Targobank mit ihrer Muttergesellschaft Crédit Mutuel. Wie hat sich die Unternehmensübernahme im Markt ausgewirkt?

Für unsere Kunden war stets entscheidend, dass die persönlichen Ansprechpartner, die man häufig seit vielen Jahren kennt, dieselben sind und ob die Prozesse unverändert bleiben. Beides konnten wir bejahen. Die Attribute, die uns unter anderem auszeichnen, nämlich Verlässlichkeit und Kontinuität, waren auch nach der Übernahme stets gewährleistet. Insofern konnten wir die Transaktion mit einer großen Gelassenheit auf Kundenseite vollziehen.

Natürlich hilft an der Stelle auch eine marktführende Position im Bereich Factoring zu haben. Im Markt sind wir gut bekannt, die einzelnen Intermediäre kennen uns persönlich. So standen stets die Themen Leistungsfähigkeit und persönlicher Kontakt im Vordergrund. Es hat sicherlich sehr geholfen, dass uns unser neuer Gesellschafter von Beginn an ein sehr großes Vertrauen in unser Handeln entgegengebracht und die Entscheidungskompetenzen lokal belassen hat.

Was hat sich seit der Übernahme geändert?

Es ist einfacher geworden, vor allem im Verständnis zu dem, was wir tun und wie wir Entscheidungen treffen. GE ist ein Industriekonzern mit der Finanzdienstleistungssparte GE Capital. Beim neuen Eigentümer handelt es sich um eine Bankengruppe. Gerade regulatorische Themen lassen sich da deutlich einfacher diskutieren, man hat ein einheitliches Grundverständnis und kommt damit schneller zu Entscheidungen.

Wie hat sich die Targo Commercial Finance entwickelt und wo will sie hin?

Wir haben das Geschäftsjahr 2018 mit 49,3 Milliarden Euro Factoring-Umsatz abgeschlossen und sind mit dem Ergebnis zufrieden. Selbstverständlich gehen Themen wie die anhaltende Niedrigzinsphase und die damit einhergehende hohe Liquidität im Finanzierungsmarkt auch an der Factoring-Branche nicht spurlos vorbei.

Ich bin jedoch sehr zuversichtlich für das laufende Geschäftsjahr, und wir planen auch in diesem Jahr weiter zu wachsen. Wir wollen unsere Marktposition weiter ausbauen. Wenngleich ich an dieser Stelle sagen muss, dass der erzielte Factoring-Umsatz zwar ein wichtiger Indikator, aber nie unser einziger Antrieb ist. Aufgrund unserer Historie und unserer technischen und personellen Möglichkeiten haben wir den Anspruch, eine marktführende Position im Factoring einzunehmen. Allerdings wollen wir dies nicht um jeden Preis. Wir wollen ein profitabler Marktteilnehmer sein, denn nur so können Sie auch als langfristiger Partner für Ihre Kunden agieren. Und dies ist unsere oberste Maxime.

Wir sind Spezialist und fokussieren uns auf das Produkt und die Lösung Factoring - in allen Varianten. Für uns ist dies Kerngeschäft und das wird es auch bleiben. Die zwei entscheidenden Erfolgsfaktoren dabei sind eine hervorragende IT-Infrastruktur und das Knowhow der Mitarbeiter durch lange Betriebszugehörigkeit über alle Funktionen und Hierarchieebenen hinweg. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit unserer aktuell 280 Beschäftigten in Mainz liegt bei elfeinhalb Jahren. Wir profitieren davon, dass wir unseren Nachwuchs selber ausbilden. Ich bin dafür ein gutes Beispiel.

Neben unseren Mitarbeitern ist es vor allem unser IT-System, das uns auszeichnet. Unser Factoring-System Factorlink haben wir eigens entwickelt, vor gut 15 Jahren selber gelauncht und kontinuierlich weiterentwickelt. Das System ist sehr detailliert auf die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten und bietet damit eine sehr gute Grundlage. In Kombination mit den Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen eine hervorragende Verbindung.

Woher kommt der Personalnachwuchs?

Ich komme aus einer Zeit, da war das Bankgeschäft sehr attraktiv für junge Leute. Das hat sich ein Stück weit gewandelt - Bank ist für viele nicht mehr "en vogue". Wir haben beste Erfahrungen damit gemacht, Nachwuchskräfte selbst auszubilden und dann auch weiterzuentwickeln und zu fördern. Was dabei hilft, ist wiederum die Markenbekanntheit der Targobank. Zudem bilden wir Nachwuchskräfte in Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule in Baden-Württemberg aus. Ich bin dort im Prüfungsausschuss und pflege einen engen Kontakt zur Hochschule und zu den Studierenden. Außerdem rekrutieren wir online und sprechen auch mit Schulen, um die Bekanntheit von Factoring weiter zu fördern und junge Menschen für unsere Dienstleistungen zu begeistern. Gerade im regionalen Umfeld wollen wir eine "Awareness" dafür schaffen, dass es hier einen Arbeitgeber gibt, der motivierte Mitarbeiter sucht. Denn auch personell wollen wir weiter wachsen.

Das Gespräch führte Kati Eggert, Redaktion.

Christian Stoffel, Chief Commercial Officer Factoring, Targobank AG, Mainz
Xing
LinkedIn
twitter

Noch keine Bewertungen vorhanden


X