"Finanzierungen stabilisieren und fördern die Konjunktur"

Frederik Linthout spricht über die Bedeutung von Finanzierung in der Krise

Frederik Linthout, Foto: Uwe Lammer

Rückblick auf 2020: Herr Linthout, inwieweit hat die Corona-Krise die Branche getroffen?

Die gesamte Wirtschaft und auch unsere Gesellschaft sind durch die Corona-Krise in einem ganz außergewöhnlichen Maße gefordert. Wir befinden uns mitten in einer Pandemie, deren gesamtes Ausmaß noch nicht abschätzbar ist, uns aber mit Sicherheit noch für lange Zeit beschäftigen wird. Die Aussicht auf einen Impfstoff ist dabei ein Lichtblick, der für Verbraucher und Unternehmen entscheidend ist. Wirtschaft ist schließlich immer auch ein Stück weit Psychologie.

Der Finanzierungsbranche kommt im Gesamtkontext unserer Wirtschaft eine bedeutsame Rolle zu - als Motor der Konjunktur. Mit Blick auf das vergangene Jahr haben die Kreditbanken einen spürbaren Rückgang im Neugeschäft verzeichnet, insbesondere im zweiten Quartal. Der Gesamtbestand an Krediten ist dabei noch relativ stabil geblieben. Was wir erfreulicherweise auch gesehen haben ist, dass bei unseren gewerblichen und privaten Kunden vorübergehende Rückzahlungsschwierigkeiten schnell wieder behoben waren.

Auf welche Weise konnten der Bankenfachverband und seine Mitglieder den Kredit- und Leasing-Kunden besonders helfen, durch die Krise zu kommen?

Was uns als Konsum- und Investitionsfinanzierer auszeichnet ist, dass wir uns als Partner unserer Kunden verstehen. Und das eben auch genau in solchen Situationen, in denen es aufgrund einer besonderen wirtschaftlichen Lage zu finanziellen Engpässen kommt und die Raten vorübergehend nicht oder nur teilweise bezahlt werden können. Die Mitglieder des Bankenfachverbandes haben sich hier auf einen verständnisvollen Umgang mit ihren Kunden verständigt. Unser Kodex zur verantwortungsvollen Kreditvergabe besteht seit mehr als zehn Jahren.

Für das private Kreditgeschäft gab es im zweiten Quartal ein gesetzliches Moratorium, das im zweiten Halbjahr durch diverse privatrechtliche Moratorien flankiert wurde. Bedeutsam - sowohl für das gewerbliche als auch für das Verbraucher-Kreditgeschäft - waren auch die bilateralen Vereinbarungen zu Anpassungen der Zahlungspläne, mit denen wir auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden eingehen konnten. Und die Bereitschaft zu solchen Anpassungen ist in der ganz überwiegenden Mehrheit der Fälle durch eine Rückführung in den Regelkapitaldienst belohnt worden.

Welche Chancen ergeben sich durch die Krise für die Finanzbranche?

In der Krise zeigt sich, auf wen man zählen kann. Im Verlauf der Pandemie konnten und können wir als Kreditbanken unsere wichtige Rolle als Finanzintermediäre im Wirtschaftskreislauf unter Beweis stellen. Dies entspricht unserem Selbstverständnis als Kreditgeber, dürfte aber zugleich auch ein Stück weit unsere Reputation wieder gestärkt haben. Gerade in Zeiten einer schwachen konjunkturellen Entwicklung mit einem rückläufigen privaten Konsum und stagnierenden Ausrüstungsinvestitionen zeigt sich umso mehr die Bedeutung von Finanzierungsoptionen für Unternehmen und Verbraucher. Finanzierungen stabilisieren und fördern die Konjunktur.

Corona hat uns aber auch in einem anderen Bereich Chancen beschert, in puncto Digitalisierung. Die Situation des Lockdowns hat uns eindrücklich vor Augen geführt, wie wichtig digitale Optionen gerade auch für Geschäftsabschlüsse sind. Von der aktuellen Erfahrung versprechen wir uns im Bankenfachverband ein Umdenken in der Politik. Wir fordern seit langen Jahren regulatorische Anpassungen bei Kreditabschlüssen mit zeit- und sachgerechten Anforderungen bei der Geldwäscheprüfung. Versicherungs- oder Kaufverträge können Verbraucher einfach online abschließen, für Kredite gilt dagegen noch das strenge Schriftformerfordernis. Ich bin optimistisch, dass wir auch durch Corona einem unserer wichtigsten Anliegen, dem digitalen Kredit, ein gutes Stück näherkommen werden.

Wie sind Sie in der Verbandsarbeit mit der Krise umgegangen?

Gerade am Anfang der Pandemie war es für den Verband natürlich wichtig, seinen Mitgliedern schnell einen fundierten Überblick über die Maßnahmen von Gesetzgeber und Aufsicht zu geben, welche die wirtschaftlichen Folgen der Krise eingedämmt haben. Das ist uns nach Meinung der Mitgliedsinstitute sehr gut gelungen. Der Lockdown stellte aber natürlich auch für uns als Verband eine herausfordernde Ausnahmesituation dar. Doch mit einem motivierten, agilen Team stellten wir die Tätigkeit in der Geschäftsstelle des Verbandes innerhalb eines Wochenendes auf einen Home-Working-Modus um. Zum Nutzen unserer Mitglieder war die Verbandsarbeit in der gewohnten Qualität jederzeit sichergestellt.

Die Arbeit in den Verbandsgremien findet erfolgreich über virtuelle Kommunikations-Tools statt. An dieser Stelle zahlt es sich - wie auch in anderen Arbeitsfeldern - aus, einen festen Kreis von Mitwirkenden zu haben. Wer sich persönlich kennt, kann auch online gut zusammenarbeiten. Auch unsere Workshops und Konferenzen für die Mitglieder finden per Web statt. Gleichwohl freuen wir uns alle auf die Zeit, wenn persönliche Treffen wieder möglich sind.

Für welche Themen haben Sie sich in Zusammenarbeit mit den politischen Entscheidungsträgern besonders eingesetzt?

Bei den Corona-Krisengesetzen, die im Frühjahr mit der gebotenen Geschwindigkeit verabschiedet wurden, und auch bei den darauf folgenden zahlreichen Aktivitäten der europäischen und nationalen Bankenaufsicht ging es darum, die Interessen der kreditgebenden Wirtschaft ins Blickfeld der Handelnden zu rücken. Der Bankenfachverband ist dabei unter anderem auch mit weiteren Verbänden der Finanzierungsbranche in Form einer Verbändeallianz aktiv geworden. Auch bei der regulatorischen Behandlung von Stundungen wurden wichtige Hilfestellungen geschaffen. So haben die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden schnell wichtige Leitlinien zu Auslegungs- und Anwendungsfragen im Kontext der Corona-Krise im Bereich der bankaufsichtsrechtlichen Ausfalldefinition gegeben. Dies hat der Kreditwirtschaft den Weg geebnet, gemeinsam mit den Kreditnehmern schnell und unbürokratisch individuelle und passgenaue Lösungen für einen Zahlungsaufschub zu finden.

Erleichterungen für die Kreditinstitute gibt es auch in anderen Bereichen. Die Umsetzung der novellierten Mindestanforderungen an das Risikomanagement und der bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ins Jahr 2021 verschoben. Vereinfachte Sanierungspläne dürfen später als ursprünglich vorgesehen eingereicht werden. Beim Thema aufsichtlicher Überprüfungsprozess (SREP) führen die Europäische Zentralbank und die BaFin in 2020 keine Neubewertung durch. Kapital- und Liquiditätspuffer dürfen temporär unter schritten werden. Auch der Baseler Ausschuss hat der Kreditwirtschaft ein Jahr mehr Zeit für die Umsetzung von Basel IV eingeräumt. Diese Maßnahmen sind und waren absolut notwendig, um den Banken den nötigen Freiraum für die Krisenbewältigung einzuräumen.

Ausblick auf 2021: Was erwarten Sie im kommenden Jahr?

Sowohl die Bundesregierung als auch die Wirtschaftsweisen gehen von einer konjunkturellen Erholung im Jahr 2021 aus. Wir alle wissen natürlich, dass viel vom weiteren Verlauf der Pandemie und auch der Möglichkeit einer Impfung abhängen wird. In der Phase nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 haben wir jedenfalls gesehen, dass die Wiedererholung relativ schnell wieder eingesetzt hat. Gleichwohl wird die Krise an vielen Unternehmen und Verbrauchern natürlich nicht spurlos vorbeigehen.

Für den Markt ist insgesamt zu erwarten, dass sich das private und auch das gewerbliche Kreditgeschäft viel stärker digital abspielen wird, als wir uns dies vor einem Jahr in der Kurzfristigkeit hätten vorstellen können. Die Erfahrungen aus der Corona-Krise werden also den Digitalisierungstrend sicherlich verstärken und beschleunigen. Insbesondere auch bei der digitalen Identifizierung und bei digitalen Geschäftsabschlüssen ist hier noch Potenzial zu schöpfen. Was die Zukunft der Branche anbelangt, bin ich insgesamt optimistisch gestimmt. Der Bedarf an Finanzierungen für Konsum- und Investitionsgüter wird auch weiterhin wachsen und die Anbieter werden die Bedarfe ihrer Kunden gern erfüllen.

Ist die Branche für das nächste Jahr gewappnet?

Wenn wir auf die letzten Jahre zurückblicken, so haben wir es mit einer Phase zu tun, die von überschaubaren Kreditrisiken geprägt war. Dass sich diese Zeiten irgendwann ändern würden, war abzusehen. Im Frühjahr 2020 mussten wir uns als Branche plötzlich auf neue Rahmenbedingungen für unser Geschäft einstellen, und zwar wie in einem Stresstest. Dies haben die Institute in den Plan-Szenarien berücksichtigt und für Risiken ausreichend Vorsorge getroffen.

Insgesamt ist die Finanzierungsbranche gut kapitalisiert und auch gut aufgestellt, um sowohl die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen als auch die Kundenbedürfnisse umfassend zu befriedigen.

Frederik Linthout ist seit Mai 2019 Vorstandsvorsitzender des Bankenfachverbands e.V., Berlin. Seit April 2018 ist Linthout Geschäftsführer der Gefa Bank GmbH mit den Verantwortlichkeiten Marktfolge, Compliance, Recht, Revision, Steuern und Zahlungsverkehr.
 
 
Noch keine Bewertungen vorhanden


X