FACTORING

Flexibilität für Kleinstunternehmen und Selbstständige

Interview mit Joachim Kaune

Joachim Kaune, Foto: Fundflow, Nadine Stenzel

Vor vier Jahren in einem hart umkämpften Markt als Start-up gestartet, zählt der Factoring-Anbieter Fundflow GmbH heute zu den wichtigsten Finanzierungspartnern von kleinen Unternehmen und Freiberuflern. Die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen und per Knopfdruck über kurzfristige Liquiditätsengpässe hinweghelfen ist die Devise. Joachim Kaune ist Mitgründer des Fintechs. Im Interview spricht er über die Gründungszeit, das Potenzial von Marktlücken, die Entwicklung des Geschäfts und die Chancen, die die Corona-Krise mit sich bringt. (Red.)

Herr Kaune, wie ist es zur Gründung von Fundflow gekommen?

Als freiberuflicher Berater hatte ich einmal Außenstände in Höhe von mehreren zehntausend Euro. Da hatte dann meine Kreditkarte irgendwann nicht mehr funktioniert. Gerade wenn man Freiberufler ist, hat man es schwer mit Dispositionskrediten. Dazu kamen unbezahlte Rechnungen, denn auch solide Zahler nehmen gerne das Zahlungsziel von 60 Tagen voll in Anspruch. Ein anderes Mal hatte ein von mir selbst verursachter Flüchtigkeitsfehler in einer Rechnung einen Zahlungsprozess unnötig in die Länge gezogen. Diese Erfahrungen waren ein Baustein, einer der Impulse zur Gründung.

Zum anderen konnte ich durch meine damaligen Tätigkeiten hautnah miterleben, wie starr und unflexibel Banken und Versicherungen sein können aufgrund von Regulierungen und veralteten IT-Systemen. Es ist gar nicht so einfach, dort etwas zu verändern. Da hatte ich mir gedacht, es wäre doch schön, etwas mit neuer Technik aufzubauen, um ohne diese Altlasten viel flexibler auf die besonderen Anforderungen von Kleinstunternehmern und Freiberuflern einzugehen.

Es gab Zuschuss von diversen Förderprogrammen. Welche Voraussetzungen mussten Sie erfüllen?

Wir haben zum einen Fördermittel bekommen vom High-Tech-Gründerfonds sowie von der Investitionsbank Berlin im Rahmen des Profitprogramms. Der High-Tech-Gründerfonds ist ein Risikokapitalgeber. Da ging es darum zu überzeugen, dass wir eine Lösung bieten, die in der Breite große Akzeptanz findet und sich mit vielen Kunden noch besser rechnet. Mit der Technik der von uns entwickelten Software können wir einige tausend Kunden fast genauso gut bedienen wie einige hundert Kunden.

Bei dem Förderprogramm der Investitionsbank Berlin geht es um EU-Fördergelder. Ein Großteil der Darlehen hat einen Zuschussteil. Dieser soll für industrielle Forschung eingesetzt werden. Das eignete sich perfekt für die Entwicklung unseres proprietären Risikomanagementsystems. Anders als traditionelle Anbieter ermöglichen wir unseren Kunden die flexible Nutzung. Dadurch gibt es andere Fragestellungen auf der Risikoseite. Gleichzeitig haben wir viele kleine Kunden, bei denen Automatisierung noch viel wichtiger ist. Über einige Jahre hinweg haben wir ein automatisiertes System gebaut, das immer weiterentwickelt wird, um dieses Produkt dem Kunden auf eine Art und Weise anzubieten, dass es sich rechnet.

Was konkret unterscheidet Fundfow von anderen Anbietern?

Es gibt keine Rahmenverträge. Der Kunde kann unseren Service je nach Bedarf flexibel nutzen. Es gibt einen Einzelkaufvertrag für eine Forderung und eine Abtretung danach. Das ermöglicht dem Kunden, das Ganze einfach einmal auszuprobieren. Und wenn es ihm gefällt, nutzt er es wieder.

Dazu bieten wir eine einmalige, transparente All-in-Gebühr. Die einzige Ausnahme für zusätzliche Kosten sind die Mahngebühren. Es gibt keine Limitgebühren, keine Jahresgebühren, keine sonstigen Prüfungs- und Direktzahlungsgebühren.

Gibt es Kritiker an dem Geschäftsmodell?

Bei einigen Vorgängern, die ähnliche Geschäftsansätze hatten, hat es nicht funktioniert. Da gab es natürlich Skepsis im Markt und berechtigte Fragen. Dem konnten wir mit pragmatischen und digitalen Ansätzen begegnen. Wir haben es geschafft, das Geschäftsmodell wirklich an den Markt zu bringen und den Kunden eine gute Lösung an die Hand zu geben, mit der Kleinunternehmer einen Teil der Arbeit einfach outsourcen und so den Cashflow stabilisieren beziehungsweise vorziehen können.

Wie zufrieden sind Sie mit den Entwicklungen in den letzten Jahren?

Unsere ambitionierten Ziele haben wir nicht erreichen können. Doch wir sind ein gutes Stück vorangekommen und haben dabei viele Dinge rausgefunden, die wir vorher nicht wussten. Entsprechend haben wir die Firma und dann auch das Produkt optimiert. Alles in allem erwirtschaftet das Geschäft einen guten Deckungsbeitrag. Wir haben auch andere Preispunkte als man aus der kontinuierlichen Nutzung über Rahmenverträge bei größeren Kunden kennt. So gesehen sind wir mit der Entwicklung sehr zufrieden.

Zusätzlich müssen wir uns das Marktumfeld anschauen, in dem sich einiges verändert hat. Damals im Jahr 2016 gab es ja eine Vielzahl von Fintech-Gründungen, auch gerade im Factoring-Umfeld. Und das hat sich ausgedünnt. Es gibt eine gewisse Konsolidierung am Markt. Ich denke, dass das Produkt sich bewährt hat und jetzt einige der Gründungen aus 2016 weiter in die Wachstumsphase gehen und dann mehr und mehr Kunden von dem Service überzeugen.

Wie funktioniert der Vertragsabschluss?

Zunächst gibt es ein paar Telefonate mit unseren Mitarbeitern aus dem Kundenservice, um das Produkt noch einmal zu erklären. Im Mittelstand ist Factoring eine etablierte Finanzierungsform. Bei anderen Kunden wie beispielsweise einem IT-Freelancer ist es aber ein nicht so bekanntes Finanzierungs- oder Abrechnungsinstrument. In solchen Fällen ist ein gewisser Beratungsbedarf vorhanden.

In einem nächsten Schritt registriert sich der Kunde auf unserer Website, durchläuft eine Videoidentifizierung und verknüpft sein Bankkonto mit Lesezugriff. Das hat den Vorteil, dass ein Finanzierungslimit schnell freigeschaltet werden kann und in der Regel binnen weniger Werktage die erste Finanzierung aufs Konto gezahlt wird. Nach der Registrierung muss die Rechnung zusammen mit der Bankverbindung dann noch einmal bei uns ins Portal hochgeladen werden. Es handelt sich um einen Rechnungskauf, bei dem der Kaufbetrag entsprechend von uns ausgezahlt wird. Der Rechnungsempfänger zahlt dann bei Fälligkeit direkt an uns.

Ohne die Digitalisierung wäre das alles vermutlich nicht denkbar?

Einen Factoring-Vertrag abzuschließen, ist aufwändig und kostspielig. Der Prozess von der Kundenakquise bis zum Onboarding geht nur durch den Einsatz von moderner Technik und Automatisierung, wenn das Geschäft rentabel sein soll. Dasselbe gilt für die Auftragsabwicklung. Wir haben sehr schlanke, automatisierte Prozesse, die selbst bei kleinteiligen Geschäften gut funktionieren. So können wir auch bei kleinen Rechnungen profitabel auf die Forderung reagieren.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Das ist ein überaus wichtiges Thema, da beim Factoring mit sehr sensiblen Daten umgegangen wird. Deswegen ist es uns wichtig, sehr gründlich zu sein. Gerade im Hinblick auf die Datenschutz-Grundverordnung haben wir viel mit unserem Datenschutzbeauftragten zusammengesessen, etliche Details ausgearbeitet und sorgfältig dokumentiert. Natürlich ist die Datenschutz-Grundverordnung in der Auslegung auch immer noch eine Sache, wo weiter nachgefeilt wird. Im Rahmen dessen arbeiten wir kontinuierlich an Verbesserungen, damit wir immer auf dem aktuellen Stand der Technik sind.

Gibt es etwas, das Sie rückblickend anders machen würden?

Da fallen mir viele Themen ein. Zufrieden ist man als Unternehmer ja nie. Ich glaube, wenn man jetzt noch einmal neu anfangen würde mit der Erfahrung, die man nun hat, würde man nur noch wenige Monate benötigen, um durchzustarten. Aber das ist ja immer so, dass es beim zweiten Mal schneller geht. Das Team hat auf jeden Fall tolle Arbeit geleistet. Daher vielen Dank an die Mitarbeiter, die Investoren und das Netzwerk. Ohne diese Unterstützung wären wir nicht so weit gekommen.

Selbst würde ich mir raten, enger an den Kunden zu arbeiten, näher am Kundenbedarf das Produkt zu entwickeln und erst einmal zu schauen, dass es an der Kundenschnittstelle sauber funktioniert. Nach und nach können dann die Prozesse und die Technik nachgezogen und weiterentwickelt werden.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Geschäft aus?

Wenn die Kunden nur die Hälfte Umsatz machen, dann reichen sie maximal die Hälfte der Forderungen im Factoring ein. Bei flexibler Nutzung ist es eher noch weniger. Und wenn dann darüber hinaus Kunden die durchaus sehr wichtigen Corona-Soforthilfen erhalten, ist der Finanzierungsbedarf für die nächsten Monate bedient. Dadurch ist die Nachfrage nach unserem Service kurzfristig sehr stark runtergegangen. Zum Glück sind wir aber breit gestreut und haben wenige der Problembranchen in unserem Portfolio. Auch auf der Risikoseite haben wir erfreulicherweise keine coronabedingten Komplikationen. Lediglich auf der Umsatzseite merken wir einen starken Rückgang.

Hat das aus Ihrer Sicht langfristige Auswirkungen?

Das lässt sich aus zwei unterschiedlichen Ebenen beantworten, bezogen auf die Wirtschaft und auf uns. Gesamtwirtschaftlich gesehen denke ich, wenn man einen Einbruch zwischen zehn und 20 Prozent erleidet und danach ein Wachstum von ideal zwei Prozent schafft, dann dauert das bis zu einem Jahrzehnt, um wieder auf das Niveau von vor dem Shutdown zurückzukommen.

Bei Fundflow verhält sich das vermutlich anders. Ich glaube, dass unsere Kunden nach der Krise viel digitaler aufgestellt sein werden und dass die Offenheit für digitale Factoring-Vertriebswege bei den Kleinstkunden stark hochgehen wird. Dazu hatten wir in den Vorjahren Wachstumsraten zwischen fünf und 15 Prozent pro Monat. Das alles wird uns zugutekommen und wir haben somit den Vorteil, dass wir schneller aufholen können.

Welche Meilensteine möchten Sie nach Corona angehen?

Das Unternehmen ist auf Wachstumskurs. Wir müssen wachsen, damit wir unseren Technikapparat auch gegenfinanzieren. Wir haben das traditionelle Factoring-Geschäft und zusätzlich noch eine eigene Produktentwicklung, sozusagen ein eigenes IT-Unternehmen. Da haben wir jetzt vermutlich ein verlorenes Jahr. Nichtsdestotrotz sind weiteres Wachstum und neue Produkte geplant. Dazu soll es weitere Integrationen geben, dass unsere Kunden unser Produkt noch einfacher nutzen können. Wir haben festgestellt, dass gerade die einfache Nutzbarkeit ein Riesenvorteil ist, für den die Kunden dann auch bereit sind, etwas höhere Gebühren zu bezahlen.

Was wünschen Sie sich besonders?

Ich hoffe, dass wir immer mehr aus dem Shutdown herauskommen und dass für die kleinen Unternehmen Lösungen gefunden werden, damit sie weiterbestehen können. Ich würde mich wirklich freuen, wenn man bei den Hilfsprogrammen auch die Fintechs miteinbezieht. Denn diese sind darauf spezialisiert, kleinen Unternehmen Liquidität zur Verfügung zu stellen.

Etablierte Prozesse und Strukturen sollte man nutzen, um Probleme wie bei den Soforthilfen in Nordrhein-Westfalen zu vermeiden. Auch mithilfe moderner Technik hätte so etwas umgangen werden können. Aufgrund des Zeitdrucks wurde dies aber so nicht umgesetzt. Es wäre schön, wenn an der einen oder anderen Stelle nachgebessert wird. Dass man Expertise, Prozesse und Ressourcen gut einsetzt.

Herr Kaune, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

Joachim Kaune ist Gründer und Geschäftsführer der Fundflow GmbH, Berlin.
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