LEASING

"Leasing gewinnt an Bedeutung"

Interview mit Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels

Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels, Foto: Universität zu Köln

In diesem Jahr feiert das Forschungsinstitut für Leasing an der Universität zu Köln sein 35-jähriges Bestehen. Es wurde gegründet, um eine systematische, wissenschaftliche und unabhängige Erforschung des Produkts Leasing zu ermöglichen. Universitäts-Professor Thomas Hartmann-Wendels erklärt, warum diese Einrichtung so wichtig ist. Außerdem spricht er über den Wandel inhaltlicher Schwerpunkte, Praxisrelevanz und die Bedeutung von akademischer Lehre für die Leasing-Branche. (Red.)

Herr Professor Hartmann-Wendels, wozu braucht die Leasing-Branche ein Forschungsinstitut?

Leasing hat sich - ausgehend von den bescheidenen Anfängen zu Beginn der 60er Jahre - zu einem Produkt entwickelt, das heute nicht mehr wegzudenken ist. Während im B2C-Geschäft das Fahrzeug-Leasing eindeutig dominiert, gibt es im B2B-Bereich mittlerweile nahezu keine Objektart mehr, deren Nutzung nicht über Leasing möglich wäre. Der in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückte Gedanke der Sharing-Economy belegt, welches Potenzial Leasing auch in der Zukunft haben wird: Es kommt immer weniger auf das Eigentum an einem Objekt an, sondern die Nutzung eines Objekts ist entscheidend.

Trotz der zunehmenden Bedeutung des Leasings findet dieses Thema in der Wissenschaft wenig Beachtung. Noch immer wird Leasing dort eher als Randthema behandelt, die Zahl der Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften ist überschaubar. Das Forschungsinstitut für Leasing will durch die eigene Forschungstätigkeit zeigen, dass Leasing wissenschaftliches Potenzial hat, um so andere Wissenschaftler dazu anzuregen, sich mit dem Thema Leasing auseinanderzusetzen. Nur durch eine stärkere Verankerung des Leasings in der Wissenschaft lassen sich Erkenntnisse gewinnen, wie das Produkt Leasing gestaltet werden muss, um auch in der Zukunft erfolgreich zu sein. Darüber hinaus werden heute - zum Teil getrieben durch die regulatorischen Vorgaben - wesentlich höhere Anforderungen an das Management von Leasing-Gesellschaften gestellt. Dies erfordert ebenfalls eine wissenschaftliche Unterstützung.

Wie ist das Forschungsinstitut für Leasing an die Universität zu Köln angebunden?

Das Forschungsinstitut für Leasing ist ein sogenanntes "An-Institut", das heißt, es ist eine der Universität angegliederte Einrichtung, die aber finanziell unabhängig von der Universität ist und eine eigene Budgetverantwortlichkeit hat.

In einem Kooperationsvertrag zwischen der Universität zu Köln und dem Forschungsinstitut ist geregelt, welche Leistungen die Vertragspartner füreinander erbringen. So erbringt das Forschungsinstitut für die Wirtschaftsund Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln Leistungen in der Lehre und kann umgekehrt auf die Forschungsinfrastruktur der Universität zugreifen. So können zum Beispiel die vom Forschungsinstitut betreuten Doktoranden sich in den Kursen des Doktorandenprogramms der Fakultät das nötige methodische Rüstzeug aneignen, um hochwertige Forschungsarbeiten zu erstellen.

Welche Aufgaben und Ziele hat das Forschungsinstitut für Leasing?

Gemäß seiner Satzung hat das Forschungsinstitut für Leasing die Aufgabe, auf dem Gesamtgebiet Leasing Grundlagenforschung zu betreiben sowie die Anwendbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse auf die Praxis zu untersuchen und die Ausbildung qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses zu fördern.

An dieser grundsätzlichen Aufgabenstellung hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1984 nichts geändert. Das Forschungsinstitut hat in den 35 Jahren seines Bestehens sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung betrieben. Im Rahmen zahlreicher Dissertationsprojekte wurden sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse erzielt als auch wissenschaftlicher Nachwuchs qualifiziert. Hinzugekommen ist als neue Aufgabe die Verankerung von Leasing in der akademischen Lehre. Lehrveranstaltungen zum Leasing, die durch das Forschungsinstitut begleitet werden, sind an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln fester Bestandteil des Lehrprogramms in den Bachelor- und Master-Studiengängen. Dies ist die Grundlage, um den wissenschaftlichen Nachwuchs für das Thema Leasing zu interessieren.

Welche Schwerpunkte hat das Forschungsinstitut in den 35 Jahren seines Bestehens inhaltlich bearbeitet?

In den ersten Jahren seines Bestehens ging es vor allem darum, einen wissenschaftlichen Zugang zu dem damals noch recht jungen Produkt Leasing zu finden. So wurden die in betriebswirtschaftlicher Sicht charakteristischen Merkmale des Leasings herausgearbeitet, um Leasing in das Spektrum der Finanzierungsmöglichkeiten einordnen zu können. Daneben spielten Fragen der steuerlichen und bilanziellen Behandlung von Leasing-Verträgen eine große Rolle.

Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts hat sich das Forschungsinstitut intensiv mit den institutionenökonomischen Grundlagen des Leasings beschäftigt. Welche Eigenheiten des Leasings führen dazu, dass Investitionsmaßnahmen mit geringeren Transaktionskosten als bei einer Kreditfinanzierung realisiert werden können? In den letzten Jahren hat sich das Institut vermehrt der Schätzung von Verlustquoten ausgefallener Leasing-Verträge gewidmet.

Des Weiteren ging es auch immer um die Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen, die die Leasing-Branche betreffen. So wurde im Vorfeld der Unternehmenssteuerreform 2008 untersucht, welche Konsequenzen eine Belastung der Leasing-Raten mit Gewerbesteuern hat. Im Zuge der Einführung einer eingeschränkten Bankenaufsicht wurde der Sinn einer Regulierung von Leasing-Gesellschaften kritisch hinterfragt und es wurde untersucht, welche Kostenbelastung mit der Regulierung verbunden ist. Bei der Reform der internationalen Rechnungslegungsvorschriften für Leasing habe ich das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee beraten; eine kritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Vorschlägen des IASB war Gegenstand mehrerer Publikationen, an denen ich mitgewirkt habe.

Auch zu Veränderungen im regulatorischen Umfeld von Leasing-Gesellschaften hat das Forschungsinstitut kritisch Stellung bezogen: Beispiele hierfür sind die Vorschläge zur Regulierung von Schattenbanken und die leasing-spezifische Gestaltung der Risikotragfähigkeitsrechnung im Rahmen der Mindestanforderungen an das Risikomanagement. In einer Forschungskooperation mit Leaseurope haben wir empirisch belegt, dass die Eigenkapitalanforderungen für Leasing-Exposures zu hoch sind und daher ein spezielles Risikogewicht für Leasing-Forderungen sinnvoll ist.

An welchen Forschungsthemen arbeiten Sie derzeit?

Wir beschäftigen uns nach wie vor mit dem Thema Verlustquoten. Zum einen geht es darum, neue Schätzmethoden zu entwickeln, die den Besonderheiten des Leasings gerecht werden und zum anderen untersuchen wir, wie der regulatorische Ansatz zur Berücksichtigung von Verlustquoten bei der Bemessung der Eigenkapitalanforderungen verbessert werden kann.

Ein zweiter Themenkomplex sind die Auswirkungen des IFRS 16 "Leases" auf die Nutzung von Leasing und auf die Gestaltung von Leasing-Verträgen. Wir werden hierzu eine empirische Erhebung durchführen, die gerade vorbereitet wird. Schließlich erstellen wir derzeit eine Datenbank, in der die Jahresabschlüsse von über 200 Leasing-Gesellschaften rückwirkend bis 2009 erfasst werden. Diese Datenbank wird dann weitere empirische Forschungen ermöglichen.

Wo werden die Forschungsergebnisse des Instituts sichtbar?

Das Forschungsinstitut gibt in unregelmäßigen Abständen die Schriftenreihe "Leasing - Wissenschaft & Praxis" heraus, in der über die Ergebnisse von Forschungsprojekten berichtet wird. Daneben werden Forschungsergebnisse des Instituts sowohl in praxisnahen Fachzeitschriften als auch in nationalen und internationalen akademischen Fachzeitschriften publiziert.

Wie wichtig ist für die Arbeit des Instituts der Kontakt zur Praxis?

Aus den zahlreichen Kontakten mit Vertretern aus der Praxis erhalten wir wertvolle Anregungen für Forschungsthemen, die wir bearbeiten können, sowie Daten für empirische Forschungsprojekte.

Umgekehrt ist uns sehr daran gelegen, unsere Forschungsergebnisse mit Praktikern diskutieren zu können. Auf diese Weise erhalten wir ein Feedback, ob die Annahmen, von denen unsere Analysen ausgehen, realitätsnah sind und ob unsere Ergebnisse mit den Erfahrungen in der Praxis kompatibel sind. Nur durch den ständigen Austausch mit der Praxis ist gewährleistet, dass unsere Forschungsergebnisse praktische Relevanz für die Leasing-Branche haben.

Welchen Stellenwert hat die akademische Lehre für das Institut?

Für mich ist die Einheit von Forschung und Lehre nach wie vor eine tragende Säule der Wissenschaft. Lehrveranstaltungen zum Themenbereich Leasing sind unerlässlich, um den wissenschaftlichen Nachwuchs für das Thema Leasing zu interessieren. Daneben geht es auch darum, die künftigen Entscheider in den Unternehmen mit dem Produkt Leasing vertraut zu machen. So ist Leasing aus bescheidenen Anfängen mittlerweile zu einem festen Bestandteil des Lehrprogramms in den Bachelor- und Masterstudiengängen geworden.

Im Bachelor-Studiengang ist Leasing mit einer vierstündigen Lehrveranstaltung vertreten. Gegenstand der Veranstaltung ist das Produkt Leasing, und zwar sowohl aus der Sicht des Leasing-Nehmers als auch aus der Perspektive des Leasing-Gebers. Im Master-Studiengang wird die sechsstündige Lehrveranstaltung "Management von Leasing-Gesellschaften" angeboten. Im Vordergrund stehen Fragen des Risikomanagements, des Controllings und der Vertriebssteuerung. Ergänzt wird diese Veranstaltung durch das Leasing-Planspiel, das den Studierenden die Möglichkeit gibt, in die Rolle der Geschäftsleitung einer Leasing-Gesellschaft zu schlüpfen, um ihre theoretischen Kenntnisse unter praxisähnlichen Bedingungen umzusetzen. Regelmäßige Gastvorträge von Praktikern sichern den Anwendungsbezug der Lehrinhalte. Der Besuch der Lehrveranstaltungen motiviert viele Studierende dazu, ihre Bachelor- oder Masterarbeit zu einem Thema aus dem Leasing-Bereich zu wählen. Hier ergeben sich zusätzlich Kooperationsmöglichkeiten mit der Praxis, die ich gerne noch stärker nutzen möchte.

Welchen Nutzen hat die Leasing-Branche vom Forschungsinstitut?

Leasing hat sich aus der Praxis heraus entwickelt und ist nicht das Ergebnis von Forschungsprojekten. Daher wird Leasing auch als Mysterium oder als Puzzle bezeichnet. Für die Leasing-Branche ist es wichtig, zu erkennen, worin das Erfolgsgeheimnis des Produkts Leasing liegt. Nur wenn die spezifischen Vorteile des Leasings erkannt und systematisch genutzt werden, wird Leasing sich im Wettbewerb mit anderen Finanzierungslösungen dauerhaft behaupten können. Die Entzifferung des Mysteriums Leasing ist daher ein wichtiges Anliegen des Forschungsinstituts, das der Branche helfen soll, die Grundlagen des eigenen Geschäftsmodells besser zu verstehen. Daneben werden aktuelle Fragestellungen, die die Leasing-Branche betreffen, wissenschaftlich begleitet. Dies betrifft überwiegend Fragen im Zusammenhang mit der Regulierung von Leasing-Gesellschaften sowie Fragen der Bilanzierung von Leasing-Verträgen gemäß den internationalen Rechnungslegungsvorschriften.

Die Lehrveranstaltungen zum Thema Leasing tragen dazu bei, dass die heutigen Studierenden, die die künftigen Entscheider sein werden, besser mit dem Produkt Leasing vertraut sind und bei finanzwirtschaftlichen Entscheidungen eher auf Leasing zurückgreifen. Darüber hinaus bildet das Forschungsinstitut qualifizierten Nachwuchs für die Leasing-Branche aus.

Wie finanziert sich das Forschungsinstitut?

Das Forschungsinstitut wird von einem Förderverein getragen, der sich aus den Beiträgen seiner Mitglieder finanziert. Mitglieder im Förderverein sind Leasing-Gesellschaften, Verbände, Kooperationspartner der Leasing-Branche und Privatpersonen. Der Förderverein stellt damit die materielle Grundlage für Forschungsprojekte und Lehre im Bereich Leasing bereit.

Welchen Nutzen bringt eine Mitgliedschaft im Förderverein?

Die Mitglieder des Fördervereins haben die Möglichkeit, ihre Ideen und Anregungen für Forschungsprojekte einzubringen und an dem intensiven Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis teilzunehmen. Im Download-Bereich der Internetseiten des Instituts haben die Mitglieder Zugang zu herausragenden Bachelor- und Masterarbeiten aus dem Leasing-Bereich. Darüber hinaus öffnet eine Mitgliedschaft im Förderverein die Tür für den Zugang zu qualifizierten Studierenden.

Univ.-Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels, Direktor, Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln, und geschäftsführender Direktor, Institut für Bankwirtschaft und Bankrecht sowie des Forschungsinstituts für Leasing, Köln

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