FACTORING

"Wir sind schon seit vielen Jahren Fintech"

Interview mit Thorsten König

Thorsten König, Foto: BNP Paribas Factor

Als Geschäftsführer der BNP Paribas Factor GmbH verantwortet Thorsten König das Factoring-Geschäft in Deutschland. FLF sprach mit ihm über aktuelle makroökonomische Herausforderungen, den Arbeitskräftemangel in der Branche und wie sein Unternehmen dafür aufgestellt ist. Der Vor sitzende des Arbeitskreises "PR und Strategie" im Deutschen Factoring-Verband sieht zudem weiteres Wachstumspotenzial für den Markt. (Red.)

Das Factoring-Volumen wächst beständig und hat in Deutschland inzwischen die Marke von 247 Milliarden Euro erreicht. Welches Marktwachstum halten Sie für realistisch? Und woher soll es kommen?

Bei unseren hausinternen, eigenen Schätzungen für den Factoring-Markt gehen wir von einem konstanten Wachstum von 3 bis 5 Prozent für die nächsten drei bis fünf Jahre aus. Das Wachstum kommt in der Breite durch Konzerne, die signifikant den Umsatz des Marktes als auch des einzelnen Anbieters steigern. Bei unseren nationalen und internationalen Kunden nimmt die Nachfrage kontinuierlich zu. Das Produkt gewinnt immer mehr an Popularität. Wenn wir in die Historie des Marktes zurückgehen, hat der Markt 2008 die Marke von 100 Milliarden Euro geknackt und acht Jahre später das Volumen auf 220 Milliarden mehr als verdoppelt.

Auch der Deutsche Factoring-Verband wächst weiter. Ich bin im Verband Vorsitzender des Arbeitskreises "PR und Strategie" und weiß daher, dass sich die Mitgliederzahl von derzeit 45 weiterhin erhöhen wird. Wir werden weiter wachsen und wollen in den nächsten Monaten einige Unternehmen für die Verbandsidee gewinnen. Wir haben Fintechs, kleinere und große Factoring-Gesellschaften und auch einige Factoring-Gesellschaften im Health-Sektor gewinnen können. Dadurch steigt die Anzahl der Factoring-Kunden im Vergleich von vor fünf Jahren stärker.

Dieser Trend wird sich fortführen. Zwar geht mit neuen Mitgliedern nicht automatisch eine steigende Nachfrage einher, aber wir sehen, dass über alle Segmente hinweg die Nachfrage nach Factoring zunimmt und wir im deutschen Markt mit einer Factoring-Quote von 7 Prozent noch sehr viel Potenzial haben, um zu wachsen.

Mit welchen Herausforderungen kämpft der Factoring-Markt aktuell?

Das Zinsumfeld stellt uns vor Herausforderungen, ebenso wie der makroökonomische Rahmen. Dieser wird zum Beispiel durch den Protektionismus der USA unter Präsident Trump oder das Abkühlen der chinesischen Volkswirtschaft geprägt. Und schließlich wurden die Wachstumsprognosen der deutschen Volkswirtschaft halbiert auf 0,8 Prozent, auch das hat Auswirkungen auf die Factoring-Branche.

Abgesehen vom Zinsumfeld gibt es ebenso Druck auf die Factoring-Gebühren. Hoffen wir, dass wir nunmehr den Bodensatz erreicht haben. Darüber hinaus stellt das Thema Regulatorik eine Herausforderung dar. Auch der Fachkräftemangel in Deutschland betrifft die Factoring-Branche, ebenso wie die Auswirkungen der Digitalisierung für die einzelnen Gesellschaften. Die Zahl der Herausforderungen wird eher mehr.

Die Abschwächung der Konjunktur wirkt sich auch auf das Factoring-Geschäft aus. Lässt sich diese Entwicklung kompensieren?

Nein. Die Nachfrage nach unserem Produkt ist über die Jahre sehr robust. Wenn man sich die Zahlen anschaut, konnten wir ein stetiges Wachstum verzeichnen. Es gab zwar eine Delle in 2009, die aber 2010 überkompensiert wurde. Das Produkt wächst in guten Zeiten, es wächst aber auch in schlechteren Zeiten. Das ist das Schöne: Factoring ist stabil und unterstützt Unternehmen über unterschiedliche Phasen hinweg. Deswegen ist es zunehmend eine gute Alternative und ein wichtiger Baustein in der gesamten Finanzierungsstruktur von größeren und kleineren Unternehmen.

Wie ist die BNP Paribas Factor aufgestellt?

Das Unternehmen wurde 1981 als Fortis Commercial Finance gegründet und hatte mehrere Gesellschafter, bevor es 2010 von BNP Paribas übernommen wurde. Heute sind wir in 17 Ländern vertreten und europäischer Marktführer - von Skandinavien über Benelux, Frankreich, Italien, Portugal, Marokko, Polen und der Türkei bis zu allen westeuropäischen Ländern, die wir als unsere Kernmärkte ansehen.

Wo liegen die besonderen regionalen Schwerpunkte?

In der BNP Paribas Gruppe gibt es vier "Domestic Markets", das sind Belgien, Italien, Frankreich und Luxemburg. Daneben gibt es in Europa einige Wachstumsmärkte, dazu gehört auch Deutschland. Demzufolge ist für die Factoring-Gruppe der deutsche Markt sehr wichtig. Unseren Wachstumsplan haben wir in den vergangenen Jahren immer übererfüllt. Dadurch nehmen wir in der gesamten Factoring-Gruppe eine recht starke Position ein.

In Deutschland sind Sie einer der führenden Factoring-Anbieter. Wie hat sich die BNP Paribas Factor im vergangenen Jahr entwickelt?

Sehr positiv auf zwei Ebenen: Die eine ist das Neugeschäft, das hat sich sehr gut entwickelt. Und die andere ist unsere Partnerschaft mit den Kunden. Wir führen langfristige Kundenbeziehungen - auch dieses Jahr feiern wir wieder ein 25-jähriges Jubiläum - und wachsen mit den Kunden, sodass wir im Bestand viele neue Geschäfte abschließen konnten. Dabei wurden ausländische Gesellschaften mit aufgenommen oder andere "Business Lines" der Kunden, die bisher noch nicht Teil des Factorings waren. Unsere Kunden sind sehr zufrieden, schätzen unsere flexiblen Lösungen und haben demzufolge ihr Geschäft mit uns ausgeweitet. Auf beiden Ebenen sind wir stark gewachsen, nicht nur bei unseren Corporate Kunden. Im Rahmen unserer Mittelstandsinitiative sind wir ebenfalls gewachsen und sind sehr zufrieden mit dem, was wir erreicht haben.

Inwieweit spielen Kundenverbindungen der Muttergesellschaft der BNP Paribas Gruppe eine Rolle?

Wir betreiben sehr viel Cross-Selling mit unseren Kollegen der BNP Paribas Bank. Dabei arbeiten wir sehr eng mit den Kollegen vom Corporate Institutionell Banking zusammen. Teile unserer Vertriebsmannschaft sitzen vor Ort in den Business Centern der Bank, weil wir von der Idee überzeugt sind, dass wir nah am Kunden sein wollen - demzufolge sind unsere Mitarbeiter deutschlandweit verteilt. Daraus ergeben sich viele Cross-Selling-Ansätze. Darüber hinaus arbeiten wir mit den anderen Gesellschaften der BNP Paribas zusammen, ob mit Arval oder Leasing Solution oder mit anderen Bereichen, die im B2B tätig sind. In unserem internationalen Netzwerk in der Factoring-Gruppe schaffen wir uns ebenso gegenseitig neue Geschäftsansätze, Stichwort Multi-Local Factoring.

Wie ist die Entwicklung im Vergleich zum Factoring-Markt in Deutschland einzuordnen?

Wir setzen den Trend fort, dass wir stärker wachsen als der Markt. 2018 sind wir zweistellig gewachsen. Im letzten Jahr haben wir knapp 27 Milliarden Euro Umsatz in Deutschland erzielt, auf Gruppenebene haben wir fast 165 Milliarden Euro erreicht.

Welche Entwicklung streben Sie für 2019 an? Und welche Wachstumsziele im Factoring haben Sie sich gesetzt?

Die Ziele gehen einher mit der Wachstumsstrategie, die BNP Paribas für Deutschland auserkoren hat. Insofern wollen wir weiter wachsen. Bei den Aussichten unterliegen wir den eingangs genannten makroökonomischen Herausforderungen, denen wir uns ebenfalls stellen müssen. Dennoch glauben wir, dass wir als BNP Paribas Factor recht gut aufgestellt sind und wollen überproportional zum Markt wachsen. Wir wünschen uns ein knapp zweistelliges Wachstum, bereinigt um einen Sondereffekt in 2018.

Sie bieten Ihre Leistungen dem gehobenen Mittelstand an, also Unternehmen ab einem Jahresumsatz von zehn Millionen Euro und auch Großunternehmen oder Konzernen. Können Sie sich vorstellen, im Zuge der weiteren Digitalisierung diesen Kundenkreis auszuweiten?

Wir haben vor etwa zwei Jahren die Mittelstandsinitiative für den Markt verkündet und arbeiten sehr erfolgreich und intensiv in diesem Segment. Wir haben eine neue Vertriebsmannschaft aufgebaut, einige Prozesse angepasst. Und ich erwarte, dass wir für BNP Paribas Factor in Deutschland die nächsten Jahre in diesem Segment weiter investieren und gleichzeitig auch für die Großkunden die Digitalisierung ausbauen werden.

Wobei wir schon seit vielen Jahren eine Art "Fintech" sind - fast das gesamte Geschäft ist in irgendeiner Weise digital. Unsere Kunden reichen keine Rechnungen in Papierform ein und erhalten ihre Reports auch nicht gedruckt, das läuft alles digital. Wir verarbeiten Rechnungen hochgradig automatisch und prozessunterstützt. Wir sind bereits sehr automatisiert und digitalisiert. Natürlich halten wir weiter im Blick, was im Markt passiert und wie wir uns dort weiterentwickeln können. Es besteht noch Potenzial nach oben. Wir sind offen für die Weiterentwicklung und bereit, daran zu arbeiten. Insofern werden wir für den Mittelstand und die Corporates die Digitalisierung weiter vorantreiben. Allerdings werden wir 2019 und 2020 mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das Retailsegment angehen, also Unternehmen mit weniger als zehn Millionen Euro Jahresumsatz.

Andere Unternehmen kooperieren mit Fintechs. Wie ist dies bei Ihnen?

Wir stehen mit vielen Fintechs in Kontakt, sind offen für Ideen. Refinanzierung ist nicht unser Schwerpunkt, aber Kooperation mit Fintechs oder Plattformanbietern, dafür sind wir offen und arbeiten an den unterschiedlichsten Ideen.

Sie haben sich auf die Optimierung des Working Capitals spezialisiert? Wie unterstützt Factoring diese Entwicklung?

Zur Optimierung des Working Capitals haben wir zwei Stellschrauben. Das eine sind die Forderungen, das andere die Lieferantenverbindlichkeiten: Verkürzung des DSO1) , Erhöhung des DPO2) . Für die Forderungen bieten wir klassisches Non-Recourse-Factoring an, egal ob nach HGB, IFRS oder US-GAAP bilanziert wird. Auf der Lieferantenseite geht es um das Reverse-Factoring. Dabei muss man über die Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen und die Produkte und Lösungen haben, dass es am Ende des Tages bei dem Kunden eine Lieferantenverbindlichkeit bleibt und nicht zur Bankverbindlichkeit umgegliedert wird.

Ihr Unternehmen gehört zum Verbund der weltweiten BNP Paribas-Bankengruppe. Welche Vor- oder Nachteile ergeben sich daraus? Wieviel BNP Paribas steckt im Factoring?

Sehr viel. Wenn ich vorhin davon gesprochen habe, dass wir uns den Herausforderungen recht gut stellen können, liegt es daran, dass wir im Verbund einer sehr erfolgreichen und stabilen Bankengruppe integriert sind. Wir sprechen in der Tat von integriert und damit meine ich nicht nur, dass es Policies gibt, sondern eben auch den Cross-Selling-Ansatz, der nicht nur auf dem Papier steht, sondern gelebt wird. Darüber erhalten wir einen anderen Zugang zum Markt als andere Marktteilnehmer, können auf Ressourcen zurückgreifen, die andere nicht haben, um sich den Herausforderungen der zunehmenden Regulatorik zu stellen. Wir haben eine Organisation, die sehr breit aufgestellt ist, und durch ihre Diversifikation Möglichkeiten hat, die andere nicht so leicht und in der Breite nutzen können.

Wie gehen Sie mit dem Thema Regulatorik um?

Wir sind Finanzdienstleister und demzufolge reguliert, wie einige andere Gesellschaften von der BNP Paribas in Deutschland auch. Demzufolge haben wir die Möglichkeit, unsere Erfahrungen auszutauschen, Lösungen zu diskutieren und über die Gruppe Knowhow einzuholen. Nehmen Sie beispielsweise das Thema IT-Security, BAIT. Ich bin froh, dass ich die Lösung dafür nicht "stand-alone" entwickeln muss, sondern auf ein großes IT-Know-how der BNP Paribas Gruppe zurückgreifen kann.

Wie ist der Austausch im Factoring-Verband?

Natürlich hilft grundsätzlich auch der Austausch mit den Kollegen im Verband. Ich bin schon seit 14 Jahren dabei, da kennt man sich. Der Verband mit seinem Know-how, unsere Arbeitskreise und die Rundschreiben sind sehr hilfreich, da es dort branchenspezifische Antworten gibt.

Wie handhaben Sie das Thema Aus- und Weiterbildung?

Wir investieren in Nachwuchs über Ausbildung und bieten ein duales Studium an, damit junge Menschen den Kaufmann oder die Kauffrau für Büromanagement machen können, integriert in einen Studiengang Bachelor of Arts für Finance & Banking. Dies läuft in Zusammenarbeit mit der FOM Hochschule für Ökonomie und Management in Düsseldorf. Zusätzlich bieten wir Traineeprogramme zum Beispiel für den Vertrieb, die dann ein Zwei-Jahres-Programm durchlaufen. Die neuen Kollegen fangen im Mittelstandssegment an und können sich weiterentwickeln bis hin zum Vertriebler für Großkunden. Die Traineeprogramme bieten wir auch im Bereich der Kundenbetreuung oder im Controlling an.

Daneben investieren wir viel in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Viele Programme werden über die BNP Paribas Gruppe angeboten oder von uns selbst. Auch Führungskräftenachwuchs bilden wir aus und nutzen die Weiterbildungsmöglichkeiten des Verbands. Dabei schauen wir, was die Herausforderungen unserer Kunden sind und wie wir unsere Mitarbeiter ausbilden können, um für diese Herausforderungen gute Lösungen anbieten zu können.

Wer kommt zu Ihnen?

Wir suchen Menschen, die keine Factoring-Experten sein müssen. Im Controlling ist es nicht wichtig, dass sie Factoring-Know-how haben, sondern eine zur Unternehmenskultur passende Einstellung. Wir sind dynamisch, offen, transparent. Wir haben eine hohe Agilität. Wir bieten Menschen auch innerhalb der BNP Paribas Gruppe eine hohe Mobilität an. Wenn jemand Lust hat, international zu agieren, sind wir eine der ersten Adressen, weil man über uns auch Zugang zur BNP Paribas Gruppe bekommt und sich für Jobs im Leasing, der Bank oder anderen Unternehmen im In- und Ausland gut positionieren kann. Insofern kommen gut ausgebildete Leute, die wir weiterqualifizieren können und die Spaß an dem haben, was wir machen und vor allem, wie wir es machen.

Wo sehen Sie weitere Wachstumschancen im Markt?

Von den Produkten her bieten wir alles an, was man im Factoring-Markt in Deutschland braucht. Dazu zählen: Full-Service-Factoring, Inhouse-Factoring, für große und kleine Unternehmen, tägliche, wöchentliche oder sogar monatliche Einspielung, mit bestehender Kreditversicherung oder das sogenannte Ein-Vertrags-Modell oder Reverse-Factoring im In- und Ausland. Wenn Tochtergesellschaften im europäischen Ausland in einen Vertrag integriert werden sollen, können wir das über unsere 17 Gesellschaften in Europa oder im Rahmen eines Pan-European-Vertrages mit uns direkt aus Deutschland heraus umsetzen. Auf der Debitorenseite können wir weltweite Portfolios ankaufen. Insofern ist die Produktseite breit aufgestellt. Wir arbeiten an Lösungen für langfristige Forderungen, für kurzfristige Laufzeiten haben wir sie natürlich bereits.

Wachstumschancen sehen wir im Mittelstand, deswegen haben wir die Mittelstandsinitiative ins Leben gerufen. Großes Wachstumspotenzial sehen wir bei Großkonzernen, Stichwort Working Capital mit Lösungen nicht nur nach HGB, sondern auch nach IFRS und US-GAAP. Wir sind in allen Bereichen breit aufgestellt, sowohl von den Ländern und der Internationalität als auch von den Produkten her.

Darüber hinaus bieten wir kombinierte Lösungen mit den Kollegen der Bank an - oder sei es im Fuhrparkmanagement sowie in Abstimmung mit dem neuen Team im Wealth Management. Wir werden auch künftig Wachstum generieren, weil wir in einer stabilen Gruppe zusammenarbeiten, die einen sehr guten Ruf in der Welt hat und sich demzufolge weiter positiv entwickeln wird.

Das Gespräch führte Kati Eggert, Redaktion.

Fußnoten

1) DSO = Days Sales Outstanding.

2) DPO = Days Payables Outstanding.

Thorsten König ist seit 2005 Geschäftsführer der BNP Paribas Factor GmbH, Düsseldorf
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