Gespräch des Tages

Wirtschaftspolitik - Wir sind die Shareholder

Es ist ja alles ganz furchtbar. Die "internationalen Hedger"
entscheiden, wie viele Börsen es demnächst noch geben soll. Die
"internationalen Beteiligungsgesellschaften" beschließen, ob Märklin
vielleicht nicht doch am besten zu Demag passt. Die "internationalen
Investoren" kaufen den Markt der Wohnungsunternehmen leer. Und wenn
man sie alle vereinigt, in einem einzigen großen Schwarm der
Gefräßigkeit, dann sind es diese Heuschrecken, die heute die Welt
beherrschen. Was sie fressen und fressen und fressen dient nicht dem
Gemeinwohl oder dem fördernden Auftrag, nicht den gewöhnlichen
Menschen oder wenigstens den Mitarbeitern, nein, wir wissen es alle
schauernd: Es dient nur dem Profit. Dem Gewinn von irgendwelchen
Anlegern, Spekulanten - von "Shareholdern" eben, die ihr Geld über den
ganzen Kapitalmarkt jagen, nur immer dahin, wo es am meisten zu holen
gibt. Was für eine widerliche Gesellschaft, nicht wahr?!
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Nun ist gerade Hauptversammlungs-Saison in Deutschland. Jeden Tag
steht in den einschlägigen Zeitungen, was die Aktionäre (und ihre
Vertreter!) von Deutscher Bank und Allianz, von Post und Telekom, von
Real Estate, Daimler und so weiter da alles diskutiert haben wollen.
Früher einmal ging es um viel Politik. Um Menschenrechte in
Entwicklungsländern, um Umweltzerstörungen durch Industrieprojekte und
um die Finanzierung von Diktatoren im Kommunismus. Cabora Bassa? Das
interessiert doch einen deutschen Aktionär heute wirklich nicht mehr.
Heute lobt er die straffe Rationalisierungspolitik des neuen
Vorstands, obwohl dafür bedauerlicherweise viele deutsche
Arbeitsplätze zu streichen waren. Heute fragt er nach den nächsten
Zukäufen von Schanghai bis Pretoria. Heute kritisiert er mildes
Management als schwache Führung und hohe Steuern als Versäumnisse der
Bilanzpolitik. Heute will er die Gewinnprognose für 2007/2008
festgeschrieben haben.
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Alle diese Entwicklungen darf, wer will, als Fortschritt deklarieren:
Der deutsche Aktionär ist zum Shareholder geworden. Oder auf niedriger
Stufe: Wer nicht mit dem Direktbank-Zins die Sparkasse fordert, passt
doch einfach nicht mehr in unsere Zeit.

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