Ulrich Franzens Traktor-Unfall und sein plötzlicher Tod im Juni 2010 war für die gesamte Weinszene und auch für mich ein Schock. Sein Sohn Kilian (Jahrgang 1987) und dessen Freundin Angelina Lenz (Jahrgang 1990), die auch von der Mosel stammt, mussten mitten im Studium an der Wein-Uni in Geisenheim die Führung des Guts übernehmen - Jahre bevor sie geplant hatten, die Arbeit des Vaters fortzusetzen. Wie gut sie unter diesen Umständen ihre erste eigene Weinlese mit Hilfe eines sehr jungen Teams und mit der Unterstützung einiger Winzerkollegen meisterten, war ganz erstaunlich.
Die dadurch gewonnene Zuversicht führte zu den großartigen trockenen und feinherben Rieslingen des Jahrgangs 2011 sowie zu einer brillanten Innovation namens "Der Sommer war sehr groß". Einen Wein nach einer Rilke-Zeile zu benennen, ist mutig. Und nicht jedes Weinetikett sieht mit so viel Gold wirklich gut aus. Aber Name und Erscheinungsbild bringen das Wesen des Jahrgangs ebenso auf den Punkt wie den hochreifen Geschmack des Weins. Ihre erste eigene Weinkreation ist jedenfalls bestens gelungen.
Das war ein Sprung ins kalte Wasser, aber untergegangen ist Kilian Franzen nicht - im Gegenteil. Durch die tatkräftige Unterstützung seiner Freundin Angelina Lenz, die sich um Büro, Marketing und Verkauf kümmert, und seines Kellermeisters Benedikt Lenz ist es ihm gelungen, das Werk des Vaters fortzusetzen und den Ruhm des Weinguts gar zu mehren. Dabei wollte er gar nicht Winzer werden und hat zunächst Drucker gelernt, bis ihm klar wurde, wo seine wahre Bestimmung liegt. Zum Glück!
Gut neun Hektar groß ist die Rebfläche, auf der hauptsächlich Riesling wächst; etwas Elbling und Weißburgunder kommen hinzu. Im Calmont, Europas steilstem Weinberg, stehen die ältesten Rebstöcke; sie sind bis zu 100 Jahre alt.
Dem aktuellen Lieblingswein des Jungwinzers, dem 2012er Riesling trocken, hat er nach dem berühmten Rilke-Gedicht den schönen Namen "Der Sommer war sehr groß" gegeben. Für diesen Wein wurden Trauben aus drei der besten Lagen zusammengekeltert: Bremmer Calmont, Neefer Frauenberg und Kapplay. Alle drei bringen ihre besten Eigenschaften in ein Glas. Der Riesling passt besonders gut zu Fisch, meint sein Erzeuger, der gutes Essen und guten Wein liebt. Er muss es also wissen.
Weintipp aus der Zeitschrift:
FINE Das Weinmagazin - Special No.2
Hrsg. Ralf Frenzel Tre Torri Verlag
