ANFA und die Anleihekaufprogramme - Gefahr für die Unabhängigkeit der EZB?

Prof. Dr. Dirk Meyer, Foto: HSU (Schröder)

In dem Artikel beschäftigen sich die Autoren mit der Frage, ob die EZB mit den Anleihekaufprogrammen ihre Unabhängigkeit gefährdet. Voraussetzung für eine stabile Währungsunion ist die Kongruenz von Emissions- und Geldannahmegemeinschaft. Meyer und Hansen haben die seit 2010 aufgelegten Kaufprogramme untersucht und festgestellt, dass sie zielkonform gewirkt haben. Allerdings stellten sie auch fest, dass, wenn man Kaufprogramme und die NFA gemeinsam betrachtet, eine erhebliche Asymmetrie zwischen den Ländern festzustellen sei. So waren die südeuropäischen Krisenstaaten deutlich überrepräsentiert, wohingegen für Deutschland eine deutlich unterproportionale Inanspruchnahme festgestellt wurde. Die Autoren sehen das als Beleg für Spannungen innerhalb der Währungsunion, eben durch den Auseinanderfall von Geldannahme- und Emissionsgemeinschaft. Dadurch sehen Hansen und Meyer die Unabhängigkeit des geldpolitischen Kurses der EZB gefährdet. (Red.)

Das ANFA-Abkommen erlaubt den nationalen Notenbanken des Eurosystems die Emission von Zentralbankgeld auf eigene Rechnung. Die Unabhängigkeitsposition der Europäischen Zentralbank (EZB) gebietet Transparenz und eine eindeutige Abgrenzung dieses nationalen Zusatzgeldes von der gemeinsamen Geldschöpfung des Eurosystems. Vor dem Hintergrund der Anleihekaufprogramme wird die Erfüllung dieser Bedingungen kritisch hinterfragt. Im Ergebnis sehen die Autoren die geldpolitische Unabhängigkeit der EZB durch die Einschränkung ihrer geldpolitischen Steuerung als gefährdet an.

Das Abkommen und seine Einordnung

Die "Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist" (Art. 3 Abs. 1 lit c AEUV) zählt zu den ausschließlichen Unionszuständigkeiten. Diese Zentralität ist folgerichtig, um den Grundsatz der Kongruenz von Emissions- und Geldannahmegemeinschaft sicherzustellen, der als Stabilitätsvoraussetzung einer Währungsunion gilt. Sie verhindert eine Aushöhlung des Zentralbankmonopols der Geldschaffung durch einzelne Staaten, die letztlich zum Auseinanderbrechen der Kronen- (1918) und der Rubelzone (1991) führte.

In der Praxis weist die Geldpolitik der Eurozone jedoch auch dezentrale Elemente auf.1) Hierunter fällt insbesondere das ANFA-Abkommen, eine vertragliche Vereinbarung über Netto-Finanzanlagen (NFA) zwischen den 19 nationalen Zentralbanken (NZBen) und der EZB.2) Es beinhaltet Regeln und Obergrenzen von Wertpapierbeständen, die die NZBen eigenständig erwerben können. Diese ANFA-Wertpapierkäufe nehmen die NZBen in eigener Verantwortung, auf eigene Kosten und eigenes Risiko wahr. Die Vereinbarungen ermöglichen eine Geldschöpfung auf nationale Rechnung - nationales Zusatzgeld. Übersteigt diese den jeweiligen EZB-Kapitalschlüssel, besteht die Gefahr einer Kostenexternalisierung zulasten der Euro-Annahmegemeinschaft. Beispielsweise könnte die Seigniorage nationalisiert, eine quasimonetäre Staatsfinanzierung betrieben werden sowie bei Staatsanleihekäufen dem Staat eine Nullzins-Finanzierung zufließen.

Intransparenz und Bewertungsspielräume

Das ANFA-Abkommen galt lange Zeit als "Geheimprotokoll", zu dem bis zur Veröffentlichung am 5. Februar 2016 nur wenige hochrangige Personen des ESZB-Systems Zugang hatten. Während die EZB fortan entsprechende Daten bereitstellt, liefern die NZBen ein sehr uneinheitliches Bild. Beispielsweise geben die Notenbanken von Frankreich, Spanien und Griechenland in den Jahresabschlüssen 2017 keinerlei Informationen zu ihren Netto-Finanzanlagen (NFA).

Die NFA errechnen sich nach der Definition der EZB gemäß ausgewählter Bilanzpositionen.3) Damit bleibt allerdings das Problem ungelöst, welche Bestände den jeweiligen Positionen zuzurechnen sind. Konkret: Was ist eine geldpolitische, was eine fiskalisch-wirtschaftspolitische Maßnahme? Und unter welchen Bedingungen liegt bei Käufen von Staatsanleihen gegebenenfalls eine verbotene monetäre Staatsfinanzierung vor? Im Folgenden werden die Anleiheankaufprogramme näher betrachtet, die seit 2010 aufgelegt wurden. Abbildung 2 gibt eine Übersicht zu den Details der Programme.

Die Programme scheinen zielkonform zu wirken. Der Kapitalmarktzins sank gemäß verschiedener Studien um 0,4 bis 1,3 Prozentpunkte.4) Zugleich gingen die Risikoprämien mediterraner Staatsanleihen erheblich zurück. Dies verbilligt die Staatsverschuldung - und macht Reformanstrengungen kurzfristig weniger notwendig. Ebenfalls dürfte eine Inflationssteigerung unterstützt worden sein. Damit sind sowohl geld- wie auch fiskal- und wirtschaftspolitische Effekte angesprochen.

Neuzuordnung der ANFA-Anlagen durch die Kaufprogramme

Da die Programme unterschiedliche Wertpapierklassen und Verfahrensstrukturen kennzeichnen, muss eine Zuordnung zu NFA- oder Nicht-NFA-Bilanzpositionen differenziert begründet werden. Indem die EZB die Programmankäufe mit einer Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus begründet, erscheinen diese Wertpapiere folgerichtig unter A7.1 "Zu geldpolitischen Zwecken gehaltene Wertpapiere" in der Bilanz als Nicht-NFA-Position. Bewertet man die Ankäufe aufgrund des beabsichtigten Rückgangs der Kapitalmarktzinsen, insbesondere der Risikoprämien der Krisenstaaten, hingegen als fiskalisch beziehungsweise wirtschaftspolitisch motivierten Eingriff, wäre eine Verbuchung als NFA-Position angezeigt.

Ausrichtung auf Krisenstaaten

Für Letzteres sprechen eine Asymmetrie der Ländergewichtung, die Abkehr von einer gemeinschaftlichen Haftung, die Haltung angekaufter Anleihen bis zur Endfälligkeit, keine beziehungsweise abgeschwächte Sicherheitsanforderungen für einzelne Staaten vor dem Hintergrund einer schwachen Kreditwürdigkeit infolge hoher Staatsschulden sowie eine Substitutionalität zu fiskalischen Maßnahmen (Abbildung 2). Durch ihre ausdrückliche Ausrichtung auf Krisenstaaten wären demnach SMP- und potenzielle OMT-Käufe den NFA zuzurechnen. Ebenso entsprechen die PSPP-Staatschuldenkäufe einer fiskalisch-wirtschaftspolitischen Ausrichtung, da sie zum einen als Substitut zu den fiskalischen Rettungshilfen wirken, zum anderen die Ankäufe aus Krisenstaaten übergewichten.5)

Außerdem gilt für 80 Prozent der PSPP-Ankäufe eine nationale Haftung. Die NFA-Zuordnung soll nachfolgend auch für die PSPP-Ankäufe von EU-Institutionen mit gemeinschaftlicher Haftung gelten, wobei hier die Vermutung von vorrangig erworbenen ESM-Anleihen zur fiskalischen Unterstützung von Hilfsprogramm-Staaten nicht verifiziert werden konnte.

Käufe im Rahmen der ABSPP-, CBPP1 bis 3- und CSPP-Programme werden hingegen nicht den Netto-Finanzanlagen zugerechnet. Die ABS-Wertschriften sind durch Forderungen an Unternehmen des nichtfinanziellen privaten Sektors besichert, während für die gedeckten Schuldverschreibungen private und/oder öffentliche Stellen garantieren - es sind also keine Staatspapiere im engeren Sinne (oder nur Kommunalschuldverschreibungen). Ein Gegenargument, das für eine NFA-Berücksichtigung sprechen könnte, wäre die damit einhergehende wirtschaftspolitische Unterstützung notleidender Kreditinstitute und der erleichterte Kreditzugang für Banken und Unternehmen.6) Jedoch spricht die Gemeinschaftshaftung für eine geldpolitische Maßnahme.

Implikationen einer Neuzuordnung der NFA

Für eine Bewertung der geldpolitischen Auswirkungen des ANFA-Abkommens ist laut EZB das Netto-Konzept relevant (ANFA-Netto-Finanzanlagen).7) Durch das Aufrechnen aller nicht mit der Geldpolitik zusammenhängenden Aktiva und Passiva wird die gesamte Liquidität bemessen, die eine Zentralbank über ihre nicht geldpolitischen Operationen bereitstellt. Da die SMP-Käufe laut EZB liquiditätsneutral vorgenommen wurden,8) beschränkt sich die folgende Neuzurechnung zu den NFA allein auf die PSPP-Käufe.

Ein zentrales Kriterium für die Bewertung einer Maßnahme als geldpolitisch oder nicht geldpolitisch ist die Symmetrie in der Ländergewichtung. Daher scheint ein Abgleich mit dem jeweiligen Anteil einer NZB am Kapital der EZB dienlich.

Dem ANFA-Abkommen selbst wohnt bereits eine gewisse Asymmetrie inne. Obwohl die Aufteilung der jährlichen NFA-Obergrenzen auf die NZBen gemäß dem EZB-Kapitalschlüssel erfolgen soll, erlauben unter anderem historisch bedingte Ausnahmeregelungen strukturell bedeutende Abweichungen.9)

Wie stellt sich die Inanspruchnahme durch die NZBen aber in der Praxis dar? Rechnet man im Zuge der hier betrachteten Neuzuordnung die Ankäufe des PSPP-Programmes zu den NFA hinzu, ergeben sich (Stand 31. Dezember 2017) zum Teil erhebliche Asymmetrien (siehe Abbildung 1 für ausgewählte NZBen).

Eine mögliche Kennziffer stellt der nationale NFA-Anteil an den gesamten NFA des Euroraumes inklusive der PSPP-Bestände dar. Italien beansprucht mit 23 Prozent den größten Anteil, während Deutschland mit vergleichsweise geringen 7 Prozent auffällt. Als weiterer Indikator einer ungleichgewichtigen Inanspruchnahme durch die NZBen bietet sich das Verhältnis ihres Anteils an den NFA des Euroraumes zum jeweiligen nationalen Kapitalanteil an der EZB an. Dieses beträgt für Griechenland 150 Prozent, Irland 149 Prozent, Italien 131 Prozent, Spanien 126 Prozent und Portugal 118 Prozent. Während Belgien und Österreich mit jeweils 107 Prozent sowie Frankreich mit 103 Prozent ungefähr entsprechend ihres Kapitalanteils agierten, bestand für Deutschland eine deutlich unterproportionale Inanspruchnahme mit 29 Prozent. Insgesamt sind dies Indikatoren, die die Hypothese eines Auseinanderfallens von Geldannahmegemeinschaft und Emissionsgemeinschaft im Euroraum unterstützen.

Zusätzliche nationale Geldschöpfung

Sowohl die originären NFA-Ankäufe als auch die PSPP-Ankäufe stellen eine Form von zusätzlicher nationaler Geldschöpfung im Euroraum dar. Wie wirkt sich aber eine Zurechnung der PSPP-Ankäufe zu den NFA im Aggregat des Euroraumes aus? Aus Abbildung 3 wird ersichtlich, dass die nationale Geldschöpfung mit Einführung des PSPP-Programmes im Jahr 2015 kontinuierlich zunahm. Während die originären NFA ab 2015 stetig abnahmen und in 2017 mit minus 98 Milliarden Euro sogar einen negativen Stand erreichten,10) wurde diese Entwicklung durch die steigenden Ankäufe im Rahmen des PSPP-Programmes (Stand 2017 Ankäufe in Höhe von 1 889 Milliarden Euro) deutlich überkompensiert. Insofern kam die Einführung der PSPP-Ankäufe einer erheblichen Ausweitung der Schöpfung von nationalem Zusatzgeld gleich. 57 Prozent der Zentralbankgeldmenge (Ende 2017) beruhen demnach auf nationaler Geldschöpfung - genehmigt durch einfachen Mehrheitsbeschluss des EZB-Rates.

Inwieweit wurde dadurch der geldpolitische Handlungsspielraum der EZB beeinflusst beziehungsweise die Umsetzung der gemeinsamen Geldpolitik erschwert? Wesentlicher Indikator hierfür ist nach Angaben der EZB die Höhe eines vorgegebenen Liquiditätsdefizits.

Ein Liquiditätsdefizit resultiert aus der Differenz des Banknotenumlaufes sowie den Mindestreserveanforderungen (Liquiditätsbedarf) und den regulären geldpolitischen Maßnahmen zuzüglich der originären NFA und PSPP-Käufe (Liquiditätsangebot). Der geldpolitische Steuerungsspielraum resultiert dann aus der Wachstumsrate des Liquiditätsbedarfs abzüglich der Wachstumsrate der NFA (inklusive PSPP) als Teil des Liquiditätsangebotes. Um in gleichem Umfang diesen Spielraum über die regulären geldpolitischen Instrumente zu behalten, dürften die NFA (inklusive PSPP) im Zeitablauf maximal entsprechend jener Rate wachsen, mit der auch die Nachfrage nach Banknoten und die Mindestreserveanforderungen (Liquiditätsbedarf) wachsen.

Seit 2002 sind - gemäß den Angaben der EZB - die originären NFA bis 2015 jährlich um durchschnittlich 5 Prozent gestiegen, während der Liquiditätsbedarf um durchschnittlich 7 Prozent pro Jahr wuchs.11) Laut EZB wäre der geldpolitische Steuerungsspielraum somit im Durchschnitt jährlich gestiegen. Inwieweit die hierdurch konstatierte Steuerungsfähigkeit tatsächlich vorlag, ist jedoch bei näherer Analyse infrage zu stellen.12)

Einschränkung der geldpolitischen Steuerung

Insbesondere bei Berücksichtigung der PSPP-Käufe in den NFA wird der Steuerungsspielraum ab 2015 erheblich beeinträchtigt (Abbildung 4). Die Wachstumsdifferenz fällt von minus 15,4 Prozentpunkten (2014) durch die PSPP-Einführung auf minus 76,6 Prozentpunkte (2015). In den Folgejahren bleibt sie mit minus 43,3 und minus 20,0 Prozentpunkten (trotz stark rückläufiger originärer NFA, Abbildung 3) weiterhin deutlich im negativen Bereich. Geht man von der Arbeitsprämisse eines an den Liquiditätsbedarf gekoppelten und in Relation hierzu konstanten Liquiditätsdefizits aus, so entsteht mit der PSPP-Einführung eine signifikante Einschränkung für die geldpolitische Steuerung.

Seit PSPP-Beginn im Jahr 2015 lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Banknoten und der Mindestreserveanforderungen bei 4,8 Prozent, die Wachstumsrate der NFA (inklusive PSPP) hingegen bei 49,5 Prozent. Im Durchschnitt ist der geldpolitische Steuerungsspielraum seit der PSPP-Einführung somit ceteris paribus jährlich gesunken.

Betrachtet man den Zeitraum von 2006 bis 2017, dann liegt die Wachstumsrate der Banknoten und der Mindestreserveanforderungen bei 5 Prozent, während die Steigerungsrate der NFA (inklusive PSPP ab 2015) mit 15,6 Prozent ebenfalls höher ausfällt. Somit ergibt sich ceteris paribus auch über diesen Zeitraum eine deutliche Einschränkung des geldpolitischen Steuerungsspielraumes. Ohne das PSPP-Programm hätte der Spielraum hingegen ab 2015 sogar stetig zugenommen (siehe Abbildung 5).

Schlussfolgerungen aus der Neuzurechnung

Die Gegenüberstellung der NFA-Zuordnung gemäß den EZB-Regularien und einer fiskalisch-wirtschaftspolitisch begründeten NFA-Neuzuordnung der Anleihekaufprogramme des Eurosystems führt erwartungsgemäß zu erheblichen Abweichungen. Die am relativen Kapitalschlüssel der EZB gemessene Übergewichtung der hochverschuldeten Eurostaaten einerseits und die Untergewichtung der fiskalisch stabileren Mitgliedsstaaten andererseits zeigen die Spannungen innerhalb der Währungsunion durch den Auseinanderfall von Geldannahme- und Emissionsgemeinschaft. Eine geldpolitische Steuerung durch die EZB wird zeitweilig überaus schwierig. Der von der EZB hervorgehobene, seit Einführung des Euro-Bargeldes 2002 im Durchschnitt jährlich gestiegene geldpolitische Steuerungsspielraum existiert nicht mehr.13) Der geldpolitische Kurs der EZB ist in seiner Unabhängigkeit gefährdet. Im Zweifel hätte sich die Geldpolitik den angestrebten fiskalisch-wirtschaftspolitischen Zielen unterzuordnen.

Durch die umfangreichen und zudem auf Dauer gehaltenen Ankäufe von Staatsanleihen wird das Eurosystem zum marktmächtigen Akteur. Ende 2017 hielt das Eurosystem 17,3 Prozent der gesamten Staatsverschuldung der Eurozone.14) Damit beeinflusst die EZB im Verbund mit den NZBen den Kapitalmarktzins und erleichtert die (Re-)Finanzierung von Staaten und Banken durch die Abnahme der Wertschriften.

Da die Volumina jederzeit angepasst/erhöht werden können (PSPP) oder gar als unbegrenzt angekündigt werden (OMT), die EZB-interne Sperrfrist für Sekundärkäufe nach der Emission nicht bekannt ist und die Anleihen mit dem Halteziel Endfälligkeit gekauft werden, besteht für die Marktteilnehmer ein überaus geringes Risiko für Primärmarktkäufe.15) Die Wertung als monetäre Staatsfinanzierung liegt nicht fern. Für den Fiskus führt der Ankauf von eigenen Staatsanleihen durch die NZB zu einer Quasi-Nullzins-Finanzierung, da die Zinserträge dem Staatshaushalt wieder zufließen. Insbesondere für Krisenstaaten führt dies zu Fehlanreizen hinsichtlich einer Haushaltskonsolidierung.

Die Währungsunion ist eine Geldannahmegemeinschaft. Durch die nationale Geldschöpfung wird nationales Zusatzgeld erzeugt. Im Ausmaß der - gemessen am EZB-Kapitalanteil - ungleichgewichtigen NFA-Bestände zerbricht die Kongruenz von Geldannahme- und Emissionsgemeinschaft als notwendige Bedingung einer stabilen Währungsunion. Die im EZB-Rat vorgebrachten unterschiedlichen Meinungen hinsichtlich der Anleihekäufe überhaupt und der beschlossenen Wiederaufnahme des PSPP-Programmes ab November 2019 im Speziellen zeigen einen mangelnden Common Sense und sind Ausdruck einer fiskalisch-ökonomischen Heterogenität der Mitgliedsstaaten, die nationalen Interessen Vorrang gebieten: die Substitution einer marktlich-fiskalischen Staatsfinanzierung über Steuern und Marktkredite durch eine fiskalisch unterstützte beziehungsweise monetäre Finanzierung des Staatshaushalts und die Rettung überschuldeter Banken.

Literaturverzeichnis

Agreement of 19. November 2014 on net financial assets (ANFA-Abkommen), http://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/en_anfa_agreement_19nov2014_f_sign.pdf?208a41defab3909e542d83d497da43d2 (Abrufdatum 08.08.2018).

Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (Hrsg.) (2018), Drei Jahre EZB-Wertpapierankäufe - Folgen für die Anleihemärkte, Berlin 2018. Central Bank of Ireland (2018), Annual Report 2017, Dublin 2018.

Deutsche Bundesbank (2016), Zur Bedeutung und Wirkung des Agreement on Net Financial Assets (ANFA) für die Implementierung der Geldpolitik, in: Monatsbericht März 2016, Vol. 68 (2016), H. 3, S. 87-97.

Europäische Zentralbank (2016a), Was ist ANFA?, http://www.ecb.europa.eu/explainers/tell-me-more/html/anfa_qa.de.html, (Abrufdatum 08.08.2018).

Europäische Zentralbank (2016b), EZB erläutert Vereinbarung über Netto-Finanzanlagen (ANFA), http://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2016/html/pr160205.de.html (Abrufdatum 08.08.2018).

Europäische Zentralbank (2010), EZB beschließt Maßnahmen, um den starken Spannungen auf den Finanzmärkten entgegenzuwirken, Pressemitteilung vom 10. Mai 2010, https://www.bundesbank.de/resource/blob/602276/65e00d5371a6a93093c1ee-9b98a59eaf/mL/2010-05-10-massnahmen-download.pdf (Abrufdatum 24.08.2018).

European Central Bank (2019), Asset purchase programmes, https://www.ecb.europa.eu/mopo/implement/omt/html/index.en.html (Abrufdatum 11.04.2019).

Hansen, Arne u. Meyer, Dirk (2019), ANFA und das Zahlungsverkehrssystem TARGET2: Zwei Konzepte zur national-autonomen Geldschöpfung im Eurosystem, in: ifo Schnelldienst, 72 Jg. (2019), H. 13, S. 12-22.

Hansen, Arne u. Meyer, Dirk (2017), ANFA - A National Licence to Print Money within the Eurosystem?, in: Journal of International Banking Law & Regulation, Vol. 32 (2017), Issue 12, pp. 513-525, https://leronglu.com/2017/11/14/index-journal-of-international-banking-law-regulation-2017-vol-3210-12/

Heinemann, Friedrich (2018), Zur Aufteilung der PSPP-Anleihekäufe auf die Euro-Mitgliedstaaten, http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/gutachten/PSPP_Analyse_Heinemann_2018.pdf (Abrufdatum 31.07.2018).

Mayer, Thomas u. Schnabl, Gunther (2019), Die verfehlte Bankenpolitik der EZB, in: Börsen-Zeitung, 06.06.2019, S. 2.

Steinkamp, Sven (2019), Wie dezentral sind Geldpolitik und Bankenaufsicht in Europa?, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, Jg. 20 (2019), Heft 1, S. 70-94.

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

Fußnoten

1) Vgl. hierzu ausführlich Steinkamp (2019), S. 75 ff.

2) Siehe hierzu das Agreement of 19. November 2014 on net financial assets (ANFA-Abkommen).

3) Die ANFA-Netto-Finanzanlagen errechnen sich nach der Definition der Europäischen Zentralbank (2016a) - bezogen auf die Gliederung der konsolidierten Bilanz des Eurosystems - auf der Aktivseite aus der Summe der Bilanzpositionen A1 bis 4, 5.6, 6, 7.2, 8 und 9 abzüglich der Positionen P2.5 sowie 3 bis 12 auf der Passivseite. Leicht abweichende Bilanzpositionen gelten für die NZBen. Siehe Central Bank of Ireland (2018), S. 71.

4) Vgl. Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (2018), S. 11 ff.

5) Siehe Heinemann (2018), S. 3 ff.

6) Diesem Zweck können ebenfalls die Targeted Long-term Refinancing Operations (TLTROs) dienen so zeigen beispielsweise Mayer und Schnabl (2019) auf, wie diese im Verbund mit dem Interbankzahlungssystem TARGET2 eine Erhaltung schwacher Banken in den südlichen Euro-Ländern ermöglichen. Hansen und Meyer (2019) zeigen hinsichtlich TARGET2 zudem auf, dass hierdurch eine stark national-asymmetrische Schöpfung von Zentralbankgeld ermöglicht wird.

7) Siehe zur Begründung Europäische Zentralbank (2016a).

8) Vgl. Europäische Zentralbank (2010).

9) Vgl. hierzu Hansen und Meyer (2017), S. 514 f.

10) Die negativen NFA kamen wesentlich durch die negativen NFA der Deutschen Bundesbank (i.H.v. minus 269 Milliarden Euro) zustande.

11) Siehe Europäische Zentralbank (2016a).

12) Siehe hierzu ausführlich Hansen und Meyer (2017), S. 516 ff.

13) Siehe Europäische Zentralbank (2016b).

14) Vgl. Heinemann (2018), S. 3. Rechnet man die angekauften Anleihen supranationaler Emittenten (beispielsweise des ESM) hinzu, so erhöht sich der Anteil auf 19,4 % der gesamten Euro-Staatsschulden. Auch die im Rahmen der offiziellen NFA-Positionen enthaltenen Staatsanleihen werden i.d.R. nicht genannt.

15) Eine besondere Brisanz erfährt der Ankauf eigener Staatsanleihen durch das Verbot von Primärmarktankäufen. Der EuGH vermerkt hierzu in seinem Urteil zum PSPP-Programm (Rs. C-493/17 v. 11.12.2018), Ziff. 115: "Zwar wird die genaue Länge der Frist, die in Art. 15 der Leitlinien festgelegt ist, in Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 2015/774 nicht genannt, doch hat die EZB in ihren schriftlichen Erklärungen angegeben, dass sie eher in Tagen als in Wochen bemessen werde."

Die ungekürzte Fassung des Beitrags können Sie hier abrufen.

Diese enthält auch einen umfänglichen Fußnotenapparat, auf den hier der Kürze halber weitgehend verzichtet wurde.

Dr. Arne Hansen Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Volkswirtschaftslehre, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg
Prof. Dr. Dirk Meyer Institut für Volkswirtschaftslehre, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg
Dr. Arne Hansen , Institut für Volkswirtschaftslehre, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg
Prof. Dr. Dirk Meyer , Institut für Volkswirtschaftslehre , Helmut-Schmidt-Universität

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