CoCos - besondere Anleihen mit besonders hohen Renditen

Michael Hünseler, Foto: Assenagon

Contingent-Convertible-Anleihen (CoCo-An leihen) sind ein Finanzierungsinstrument für Banken, das in der Finanzkrise entwickelt wurde. Mittlerweile ist diese Anleihenform mit einem Marktvolumen von 275 Milliarden Euro etabliert. CoCos sollen im Stressfall die Kapitalsituation des Emittenten verbessern. Nun werde diese Produktkategorie einem ersten echten Stresstest unterzogen. Allerdings werden CoCos in der Regel erst bei Kernkapitalquoten zwischen 5,125 und 7 Prozent umgewandelt oder abgeschrieben. Davon sind die meisten deutschen Banken derzeit noch weit entfernt. Allerdings könne sich das ändern, wenn durch die absehbare Rezession die Kreditausfälle hochschnellen. Laut Hünseler ist damit zu rechnen, dass die Kuponzahlungen im Gegensatz zu Dividenden nicht auszusetzen sind, da dies die Kapitalsituation eher verschlechtern als verbessern würde. Eine Kündigung der CoCos erwartet der Autor angesichts der deutlich gestiegenen Renditen auch nicht. Er rät daher vor einem Investment zur tiefgehenden Analyse der Risikotragfähigkeit. (Red.)

In der gegenwärtigen Corona-Krise wird erneut deutlich, dass Banken keine rein wirtschaftliche, gewinnorientierte Funktion haben. Sie dienen auch einem sozialpolitischen, gemeinwirtschaftlichen Zweck. Zudem sind Kreditinstitute ein unverzichtbarer Bestandteil des monetären Transmissionsmechanismus, bei dem sie die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten und somit Liquidität sicherstellen. Daher kommt der Frage, wie krisenfest Europas Banken sind, eine besondere Bedeutung zu. Der dramatische Verfall der Bankaktienkurse in den vergangenen Wochen reflektiert dabei erhebliche Bedenken, ob die Kreditinstitute trotz ihrer überwiegend komfortablen Kapitalquoten diesen Sturm schadlos überstehen.

Konversion und Abschreibung

Erheblich differenzierter entwickelten sich dagegen die Preise der Contingent Convertibles (CoCos), der eigenkapitalnahen Nachranganleihen der Banken. Während diese zunächst ebenfalls stark unter Druck standen, konnten sich einzelne CoCos wieder deutlich erholen, während andere noch immer in der Nähe ihrer Tiefstkurse notieren. Ein genauerer Blick auf die Ausstattungen und die besonderen Risikomerkmale der Contingent Convertibles gibt dabei Aufschluss, weshalb die Bewertungen teilweise deutlich divergieren. Als Produkt der globalen Finanzkrise blicken CoCos auf eine nunmehr zehnjährige Evolution zurück, bei der sich dieses spezielle Segment des Unternehmensanleihemarktes aus einem Nischendasein zu einem bei Regulatoren, Investoren und Emittenten gleichermaßen fest etablierten Anleiheinstrument entwickelte. Mit einem Gesamtmarktvolumen von 275 Milliarden Euro, verteilt auf 281 Anleihen von 74 europäischen Emittenten, haben CoCos heute ihren festen Platz in verschiedenen Indizes und Anlegerportfolios.

Nach dem drohenden Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems hatte damals höchste Priorität, die Banken umfangreich zu rekapitalisieren, die Aktivseite ihrer Bilanzen mitsamt dem Abbau fauler Kredite von Risiken zu bereinigen und ein ausreichendes Liquiditätspolster sicherzustellen. Da die erheblich verschärften Mindestkapitalanforderungen nicht ausschließlich über die Ausgabe neuer Aktien oder Einstellung der oftmals niedrigen Gewinne in die Rücklagen erfolgen konnte, wurde den Kreditinstituten die Möglichkeit eingeräumt, bis zu 1,5 Prozent der Kapitalquote in Form von als Ergänzungskapital (Additional Tier 1) qualifizierenden CoCos zu begeben. Das Design dieser Nachranganleihen sollte dabei Merkmale von sowohl hartem Eigenkapital als auch Fremdkapital in sich vereinen, um sich so eine breitere Investorenbasis zugänglich zu machen. Wie Aktien sollen CoCos unbedingt und unmittelbar zur Verlustabsorption herangezogen werden können, um so im Stressfall den Bestand des Ausstellers (Going Concern) zu gewährleisten und eine sonst drohende Abwicklung (Gone Concern) zu vermeiden.

Zahlung des Kupons

Vertraglich ist in den Anleiheprospekten zumeist eine Kernkapitalquote von 5,125 Prozent oder 7 Prozent festgehalten, deren Unterschreiten die Wandlung oder Abschreibung auslöst. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Finanzaufsicht früher eingreift, sollte das Kapital stark erodieren. Die angesichts der absehbaren Rezession zu erwartenden hohen Kreditausfälle werden die bestehenden Kapitalpuffer einem ernsthaften Belastungstest unterziehen. Da viele Unternehmen ihre bislang ungezogenen Kreditlinien und Fazilitäten in Anspruch nehmen und sich darüber hinaus ihre Kreditwürdigkeitsbewertung verschlechtern wird, ist mit einem deutlichen Anstieg der Risikoaktiva zu rechnen, mit der Folge rückläufiger Kapitalquoten selbst bei unveränderter Kreditvergabe. Dem begegnen die Staaten und Finanzaufsichten nicht umsonst mit einer Lockerung der strengen Kapitalvorschriften und umfangreicher Risikoübernahme für neue Kredite. Dabei gilt es, eine drohende Kreditklemme zu verhindern, die unverschuldet in Not geratene Wirtschaft zu unterstützen und einzelne Unternehmen mit umfangreichen Hilfsprogrammen am Leben zu erhalten. Auch wäre ein erneuter Zusammenbruch des Finanzsektors eine zusätzliche Bürde, die viele Länder überfordern würde.

CoCos sollen weiterhin, sofern erforderlich, unbefristet zur Verfügung stehen und dürfen daher keine für Anleihen sonst übliche Endfälligkeit aufweisen. Kündigungen sind dagegen möglich, wenn die Kapitalanforderungen eingehalten werden. Zwar sind die Kuponzahlungen, ähnlich wie Dividenden, grundsätzlich freiwillig. Sie werden aber ge leistet, wenn das CoCo-emittierende Kreditinstitut entweder über ausreichend Kapital verfügt oder, falls dies nicht der Fall ist, über genügend ausschüttungsfähige Mittel.

Da es aktuell aber gilt, möglichst viel verlustabsorbierendes Kapital zu erhalten, forderte die Europäische Zentralbank (EZB) unlängst von den durch sie beaufsichtigten Banken, auf die Ausschüttung von Dividenden vorerst zu verzichten und bei den Boni Zurückhaltung zu üben. Nur wenig später stellte die EZB dann klar, dass sie keine Pläne habe, die Kuponzahlungen von CoCos zu beschränken. Da diese nicht kumulativ sind, also nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden können und daher bei Ausbleiben für den Anleger verloren sind, würden die Ratingagenturen in einem solchen Fall die betroffenen Anleihen als beschädigt kennzeichnen.

Während also das Aussetzen eines CoCo-Kupons keinen wesentlichen Kapitalerhalt brächte, ist in einem solchen Fall von einer spürbaren und damit unökonomischen Verteuerung der Refinanzierungskonditionen für Erstranganleihen bis hin zu einem Wegfall des Kapitalmarktzugangs auszugehen. Es ist anzunehmen, dass ein CoCo-Emittent an der Kuponzahlung so lange festhält, solange die regulatorischen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Keine Ausübung des Kündigungsrechtes

Anders verhält es sich dagegen mit der Ausübung des Kündigungsrechtes. Während in früheren Jahren eine Nichtkündigung noch als Warnsignal eines möglichen Kapitalengpasses fehlinterpretiert wurde, ist heute klar, dass bei der Entscheidung über eine Kündigung wirtschaftliche Abwägungen vorherrschen. Anzunehmen ist, dass der Emittent die Kündigung ausspricht, wenn auf den Beitrag des CoCos zur Kapitalquote verzichtet oder durch ein kostengünstigeres Wertpapier ersetzt werden kann.

Dennoch ist absehbar, dass angesichts der erheblich angestiegenen Renditen der Contingent-Convertible-Anleihen viele Kündigungsmöglichkeiten zunächst einmal zurückgestellt werden. Bei einer Nichtkündigung wird der bis dahin feste Kupon durch einen variablen abgelöst. Dessen Höhe richtet sich üblicherweise nach dem aktuellen Geldmarktsatz plus den zum Emissionszeitpunkt bezahlten Renditeaufschlag, dem Credit Spread. Da dieser wiederum eine Funktion der seinerzeit vorherrschenden Kapitalmarktbedingungen ist, gibt es - ähnlich wie beim Wein - bessere und schlechtere Jahrgänge.

In Jahren wie 2017 oder 2019 etwa konnten sich die Banken zu ausgesprochen günstigen Konditionen Nachrangkapital beschaffen. Daher weisen die CoCos aus dieser Zeit ein höheres Risiko auf, nicht gekündigt zu werden. Da die Berechnung der laufenden Rendite auf die angenommene Fälligkeit abstellt, sinkt die zu erwartende Rendite vor allem solcher Anleihen, die deutlich unter Nennwert notieren, umso stärker, je später die Rückführung stattfindet. Es gilt also, das anleihespezifische Kündigungsrisiko neben Kuponzahlungs- und Wandlungsrisiko in die Beurteilung der Attraktivität eines CoCos entsprechend zu berücksichtigen. Da die Kapitalmarktbedingungen derzeit großen Verwerfungen unterliegen, sind hierbei Annahmen zu treffen, deren Richtigkeit den Anlageerfolg spürbar beeinflussen kann.

Analyse der Risikotragfähigkeit von CoCos unverzichtbar

Abschließend lässt sich festhalten, dass, anders noch als in früheren Krisen, die Banken in wirtschaftlich sinnvoller Weise eingesetzt und nicht stigmatisiert werden. Ihnen kommt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der beginnenden Rezession zu. CoCos tragen dabei zu einer angemessenen Kapitalisierung der Kreditinstitute bei und ermöglichen ihnen so die dringend benötigte Kreditausreichung. Auch wenn die gegebenen Kapitalquoten die europäischen Banken heute viel widerstandsfähiger erscheinen lassen als bei früheren Krisen, ist für ein Investment in Contingent-Convertible-Anleihen eine tiefgehende Analyse der Risikotragfähigkeit unverzichtbar.

Michael Hünseler Head of Credit Portfolio Management, Assenagon, München
Michael Hünseler , Head of Credit Portfolio Management, Assenagon, München

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