Deutsche Bank und Commerzbank - Plädoyer für eine Finanzfusionskontrolle

Achim Wambach, Foto: Anna Logue Fotografie

Überlegungen für eine neue deutsche Industriepolitik erhitzen die Gemüter. Mit der vom Bundeswirtschaftsminister vorgestellten Nationalen Industriestrategie 2030 liegt eine konkrete Diskussionsgrundlage vor. Aber schon in den Wochen zuvor hatten sich die Zeichen verdichtet, dass der Bund als ein Element dieser Politik eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank verfolgen könnte. Die Autoren gehen der Frage nach, ob eine Fusion das Problem der Systemrelevanz soweit vergrößern würde, dass man nach Abwägung der Aspekte von einer solchen Fusion im gesamtwirtschaftlichen Interesse absehen sollte. Eine Finanzfusionskontrolle, wie sie die Monopolkommission im XX. Hauptgutachten vorgeschlagen hatte, könnte ihrer Ansicht nach diese Abwägung übernehmen. (Red.)

Industriepolitik scheint wieder einmal modern geworden zu sein. Ihre Befürworter halten sie für unumgänglich, da die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten zu klein seien, um in einer durch einen Wettbewerb unterschiedlicher Systeme geprägten Weltökonomie noch Bedeutung zu haben.1) Die Schaffung "nationaler" oder gar "europäischer Champions" sei somit "von strategischer Bedeutung".

Konsolidierung in Deutschland - zunehmend größere Institute erfasst

Das Interesse, auch im Finanzsektor Industriepolitik betreiben zu wollen, ist relativ neu. Bis ins letzte Jahr hinein war das Verhältnis zwischen deutscher Politik und Banken infolge der Finanzkrise von Distanz geprägt. Außerdem ist die Bankenlandschaft hierzulande bislang fragmentiert. Allerdings gibt es starke Konsolidierungstendenzen.2) Während sich in den vergangenen Jahrzehnten eher die kleineren Banken in Deutschland zusammengeschlossen haben - die Zahl der Kreditinstitute in Deutschland ist von über 2 100 im Jahr 2009 auf 1 823 im Jahr 2017 gesunken - erfasst die Konsolidierung seit einiger Zeit zunehmend größere Institute.3) Im Sparkassensektor wird diskutiert, die mit wirtschaftlichen Problemen kämpfende Nord-LB durch die Bildung einer Superlandesbank zu stärken.4) Das Land Niedersachsen hat sich kürzlich freilich gegen eine solche Lösung entschieden und möchte die Bank unter anderem mit Steuermitteln unterstützen.5) Schon vor knapp drei Jahren vermeldeten die Genossenschaftsbanken hingegen die erfolgreiche Übernahme der WGZ-Bank durch die DZ-Bank.6)

In den vergangenen Monaten hat sich nun für Beobachter der Eindruck verdichtet, dass die Bundesregierung ein Interesse an einer Fusion der Deutschen Bank mit der Commerzbank hat.7) Der Bund ist seit der Finanzkrise an der Commerzbank mit rund 15 Prozent beteiligt. Damit ist er der größte Einzelaktionär.8) Eine mögliche Hürde für den Zusammenschluss wird allerdings darin gesehen, dass sich beide Institute seit längerer Zeit im wirtschaftlichen Umbau befinden. Außerdem gelten beide Institute als global beziehungsweise anderweitig systemrelevant.9) Eine etwaige Übernahme der Commerzbank würde die global systemrelevante Stellung der Deutschen Bank verstärken.

Die Möglichkeit einer systemrelevanten Stellung ist eine Eigenheit, die grundsätzlich mit dem Geschäft großer Banken verbunden ist. Banken sind Finanzintermediäre. Indem sie Kapital sammeln (zum Beispiel in Form von Einlagen) und Kredite vergeben, konzentrieren sie Risiken in ihren eigenen Büchern. Wenn Banken sehr groß sind, kann es sein, dass sie bei einem (drohenden) Ausfall nicht abgewickelt werden können und der Staat sie - zum Beispiel in einer neuerlichen Finanzkrise - retten muss. Denn große Banken konzentrieren bei sich nicht nur besonders viele Risiken, sie sind auch vielfach mit anderen Finanzmarktteilnehmern verflochten. 10)

Die sich hieraus ergebende systemrelevante Stellung bedeutet für die Banken einen Wettbewerbsvorteil in Form einer impliziten staatlichen Überlebensgarantie (too big/connected to fail).11) Dies gilt prinzipiell auch im Falle von Deutscher Bank und Commerzbank.

Bei diesen beiden Instituten ist es nach heutigem Kenntnisstand ohne Weiteres vorstellbar, dass sie ihren wirtschaftlichen Umbau erfolgreich durchführen und sich anschließend im Wettbewerb miteinander und mit anderen Marktteilnehmern behaupten werden. Eine solche Entwicklung wäre für den deutschen Staat von Vorteil. Denn sie würde es unwahrscheinlich machen, dass die impliziten Garantien zugunsten beider Institute in explizite Hilfen umgewandelt werden müssten. Die Aussichten für eine solche Entwicklung könnten sich in Zukunft jedoch verschlechtern, etwa wenn die bislang gute Konjunktur in Deutschland oder sogar weltweit zu Ende gehen sollte.

Banken-Staaten-Nexus im Blick

Alternativ erscheint es denkbar, dass eines der beiden Institute - oder beide - durch ausländische Wettbewerber übernommen werden. Dazu könnte es dann kommen, wenn die Institute mit der Zeit die Kraft für eine eigenverantwortliche Weiterentwicklung ihres Geschäfts verlieren sollten. Die in Betracht kommenden ausländischen Wettbewerber sind sehr finanzstark und profitieren zum Teil ebenfalls von umfangreichen impliziten Staatsgarantien.12) Wenn es nach der Übernahme durch ein ausländisches Institut zu einer erneuten Finanzkrise oder einem sonstigen globalen Wirtschaftseinbruch käme, könnte möglicherweise die Stabilität des europäischen und des deutschen Finanzsystems in Mitleidenschaft gezogen werden. Das wäre unter anderem dann möglich, wenn die Heimatländer der betreffenden Institute sie nicht in ausreichendem Umfang unterstützen. Demzufolge ist nicht auszuschließen, dass eine starke Abhängigkeit von ausländischen Banken in einer Krise auch auf die deutsche Volkswirtschaft übergreifen und diese schädigen könnte.13)

Die Tatsache, dass sich der wirtschaftliche Umbau von Deutscher Bank und Commerzbank schon länger hinzieht, bedeutet für den deutschen Staat, dass sich die Aussichten, infolge einer erfolgreichen Neuausrichtung beider Institute einer Inanspruchnahme aus impliziten Garantien zu entgehen, dauerhaft nicht bessern. Der Staat befindet sich somit in einer Situation, in der es mehr und mehr geboten erscheint, auch zwischen den Vor- und Nachteilen einer Fusion auf der einen Seite und den möglichen Risiken einer Übernahme durch ein ausländisches Institut auf der anderen Seite abzuwägen. Eine aktive Beeinflussung der Verhältnisse könnte hier dazu beitragen, die Abhängigkeit des Staates von den Großbanken kontrollierbar zu halten.

Eine Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank oder eine Übernahme durch ein ausländisches Institut würde nach gegenwärtiger Rechtslage durch die zuständigen Behörden wahrscheinlich nicht untersagt. Dem steht nicht entgegen, dass ein Anstieg der Systemrelevanz des oder der fusionierten Institute die impliziten Verpflichtungen für den deutschen Staat beeinflussen könnte.

Eine derartige Fusion wäre durch die Kartell- und die Aufsichtsbehörden zu überprüfen.14) Die Kartellbehörden, bei denen Zusammenschlüsse ab einer bestimmten Größe anzumelden sind, untersuchen die Wirkungen der Fusion auf den Wettbewerb. Einiges deutet darauf hin, dass sie einen Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank - gegebenenfalls unter Auflagen - freigeben würden. Denn die Geschäftsfelder der beiden Banken überschneiden sich entweder nur geringfügig oder sie sind wenigstens spürbarem Wettbewerb ausgesetzt - auch noch nach einer möglichen Fusion.15) Im Geschäft mit Privatkunden und dem Mittelstand kommt der Wettbewerbsdruck vonseiten der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, im internationalen Firmenkundengeschäft von größeren Instituten aus dem Ausland. Im Falle einer Fusion mit einem ausländischen Wettbewerber spricht die begrenzte Marktpräsenz der in Betracht kommenden Institute in Deutschland dafür, dass die Transaktion nach ihrer kartellbehördlichen Überprüfung freigegeben würde.

Die Aufsichtsbehörden können eine Übernahme zwar untersagen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vorgang dazu führt, dass bestimmte aufsichtsrechtliche Pflichten verletzt werden.16) Dafür spricht im Fall einer Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank allerdings nichts. Zum einen sind den Behörden beide Institute wohlbekannt und würden auch in Zukunft Gewähr dafür bieten, ihre aufsichtsrechtlichen Pflichten zu erfüllen. Zum anderen könnte sogar die Aussicht bestehen, dass der Markt durch den Zusammenschluss zweier Institute, die beide ihre eigenen Probleme mitbringen, stabiler würde, da der noch vorhandene Wettbewerb zwischen ihnen wegfiele. Im Fall der Übernahme eines der Institute durch einen ausländischen Wettbewerber kann ebenfalls angenommen werden, dass die als Übernehmer in Betracht kommenden Institute in der Lage sein würden, etwaige aufsichtsbehördliche Bedenken auszuräumen.

Beihilferechtliche Prüfung erst nach Inanspruchnahme von Garantien

Das Beihilferecht verbietet es den EU-Mitgliedsstaaten grundsätzlich, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige durch die explizite Gewährung von staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten wirtschaftlichen Vorteilen zu begünstigen, soweit hiermit den Handel zwischen den EU-Mitgliedsstaaten beeinträchtigende Wettbewerbsverfälschungen verbunden sind.17) Solche expliziten Unterstützungsmaßnahmen sind vor ihrer Gewährung bei der Kommission anzumelden, können von dieser aber genehmigt werden.18) Die impliziten Garantien, die Banken sich durch die Ansammlung von Risiken verschaffen und die sie im Krisenfall gegen eine explizite Unterstützung einlösen können, unter liegen selbst keiner beihilferechtlichen Überprüfung. Anderes gilt freilich, wenn solche impliziten Garantien in eine explizite Unterstützung umgewandelt werden.

Diese beihilferechtlichen Grenzen sind im Verhältnis zur Commerzbank bereits relevant geworden. In der Finanzkrise zeigte sich, dass die langfristige Überlebensfähigkeit des Instituts ohne staatliche Unterstützung nicht zu gewährleisten war. Zugleich war es zur Sicherung der Stabilität des Finanzsystems in der EU nicht möglich, die Commerzbank im Rahmen eines normalen Bankeninsolvenzverfahrens abzuwickeln. In dieser Situation stellten sowohl der äußere Finanzierungsrahmen aufgrund des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes als auch die der Commerzbank im Einzelnen zugeflossenen Hilfen anmeldepflichtige Beihilfen dar. 19)

Die Kommission ging in ihrer Prüfung davon aus, dass die Commerzbank grundsätzlich langfristig überlebensfähig sei, sodass ihre Unterstützung im Interesse der Finanzstabilität zu rechtfertigen war.20) Allerdings verband sie die Genehmigung der angemeldeten Beihilfen mit Auflagen. Diese sollten einen Lastenbeitrag des die Beihilfen erhaltenden Instituts darstellen, um den Umfang der erforderlichen Hilfen möglichst gering zu halten, und darüber hinaus die mit den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen einhergehenden Wettbewerbsverfälschungen ausgleichen.21) Bis auf wenige Auflagen, die mit dem Abbau der Bundesbeteiligung an der Commerzbank verknüpft sind, sollte die Commerzbank die sie treffenden Auflagen zwischenzeitlich alle erfüllt haben.22) Insoweit ist also anzunehmen, dass die Deutsche Bank oder ein ausländischer Übernehmer durch ein Zusammengehen mit der Commerzbank nicht selbst zum Beihilfeempfänger würde. Wenn der Bund seine Beteiligung an der Commerzbank auf die Deutsche Bank oder einen anderen Erwerber übertragen würde, müsste er dies allerdings zu Marktkonditionen tun. Andernfalls könnte die Übertragung ihrerseits mit einer anmeldepflichtigen Beihilfe einhergehen.

Das Beihilferecht ist auch zu beachten, wann immer Vertreter der Bundesregierung sich bei der Verfolgung einer industriepolitischen Agenda öffentlich zu der Absicht äußern, eine Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank voranzutreiben. Das gilt insbesondere für den Fall, dass sie eine solche Fusion herbeiführen wollen, um so die Übernahme einer der beteiligten Banken durch ausländische Institute zu erschweren.

Der Bund darf als Anteilseigner der Commerzbank zwar grundsätzlich frei entscheiden, wem er seine Anteile (jedenfalls zu Marktkonditionen) überträgt.23) Öffentliche Erklärungen von Regierungsmitgliedern können aber auch als solche einen beihilferechtlich relevanten Vorteil darstellen, soweit sie die wirtschaftliche Position des betreffenden Unternehmens auf dem Markt und dessen Zugang zu Finanzen verbessern.24) Das gilt jedenfalls dann, wenn dadurch auch staatliche Mittel gebunden werden. Da die Kapitalmärkte Äußerungen von deutschen Regierungsmitgliedern als explizite Bestätigung einer impliziten Garantie werten können, ist bei Äußerungen in Bezug auf systemrelevante Institute besondere Vorsicht geboten.

Finanzfusionskontrolle als präventives Instrument

Zwar ist unklar, ob eine Fusion der Deutschen Bank mit der Commerzbank das Problem der Systemrelevanz soweit vergrößern würde, dass man nach Abwägung der dafür und dagegen sprechenden Aspekte von einer solchen Fusion im gesamtwirtschaftlichen Interesse absehen sollte. Wichtig wäre es aber jedenfalls, diese Frage zu prüfen. Eine solche Prüfung ist bislang nicht vorgesehen. Die Aufsichtsbehörden können weder eine Bankenfusion, die eine systemrelevante Stellung begründet oder verstärkt, untersagen noch können sie diese gegen Alternativszenarien abwägen.

Die internationale Rechtssetzung ist mit Blick auf Fragen der Systemrelevanz nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 bis 2012 zwar nicht untätig geblieben. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) ist seit seiner Errichtung 2010 für die Prävention und Begrenzung des Systemrisikos zuständig und kann Warnungen und Empfehlungen aussprechen. Bereits seit dem Jahre 2005 legt die Deutsche Bundesbank jährlich einen Finanzstabilitätsbericht vor.25) Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hat im Jahre 2011 eine Regelung für global systemrelevante Banken veröffentlicht, so dass diese, gestaffelt nach dem Grad der Systemrelevanz, eine höhere Eigenkapitalquote vorweisen als andere, kleinere Banken.26) Eine Entstehung von systemrelevanten Banken oder eine Verstärkung der Systemrelevanz durch Zusammenschluss können diese Instrumente aber nicht verhindern. Ob der nach der Krise eingeführte Banken-Abwicklungsmechanismus die implizite Garantie für einen "nationalen" oder "europäischen Champion" in der Bankenwelt neutralisieren kann, ist offen und eher zweifelhaft.27) Das Vertrauen, mit diesem Instrument eine Bankensanierung oder -abwicklung ohne Haftung der Steuerzahler zu ermöglichen, wird aktuell auch durch die Entscheidung des Landes Niedersachsen belastet, die Nord-LB mit Steuermitteln zu stützen.28)

Mit der Vertiefung der europäischen Bankenunion ist nicht nur zu erwarten, dass wechselseitige Übernahmen großer heimischer Institute in Zukunft häufiger stattfinden, sondern auch, dass Zusammenschlüsse der heimischen Institute mit ausländischen Konkurrenten wahrscheinlicher werden. Im gegenwärtigen Regelungsrahmen fehlt ein eigenständiges präventives Instrument, um Zusammenschlüsse zu überprüfen, die eine systemrelevante Stellung begründen oder verstärken können. Die Monopolkommission hat zu diesem Zweck eine sogenannte Finanzfusionskontrolle vorgeschlagen.29) Die Aufsichtsbehörden könnten mit diesem Instrument Übernahmen untersagen, die die Volkswirtschaft und damit den Staat in eine problematische Abhängigkeit von in- oder ausländischen Banken brächte.

Wie eine neu eingeführte Finanzfusionskontrolle im Fall einer Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank anzuwenden wäre, wäre von der Ausgestaltung und Anwendung dieser Kontrolle im Einzelnen abhängig. Deshalb ist es auch vorstellbar, dass diese Fusion nach einer Abwägung freigegeben würde. Das käme grundsätzlich etwa dann in Betracht, wenn es tatsächlich Bedarf für einen "nationalen Champion" unter den Banken zur Begleitung der Wirtschaft gäbe.30) Ein solcher Bedarf wäre aber nachzuweisen, denn nach den verfügbaren Informationen ist es durchaus denkbar, dass die Deutsche Bank oder die Commerzbank allein oder auch die Spitzeninstitute des Sparkassenverbunds oder der genossenschaftlichen Verbundgruppe alle relevanten Dienstleistungen ebenso gut erbringen können.31) Außerdem müsste die Fusion verhältnismäßig und damit insbesondere dazu geeignet sein, dass diese besonderen Dienste für die deutsche Wirtschaft bereitgestellt werden. Auch dies dürfte sich nicht ohne nähere Prüfung bejahen lassen. Denn auch hier wäre zu bedenken, dass die beiden Institute sich gegenwärtig im wirtschaftlichen Umbau befinden. Im Fall der Freigabe ihrer Fusion hätten sie zusätzlich die Integration ihrer jeweiligen Organisationen, Systeme und Prozesse zu bewältigen.

Der Staat und die Allgemeinheit könnten durch die Prüfung der Systemrelevanz im Rahmen einer Finanzfusionskontrolle aber jedenfalls besser als nach bestehendem Recht gegen eine Haftung aus impliziten Garantien geschützt werden. Eine solche neuartige Fusionskontrolle könnte im nationalen Aufsichtsrecht verankert werden. Es wäre freilich sinnvoll, sie auch auf EU- Ebene einzuführen, nicht zuletzt mit Blick darauf, dass dort mittlerweile eine Backstop-Haftung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) aus Steuermitteln der Mitgliedsstaaten vorgesehen ist.32)

Harmonisierung von industrie- und wettbewerbspolitischen Interessen

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die in Deutschland diskutierten Initiativen zu einer neuen Industriepolitik im Bankenbereich Besonderheiten aufweisen, da hier Abhängigkeiten zwischen dem Staat und einzelnen systemrelevanten Banken bestehen. Das gilt auch, soweit im Rahmen der deutschen Industriepolitik eine Fusion Deutsche Bank/Commerzbank ins Spiel gebracht wird. Der bestehende kartell- und aufsichtsrechtliche Regelungsrahmen erscheint nicht geeignet, um eine Verstärkung der Systemrelevanz und damit der bestehenden impliziten Garantien im Falle eines Zusammenschlusses präventiv zu verhindern. Ebenso wenig erscheint er geeignet, eine Verstärkung der Systemrelevanz bei einer Übernahme eines der Institute durch einen ausländischen Wettbewerber zu verhindern.

Die Beihilfenkontrolle hat sich zwar in der letzten Finanzkrise bewährt, um den Einsatz von Staatsgeldern bei Inanspruchnahme einer impliziten Garantie und deren Umwandlung in explizite Unterstützungsmaßnahmen zu begrenzen. Auch diese Kontrolle wirkt aber nicht präventiv. Die von der Monopolkommission in ihrem XX. Hauptgutachten vorgeschlagene Finanzfusionskontrolle könnte die bestehende Regelungslücke schließen. Eine solche Kontrolle würde außerdem das industriepolitische Interesse am Schutz vor Systemrelevanz mit dem wettbewerbspolitischen Interesse an einem nicht durch wachsende implizite Staatsgarantien belasteten Wettbewerb im Bankbereich harmonisieren.

Fußnoten

1) Siehe: ohne Autor (o. A.), Rede von Finanzminister Scholz im Wortlaut: "Umbruch in Finanzbranche ist ein Evergreen", Handelsblatt vom 30. August 2018; BMWi, Nationale Industriestrategie 2013; abrufbar: www.bmwi.de. In ähnliche Richtung schon zuvor Ministre de l'économie et des finances Le Maire, Rede in Paris am 2. Oktober 2017; abrufbar: http://discours.vie-publique.fr.

2) Dazu z. B. Dombret, Das richtige Maß - Konsolidierung im Bankensektor, Rede am Center for Financial Studies, 24. April 2018.

3) Deutsche Bundesbank, Bankstellenberichte und Bankstellenstatistiken, Stand: 25. Oktober 2018.

4) Atzler/Kröner, Sparkassen planen Mega-Fusion ihrer Spitzeninstitute, Handelsblatt vom 25. Oktober 2018.

5) O. A., Landtag berät auf Sondersitzung über Nord/LB, ndr.de vom 5. Februar 2019.

6) Atzler, Im Sprint zur Fusion, Handelsblatt vom 28. Juli 2016; dazu auch BKartA, Bundeskartellamt genehmigt die Fusion der DZ BANK mit der WGZ BANK, Pressemitteilung vom 29. März 2016.

7) Der Begriff "Fusion" wird in diesem Beitrag untechnisch verwendet, also nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a VO 139/2004. Siehe zur obigen Aussage z. B. Schieritz, Der Minister will Großes, Zeit Online vom 18. Dezember 2018.

8) Commerzbank, Aktionärsstruktur der Commerzbank AG (Stand Mai 2018).

9) Financial Stability Board (FSB), 2018 list of global systemically important banks (G-SIBs), 16. November 2018 (Deutsche Bank als G-SIB); abrufbar: www.fsb.org; BaFin, Statistik/Liste: In Deutschland identifizierte anderweitig systemrelevante Institute und deren Kapitalpuffer (benennt Deutsche Bank und Commerzbank); abrufbar: www.bafin.de.

10) Siehe hierzu z. B. High-level Expert Group on reforming the structure of the EU banking sector (Chair: E. Liikanen), Final Report, 2. Oktober 2012, S. 38 ff.; abrufbar: https://ec.europa.eu; FCIC, The Financial Crisis Inquiry Report, Final Report of the National Commission on the Causes of the Financial and Economic Crisis in the United States, Januar 2011, S. 417 ff., insb. S. 431 f.; abrufbar: www.gpo.gov/fdsys; Brunnermeier/Oehmke, Bubb les, Financial Crises, and Systemic Risk, NBER Working Paper 18398, September 2012, insb. S. 52 ff., 60 ff.; abrufbar: www.nber.org.

11) Monopolkommission, XX. Hauptgutachten, Eine Wettbewerbsordnung für die Finanzmärkte, 1. Aufl. 2014, Tz. 1391 ff., 1400 ff.

12) Vgl. Financial Stability Board (FSB), 2018 list of global systemically important banks (G-SIBs), 16. November 2018; abrufbar: www.fsb.org.

13) Dafür lassen sich neben den Erfahrungen Deutschlands in der Weltwirtschaftskrise auch die Erfahrungen der südlichen EU-Mitgliedsstaaten in der Finanzkrise anführen; vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2013/2014, Tz. 359 ff. Dieser Aufsatz beruht teilweise auf einem Blogbeitrag der Autoren, der am 5. Februar 2019 auf der Seite www.finanzwende.de veröffentlicht worden ist.

14) D. h. kartellrechtlich durch die EU-Kommission oder, ggf. nach Verweisung, durch das Bundeskartellamt (VO 139/2004; §§ 35 ff., 54 ff. GWB); aufsichtsrechtlich primär durch die EZB (Art. 3 ff. VO 1024/2013, Art. 3 ff. VO 468/2014) und die BaFin (§ 4 Abs. 1 FinDAG i. V. m. den sonst einschlägigen nationalen Regelungen).

15) Bundeskartellamt, Fallbericht vom 14.11.2009 - Deutsche Bank AG/Deutsche Postbank AG 2. Commerzbank AG/Dresdner Bank AG (/Allianz SE) 3. DZ Bank AG/WGZ Bank AG; EU-Kommission, Entscheidung vom 06.02.2009, M.5446 - Deutsche Bank/ Deutsche Postbank, Begründeter Antrag nach Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 auf Verweisung der Sache an Deutschland.

16) Siehe z. B. Art. 15 Abs. 2, 3 VO 1024/2013; Art. 86 f.VO 468/2014; §§ 2c, 12a KWG, 27 Abs. 3 FKAG.

17) Art. 107 Abs. 1 AEUV.

18) Art. 108 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AEUV i. V. m. Art. 2 f. VO 2015/1589.

19) Siehe zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz: EU-Kommission, Entscheidung K(2008) 8629 vom 12. Dezember 2008, Beihilferegelung N 625/2008 - Deutschland. Rettungspaket für Finanzinstitute in Deutschland; Entscheidung K(2009) 3708 endgültig vom 7. Mai 2009, N244/2009 - Commerzbank - Deutschland, Tz. 82.

20) EU-Kommission, Entscheidung K(2009) 3708 endgültig vom 7. Mai 2009, N244/2009 - Commerzbank - Deutschland, Tz. 87 ff.

21) Ebenda, Tz. 104 ff., 109 ff.

22) Siehe ergänzend EU-Kommission, Entscheidung C(2012) 2227 final vom 30. März 2012, SA.34539 (2012/N) - Germany. Amendment to the restructuring plan of Commerzbank.

23) Art. 345 AEUV.

24) EuGH, Urteil vom 19. März 2013, C-399/10 P - Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u.a., ECLI:EU:C:2013:175, Rz. 27 und 106 ff. Vgl. EU-Kommission, Entscheidung vom 2. August 2004, Commission Decision on the State Aid implemented by France for France Télécom, ABl. L 257 vom 20. September 2006, S. 11, Tz. 188.

25) Siehe Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsberichte.

26) Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme ("Basel III"), Dezember 2010 (rev. Juni 2011); in der EU umgesetzt durch Verordnung 575/2013 und Richtlinie 2013/36/EU.

27) Siehe auf EU-Ebene Verordnung 806/2014; Richtlinie 2014/59/EU; auf deutscher Ebene insbesondere das Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen; ferner das Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG).

28) Dabei ist auch zu beachten, dass die Länder den als öffentlich-rechtliche Anstalten organisierten Landesbanken keine Beihilfen mehr in Form einer Anstaltslast und Gewährträgerhaftung gewähren dürfen; EU-Kommission, Pressemitteilung vom 28. Februar 2002, IP/02/343; Entscheidung vom 27. März 2002, E 10/2000 - Deutschland. Anstaltslast und Gewährträgerhaftung.

29) Monopolkommission, XX. Hauptgutachten (Fn. 11), Tz. 1670 ff.

30) Vgl. zu dieser Erwägung erneut o. A., Rede von Finanzminister Scholz im Wortlaut (Fn. 1).

31) Bei Großvorhaben würden sich zur Risikodiversifizierung wohl ohnehin eher Bankenkonsortien beteiligen. Die Vergabe von Groß- und Millionenkrediten durch einzelne Banken unterliegt auch aufsichtsrechtlichen Beschränkungen; vgl. Art. 395 Abs. 1 VO 575/2013, §§ 1 f. GroMiKV.

32) Der ESM wird durch die Mitgliedsstaaten finanziert. Siehe BVerfG, Urteil vom 12. September 2012, 2 BvE 6/12, BVerfGE 132, 195-287, Rz. 103 ff., insb. Rz. 138 ff.; zur Verwendung der ESM-Mittel für Bankenrestrukturierungen: Generalsekretariat des Rates, Übermittlungsvermerk vom 29. Juni 2018, EURO 502/18, EUROSUMMIT 2 TSGC 9, Ziff. 2; Vermerk vom 14. Dezember 2018, EURO 503/18, EUROSUMMIT 3, TSGC 10, Ziff. 1; kritisch zum Einsatz des ESM im Rahmen von Bankenrestrukturierungen: Monopolkommission, XX. Hauptgutachten (Fn. 11), Tz. 1515.

Prof. Achim Wambach, Ph. D. Präsident des Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim und Vorsitzender Monopolkommission, Bonn
Dr. Thomas Weck LL. M. Leitender Analyst, Geschäftsstelle der Monopolkommission, Bonn

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