Gender Balance: Wie es gelingen kann, weibliches Führungspotenzial zu fördern

Dr. Christoph Auerbach, Foto: HypoVereinsbank

Digitalisierung ist für nahezu alle Unternehmen und Branchen überlebensnotwendig geworden. Eine Bank ist laut Auerbach hier in zweifacher Hinsicht gefordert: Sie muss die zunehmend digitalisierungsorientierten Kundenbedürfnisse mit flexiblen und nahtlos integrierten Möglichkeiten für ihre Bankgeschäfte bedienen. Gleichzeitig gilt es, intern einen Kulturwandel voranzutreiben, der flexiblere Strukturen und ein diverses, inklusives Arbeitsumfeld begünstigt. Denn, so ist der Autor überzeugt, je integrativer und vielfältiger das Arbeitsumfeld, desto besser ist ein Arbeitgeber in der Lage das Know-how seiner Mitarbeiter zukunftsorientiert zu nutzen und Talente anzuziehen. Dabei sei qualifiziertes weibliches Führungspotenzial häufig intern vorhanden, das es zu fördern gilt. Die Hypovereinsbank hat ihrer Ansicht nach wichtige "Stellschrauben" identifiziert, die es ermöglichen sollen die Gender Balance im Unternehmen voranzutreiben. (Red.)

Die Arbeitswelt ist in ständigem Wandel. Die Digitalisierung hat die Arbeitsprozesse und die Zusammenarbeit in Unternehmen während der letzten Jahre bereits stark verändert. Megatrends wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit fließen verstärkt mit ein. Zusätzlich hat die Corona-Krise Mitarbeiter wie Führungskräfte besonders gefordert: Die Arbeitswelt wird immer mobiler, digitaler und ist verstärkt auf virtuelle Teamarbeit ausgerichtet.

Zeitgleich sorgen die digitale Transformation und die neuen Megatrends in immer schnellerem Tempo für zunehmend komplexe Aufgaben. Um diese zu bewältigen, werden divisionsübergreifende und interdisziplinäre Teams benötigt, die gemeinsam an neuen Lösungen arbeiten. Durch die verstärkte Arbeit im Homeoffice in der Corona-Pandemie hat die Bedeutung weitgehend selbstbestimmt agierender Teams in unterschiedlichsten Zusammensetzungen zugenommen. Diese neue Form der Zusammenarbeit steht für Selbstständigkeit, Teilhabe an der Gemeinschaft und eine andere Art, Arbeit zu organisieren. Unter diesen Vorzeichen entwickelt sich auch Leadership ständig weiter - Führungskräfte müssen anpassungsfähig sein sowie mit wachsender Komplexität und zunehmender Veränderungsgeschwindigkeit umgehen können.

Diese Entwicklung erfordert auch eine neue Art der Steuerung und einen anderen Umgang mit Verantwortung seitens der Führungskräfte. Es kommt darauf an, das Vertrauen in die Mitarbeiter zu stärken und auf den Zusammenhalt unter Kollegen zu setzen. Kurzum: der Umgang mit einer multiplen Belegschaft im Unternehmen ist erfolgsentscheidend. Dabei soll Diversität dazu beitragen, einen nachhaltigen und werteorientierten Ansatz zu gewährleisten. Einschlägige Studien zeigen immer wieder, gemischte vielfältige Teams sind erfolgreicher. Inzwischen hat sich das Bewusstsein für Diversität in Wirtschaft und Gesellschaft verstärkt, nicht zuletzt durch die "Sustainable Development Goals" der Vereinten Nationen, die als Richtlinie dienen, wie die Gesellschaft nachhaltiger werden kann.

Stellschrauben für mehr Gender Diversity

Diversität umfasst verschiedene Facetten, die für eine integrative und inklusive Unternehmenskultur wichtig sind. In diesem Jahr hat die HVB für einen dieser Aspekte, nämlich Ge schlech tervielfalt, ein bankweites Gender-Diversity-Programm ins Leben gerufen. Denn noch immer ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Frauen und Männer in Führungspositionen gleichermaßen repräsentiert sind. Das Programm hat sich zum Ziel gesetzt, Treiber und Hürden zu erkennen, die Frauen befähigen be ziehungsweise davon abhalten, Führungsverantwortung zu übernehmen. In verschie denen bereichsübergreifenden Arbeitsgruppen wurden konkrete Maßnahmen entwickelt, um eine erfolgreiche weibliche "Nachfolge-Pipeline" sicherzustellen.

Vorangegangen waren Interview-Runden mit Mitarbeitern, um konkrete Karrierehindernisse für Frauen bei der HVB zu identifizieren. Mehr als fünf Monate arbeiteten über 40 Kollegen in verschiedenen Arbeitsgruppen intensiv miteinander, um verschiedene Initiativen zum Thema Gender Diversity mit Leben zu füllen. Inzwischen sind die Rahmenbedingungen im Beförderungsprozess überarbeitet, sodass Geschlechtervielfalt in diesem Entwicklungsinstrument ein Fokusthema bildet. Auch die Leistungsbeurteilung wurde weiterentwickelt, sodass künftig qualitative Bewertungen durch mehrere Stakeholder über einen längeren Zeitraum mit in die Jahresbeurteilung einfließen. Ebenfalls wurden klare Kriterien in den Zielvereinbarungen des gesamten Topmanagements verankert, die das Bewusstsein für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis kontinuierlich stärken. Ab sofort werden als Pilotprojekt zudem grundsätzlich alle Positionen, die eine erste Führungsaufgabe beinhalten, in Teilzeit und in Vollzeit ausgeschrieben. Zusätzlich zur "Führung in Teilzeit" werden "Leadership Tandems" gebildet, bei denen sich zwei Teilzeitmitarbeiter die Führungsverantwortung für ein Team aufteilen. Somit wird ein weiterer Baustein in der HVB in Angriff genommen, der es ermöglicht eine Führungsaufgabe unabhängig von der jeweiligen Lebenssituation zu übernehmen.

Eine entscheidende Rolle bei Karrieremustern von Frauen spielt zudem die Elternzeit. Der im Zuge des Programms überarbeitete Elternzeitprozess zielt deshalb noch stärker darauf ab, Mitarbeiter in Elternzeit an das Unternehmen zu binden und sie bei der Rückkehr aktiv zu begleiten. So wird jetzt gemeinsam vor dem Beginn der Elternzeit ein gemeinsamer Entwicklungsplan für die Zeit danach definiert. Dabei unterstützen neu entwickelte "Golden Rules" sowie Checklisten die Planbarkeit für die Rückkehrer und den Arbeitgeber. Zudem wird das aktuell bereits bestehende Elternportal optimiert, um die Bindung an die Bank während der Auszeit weiter zu stärken.

Beschleunigung in einzelnen Divisionen

Im Rahmen des Gender-Diversity-Programms hat zudem jeder Vorstandsbereich der Hypovereinsbank Diversity-Sponsoren benannt, die dabei unterstützen, Chancen gleichheit individuell und zielgerichtet in jeder einzelnen Division voranzutreiben. Gemeinsam mit dem Personalbereich planen die Diversity-Sponsoren unterschiedlichste Initiativen und Maßnahmen für eine diverse und inklusive Kultur. Das erste Ziel der Diversity-Sponsoren ist, Frauen dabei zu unterstützen, Karrierechancen nutzen zu können, die sich ihnen auftun. Basis hierfür soll unter anderem ein cross-divisionales HVB-Frauennetzwerk bilden, das Frauen auf ihrem Karriereweg eine Plattform zum Austausch bietet und ihre Visibilität erhöht. Über alle Ebenen hinweg gilt es eine starke, möglichst diverse Nachbesetzungspipeline aufzubauen, mit einem ausgeglichenen Geschlechteranteil. Deshalb werden alle Stakeholder, die in die Entwicklung und Beförderung von Mitarbeitern involviert sind, für Geschlechtervielfalt und unbewusste Vorurteile frühzeitig sensibilisiert. Hierzu gehört zum Beispiel, dass in die Assessment Center für Führungspositionen eine dezidierte Übung zum Thema Gender Diversity mitaufgenommen wurde.

Wie bunt die potenzielle Vielfalt derzeit schon ist, zeigen regelmäßige über interne und externe Kanäle kommunizierte Stories: Sie porträtieren "Alltagsheldinnen und -helden" der HVB. Hier finden sich beispielsweise "Alex und Alex", zwei Mitarbeiter, die sich ganz besonders für LGBTQ+ Werte und somit für Vielfalt und ein inklusives Arbeitsumfeld einsetzen. Oder "Working Dads", die sich über das Klischee unterhalten, dass nur Frauen bereit sind, in Elternzeit zu gehen. Und wie es zwei Kolleginnen schaffen, sich in Führung als Doppelspitze eine Teamleitung zu teilen und dabei in Teilzeit zu arbeiten. Diese Role Models dienen allen Mitarbeitern der Bank als inspirierende Vorbilder.

Bei der zuletzt genannten Role-Model-Story berichten Sandra Döring und Daniella Schönwetter über ihre Erfahrungen. Sie sind das erste "Leadership Tandem" der Bank und verantworten gemeinsam ein Team von sieben Mitarbeitern innerhalb des zentralen Kreditrisikomanagements für Finanzinstitute, Banken und Souveräne (FIBS). Die Bereitschaft der beiden Mitarbeiterinnen, diese Art von Führung mit Leben zu füllen, unterstützt die Bank in ihren Bestrebungen Mitarbeiter für Führung in Teilzeit zu gewinnen.

Diverses und inklusives Arbeitsumfeld unabdingbar

Für die HVB war es bei der Etablierung von Leadership Tandems wichtig, bestimmte Kriterien einzuhalten, die den Teams helfen, erfolgreich arbeiten zu können. So sollte bereits über einen längeren Zeitraum ein Vertrauensverhältnis bestehen und beide die Kunst beherrschen, die Mitarbeiter zur Selbstständigkeit zu befähigen. Tandems sind eine hervorragende Lösung für Mitarbeiter, die in Teilzeit arbeiten und dennoch den Karriereweg einschlagen wollen.

Angesichts zukünftiger Herausforderungen in der Arbeitswelt wird die Bank weiter engagiert an ihrem Diversitäts-Profil arbeiten, denn ein diverses und inklusives Arbeitsumfeld ist für den zukünftigen Erfolg der HVB genauso unabdingbar wie eine fortschreitende Digitalisierung. Im gesamten Spektrum von Diversität ist "Gender Diversity" eine wichtige Dimension. Zu Geschlechtergleichheit ist es jedoch noch ein gutes Stück des Weges zu gehen. Aber mit den entsprechenden Maßnahmen will die Hypovereinsbank dazu beitragen, den Anteil an Frauen in Führungspositionen zu erhöhen und somit ungenutztes Know-how und weibliches Führungspotenzial für das Unternehmen zu gewinnen - auch entsprechend dem gruppenweiten Ziel der Unicredit, bis 2023 einen Anteil von mindestens 30 Prozent Frauen in leitenden Führungspositionen zu erreichen.

Dr. Christoph Auerbach Personalleiter, HypoVereinsbank - UniCredit Bank AG, München
Christoph Auerbach , Personalleiter, HypoVereinsbank - UniCredit Bank AG, München
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