Sparkassen II

Baden-Württemberg trotzt Rahmenbedingungen

Quelle: Sparkassenverlag

Sparkassen sehen sich bekanntlich als die Anwälte der deutschen Sparer. Da war es schon ein Schock, als Mario Draghi mit seinem "Abschiedsgeschenk" die Zinsen im vergangenen Herbst noch weiter senkte und gleichzeitig das Anleihekaufprogramm wiederaufnahm. Denn eigentlich waren viele im öffentlich-rechtlichen Lager eher von einer langsamen Normalisierung der Zinsen ausgegangen. Entsprechend deutlich machen die Verantwortlichen der Verbände dieser Tage auf den verschiedenen Pressekonferenzen Front gegen die Fortführung der EZB-Politik unter Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde. "Mit Nachhaltigkeit, die der EZB angeblich so wichtig ist, hat diese Geldpolitik gar nichts zu tun", wettert beispielsweise Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg. Denn es würden die Risiken auf die nächste Generation abgewälzt, die dann vor einem riesigen Schuldenberg stehe.

Das ist die eine Seite. Die andere ist die Bedrohung der Zukunft der Sparkassen selbst. Denn sollten diese Rahmenbedingungen noch einige Jahre gelten, würde das erprobte Geschäftsmodell, Einlagen von den Kunden einzusammeln und diese im Geschäftsgebiet in Form von Krediten auszureichen, vermutlich doch erheblich stärker angepasst werden müssen, als man sich dies noch vor einigen Monaten vorstellen wollte. Sollten die Sparkassen weiterhin von Verwahrentgelten für die Breite der Kunden absehen, während Wettbewerber mehr und mehr zu dieser Praxis übergehen, wird sich der Mittelzufluss sicherlich weiterhin schneller erhöhen, als die Kreditzusagen. Laut einer Umfrage von biallo.de erheben mittlerweile fast zweihundert Banken und Sparkassen solche Verwahrentgelte. Damit hat sich die Zahl der Institute mit derlei Abwehrmaßnahmen seit dem Juli 2019 mehr als verdoppelt.

Schneider betont zwar, dass Kunden mit Einlagen unter 100 000 Euro nichts zu befürchten hätten, weiß aber auch um die Gefahren, wenn die Institute mit neuen Geldern geflutet werden. Trotzdem will er eine Weitergabe der Zinsbelastung nur bei großen Vermögen. Bei den 51 Sparkassen in Baden-Württemberg haben sich die Kundeneinlagen seit 2015 um mehr als 20 Milliarden Euro auf 147,3 Milliarden Euro zum Ende des Geschäftsjahres 2019 erhöht. Drei Viertel davon entfallen auf Privatpersonen, wo die Weitergabe der Negativzinsen unter den bisherigen Vorgaben eher schwieriger wird. Noch wächst das zugesagte Kreditvolumen der baden-württembergischen Institute entsprechend mit: Während die Einlagen um 6,6 Milliarden Euro zulegten, stiegen die Kundenkredite um 5,9 Milliarden auf den neuen Rekordwert von 136,3 Milliarden Euro. Das ist durchaus immer noch eine komfortable Situation. Doch die schwierigeren Zeiten kommen erst noch, das weiß auch Schneider: "Trotz der hohen Dynamik in dem stark umkämpften Markt der Unternehmenskredite verkennen wir nicht, dass die baden-württembergische Wirtschaft angesichts der Industrierezession 2019 und der strukturellen Fragen in der Automobilindustrie vor großen Herausforderungen steht."

Bei seinen Sparkassen hat der Druck auf die Ertragslage im vergangenen Jahr weiter zugenommen. Die Cost Income Ratio ist auf 64,4 Prozent gestiegen, den höchsten Wert der vergangenen fünf Jahre, das Betriebsergebnis vor Bewertung ist auf 1,56 Milliarden Euro oder 0,78 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme gesunken. Zwar konnte der Rückgang des Zinsüberschusses (3,17 nach 3,22 Milliarden Euro) vollständig durch eine Steigerung des Provisionsüberschusses (1,23 nach 1,18 Milliarden Euro) aufgefangen werden, allerdings stiegen die Kosten absolut (2,85 nach 2,78 Milliarden Euro) an, auch wenn sie gemessen an der Durchschnittsbilanzsumme mit 1,42 Prozent erstmals wieder unter den Wert von 2012 zurückgingen. Zudem wurde das Ergebnis zum ersten Mal seit 2013 wieder durch Kreditabschreibungen in Höhe von 39 Millionen Euro belastet. Zu den Konsolidierungsversuchen an der Spitze der S-Finanzgruppe sagte Schneider: "Grundsätzlich bin ich offen für alles, was eine Verbesserung bringt."

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