Börsen

Weiteres Übernahmeangebot

Das war ein unerwarteter Paukenschlag am geschichtsträchtigen 11. September, der die nächste Runde im Übernahmekampf der Börsengesellschaften einleitete: Der Betreiber der Börse Hongkong, die Hongkong Exchanges and Clearing Limited (HKEX), hat der Börse London - die noch vor Kurzem selbst ein Übernahmeangebot in Höhe von 27 Milliarden US-Dollar für den Datenanbieter Refinitiv abgab - ein Angebot für die Übernahme aller Aktien gemacht. Mit dem kombinierten Angebot aus Aktien und Cash (siehe Seite 45) würde die London Stock Exchange Group (LSEG) mit nicht ganz 32 Milliarden britischen Pfund bewertet.

In einer ersten Reaktion zeigte sich die LSEG leicht düpiert und abwartend. Düpiert vor allem deswegen, weil das Angebot veröffentlicht wurde, bevor es das Management in London in Ruhe prüfen konnte. Immerhin wurde dennoch eine Prüfung des Angebots in Aussicht gestellt. Doch die dauerte nicht lange. Zwei Tage später lehnte die LSEG das Angebot offiziell ab, nachdem das Board des Unternehmens einstimmig dagegen stimmte. Aus vielen Gründen: Die strategische Überlegung, Refinitiv zu übernehmen sei wohlüberlegt gewesen - HKEX stellte das Angebot unter die Bedingung, den Refinitiv-Deal abzubrechen -, das Angebot sei zudem viel zu niedrig und die politische Situation in Hongkong zu ungewiss.

Die HKEX zeigte sich davon enttäuscht, ist jedoch weiterhin davon überzeugt, dass es der strategisch richtige Schritt wäre. Daher wird es spannend zu sehen, ob sie sich die Börse Hongkong unter der Führung von Charles Li davon schon ins Bockshorn jagen lässt und aufgibt, oder ob sie es weiter versucht. Die Aktionärsstruktur der LSEG wäre durchaus geeignet, um zur Not auch eine feindliche Übernahme durchzuführen. Es gibt nur vier große Ankeraktionäre, die insgesamt 29 Prozent der Anteile halten. Größter Aktionär ist der Staatsfond Qatar Investment Authority (QIA), der 10,3 Prozent der Anteile hält (alles Stand September 2018, Quelle: LSEG). Danach folgt mit 6,9 Prozent der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock. Geostrategische Interessen aus britischer Sicht dürften diesen Investoren jedoch herzlich egal sein. Allerdings müsste die HKEX für eine feindliche Übernahme das Angebot deutlich nachbessern.

Aber auch dann wird es schwierig. Die HKEX hat schon im Jahr 2012 die London Metal Exchange (LME), eine der global wichtigsten Börsen für den Handel mit Metall-Rohstoffen, gekauft. Wenn nun auch noch die wichtigste Aktienbörse des Landes in den Einflussbereich der Chinesen geraten würde, könnte das für Sorgenfalten bei den Regulatoren und den ohnehin schon Brexit-gestressten Politikern sorgen. Daher wäre ein Eingreifen zumindest denkbar. Gegen ein Eingreifen spricht aus Londoner Sicht jedoch ein Blick auf den Global Financial Centres Index: Dort rangiert London in der Rangliste der global wichtigsten Finanzzentren auf Rang 2, relativ deutlich hinter New York. Hauchdünn hinter London folgt das aufbegehrende Hongkong. Gemeinsam könnte der Finanzplatz London/Hongkong durchaus eine Gefahr für die Führungsrolle der Amerikaner darstellen. Dadurch wiederum könnte der Druck auf die EU erhöht werden, wenn der dann wichtigste Finanzplatz direkt vor der Haustür stünde. Zudem würde es der geschundenen imperialistischen Seele der Briten schmeicheln. Es bleibt spannend abzuwarten, ob es Li auf einen feindlichen Übernahmeversuch ankommen lässt. Ebenso spannend wäre dann zu sehen, ob die Politik dazwischen grätscht.

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