Herr Rodax, welche Vertriebswege nutzt Ihr Haus im Firmenkreditgeschäft?
Unsere Strategie im KMU-Segment (kleine und mittlere Unternehmen) ist durch die Kombination von digitalen Angeboten und Kooperationen geprägt. Darüber hinaus nutzen wir in der BAWAG P.S.K. den klassischen Filialvertrieb - dort insbesondere unsere Geschäftskunden-Kompetenzfilialen.
Im Bereich des Onlineangebots möchten wir die Express-Finanzierung hervorheben. Unsere digitale Working-Capital-Finanzierung ist seit einigen Wochen für alle österreichischen KMU verfügbar. Dank des volldigitalen Antragsprozesses und dem Einsatz neuester Technologien können KMU eine punktgenaue Liquiditätsfinanzierung zwischen 5 000 Euro und 50 000 Euro schnell und einfach beantragen. Der Finanzierungsbetrag ist bei einer positiven Bonitätsprüfung bereits am nächsten Werktag verfügbar. Mit der Express-Finanzierung können beispielsweise Aufträge schnell zugesagt werden, weil die erforderlichen Mittel rasch zur Verfügung stehen. Außerdem kann die Finanzierung jederzeit und von überall beantragt werden. Damit reagieren wir auf die Bedürfnisse der heimischen Unternehmer und unterstützen sie dabei, ihr Geschäft reibungslos zu führen und ihren Kunden den bestmöglichen Service zu bieten. Erwähnen möchten wir auch unsere strategische Kooperation mit Metro Cash & Carry Österreich. Im Fokus der langfristig ausgerichteten Kooperation bietet die BAWAG P.S.K. speziell für Metro-Kunden ausgerichtete Angebote. Metro ist einer der führenden KMU-Retailer in Österreich und die Kooperation ermöglicht uns, den über 500 000 Kunden, zum Großteil kleine und mittlere Unternehmen, maßgeschneiderte Finanzprodukte und Dienstleistungen anzubieten. Damit ist diese Partnerschaft ein weiterer Schritt in Richtung eines neuen Modells der Kundengewinnung. Wir stärken unsere Präsenz in Österreich und unterstreichen unser Bekenntnis zu einem wachsenden KMU-Markt.
Auch mithilfe von digitalen Plattformen werden Direktfinanzierungen durch Investoren immer beliebter und effizienter. Ist das perspektivisch eine Alternative zur klassischen Bankfinanzierung oder nur eine Ergänzung?
Wir sehen darin eine Ergänzung und legen auch selbst einen starken Fokus auf den Auf- und Ausbau unseres digitalen Angebots. Ein erfolgreiches Beispiel dazu aus der jüngeren Vergangenheit ist unsere bereits genannte Express-Finanzierung. Um das Business-Kundenerlebnis so innovativ und intuitiv wie möglich zu gestalten, greift die BAWAG P.S.K. auf moderne Technologien zurück: Dazu zählen Verfahren zur Videolegitimation und zur Auswertung von Bankumsätzen, um die Leistbarkeit von Krediten zu berechnen. Damit müssen keine weiteren wirtschaftlichen Unterlagen während des Kreditantragsprozesses übermittelt werden, was eine enorme Vereinfachung für unsere KMU-Kunden darstellt.
Wie reagiert die BAWAG P.S.K. selbst auf die vielen neu entstandenen Plattformen für Onlinekredit im Firmenkundengeschäft?
Einerseits investieren wir laufend in den Auf- und Ausbau unseres Onlineangebotes, andererseits gehen wir strategische Kooperationen ein, wie zum Beispiel aktuell mit Metro Cash & Carry Österreich. Wir möchten dort sein, wo unsere Kunden sind - und wo diese maßgeschneiderte Lösungen brauchen.
Welche Rolle spielt das klassische Kreditgeschäft für die BAWAG P.S.K. in der Unternehmensfinanzierung? Welche Bedeutung haben Kapitalmarktinstrumente derzeit und für welche sehen Sie in Österreich die größten Marktchancen?
Die klassische Finanzierung spielt bei uns nach wie vor die Hauptrolle, Kapitalmarktinstrumente haben in Österreich insbesondere im KMU-Segment eine noch sehr untergeordnete Bedeutung. Verschiedene Befragungen zeigen, dass der klassische Bankkredit das beliebteste Finanzierungsinstrument bleibt und aktuell keine Trendumkehr erkennbar ist.
Macht eine Kapitalmarktorientierung im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen überhaupt Sinn?
Die Wiener Börse hat zu Beginn dieses Jahres das Segment KMU gestartet. KMU sind das vielzitierte Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, mehr als 99 Prozent aller Unternehmen in Österreich zählen zum KMU-Segment. Der einfache, kostengünstige Börsenzugang ist für spezifische KMU sicher eine interessante Alternative. Aufgrund der speziellen Eigentümerstruktur des Mittelstands gilt es aber andere Anforderungen bei Finanzierungen zu beachten als für Großunternehmen.
Das Schuldscheindarlehen ist traditionell in Deutschland, aber auch in Österreich ein sehr beliebtes Finanzierungsinstrument für Unternehmen. Welche Rolle spielt das Instrument für Ihr Haus?
Schuldscheindarlehen werden im KMU-Segment nicht angeboten. Syndizierte Kredite und Schuldscheindarlehen werden für Großkunden und die öffentliche Hand beziehungsweise Kommunen angeboten.
Im Markt für Unternehmensfinanzierungen gibt es viele Sonderformen wie Finetrading oder Factoring. Werden diese Spezialitäten dem klassischen Bankkredit im Firmenkundengeschäft zukünftig den Rang ablaufen?
Die Sonderformen wie Finetrading oder Factoring werden dem klassischen Kredit nicht den Rang ablaufen, sind aber branchen- und situationsbedingt durchaus relevante Formen. Im Bereich Factoring darf ich auf unsere zur BAWAG Group gehörenden "Schwesterunternehmen" verweisen: Die Übernahme der Health Coevo AG in Deutschland und der Zahnärztekasse AG in der Schweiz bietet der BAWAG Group die Chance, sich im Bereich Factoring zu etablieren. Beide Factoring-Übernahmen sind auf den Nischenmarkt der Finanzdienstleistungen im Bereich (Zahn-)Medizin ausgerichtet, wobei über strategische Partnerschaften die Vertriebsmöglichkeiten ausgebaut werden sollen.
Im deutschen Bankensektor wird im Zuge des Niedrigzinsumfeldes seit Jahren über einen Margenverfall im (Firmen-)Kreditgeschäft geklagt. Ist das in Österreich anders? Kann die BAWAG P.S.K. gut mit den Margen leben?
Auch in Österreich sind wir vom Niedrigzinsumfeld betroffen. Wir möchten in diesem Zusammenhang unser proaktives Risikomanagement, die disziplinierte Kreditvergabe in entwickelten Märkten und unser diszipliniertes, risikoadjustiertes Pricing hervorheben.
Versucht Ihr Haus die Margenverengung im Kreditgeschäft durch Volumensausweitung auszugleichen?
Einerseits setzen wir dabei auf die gerade ausgeführten Aspekte. Andererseits werden wir weiterhin einzigartige Chancen nutzen, um unsere Kundenbasis zu erweitern und Marktanteile zu gewinnen, sowohl organisch als auch durch Zukäufe.
Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank deutet an, dass die Zinsen eher noch weiter sinken werden. Wie wird sich das im österreichischen Firmenkundengeschäft auf die Wettbewerbsverhältnisse auswirken? Ist eine Marktbereinigung in der Branche zu erwarten?
Wir sind überzeugt, dass es sowohl in der DACH-Region als auch in ganz Europa zu einer Konsolidierung in der Bankenlandschaft kommen wird.
Welche Rolle spielen in Ihrem Haus bei der Vergabe von Unternehmensfinanzierungen Nachhaltigkeitskriterien?
Entsprechend dem internationalen Trend und den zu erwartenden regulatorischen Veränderungen in Europa in diesem Bereich eine zunehmend große. Wir sind gerade dabei, unsere Risiko-Policies im Hinblick auf ESG-Kriterien zu überarbeiten und zukünftig stärker in unseren Entscheidungen und in unserem Kerngeschäft zu berücksichtigen. Erste Schritte haben wir hier bereits im Retail-Segment gesetzt: Hier bieten wir beispielsweise ein "Neue Chance Konto" an, das auf finanzielle Inklusion gerichtet ist und insbesondere Menschen Zugang zu Konten gibt, die sich in einer finanziellen Notlage befinden - und damit den Grundstein für einen Neustart in eine erfolgreiche Zukunft legt. Wir haben auch bereits mehrfach Schwerpunkt-Aktionen mit einer "0-Prozent-Kfz-Finanzierung" gesetzt, die den Fokus auf der Finanzierung von Autos hatte, die einen begrenzten CO2 -Ausstoß aufwiesen.