Im Gespräch

"Wir brauchen die Akzeptanz vonelectronic cash"

Herr Bloching, Sie haben erst am 1. April die Aufgabe des Deutschland-Chefs von Visa übernommen. Wie sehen Sie Visa positioniert - aus der Perspektive eines relativ neu zum Unternehmen Hinzugekommenen?

Visa steht für mich im Kartenmarkt für das Thema Marke und Vermarktung - zweitrangig für das Thema Technik. Und genau das ist es, womit sich das deutsche Kreditgewerbe meiner Einschätzung nach stärker auseinandersetzen muss. Manchmal konzentrieren wir uns zu stark auf die technischen Rahmenbedingungen. Spezifikationen, für die der ZKA gegründet wurde, sind sehr wichtig. Aber das Kundenverhalten lässt sich nur über Marketing verändern.

Das heißt natürlich nicht, dass das Thema Technik für Visa von nachgeordneter Bedeutung wäre. Im Gegenteil - die Entscheidung für EMV-Chip und PIN bei V-Pay war mutig. Denn bis die EMV-Migration in Deutschland vollzogen ist, könnten noch zwei spannende Jahre vergehen.

Aber - und das ist für mich der springende Punkt - wenn man an der Kasse Kunden befragt, warum sie nicht mit der Karte bezahlt haben, ist das meistgenannte Argument die Sicherheit. Das heißt: Es geht nicht nur darum, sicherzustellen, dass EMV-Terminals am Markt sind und funktionieren. Sondern wir müssen das Thema Sicherheit - bei V-Pay Chip und PIN in eine Kundenbotschaft umsetzen. Wir glauben, dass dies das am meisten Erfolg versprechende Argument ist, um den Umsatz mit Karte zu steigern. Das ist genauso wichtig wie die funktionierende Technik.

Das Thema Kartenmissbrauch in Deutschland ist im europäischen Kontext durchaus überschaubar. Wir können heute sagen: Unsere Systeme sind sicher. Die Frage ist aber: Glaubt uns das der Kunde? Wir müssen den Mut haben, das Thema Sicherheit greifbar zu machen. Hierzu werden wir den offenen Dialog mit den Verbraucherschützern suchen.

Was sehen Sie in nächster Zeit als Ihre wichtigste Aufgabe an?

Die wichtigste Aufgabe ist die Positionierung und Verankerung von V-Pay im deutschen Markt. Der zweite Punkt ist das Voranbringen des Themas Kreditkarten. Das betrifft zum Beispiel Prepaid- und Com-mercial-Cards und die Verbesserung der Akzeptanz.

Wie lange wird es dauern, bis die ersten V-Pay-Karten auf den deutschen Markt kommen?

Wir haben die Rahmenvereinbarung mit dem BVR und dem ZKA unterzeichnet. Die BVR-Piloten sind für dieses Jahr geplant. Die ersten größeren Tranchen werden Mitte nächsten Jahres von den Genossenschaftsbanken ausgegeben. Mittlerweile führen wir auch Gespräche mit anderen großen Häusern.

Operativ stehen wir derzeit vor der Herausforderung, dass die Debitkarte in vielen Banksystemen nicht als Produkt, sondern als Funktionalität hinterlegt ist. Deshalb gibt es keine Möglichkeit, ein zweites Produkt einzustellen. Insofern ist die Einführung von V-Pay eine Chance, dies zu adressieren.

Inwiefern kann V-Pay von dem Unmut profitieren, den Mastercard mit den mittlerweile zurückgenommenen neuen Maestro-Interchange-Sätzen bei den Banken ausgelöst hat?

Für mich geht es dabei weniger um das Thema Interchange-Sätze, sondern mehr um die Entscheidungsstrukturen, die zur Beibehaltung von Visa Europe als Mitgliedsorganisation trotz der Neustrukturierung von Visa Inc. führten.

Wir bei Visa Europe sind uns bewusst, dass im Kartengeschäft ein erheblicher Anteil der Kosten durch die Issuer getragen wird. Deshalb haben wir uns für die Mit-glieder-Struktur entschieden, um das Geschäft gemeinsam mit den Banken weiter voranzutreiben. Ich bin zuversichtlich, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.

Sie streben also nicht an, V-Pay als Konkurrenzprodukt zu electronic cash zu etablieren?

Nein. Das hängt mit unserer Mitgliederstruktur zusammen. Die Banken treffen bei uns die Entscheidungen. Über den V-Pay-Verwaltungsrat haben wir die Entscheidung getroffen, eine Interchange von 0,3 Prozent, Minimum acht Cent, einzuführen. Das korrespondiert mit dem electronic-cash-Niveau, wobei das Visa-System nicht nur die Autorisierung durch den Issuer, sondern auch Clearing und Settlement beinhaltet.

Visa Europe möchte ein Co-Batching mit electronic cash eingehen. Wir wissen, dass wir damit derzeit nur einen beschränkten Marktanteil an dem gesamten Transaktionsaufkommen dieser Karten erhalten werden. Wir haben aber keine Strategie gewählt, die über den Händler Druck auf die Issuer ausübt. Das ist uns existenziell wichtig. Man kann den Kartenmarkt nur gemeinsam mit allen Beteiligten weiterentwickeln Maestro hat im Markt einen zweifachen Vorsprung: Bei der Anzahl der Karten und bei der Akzeptanz. Wie können Sie diesen Vorsprung einholen?

Um ein attraktives Produkt am Markt zu haben, brauchen wir in Deutschland ganz klar die Akzeptanz von electronic cash. Deshalb haben wir eine Co-Batching-Vereinbarung mit dem ZKA geschlossen.

Was wir in den letzten zwei Jahren in Europa erreicht haben, ist beachtlich: Zwischenzeitlich haben wir bereits mit 60 Acquirern Verträge geschlossen, die für 90 Prozent des europäischen Sales-Volumens stehen.

Zudem erfolgen am PoS sieben von zehn Transaktionen an V-Pay-fähigen Terminals.

In Märkten außerhalb Deutschlands, die heute schon einen Großteil der Transaktionen über internationale Brands abwickeln, wird sich V-Pay von ganz allein durchsetzen.

Das ganz spezifische Problem in Deutschland ist, dass wir mit EMV - und V-Pay ist nun einmal ein EMV-basiertes System - deutlich hinter Ländern wie Frankreich oder England hinterherhinken. Eine V-Pay-Proposition ohne electronic cash wird deshalb Issuern nur schwer zu kommunizieren sein. Deshalb haben wir uns für V-Pay plus electronic cash entschieden. Über die EMV-Migration, die auch vom ZKA unterstützt wird, werden wir aber über kurz oder lang auch in Deutschland auf eine einheitliche Plattform kommen. Damit wird sich die Diskussion um die Notwendigkeit, für V-Pay neue Terminals anzuschaffen, erledigen.

Zudem müssen wir sicherstellen, dass die Debitkarte als Produkt wahrgenommen wird, zum Beispiel auch über eine Kampagne, die V-Pay als etwas Junges, Frisches beim Konsumenten platziert.

Als zweite Herausforderung neben V-Pay haben Sie die Verbesserung der Akzeptanz auch für Kreditkarten genannt. Was kann Visa hier tun?

Wir müssen unsere Denkschemata dergestalt erweitern, dass wir beim Thema Akzeptanz nicht immer nur über den Preis reden dürfen. Vielmehr müssen wir uns Gedanken darüber machen, an welchen Stellen wir Händlern helfen können, Mehrwert zu generieren. Weshalb ist es für einen Händler interessant, Kreditkarten zu akzeptieren? Was für Trends lassen sich aus dem Bezahlverhalten erkennen, und was für Unterstützung können wir dem Handel anbieten?

Wir müssen dazu kommen, dass der Handel die Kreditkarte für so notwendig erachtet wie die "Parkplätze" vor der Tür. Etwas, was er eigentlich gar nicht braucht, was aber im Tagesgeschäft ungemein hilft.

Oft hat man den Eindruck, dass Piloten oder Roll-Outs für neue Produkte wie V-Pay oder Pay-Wave nie in Deutschland stattfinden. Woran liegt das?

Das hat für mich zwei Gründe: Zum einen: Wenn wir uns als Visa Deutschland überlegen, ob wir in ein neues Projekt hineingehen, überlegen wir, ob sich daraus ein Geschäft machen lässt. Gibt es keinen Business Case, fallen auch Themen, die kurzzeitig sehr en vogue sind, schnell in sich zusammen. Entscheidend ist: Weshalb glauben wir, dass ein Kunde Interesse an neuen Anwendungen hat? Und können wir ihm das in einfachen Worten kommunizieren?

Der zweite Punkt ist ein spezifisch deutsches Problem: Wenn Sie sich in England mit der London Underground auf einen Standard einigen, wird es in England keinen anderen Standard geben. Da Deutschland in vielen Bereichen dezentraler organisiert ist, ist der Schritt von einem Piloten zu einer flächendeckenden Lösung wesentlich aufwendiger. Worauf wir uns konzentrieren müssen: Gibt es eine Botschaft, und können wir daraus ein Kernprodukt herausschälen, das in Deutschland zu 80 Prozent etabliert werden kann? Wir sagen ganz bewusst: Wir versuchen zu Anfang nicht, 100 Prozent der Anforderungen zu lösen.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die deutschen Banken bei Sepa vielen anderen um Meilen voraus sind. Denn wir diskutieren das Thema zwar vorher extrem intensiv, aber dafür funktioniert es hinterher reibungslos. Andere starten mit einer 80-Prozent-Lösung, um die restlichen 20 Prozent später zu lösen.

In einer immer komplexeren und sich immer schneller ändernden Welt werden wir allerdings nicht mehr in der Lage sein, alles im Vorfeld durchzudiskutieren. Man kann aber dafür sorgen, dass es eine Stelle gibt, die in der Lage ist, auftretende Probleme zu lösen. Das ist das, wohin Visa sich entwickeln will. Wir wollen den Banken das Gefühl geben, dass das Produkt funktionieren wird, auch wenn in dieser schwierigen Umgebung nicht alles immer im Vorfeld abzuschätzen ist.

Sepa scheint derzeit alles zu dominieren. Geraten dadurch andere Themen rund um die Karte nicht ein wenig in den Hintergrund?

Ich habe eher den gegenteiligen Eindruck. Insbesondere in Deutschland können wir Sepa dankbar sein, weil es dem Thema Zahlungsverkehr und Kartengeschäft einen ganz anderen Stellenwert auf Vorstandsebene verschafft hat und als Katalysator dient, um das Geschäft stärker voranzutreiben und in eine andere Richtung zu bringen.

Beispielsweise wurde die Wahrnehmung dafür geschärft, was andere mit dem Kartengeschäft verdienen. Wir müssen uns stärker als bisher überlegen, ob das, was wir bieten, ein Mehrwert für den Kunden ist und ob man diesen Mehrwert adäquat bepreisen kann. Das durchgängige Thema ist, Karten als Geschäft zu betrachten und dieses nachhaltig zu betreiben.

Für welche Leistungen im Kontext mit der Karte sind denn die Kunden in einem Umfeld, in dem der Trend eher zur kostenlosen Kreditkarte geht, zu zahlen bereit?

Bei Standarddienstleistungen wird die Bereitschaft des Kunden, hierfür ein Entgelt zu entrichten, sicher zurückgehen. Aber ich glaube, dass er bereit ist, für Dienstleistung zu bezahlen, wenn ein wertiger Service geboten wird, der über den Standard hinausgeht.

Sepa wird sicher nicht zu einer Menge neuer Gebühren führen - das lässt sich im Wettbewerbsumfeld, das Deutschland auszeichnet, gar nicht durchsetzen. Aber ich rechne damit, dass die Banken sich sehr viel Mühe geben werden, Leistungen als wertige Angebote zu präsentieren.

Einen Mehrwert für den Kunden stellt zum Beispiel die Sicherheit dar. Ein Ansatz in diesem Bereich sind optionale Infos per SMS über Kartentransaktionen, die für eine Monatspauschale angeboten werden. Und V-Pay sehen wir durch EMV und die reine Chip- und PIN-Anwendung als Premium-Debitkarte mit besonderem Sicherheitsniveau.

Stichwort Dialog mit den Verbraucherschützern: Um welche Themen soll es dabei neben der Sicherheit gehen?

Darüber hinaus geht es um verantwortungsvolle Kreditvergabe. Dieses ist uns sehr wichtig. Wir werden dieses Thema besetzen. Als Mitgliedsorganisation glauben wir hierfür bestens positioniert zu sein. Wir wollen den offenen Dialog mit allen Beteiligten suchen. Nur so kann der Kartenmarkt erfolgreich weiterentwickelt werden.

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