Im Gespräch

"Die Diskussion mit dem Handel hat sich versachlicht"

Seit einiger Zeit setzen Direktbanken, aber mittlerweile auch einige Filialbanken für die Bargeldversorgung ihrer Kunden zunehmend auf die Visa-Karte. Wie wirkt sich das auf Ihr Geschäft aus?

Das uns manchmal unterstellte Interesse, diese Entwicklung zu forcieren, um so die Erträge zu steigern, haben wir nicht. Eine Umsatzgebühr auf die Transaktionen am Geldautomaten erhebt Visa nicht. Die Maßzahl, an der wir gemessen werden, ist vielmehr der Umsatz am Point of Sale.

Was wir aber beobachten, ist, dass die Nutzung am Geldautomaten auch auf die Einsatzhäufigkeit am Point of Sale positiven Einfluss hat. Als Mittel zur Bargeldversorgung rückt die Kreditkarte bei vielen Kunden von der zweiten Stelle an die erste Stelle im Portemannie.

Wie beeinflusst das Thema Bargeldversorgung per Kreditkarte das Verhältnis zwischen Visa und den Banken?

Das ist sicher eines der Themen, die uns derzeit sehr stark beschäftigen. Einer der Gründe dafür, dass Banken zunehmend die Kreditkarte für die Bargeldversorgung ihrer Kunden nutzen, ist die Entwicklung im nationalen Debitsystem. Durch die Umsetzung der EU-Regulierung 2 560 Mitte 2002 ist der bis dahin existierende Preisfindungsmechanismus in Deutschland gekippt worden. Aufgrund der Tatsache, dass mittlerweile bis zu zehn Euro Gebühren der kartenausgebenden Bank belastet werden, wird die Visa-Karte zu einem Ventil, das von immer mehr Banken genutzt wird.

Die als domestic rule festgelegte Geldautomatennutzungsgebühr in Deutschland scheint mir für beide Parteien - den Automatenbetreiber und den Emittenten der Karte, attraktiv. Anderenfalls würde ihre Höhe nicht von beiden Seiten - je nach Perspektive - als zu niedrig oder zu hoch kritisiert.

Die Herausforderung für uns besteht sicher darin, den Spagat zwischen den Interessen der Automaten betreibenden Institute und denjenigen Instituten, die ihre Kunden für die Bargeldversorgung auf die Visa Karte verweisen, herbeizuführen. In unseren Gremien wenden wir viel Zeit auf, um einen Konsens zwischen den Banken zu erreichen.

Eine Lösung für dieses Prob lem kann aber sicher nicht durch die internationalen Kartenorganisationen herbeigeführt, sondern muss von den deutschen Banken selbst gefunden werden.

Wir würden uns wünschen, dass sich die Diskussion versachlicht. Denn gemessen an der Transaktionshäufigkeit von Visa-Karten an Geldautomaten ist das Problem meines Erachtens nicht so groß, wie es manche Banken beschreiben. Was aber verwundert, ist, dass einzelne Institute in der Diskussion ihren eigenen Wert aus Kundensicht auf das Zurver fügungstellen von Geldautomaten reduzieren.

Stichwort Co-Branding: Seit Januar wird die Lufthansa-Kreditkarte nicht mehr als Visa-Karte, sondern als Mastercard ausgegeben. An welchen Portfolien ist im Gegenzug Visa derzeit interessiert?

Wir sind immer an Co-Branding-Portfolien interessiert. Schließlich hat sich Visa seinen Ruf nicht zuletzt über dieses Thema erarbeitet. Früher ist Visa oft für das Co-Branding gewählt worden, weil die Hausbank des Kunden nur Eurocard anbot.

Grundsätzlich sehe ich gern Co-Brandings, bei denen es einen profitablen Business Case für alle Beteiligten gibt. Das hört sich sicher überraschend an. Aber das Schwierige an Co-Branding-Diskussionen ist, dass sie oft auf strategischer Ebene beginnen, aber bei der Detaillierung außer Acht gelassen wird, dass jeder Beteiligte Spaß daran haben muss. Wenn dieses nicht der Fall ist, führen erste Schwierigkeiten bereits dazu, dass der gesamte Prozess ins Stocken kommt.

Als unsere Aufgabe sehen wir es, unsere Mitgliedsbanken zu beraten und zu unter stützen. Und dazu gehört auch, dass wir gegebenenfalls unsere Sorgen zum Ausdruck bringen - sei es, dass wir eine Planung für nicht realistisch oder die Umsetzung des Vertriebs für schwierig halten. Im einen oder anderen Fall hat sich Visa deshalb die Freiheit genommen, einer Bank zu raten, ein Konzept nicht weiter zu verfolgen. Ist Visa immer noch Marktführer bei Co-Brandings?

Wir sind im Markt sehr gut positioniert. Natürlich hat es den einen oder anderen Deal gegeben, bei dem wir nicht zum Zuge gekommen sind, was wir auch bedauern. Das ist uns aber ein Ansporn, in den kommenden Jahren noch härter dafür zu arbeiten.

Was sind aus Ihrer Sicht - ganz allgemein - Gründe für einen Emittenten, die Kartenmarke zu wechseln? Und wo sehen Sie dabei Stärken von Visa?

Womit wir uns positionieren, ist die attraktive Marke Visa und die weltweite Akzeptanz. Mit dem Sponsorship - seien es die Olympischen Spiele, sei es die Fußball-WM - sind wir hier für die nächsten Jahre sehr gut aufgestellt. Damit bieten wir den Banken gute kommunikative Aufhänger, um auf ihre Kunden zuzugehen. Ein weiterer Punkt, der aus unserer Sicht wichtig ist: Wir sind nicht nur eine attraktive Marke, sondern für die Banken auch ein kostengünstiges System. Im Vergleich zum Wettbewerb haben wir - was von externen Beratern bescheinigt wird - ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Dies transparenter darzustellen, ist sicher etwas, woran wir noch arbeiten müssen. Denn das ist ein komplexes Thema, das von vielen Parametern abhängt. Hier wer den wir in den nächsten ein bis zwei Jahren versuchen, dies noch deutlicher herauszustellen.

Welche Wünsche trägt der Handel an Visa heran?

Das ist in Deutschland ambivalent. Der erste Wunsch ist die Absenkung der Interchange-Gebühr. Dabei ist aber offen, ob der Handel bei einer Reduk tion der Kreditkarteninterchange den Kunden beim Zahlvorgang nicht mehr aktiv nach anderen Zahlungsmitteln fragen würde. Hierauf bekommen wir sehr selten konkrete Antworten der Handelsunternehmen.

Generell hat sich die Diskussion mit dem Handel bedeutend versachlicht. Die Kreditkartenakzeptanz wird mittlerweile als ein Service für den Kunden gesehen, und es wird rational abgewogen, was dieser Service kostet, ob er diese Kosten aus Sicht des Händlers wert ist und ob er sich als Mittel zur Umsatzsteigerung eignet. Darüber hinaus versuchen wir, über die Acquirer mit dem Handel ins Gespräch zu kommen, wo die Akzeptanten jenseits der Interchange-Frage der Schuh drückt.

Und nicht zuletzt: Auch die Bargeldversorgung kostet Geld. Wenn die Aussage der EU-Kommission richtig ist, dass Bargeld das teuerste Bezahlmedium ist, hieße das ja im Umkehrschluss, dass Kartenzahlungen Barzahlungen subventionieren. Hier ist zu prüfen, ab welcher Größenordnung sich Kostenblöcke verschieben.

Wie beurteilen Sie die Nach frage nach kontaktlosen Bezahlverfahren?

Die Nachfrage von Banken zu unserem Produktangebot Visa-Pay-Wave hat zugenommen - und zwar nicht nur von reinen Emittenten, sondern auch von Instituten, die im Händlergeschäft tätig sind und Händler mitbringen.

Beim Verdrängen des Bargelds wird uns das kontaktlose Zahlen sicher einen gro ßen Schritt voranbringen. Zwei Dinge sind dabei aus meiner Sicht wichtig:

Ich glaube, kontaktloses Zahlen macht den Bezahlvorgang für junge, innovative Kunden chic. Damit haben wir einen Mehrwert im Transaktionsumfeld. Man sollte sich deshalb davor hüten, das kontaktlose Zahlen an alle Kunden ausrollen zu wollen, sondern der Karteninhaber sollte die Wahl haben, ob er diesen Ser vice nutzen möchte.

Das Thema kontaktlos ist eng verknüpft mit der EMV-Infrastruktur. Der Emittent muss die Chipkarten "nur" noch mit einer Antenne ausstatten. Und der Händler braucht kein neues Terminal, sondern "nur" einen kontaktlosen Leser für sein EMV-Terminal. Ich kann mir sogar vorstellen, dass das Thema Kontaktlos die etwas schleppende EMV-Einführung in Deutschland beschleunigen kann. Positiv überrascht sind viele Acquirer davon, dass auch das kontaktlose Zahlen via Handy bei uns zu einer normalen Visa-EMV-Transaktion führt. Damit wird das Mobiltelefon zu einem neuen Zugangskanal, aber nicht zu einem eigenen Bezahlmedium, für das man eine separate Infrastruktur aufbauen müsste.

Entscheidend für die Akzeptanz sind Händler mit entsprechendem Bedarf für eine schnelle Abwicklung. Wenn im Anschluss an die kontaktlose Transaktion erst noch ein Unterschriftsbeleg ausgedruckt werden muss, ist der Vorteil für den Handel bedeutend geringer, als wenn mit dem Schwenken der Karte über den Leser der Kassenbeleg ausgedruckt und dem Kunden als Abschluss der Transaktion mitgegeben wird.

Wie wird sich das kontaktlose Zahlen kostenmäßig für den Handel darstellen?

Das ist eines der Themen, die wir gemeinsam mit dem Handel und den Emittenten erörtern müssen. Die Interessen unter einen Hut zu bekommen, ist eine der Herausforderungen, die wir bei der Einführung haben werden. Denn die Kosten für den Emittenten sind natürlich höher. Der Handel wird aber vermutlich nicht bereit sein, mehr zu bezahlen als für eine Standardtransaktion. Hier muss ein Kompromiss gefunden werden, der sich für beide Seiten rechnet.

Wird das kontaktlose Zahlen das Aus für die elektronische Geldbörse bedeuten? Was bei der Geldkarte schlecht funktioniert hat, war, den Kunden zum Aufladen seiner Karte zu motivieren. Hier liegt für mich der große Charme, den das Thema Pay-Wave im Vergleich zur Geldkarte hat.

Die Karte wird ohne Zwischenschritt sofort funktionieren. Deshalb glaube ich, dass wir hier mit einer Visa-Kreditkarte, vor allem aber auch mit einer V-Pay-Debitkarte eine interessante Plattform im Wettbewerb mit der Geldkarte bieten.

Beim kontaktlosen Zahlen geht es um Beträge unter 15 oder 25 Euro. Das heißt, man muss ein Zahlungsmittel wählen, das von den Deutschen in dieser Größenordnung eingesetzt wird. Deshalb prüfen wir derzeit, kontaktloses Zahlen nicht unbedingt nur über die Kreditkarte, sondern auch über die Debitkarte anzubieten.

Gibt es schon Banken, die sich dafür entschieden haben? Ja, wir werden in den nächsten Monaten das kontaktlose Bezahlen mit Handys in Frankfurt einführen. Hier arbeiten wir eng mit dem RMV zusammen. Seitens V-Pay wollen unsere Mitglieder jedoch erst einmal die neue Debitkarte einführen und zusätzliche Services wie das kontaktlose Zahlen in einem zweiten Schritt ergänzen.

Würde es den Kunden überfor dern, eine neue Debitkarte auszugeben und gleichzeitig eine neue Funktion einzuführen?

Mit Blick auf den Kunden hätte ich weniger Sorge, Pay-Wave steht für innovativ und chic. Aber wenn wir versuchen würden, V-Pay und Pay-Wave gleichzeitig einzuführen, würden wir eine Komplexität er zeugen, mit der wir beim Handel auf Ressentiments stoßen würden, die es in zwei Jahren nach Abschluss des EMV- Rollouts gar nicht mehr geben wird.

Wie ist der aktuelle Stand bei V-Pay?

Alle Sektoren der deutschen Bankenlandschaft haben dazu Infrastrukturprojekte aufgesetzt. Der genossenschaftliche Verbund hat sie bereits abgeschlossen und die erste Karte präsentiert. Wir gehen davon aus, dass bis Ende 2008 sämtliche Sektoren der deutschen Kreditwirtschaft technisch in der Lage sind, V-Pay auszugeben. Aufgrund dieser Tatsache beginnen viele Institute jetzt, in die Business-Details einzusteigen.

Bislang haben wir in Deutschland Zusagen für die Ausgabe von zehn Millionen Karten erhalten. Träger sind neben der genossenschaftlichen Finanzgruppe die Landesbank Berlin, die LBBW und die Sparkasse Jena. Unser Ziel für 2007 ist damit erreicht. Auch 2008 werden wir unsere Planungen sicher erreichen können.

Auf der Akzeptanzseite haben wir derzeit vier Millionen Terminals bei europäischen Händlern, bei denen man mit V-Pay bezahlen kann. Auch an über 260 000 Geldautomaten in Europa wird die Karte akzeptiert.

Durch das Co-Branding mit electronic cash ist die Akzeptanz in Deutschland aus Sicht der Emittenten sicher nicht so drängend. Dennoch: Wie sieht es hierzulande auf der Händlerseite aus?

In Deutschland haben wir Verträge mit den großen Acquirern geschlossen, und die Ziele für 2007 sind bereits erreicht wor den. Wir beginnen für unsere internationalen Gäste in touristischen Hot-Spots, wo sich am schnellsten ein Business Case ergeben wird. Und die Beschlüsse des ZKA, auf EMV zu migrieren, werden dazu führen, dass bis 2009 die technischen Voraussetzungen auch in Deutschland dafür gegeben sind, dass V-Pay neben electronic-cash an jedem Terminal angeboten werden kann.

Welches Thema hat für Sie im Jahr 2008 Priorität?

Neben dem weiteren Ausbau der Akzeptanz ist es das Thema Online-Shopping. Wir haben derzeit in Deutschland einen Marktanteil von zehn Prozent am Online-Geschäft, der laut Trends in der E-Com-merce-Branche weiter steigen wird.

Vielen Instituten ist dabei gar nicht bewusst, dass mit Visa-Karten heute schon ebenso viel Geld im Internet ausgegeben wird wie in Hotels und Restaurants, obwohl die Visa-Karte von vielen als Travel & Entertainment-Karte betrachtet wird. Visa bietet nicht nur sicheres Bezahlen im Internet, sondern sicheres Einkaufen: Wenn der Kunde die versprochene Ware nicht geliefert bekommt, kann er die Transaktion stornieren. Das müssen die Banken viel stärker als bisher herausstellen.

Darüber hinaus lässt sich mit Prepaid-Karten ein profitables Geschäft betreiben. Wichtig ist es hier, eine Zielgruppe oder einen spezifischen Bedarf zu adressieren, seien es Jugendliche oder bonitätsschwache Kunden, die sich nicht für eine reguläre Kreditkarte qualifzieren.

Visa als Travel & Entertainment-Karte: Verträgt sich das mit dem Ziel, die Karte zum Bezahlmedium im Alltag zu machen?

Einer der vielen Einstiege von Banken für das Kartengeschäft ist immer noch das Thema Reisen. Und von den zehn größten Hauptumsatzträgern in Deutschland zählen sicher immer noch sechs bis sieben zum Travel & Entertainment-Bereich.

Das zeigt aber auch, welches Potenzial wir noch im Handel haben. Hier müssen wir an der Akzeptanz arbeiten. Bislang akzeptieren die Händler, die für drei Viertel des deutschen Einzelhandelsumsatzes stehen, noch keine Kreditkarten.

Wie lässt sich diese große Zahl der kleinen Händler für die Akzeptanz erschließen?

Für die Acquirer ist der Aufwand für die Ansprache kleiner Händler mit Blick auf das kurzfristig zu erwartenen Transak tionsvolumen nicht wirklich reizvoll. Den Schlüssel zur flächendeckenden Akzeptanz im deutschen Handel sehe ich deshalb in Kooperationen zwischen Netzbetreibern und Acquirern.

Die Freistellung der EU-Kommission für die Visa-Interchange galt bis Ende 2007. Was bedeutet die Entscheidung der Kommission vom Dezember hinsichtlich Mastercard für die Gespräche zwischen der Kommission und Visa?

Die Entscheidung vom 19. Dezember 2007 gilt rechtlich nicht für die Interchange von Visa Europe, und EU-Kommissarin Kroes hat deutlich gemacht, dass jeder Fall individuell beurteilt werden soll.

Seit 2002 haben wir eine Freistellung von der EU-Kommission in Bezug auf unsere Interchange-Gebühren. Wir freuen uns darauf, die revidierten Überlegungen der Europäischen Kommission zu verstehen und führen den Dialog mit der Kommission über die zukünftige Ausgestaltung der Interchange-Gebühren weiter. In der Zwischenzeit bleibt die bestehende Regelung gültig.

Wir sehen keinen Beleg dafür, dass die Interchange von Visa Europe wie eine Konsumsteuer gewirkt hat oder dass Ver braucher deswegen doppelte Gebühren zahlen mussten. Das Nettoergebnis einer substanziellen Reduzierung der Interchange hätte eine überproportionale Verschiebung der Kosten der Kartenzahlungssysteme von den Händlern zu den Konsumenten zur Folge.

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