Debitkarte

ELV: deutsches Opfer auf dem Altar Europas?

Am 1. November wird die Payment Services Directive (PSD) in Deutschland nationales Recht. Gleichzeitig wird mit der Einführung der sogenannten Sepa-Lastschrift ein weiterer Schritt auf dem Weg zur europäischen Harmonisierung vollzogen. Die Frage, die sich zunehmend stellt: Beginnt mit diesem Tag auch der Anfang vom Ende des beliebten Bezahlens mit Unterschrift und "ec-Karte" an der Kasse? Anhand von fünf Kernthesen möchte ich die verschiedenen Aspekte näher untersuchen und analysieren. 1. Das ELV ist ein einfaches Verfahren: Stimmt. Heute werden aus dem Magnetstreifen der Karte die Kontonummer und Bankverbindung des Karteninhabers ausgelesen und dadurch eine Lastschrift er zeugt. Der Kunde autorisiert durch seine Unterschrift die Zahlung, der Händler reicht den Datensatz bei seiner Hausbank ein und es erfolgt anschließend die Belastung des Kundenkontos. Zwar genügt diese Lastschrift im Prinzip nicht den formalen Erfordernissen des deutschen Lastschriftabkommens, da der Name des Zahlungspflichtigen nicht angegeben ist, doch ist es langjährig geübte und bewährte Praxis der Kreditwirtschaft, diese Lastschriften trotzdem zu verarbeiten. Ebenfalls geübte Praxis ist es, nicht eingelöste Lastschriften über einen sogenannten "Hoffnungslauf" erneut in den Zahlungsverkehr einzuspeisen, obwohl auch dieses nach dem Lastschriftabkommen nicht statthaft ist. Auch hier hat die Kreditwirtschaft über die Jahre daran mitgewirkt, ein kostengünstiges PoS-Zahlverfahren zu etablieren und zu betreiben. Bedenkt man zusätzlich, dass ELV für sich genommen lediglich ein einfaches Kartenlesegerät (ohne PIN-Pad) benötigt und vom Kunden nur eine einfache Unterschrift erforderlich ist, so wird deutlich, dass die einfache Handhabung für alle Beteiligten sicher eines der wesentlichen Argumente für das ELV ist. Durch die Sepa-Lastschrift steigt der Aufwand 2. Die Sepa-Lastschrift ist für das Bezahlen am PoS nicht optimal: Stimmt. Die Sepa-Lastschrift verlangt die Einhaltung strenger formaler Vorschriften. Es ist aus unserer Sicht nicht davon auszugehen, dass hier seitens der Kreditwirtschaft eine vergleichbar großzügige Herangehensweise wie beim derzeitigen ELV praktiziert werden wird. Voraussetzung für den Einzug einer Sepa-Lastschrift ist künftig ein so genanntes Mandat. Dieses Mandat hat einen standardisierten Text, und es sind Mindestanforderungen zu erfüllen. So ist unter anderem der Name und Vorname des Kontoinhabers, der nicht unbedingt der Karteninhaber sein muss, sowie dessen Anschrift anzugeben, ferner sind Mandatsinformationen im Datensatz beim Einzug einer Lastschrift mitzuliefern. An die Stelle von Kontonummer und Bankleitzahl rücken IBAN und BIC. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Zahlungsempfänger künftig verpflichtet ist, dem Zahlungspflichtigen eine Vorabbenachrichtigung rechtzeitig vor Fälligkeit zu über mitteln. Bei Einmallastschriften hat dies fünf Tage vor der Kontoabbuchung zu er folgen, sodass bei Unterschriftsleistung am PoS die Belastung erst mit deutlich zeitlichem Verzug erfolgen kann. In der Summe ist also festzuhalten, dass ein ELV auf Basis der Sepa-Lastschrift immer teurer, aufwändiger und langwieriger sein wird als das derzeitige Verfahren. Ob ein solches System im Wettbewerb mit dem electronic-cash-Verfahren bestehen kann, das zudem noch eine Zahlungsgarantie bietet, ist mehr als fraglich. 3. Das ELV mit Unterschrift ist (zukunfts-) sicher: Stimmt nicht. Die Unterschrift dient nicht nur der Autorisierung einer Zahlung, sondern auch der Überprüfung der Identität des Karteninhabers und damit der Authentifizierung. Hierbei ist festzustellen, dass es vielfältige Missbrauchsmöglichkeiten bei unterschriftsbasierten Zahlungen gibt: Angefangen bei der Unterschriftsfälschung bis hin zum Auslesen der Magnetstreifendaten und daran anschließend die Anfertigung eines neuen Kartenkörpers, der zudem den Namen und die "richtige" Unterschrift des Betrügers enthält. ELV mit PIN? Für die mittlere Zukunft ist absehbar und aus Gründen der Systemsicherheit sinnvoll und wünschenswert, dass allein unter schriftsbasierte Zahlverfahren nicht mehr eingesetzt werden, sofern eine eindeutige Authentifizierung des Zahlungspflichtigen nicht möglich ist. Aus diesem Grund wird für den PoS-Zahlungsverkehr das ELV in seiner derzeitigen Form einer Überarbeitung bedürfen. Eine Authentifizierung des Karteninhabers über die PIN wäre hier eine denkbare Alternative, die offenbar, wie "Der Handel" kürzlich berichtete, bereits seitens eines PoS-Betreibers informell geprüft wird. In einem zweistufigen Verfahren würde dabei zunächst im Terminal anhand der Chip-Informationen die Richtigkeit der PIN überprüft, nach erfolgter Bestätigung wür de dann jedoch keine electronic-cash-Transaktion, sondern eine (ELV)-Lastschrift herkömmlicher Prägung erzeugt. Dieses macht das ELV definitiv sicherer. Inwieweit die Kreditwirtschaft wie bisher so häufig auch hier wieder ein Auge zudrückt, bleibt indes abzuwarten, denn die Authentifizierung durch PIN-Eingabe gilt bisher als Bestandteil des electronic-cash-Verfahrens und wird in dessen Rahmen auch über das Händlerentgelt mit vergütet. Kostenwirtschaftlich wird die Luft dünner 4. Das ELV wird es immer geben: Dies ist eher unwahrscheinlich. Das ELV findet seine wirtschaftliche Begründung darin, dass es eine Zahlungsgarantie günstiger bieten kann als alternative Verfahren. Während für besonders riskant eingeschätzte Transaktionen auch ELV-Netzbetreiber das electronic-cash-Verfahren nutzen, halten sie es für wirtschaftlich sinnvoll, für als weniger riskant angesehene Transaktionen selbst ins Obligo zu gehen und eine kostengünstigere Zahlungsgarantie auszusprechen. Der derzeit übliche Referenzsatz liegt hier bei dem electronic-cash-Händlerentgelt in Höhe von 0,3 Prozent des Umsatzes. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sich Mastercard mit der EU-Kommission für grenzüberschreitende Debitzahlungen im Sepa-Raum bereits auf eine Interchange von 0,2 Prozent geeinigt hat. Es muss also davon ausgegangen wer den, dass dieser Referenzsatz mittelfristig vom Handel gegenüber ELV-Anbietern zur neuen Benchmark erhoben werden kann, da dieser Satz auch im Inland für eine garantierte Zahlung erreichbar scheint. Insofern wird die Luft für ELV unter rein kostenwirtschaftlichen Aspekten dünner, der Trend zu Zahlungen mit Garantien seitens des Kartenausgebers wird sich daher aus unserer Sicht fortsetzen. Neben dieser rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise ist zu beachten, wie das Zahlungsverkehrsumfeld, insbesondere die Kreditwirtschaft, mit der neuen Sepa-Lastschrift umgehen wird. In dem Moment, da nur noch die Sepa-Lastschrift akzeptiert wird und das alte Lastschriftver fahren "abgeschaltet" würde, wäre das Ende des heutigen ELV am PoS unwider ruflich gekommen. 5. Mit ELV sterben auch die Netzbetreiber: Stimmt nicht. An erster Stelle ist hier anzuführen, dass der Terminus Netzbetreiber aus dem Sprachkreis des electronic-cash-Verfahrens stammt, wo den Netzbetreibern ja explizit eine Rolle zugedacht ist: nämlich diejenige des technischen Dienstleisters vom Terminal bis zur technischen Sphäre des Kartenausgebers. Diese Dienstleistung wird auch künftig erforder lich sein und mit dem weiteren Anstieg der bargeldlosen PoS-Zahlungen sogar an Bedeutung gewinnen. Erlöspotenzial durch Garantieleistungen fällt weg Bedroht wird lediglich das Erlöspotenzial, das Netzbetreiber dadurch erzielen, dass sie Garantieleistungen für ausgewählte Bonitäten günstiger anbieten als die Kreditwirtschaft, die über das Händlerentgelt alle Risiken gleich bepreist. Mit jedem weiteren Absinken der Interchange Fee beziehungsweise auch des Händlerentgeltes wird diesem Geschäftszweig der Netzbetreiber zusätzlich die Basis entzogen. Auch der Regulator selbst gefährdet hier durch sein (Interchange reduzierendes) Handeln den Fortbestand dieses Teils des Geschäftes einiger Netzbetreiber. So wird es für Netzbetreiber künftig noch stärker darauf ankommen, sich als Mehr wertdienstleister für den Handel zu positionieren, wenn sie sich nicht allein auf das von Skaleneffekten getriebene Transaktionsgeschäft beschränken wollen, in dem schiere Größe siegt. Entscheidend wird sein, welchen Netzbetreibern es am besten gelingt, gegenüber dem Handel echte Mehrwertpakete zu schnüren, zum Beispiel durch den Betrieb von Bonus-, Kundenbindungs- oder CRM-Systemen. Nur wer echte Kundenorientierung bietet, wird sich hier langfristig durchsetzen und kann sich dem Zwang zur Konsolidierung eventuell entziehen. Für den Handel könnte es teurer werden Als Fazit lässt sich festhalten: Es wird deutlich, dass auf das PoS-Geschäft einschneidende Veränderungen zukommen können, sofern seitens der Kreditwirtschaft zu einem zukünftigen Zeitpunkt eine Abschaltung des heutigen Lastschriftverfahrens erfolgt. Das in der Wahrnehmung des Handels einfachste und in Teilen kostengünstigste PoS-Zahlverfahren würde ersatzlos abgeschafft. Mit weitreichenden Folgen: Die Kosten für den Einsatz eines fiktiven Lastschriftverfahrens am PoS wür den deutlich steigen, sodass Händler auf das heutige electronic-cash-Verfahren oder ein anderes garantiertes Verfahren umsteigen werden, da diese im Vergleich deutlich vorteilhafter sind. Damit bestünde für alle Händler die Notwendigkeit, am PoS für Debitkartenzahlungen flächendeckend PIN-Eingabegeräte vorzuhalten, womit auch für Maestro und V-Pay der Markteinstieg beziehungsweise die Marktdurchdringung erleichtert wird. In Summe würden sich die Entgelte für den PoS-Zahlungsverkehr für viele Händler verteuern, zumal die Netzbetreiber nach Kompensationsmöglichkeiten für ihre fortfallenden ELV-Erträge suchen werden. Die Karten ausgebenden Institute hätten ihr Ziel, nämlich das Zurückdrängen von ELV zugunsten des garantierten electronic-cash-Verfahrens, erreicht. Positiv für den Handel würde zu Buche schlagen, dass zukünftig alle Kartenzahlungen am PoS mit einer Garantie ausgestattet wären, sodass sich das Problem von Rücklastschriften oder Forderungsausfällen aus PoS-Zahlungen nicht mehr stellen wird. Aus Systemsicht wäre dies begrüßenswert, da nur noch autorisierte Zahlungen und keine "Zahlungsanfragen" mehr durch das Zahlungsverkehrsnetz geleitet würden. Wird das vorstehende Szenario so eintreten? Kurzfristig nein, langfristig vielleicht. Vieles wird davon abhängen, wie schnell sich die Sepa-Lastschrift zum Beispiel in der Versicherungswirtschaft etabliert und die herkömmliche Lastschrift ablöst, da allein dort mit 4,8 Milliarden Euro Migrationskosten auf das Mandats-Modell bereits für Bestandskunden gerechnet wird. Die Bereitschaft von Unternehmen der Finanzwirtschaft, einen vergleichbaren Betrag in eine Umstellung ihrer Infrastruktur zu investieren, dürfte begrenzt sein, sofern dem nicht ein deutlicher betriebswirtschaftlicher Nutzen gegenüber steht. Wenig Chancen für einen ELV-Nachfolger im Sepa-Umfeld Schließlich besteht für den Handel noch die Hoffnung, dass ein ELV-Nachfolgemodell im Rahmen der Sepa-Kartenverfahren etabliert werden kann. Dieses jedoch in einem von der Kreditwirtschaft dominierten Regulierungsumfeld zu erwarten, ist unserer Meinung nach nicht sehr realistisch, zumal der Nutzen eines nicht garantierten Verfahrens auch den Regulatoren nicht unmittelbar einleuchten wird. Für die Zukunft nimmt daher die Bedeutung eines Streitpunktes weiter zu: Die Frage nach einem angemessenen Entgelt für die Garantieleistung der Kreditwirtschaft im Kartengeschäft oder auch ein angemessenes Entgelt für die Authentifizierungsleistung. Im ersten Falle zeichnet sich allerdings eine von allen Seiten akzeptierte Lösung noch nicht ansatzweise ab, eine Diskussion um ein Entgelt für die Authentifizierungsleistung hat überhaupt noch nicht begonnen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X