Leitartikel

Stein des Anstoßes

sb - Schon lange waren die Kartenzahlungsgebühren bei Ryanair für Kunden, Ver braucherschützer und Visa Europe ein Stein des Anstoßes: Pro Passagier und einfacher Strecke berechnet die Fluggesellschaft bei Zahlung mit Debitkarte 1,50 Euro, bei Kreditkartenzahlung fünf Euro Gebühr. Bei Mastercard entspricht dies zumindest den Regularien. Dort ist das Surcharging erlaubt. Gefordert wird die Gebühr indessen - entgegen dem Surcharging-Verbot bei Visa Europe - auch bei Visa-Transaktionen (mit Ausnahme von Zahlungen mit Electron-Karten). Trotz regelmäßiger Interventionen seitens der Kar tenorganisation änderte sich daran in der Praxis nichts. Folgerichtig hätte eigentlich der Akzeptanzvertrag gekündigt werden müssen. Doch hielt man dies offenbar für noch weniger kundenfreundlich als den Regelverstoß.

Das Berliner Kammergericht hat nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesver band e. V., Berlin, in zweiter Instanz den Kritikern dieser Praxis den Rücken gestärkt. Eine Fluggesellschaft darf bei Buchung im Internet nur dann ein Entgelt für die Kreditkar tenzahlung verlangen, wenn sie alternativ ein etabliertes Zahlverfahren kostenfrei anbietet, so die Entscheidung mit dem Aktenzeichen 23 U 243/08. Gebührenfrei gezahlt werden kann bei Ryanair lediglich per Electron-Karte, selbst das allerdings nur mit dem Hinweis "für einen begrenzten Zeitraum". Und damit kommt die Fluggesellschaft dem Urteil zufolge ihrer gesetzlichen Verpflichtung, die Zahlung zu akzeptieren, nicht nach. Das wird zum einen mit der vergleichsweise geringen Verbreitung dieser Karten-Varianten begründet (in Internet-Foren gibt es deshalb sogar einen regen Austausch von Ryan-air-Kunden zur Frage, wo man denn Electron-Karten erhalten kann), zum anderen mit der damit verbundenen Jahresgebühr. Dass offenbar selbst für Electron-Transaktionen entgegen anderslautender Bekundungen mitunter die "Bearbeitungsgebühr" für Kreditkarten berechnet wird, wie es im November 2008 ein italienischer Abgeordneter des EU-Parlaments in einer schriftlichen Anfrage an die Kommission beanstandete, wird von den Berliner Richtern dabei nicht einmal berücksichtigt.

Im Vordergrund stand für sie die Frage, inwieweit die Kreditkartenzahlung für den Kunden einen Mehrwert darstellt, der entsprechend bepreist werden darf. Und hier ist das Online-Geschäft sicher anders zu bewerten als der Präsenzhandel. Nicht einmal am PoS vor Ort hat sich das Surcharging durchgesetzt - aus Wettbewerbsgründen und auch deshalb, weil vielfach der Handel selbst durch die Kartenakzeptanz profitiert (zum Beispiel Spontankäufe). Im Geschäft vor Ort ließe sich aber immerhin noch mit einem Zusatznutzen für den Kunden gegenüber der Option Barzahlung ar gumentieren (Flexibilität, Zahlungsziel). Im Fernabsatz dagegen, wo die Barzahlung entfällt, liegen die Dinge anders. Die Vorteile für den Kunden mögen zwar die gleichen sein wie an der Ladenkasse. Doch profitiert der auf Alternativen zum Bargeld angewiesene Online-Anbieter mindestens ebenso von dieser Möglichkeit der Zahlungsabwicklung. Auf den Zusatznutzen für den Kunden darf er sich deshalb nicht berufen - und entsprechend keine Gebühr für die Annahme der Zahlung berechnen, so die Richter. Das gilt zumindest, solange kein anderes "etabliertes Zahlungsverfahren" kostenfrei angeboten wird. Im Kern geht es den Richtern also weniger um die grundsätzliche Zulässigkeit des Surchargings, sondern eher um die Bedingungen dafür.

Der Text der Urteilsbegründung lässt die Vermutung zu, dass das elektronische Lastschriftverfahren als kostenfreie Alternative akzeptiert worden wäre. Doch auch dieses wird von Ryanair mit der gleichen Gebühr von fünf Euro pro Fluggast und Strecke belegt. Im Fall der Fluggesellschaft Easyjet, die die Verbraucherschützer im Dezember 2008 ebenfalls wegen ihrer Gebühren für Kartenzahlungen ins Visier genommen hatten, könnte ein Urteil demnach anders ausfallen: Auch Easyjet berechnet zwar für Debitkar tentransaktionen eine Bearbeitungsgebühr von vier Euro, bei Kreditkarten sind es ebenfalls vier Euro plus 2,5 Prozent vom Umsatz, mindestens aber 5,50 Euro, insgesamt also mindestens 9,50 Euro. Als kostenfreie Alternative wird aber nicht nur die Zahlung mit Electron-Karten angeboten, sondern auch das elektronische Lastschriftverfahren. Letzteres ist zwar für Kurzentschlossene keine Option. Doch lässt sich die Spontanbuchung kurz vor Reiseantritt bei diesem Preismodell wahr scheinlich als Zusatznutzen verkaufen, der das Surcharging bei Kartenzahlungen zulässig macht.

Das letzte Wort ist in dieser Frage wohl noch nicht gesprochen, zumal Ryanair angekündigt hat, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Der Standpunkt der Fluggesellschaft: Der Kunde könne sich ja auch am Flughafen ein Ticket kaufen und dann in bar bezahlen, was freilich von den Berliner Richtern als untypisch und daher nicht maßgeblich gewertet wur de. Ob sich an dem beanstandeten Preismodell künftig etwas ändern wird, ist also weiterhin offen. Unabhängig vom letztinstanzlichen Ausgang des Verfahrens könnte sich immerhin an der Transparenz der Gebühr für die einzelnen Zahlungsvorgänge etwas ändern. Denn bisher werden die Bearbeitungsgebühren nicht in der (auch schon schwer zu findenden) Übersichtstabelle "Ryanair-Gebühren" ausgewiesen, die lediglich auf die gebührenfreie Electron-Zahlung verweist. Vielmehr werden sie erst am Ende des Buchungsvorgangs offen gelegt, und selbst dort muss der Kunde erst die einzelnen Zahlungsverfahren der Reihe nach anklicken, um die jeweils anfallenden Preise zu ermitteln. Solche unübersichtlichen Praktiken hat die EU-Kommission erst jüngst wieder im Rahmen des "Gesundheitschecks" für Fluggesellschaften kritisiert. Im Zuge der Umsetzung der im November 2008 in Kraft getretenen Richtlinie Nr. 1008/2008 dürften die Preise für Zahlungsvorgänge künftig also zumindest an prominenterer Stelle und übersichtlicher ausgewiesen werden.

Zur Frage, inwieweit das Surcharging erlaubt ist, gibt es hingegen keine eindeutigen Vorgaben aus Brüssel. Dies hat die Stellungnahme der EU-Kommission vom 28. Januar 2009 zur Anfrage des EU-Parlamentariers Antonio Antoniozzi in Sachen der Ryanair-Gebühr für Electron-Zahlungen deutlich gemacht. Grundsätzlich sind Gebühren für bestimmte Zahlungsverfahren Sache der Preispolitik der jeweiligen Unter nehmen, ließ die Kommission in diesem Fall wissen. Allerdings steht es den EU-Mitgliedsstaaten frei, solche Gebühren zu verbieten oder zu beschränken. Inwieweit sie auch durch die Richtlinie 2005/29 EC vom Mai 2005 über unfaire Geschäftspraktiken verboten sind, ist nach Angaben der Kommission unklar. Dementsprechend unter schiedlich ist die Umsetzung in den einzelnen EU-Staaten. Hier macht die Kommission eine potenzielle Lücke im Verbraucherschutz aus. Einen Fingerzeig aus Brüssel gibt es zumindest mit Blick auf das deutsche Recht. In der Stellungnahme der Kommission wird festgehalten, dass die Praktiken im Fall Ryanair auf eine faktische Gebühr für das Recht, eine Zahlung zu leisten, hinauslaufen. Und dies, so haben es die Berliner Richter deutlich gemacht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Deutschland unzulässig.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X