Leitartikel

Ungeliebter Kompromiss

sb - Noch am zehnten März hatte Peter Ehmke, der General Manager Deutschland bei Mastercard, sich in puncto Interchange optimistisch gezeigt: In Zeiten, in denen Banken verstaatlicht werden, müsse auch bei Politikern die Einsicht in die Notwendigkeit steigen, den Zahlungsverkehr für die Kreditwirtschaft profitabel zu gestalten. Wie die Meldung vom 1. April zeigt, scheint Ehmke in gewisser Hinsicht Recht behalten zu haben. Die EU-Kommission hat erneut die grundsätzliche Legitimität von Inter bankenentgelten in Vier-Parteien-Systemen des Zahlungsverkehrs anerkannt und sich mit Mastercard auf einen Interchange-Satz geeinigt. Damit ist die im Dezember 2007 angeordnete und ab Juni 2008 umgesetzte Zero-Interchange für grenzüberschreitende Zahlungen mit Mastercard- und Maestro-Karten erst einmal vom Tisch. Ein Verfahren gegen Mastercard wegen Zuwiderhandlung gegen die Kommissionsentscheidung von 2007 durch die Erhöhung der Kartennetzgebühren vom Oktober 2008 wird nicht eingeleitet.

Ein Jubeltag für die Kartenverantwortlichen in den Banken ist dieser 1. April 2009 gleichwohl nicht. Denn der Preis für diesen Etappensieg, den letztlich die Emittenten zahlen müssen, ist hoch. Ab dem 1. Juli erhalten die Kreditinstitute für grenzüber schreitende Zahlungen innerhalb Europas zwar wieder ein Interbankenentgelt. Die Sätze sind aus Bankensicht aber mehr als bescheiden. 0,3 Prozent sind es für Kreditkar tentransaktionen, 0,2 Prozent im Debitgeschäft. Die solchermaßen genehmigten Entgelte für die Kartenemittenten sind somit weniger als halb so hoch wie früher. Das Entgegenkommen der Kommission darf also nicht überbewertet werden. Auf einem derart niedrigen Niveau, das die Schmerzgrenze aus Sicht vieler Marktteilnehmer sicher übersteigt und nur als Alternative zur Null überhaupt akzeptabel scheint, hätte man sich möglicherweise sogar schon früher einigen können.

Mastercard legt deshalb Wert auf die Feststellung, dass der am 1. April bekannt gegebene Kompromiss nur eine Zwischenlösung darstellt. Der Rechtsweg, also die beim Europäischen Gerichtshof eingereichte Klage gegen den Kommissionsentscheid vom Dezember 2007, wird weiterverfolgt. Nur so lässt sich für alle Marktteilnehmer das ungewisse Hangeln von einem Kompromiss zum nächsten beenden und endgültige Rechtssicherheit in Sachen Interchange erreichen. Zudem hofft Mastercard, nach einem EUGH-Entscheid letztlich auch wieder für die Banken profitablere Interchange-Sätze einführen zu können. Die Einigung mit der Kommission dient insofern letztlich nur dazu, die Wartezeit bis zu einer abschließenden gerichtlichen Klärung, die nach Ma-stercard-Einschätzung durchaus bis 2011 dauern kann, für die Banken erträglicher zu gestalten.

Skeptisch zu bewerten ist der neu gefundene Kompromiss sicher auch im Hinblick auf das Visa-Geschäft. Denn auch dieses läuft nach dem Auslaufen der mit der EU-Kommission ausgehandelten Freistellung der Interchange-Sätze seit über einem Jahr in rechtsfreiem Raum. Die Verhandlungen mit den Wettbewerbshütern dauern an - und auf das Ergebnis dieser Gespräche kann die Einigung mit Mastercard sicher nicht ohne Einfluss bleiben. Dies hat Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes bereits deutlich gemacht. Ohnehin ist es klar, dass eine Wettbewerbsbehörde zwei Wettbewerber über einen längeren Zeitraum hinweg nicht unterschiedlich behandeln kann. Mit anderen Worten: Auch im Visa-Geschäft wird die Interchange zumindest im grenzüberschreitenden Geschäft über kurz oder lang vielleicht stärker sinken, als es mancher Marktteilnehmer in seinen Worst-Case-Szenarien bereits eingeplant hat. Entscheidend wird wohl sein, wie sich die Kommission zu dem Visa-Berechnungsmodell stellt, das sie 2002 bewilligt hatte. Die Übermittlung der Beschwerdepunkte vom 3. April 2009 an die Kartenorganisation ist aber wohl kein gutes Zeichen.

Für den Handel ist die Übergangsregelung übrigens gleichermaßen unbefriedigend. Die europäische Handelsvereinigung Euro Commerce zielt schließlich auf eine gänzliche Abschaffung jeglicher Interbankenentgelte ab. Allenfalls ein festes Entgelt von einem Cent pro Debitkartentransaktion halten die Brüsseler Handels-Lobbyisten für gerechtfertigt und für die Banken auskömmlich. Über die Entscheidung der Kommission, Mastercard die Sätze von 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozent zu genehmigen, bezeichnen sie sich deshalb als enttäuscht und entsetzt und kritisieren sie als "völlig ungerechtfertigt". In wirtschaftlich schwierigen Zeiten schaffe der "glanzlose Kompromiss" zu der als Preistreiber für den Konsumenten charakterisierten Interchange einen schlechten Präzedenzfall für Entscheidungen auf nationaler Ebene.

Wie immer man zu der noch am 31. März veröffentlichten Forderung nach einem Festentgelt von lediglich einem Cent stehen mag: In einem Punkt ist die Kritik des Handels durchaus nachvollziehbar. Unter anderem sieht die Einigung nämlich vor, dass Acquirer dem Händler künftig - sofern nicht ausdrücklich gewünscht - keine auf einer Mischkalkulation basierenden Pauschalpreise mehr stellen dürfen, sondern die Preise für die einzelnen Transaktionen je nach Kartentyp (also zum Beispiel Debit oder Kredit, Privat- oder Firmenkarte) gesondert ausweisen müssen. Diese Regelung gibt den Kartenakzeptanten bei ihrer individuellen Geschäftsstrategie gewiss mehr Freiheiten. So können im Rahmen des bei Mastercard zulässigen Surchargings bei Karten mit höheren Interchange-Sätzen, wie sie etwa nach wie vor für die Commercial Cards gelten (siehe Kasten auf Seite 8), Aufpreise vom Endkunden verlangt werden. Eigens zu diesem Zweck sollen neu ausgegebene Commercial Cards bis Ende 2010 rein äußerlich als solche gekennzeichnet werden. Bisherige Erfahrungen mit dem zwar zulässigen, aber vom Handel kaum praktizierten Surcharging legen allerdings den Verdacht nahe, dass hier eine Scheinlösung geschaffen wurde, wie es Euro Commerce kritisiert. Denn den Herausforderungen in der Kommunikation mit ausländischen (! ) Kunden, die solch selektives Surcharging bei grenzüberschreitenden Zahlungen (und für die allein gilt ja der Kompromiss) mit sich bringt, werden sich viele Händler nicht stellen wollen.

Dies gilt freilich ebenso für die Abschaffung der Honour-all-Cards-Regelung, die von nationalen wie internationalen Einzelhandelsverbänden weiterhin gefordert wird. Ganz konsequent sind die Lobbyisten in dieser Frage somit nicht. Wer sich die Möglichkeit vorbehalten will, bestimmte Karten nicht zu akzeptieren, müsste die Option, dem Kunden für Zahlungen mit den ungeliebten Kartenvarianten einen Aufpreis zu berechnen, zumindest als Schritt in die richtige Richtung sehen.

Gar so groß muss der Aufschrei der Kunden angesichts eines selektiven Surchargings nur für Kreditkarten oder Commercial Cards aber auch nicht unbedingt sein - selbst dann nicht, wenn die nationale Kartellbehörde sich der EU-Kommission anschließt und die Regelungen für Inlandszahlungen entsprechend angeglichen werden. Auch heute ist es schließlich im Einzelhandel gar nicht so außergewöhnlich, den Kunden, der die Kreditkarte zückt, zu fragen, ob er nicht auch eine Debitkarte habe. Künftig könnte man ihn in der gleichen Situation auf ein Entgelt für Kreditkartenzahlung aufmerksam machen - mit dem Hinweis, dass die Nutzung der Debitkarte gratis ist. Der schwarze Peter wäre dann (anders als von Euro Commerce kritisiert) nicht beim Kunden, sondern wiederum bei den Banken. Sie sähen sich dann zum einen mit einer weiteren Dominanz des ertragsschwächeren Debitgeschäfts konfrontiert. Zum anderen würde es schwieriger, dem Kunden gegenüber die Jahresgebühr für Kreditkarten zu rechtfertigen, wenn er zeitgleich im Handel ein Entgelt für deren Nutzung zahlt.

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