AUTOBANKEN

Autobanken in Bestform für neue Mobilitätsservices

Über den Wandel der Autofinanzierung

Prof. Dr. Frank Stenner, Foto: Prof. Dr. F. Stenner

Die Mobilität im Allgemeinen und das Auto im Besonderen stehen derzeit vor den größten Veränderungen ihrer Geschichte. Dazu tragen die technologische Veränderungen wie die Elektromobilität, die Connectivity/Digitalisierung, das Autonomen Fahren und neue Mobilitätskonzepte bei. Was bedeutet das für die Automobilindustrie und ihre Finanzdienstleister, die Autobanken? Der Autor sieht die Autobanken für den Wandel gut gerüstet. Ein Beitrag über allinclusive-Finanzierung, Kundenbeziehung und Profitabilität. (Red.)

Ohne Dienstleistungen rund um das Automobil, vor allem ohne Finanzdienstleistungen, wären die Absatzrekorde der deutschen Hersteller in den vergangenen Jahren nicht möglich gewesen; müssen doch die Autokäufer ein Vielfaches des laufenden Einkommens für den Erwerb ihres Wunschfahrzeuges aufwenden. Um den Fahrzeugkauf nicht auf die lange Bank zu schieben, greifen die Kunden daher gern zu attraktiven Kredit- und Leasing-Angeboten. So liegt die Barkaufquote im deutschen Markt nur noch bei rund 25 Prozent - das heißt rund 75 Prozent der Fahrzeuge werden finanziert. Gleichzeitig hat sich die Einstellung zum Fahrzeug geändert: Der soziale Status des Eigentums verliert an Bedeutung und der praktische Wunsch nach einer zeitlich überschaubaren Fahrzeugnutzung zu fest kalkulierten Kosten gewinnt gerade bei der jungen Generation an Bedeutung.

Mehr Dienstleistungen als Fahrzeuge

Entsprechend werden die Finanzdienstleistungsangebote vom klassischen Anschaffungskredit zur "all-inclusive Flatrate" ausgebaut. Sie umfasst alle Kosten der automobilen Mobilität, also der Fahrzeuganschaffung und -nutzung; nur die Tankkosten muss der Kunde noch extra zahlen. Der Verkauf von Mobilitätsdienstleistungen, wie Kfz-Versicherungen, Wartungs- und Reparaturpakete oder Garantieverlängerungen, öffnet hier weitere lukrative Potenziale.

Das lässt sich auch aus den Geschäftsberichten der großen Automobilkonzerne entnehmen: Die Anzahl der Vertragszugänge im Finanzierungs- und Dienstleistungsgeschäft ist in den letzten Jahren weitaus dynamischer gewachsen als die Fahrzeugauslieferungen. Bei BMW Group und im Daimler Konzern werden weltweit mit jedem verkauften Fahrzeug aktuell rund 1,3 solcher Verträge platziert. Die Bestmarke unter den Auto-Finanzierern hält hier RCI Banque als Captive der Renault Group mit einer Quote von 1,7.

Bank mit angeschlossenem Autogeschäft

Im Zuge der weltweiten Absatzexpansion der Hersteller haben sich die automobilen Finanzdienstleister zu veritablen internationalen Finanzinstituten innerhalb der jeweiligen Konzernorganisationen entwickelt. So arbeiten etwa im Geschäftsbereich Finanzdienstleistungen der BMW Group knapp 8 900 Mitarbeiter in 60 Ländern. Bei Daimler und Volkswagen sind es sogar jeweils über 14 000 weltweit. Die Schwerpunktmärkte der Kredit- und Leasing-Aktivitäten liegen in Euro pa und Amerika sowie mit einem wachsenden Anteil in Asien. Fasst man zur Einordnung der wirtschaftlichen Bedeutung die entsprechenden Bilanzpositionen der drei großen deutschen Hersteller BMW Group, Daimler und Volkswagen zusammen, so sind zum Jahresende 2018 rund 520 Milliarden Euro in das Bankgeschäft der Konzerne investiert (Abbildung 1, Seite 25). Gemeinsam liegen sie damit über der Bilanzsumme der Commerzbank in Höhe von 462 Millionen Euro, dem zweitgrößten deutschen Kreditinstitut.

In Relation zum zusammengefassten Konzernvermögen dieser Industrieunternehmen in Höhe von 949 Milliarden Euro sind rund 55 Prozent, also mehr als die Hälfte der Vermögenswerte, der Absatzfinanzierung zuzuordnen. Bei der BMW Group macht der Anteil mehr als zwei Drittel aus. Hier könnte man tatsächlich schon von einer Bank mit angeschlossenem Automobilgeschäft sprechen.

Die Finanzierung des Fahrzeugabsatzes an Endkunden und Händler manifestiert sich in den Bilanzen der Hersteller in den Positionen "Vermietete Fahrzeuge" sowie "Forderungen aus Finanzdienstleistungen". Sie zeigen die Umfänge des Leasing-Geschäftes mit Restwertrisiken für den Hersteller sowie des Kreditgeschäftes beziehungsweise des Finanz-Leasings ohne Restwertrisiken. Für die drei deutschen Herstellerkonzerne liegt der Anteil des Leasing-Geschäftes mit Restwertrisiko an der Absatzfinanzierung zusammen genommen bei rund 30 Prozent. Im Jahr 2008 lag diese Quote noch bei 25 Prozent. Dieser Anstieg reflektiert einerseits die Veränderung des Kundenverhaltens weg vom Fahrzeugbesitz hin zur Fahrzeugnutzung, unterstreicht aber auch die Notwendigkeit einer laufenden Steuerung der damit verbunden Ergebnisrisiken.

Zufriedenheit steht im Zentrum

Fahrzeugverkauf sowie begleitende Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen sind somit ganz klar zwei Seiten derselben Medaille: Sie stärken die Kundenbeziehung zur Markenwelt der Hersteller. An Hand der Penetrationsrate, dem Anteil der im Konzern finanzierten Einheiten an den verkauften Neufahrzeugen, lässt sich den Herstellerbanken hier ein gutes Zeugnis ausstellen: Die Quote hat in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Und erreicht mit rund 50 Prozent einen Höchststand - auch im Volkswagen Konzern, wenn man den Markt China ausklammert (Abbildung 2).

Eine hohe Penetrationsrate steht für eine hohe Zufriedenheit der Kunden mit den Angeboten der Autobanken. Dabei gibt es natürlich Unterschiede in den Modellpalletten der Hersteller - Pkw, Motorräder, Lkw, Vans, Busse - und in der Bereitschaft der Kunden, Kredit- und Leasing-Verträge einzugehen. Werden in den nordamerikanischen Märkten rund 86 Prozent aller neuzugelassenen Pkw finanziert oder geleast, so liegt diese Quote in China aktuell nur bei 40 Prozent. Der Barkaufanteil beträgt somit noch 60 Prozent. Dies ist jedoch der späten Marktöffnung dort geschuldet und eine Angleichung an die entwickelten Märkte ist zu erwarten.

Profitabilität durch Ratingnoten und Effizienz

Bei der Ertragskraft der Unternehmen dominiert ganz klar das Automobilgeschäft. In der zusammengefassten Betrachtung der drei Unternehmen generiert es über 80 Prozent des gesamten Vorsteuerergebnisses. Aber der Gewinn aus den Finanzierungssparten ist mit zuletzt jährlich 4,8 Prozent schneller gewachsen als der Konzerngewinn insgesamt mit jährlich 1,4 Prozent. In der Einzelanalyse erreicht er in 2018 bei Volkswagen einen Anteil von 17 Prozent und bei BMW Group von 22 Prozent am Vorsteuerergebnis der Konzerne (Abbildung 3).

Einen besseren Hinweis auf die Profitabilität des Bankgeschäftes der Hersteller gibt die Verzinsung des hier eingesetzten Eigenkapitals. Die erzielten Renditen aus dem speziellen Geschäftsmodell der Autobanken liegen zwischen zehn und 15 Prozent und damit weit über den vergleichbaren Kennziffern im allgemeinen Bankgeschäft. Wichtige Erfolgstreiber sind hier hervorragende Ratingnoten für eine kostengünstige Refinanzierung an den internationalen Kapitalmärkten und effiziente Prozesse im Front- und Backoffice (Abbildung 2). Da die Finanzierungs- und Leasing-Verträge üblicherweise Laufzeiten zwischen 24 und 48 Monaten aufweisen, realisiert sich der Ertrag aus diesem Geschäftsfeld erst über mehrere Abrechnungsjahre und ist daher im Vergleich zum industriellen Autogeschäft auf Jahresbasis weniger Schwankungen ausgesetzt. Das ist in Zeiten revolutionärer Umwälzungen in der Autobranche ein nicht zu unterschätzender Vorteil für den Ausweis des Konzernergebnisses.

Autobanken gehören zum automobilen Ökosystem

Die geänderte Nutzungsart, die steigende Nutzungsintensität und ein schnellerer Innovationszyklus der Fahrzeuge im CASE-Szenario ("Connected", "Autonom", "Shared", "Electric") lassen bis 2030 weltweit höhere Neuzulassungen als heute erwarten. Das wird das Wachstum der Finanzsparten der Hersteller nochmals beschleunigen. Weitere Chancen ergeben sich aus der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung vor allem von selbständig fahrenden Fahrzeugen.

Das vernetzte Fahrzeug funktioniert als technische Plattform für digitale und telematische Dienste. Neue Dienstleistungen bei Kommunikation und Datenaustausch, etwa für Büro- oder Entertainment-Anwendungen wie Videokonferenzen oder das Streaming von Präsentationen, bieten zusätzliche Ertragschancen. Sie werden Teil des Nutzungsentgelts für das Fahrzeug und je nach Kundenwunsch minutengenau oder pauschaliert über digitale Paymentsysteme abgerechnet.

Die Schaffung solcher automobilen Ökosysteme verlangt zukunftsfeste unternehmerische Strukturen und Allianzen. So werden im Rahmen der neuen Struktur des Daimlerkonzerns alle Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen unter dem Dach der Daimler Mobility AG gebündelt. Dazu gehören Finanzierung, Leasing, Versicherungen, Flottenmanagement, Zahlungsabwicklungen und Appbasierte Dienstleistungen für automobile Mobilitätsangebote. Haben im Jahr 2014 rund zwei Millionen Kunden bei Daimler diese Dienste genutzt, waren es im Jahr 2018 bereits 31 Millionen. Und in den nächsten zehn Jahren werden dreistellige Milliardenumsätze auf diesem Markt erwartet. Diese Angebote dürfen natürlich die anspruchsvollen Kosten- und Gewinnziele nicht verwässern. Es kommt daher entscheidend darauf an, Skaleneffekte zu nutzen, also ein höheres Umsatzvolumen zu niedrigen Kosten abzuwickeln. Das erklärt das Zusammengehen von BMW und Daimler bei ihren Carsharing-Aktivitäten unter dem Label Share-Now. Auch bei Mobilitätsservices wie Ride-Hailing, Parkplatzreservierungen, Nutzung von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und der Schaffung von multimodalen Mobilitätslösungen ist ein gemeinsames Vorgehen vereinbart.

Auto-Abos erweitern die Angebotspalette

Neue Mobilitätsdienstleistungen sind nicht nur für Digital Natives interessant, sondern für jeden Nutzer, der die automobile Mobilität flexibel seinen jeweiligen Bedürfnissen anpassen möchte. Hier setzen die Konzepte des Auto-Abonnements (englisch subscription) an. Gegen Zahlung einer monatlichen Pauschale kann der Kunde nacheinander verschiedene Fahrzeuge seiner Wahl nutzen. Das können je nach Programm Neuwagen oder junge Gebrauchte sein. Das Abonnieren des Fahrzeugs erfolgt digital über eine App auf dem Smartphone. Beispiele sind "Mercedes me Flexperience": Ein Jahr lang jeden Monat einen anderen Mercedes-Benz fahren. "Porsche Passport" in den USA: Flip into a new model as often as you would like. "Care by Volvo": Fahrzeugwechsel alle zwei Monate. "Sixt Flat Seasons": Alle 12 Wochen ein neues Auto. Cluno Auto Abo: Alle drei Monate ein neues Fahrzeug. Damit positioniert sich das Auto-Abonnement als Kurzfrist-Leasing zwischen der Fahrzeugmiete, also Car Sharing und Car Rental, und dem klassischen Mobilitätspaket auf Leasing-Basis (Abbildung 4).

Es setzt auf den Wunsch nach Abwechslung bei Fahrzeugmodellen, etwa Cabrio, SUV, Limousine - auch unterschiedlicher Marken, auf die Einfachheit und Schnelligkeit des digitalen Abschlusses, die Überschaubarkeit und Planbarkeit der Fahrzeugkosten sowie auf die flexible Vertragsgestaltung. Anzahlung, Schlussrate und etwaige Überraschungen aus der Restwertentwicklung entfallen. Es sind nur noch die Tankkosten zu begleichen. Die Customer Journey zielt also nicht mehr auf die Entscheidung für das "eine" Wunschauto, sondern auf den unkomplizierten Fahrzeugwechsel. Und an die Stelle von Marke, Hersteller oder Autohaus tritt die digitale Plattform des Abo-Anbieters.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass sich die Autobanken dem Paradigmenwechsel in der Welt der Mobilität nicht entziehen dürfen. Im Gegenteil, sie sollten ihn aktiv vorantreiben und sich auch hier als Marktführer etablieren. Das erforderliche Knowhow und die Ressourcen sind vorhanden. Das reicht aber nicht aus. Sie sind vielmehr um agile Managementmethoden und Innovationen vor allem im IT-Bereich zu erweitern, damit der Wandel vom Auto-Finanzierer vergangener Jahre zum globalen Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen gelingt.

Literatur

Becker, T.; Taskinsoy, T.: Mobilität "On Demand". Was leisten Subscriptions-Modelle und sind sie wirtschaftlich attraktiv? White Paper, Horvárth & Partner GmbH, 2019

Stenner, F: Automobil am Ball bleiben, in: kfzbetrieb, Heft 33/34 2019, S. 20-21

PROF. DR. FRANK STENNER ist Honorarprofessor und Lehrbeauftragter an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen und Herausgeber des Handbuchs "Automobilbanken - Finanzdienstleistungen für Mobilität".
E-Mail: frank.stenner[at]web[dot]de
Prof. Dr. Frank Stenner , Honorarprofessor und Lehrbeauftragter , Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen

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