FACTORING

Covid-19-Pandemie trifft Factoring-Institute

Zivilrechtliche Herausforderungen

Wolf Stumpf, Foto: Noerr LLP

Die Corona-Krise trifft auch die Factoring-Branche. Die Autoren widmen sich den daraus resultierenden zivilrechtlichen Herausforderungen für Factoring-Institute. Dabei gilt es unter anderem zu klären, wer das Insolvenzrisiko des Leistungserbringers trägt, ob die Pandemie im Sinne der höheren Gewalt ausgelegt werden kann, inwieweit die Warenkreditversicherung greift, was die Covid-19-Sondergesetzgebung mit sich bringt und ob Factoring als eine Finanzierungsform über Forderungen aus Lieferung und Leistung hinaus in Frage kommt. (Red.)

Die Covid-19-Pandemie stellt weltweit das Wirtschaftsleben vor besondere Herausforderungen und wirkt sich zwangsläufig auch auf die Factoring-Branche aus. Der nachfolgende Beitrag versucht - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - einen ersten Überblick über aktuelle zivilrechtliche Herausforderungen für Factoring-Institute zu geben.

Einige Factoring-Anbieter haben sich auf das Factoring von Forderungen aus Verträgen mit Verbrauchern spezialisiert, bei denen eine (teilweise) Vorleistungspflicht des Verbrauchers vereinbart ist. Dies betrifft beispielsweise den Kauf von Konzerttickets; hier schließt der Verbraucher den Vertrag nicht unmittelbar mit den Musikern, sondern mit einem Konzertveranstalter, der seinerseits wiederum Vertragspartner der Musiker1) ist. Auch in der Reisebranche ist eine Vorleistungspflicht des Reisenden üblich. Bei Pauschalreisen entspricht dies zwar nicht dem gesetzlichen Leitbild des § 651a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), gleichwohl enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Veranstalter regelmäßig Vorleistungspflichten der Reisenden, wozu diese aber nur gegen angemessene Sicherung verpflichtet sind.2)

Rückforderungsansprüche von Verbrauchern

Wird die Leistungserbringung dem Veranstalter gemäß § 275 Absatz 1 BGB durch die Covid-19-Pandemie unmöglich, kann der Verbraucher seine erbrachte Zahlung zurückfordern (etwa nach Rücktritt gemäß § 326 Absatz 4 BGB).

Die Rückforderung einer Vielzahl vereinnahmter Vorauszahlungen kann jedoch zur Insolvenz des Veranstalters führen. Hat ein Factor den Vorauszahlungsanspruch des Veranstalters erworben und die Vorauszahlung des Verbrauchers erhalten, stellt sich die Frage, ob er den erhaltenen Betrag an diesen herausgeben muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist davon auszugehen, dass der Verbraucher Rückforderung - trotz Zahlung an den Factor - nur vom Veranstalter fordern kann.

Der BGH stellt bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Zessionsfällen insbesondere darauf ab, dass "in dem Vertrag zwischen dem Schuldner und dem Zedenten der angenommene Rechtsgrund für die vermeintlich geschuldete Zahlung zu sehen" sei.3) Dieses Argument leuchtet ein, da der Verbraucher - hätte es die Zession an den Factor nicht gegeben - ebenfalls das Insolvenzrisiko des Veranstalters getragen hätte.

Um möglichst frühzeitig die Notwendigkeit der Bildung von Sondereinbehalten oder die Erhöhung bestehender Kaufpreiseinbehalte zu erkennen, empfiehlt sich die vertiefte Prüfung der Verträge zwischen dem Factoring-Kunden und dem Debitor, insbesondere zur Frage, was dort zu Aufrechnung und Unmöglichkeit geregelt ist. Kann der Kunde seine Leistungspflicht nicht erfüllen, sind Gegenansprüche des Debitors denkbar.

Pandemie als höhere Gewalt

Zwar sieht § 275 BGB grundsätzlich vor, dass ein Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen ist, soweit diese für den Schuldner oder jedermann unmöglich ist. Indes kann der von seiner Leistungspflicht befreite Factoring-Kunde Schadensersatzansprüchen des Debitors ausgesetzt sein, wenn er eine schuldhafte, das heißt vorsätzliche oder fahrlässige, Pflichtverletzung begangen hat. Dies erfordert zwar stets eine Einzelfallprüfung, jedoch ermöglicht das Verständnis der genauen "Vertragsmechanik" eine bessere Risikosteuerung. Hat der Factoring-Kunde beispielsweise mit dem Debitor eine Pflicht zur jederzeitigen Belieferung vereinbart, ließe sich daraus möglicherweise eine Pflicht zur Lagerhaltung erforderlicher Rohstoffe ableiten. Ob und wie dies in Zeiten der Corona-Pandemie zu beantworten ist, ist eine Frage des Einzelfalls und der Lieferketten.

Auch das UN-Kaufrecht (CISG) für internationale Warenkäufe kann von Bedeutung sein. Deutschland ist Vertragsstaat des CISG, das bei einem internationalen Warenkauf zur Anwendung kommt, wenn deutsches Recht vereinbart wird. Der Schadenersatzanspruch gemäß Artikel 45 Absatz 1 littera b) CISG beruht auf dem Prinzip, dass den Verkäufer im Hinblick auf die Erfüllung der vertraglich übernommenen Pflichten kraft Gesetzes eine generelle Garantiehaftung trifft.4) Darin liegt eine wesentliche Abweichung zum deutschen Recht. Allerdings regelt Artikel 79 CISG eine Entlastungsmöglichkeit des Schuldners, um sich von der Schadensersatzpflicht zu befreien. Artikel 79 CISG knüpft unter anderem an Unvorhersehbarkeit und Unvermeidbarkeit des betreffenden Ereignisses an; Ereignisse, die unter Artikel 79 CISG fallen können, sind etwa Naturereignisse oder auch Epidemien.5) Die Kenntnis der vertraglichen Regelungen (etwa zu einer eventuellen Leistungsbefreiung des Lieferanten) ist daher auch im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts zum Zwecke der Risikosteuerung wichtig.

Es erscheint daher sinnvoll, bereits bestehende Lieferbeziehungen kritisch auf Regelungen zu höherer Gewalt und "Aufrechnungspotenzial" zu prüfen. Gleichermaßen empfiehlt sich aber erst recht bei neuen Engagements ein kritischer Blick auf die konkrete Vertragsgestaltung zwischen dem potenziellen Kunden und seinen Debitoren. Kunden sollten auch konkret dazu befragt werden, ob und wie sie ihre Abläufe (und Verträge) im Lichte der Corona-Pandemie angepasst haben, um ihre vertraglichen Pflichten, aus denen die dem Factor anzudienenden Forderungen resultieren, erfüllen zu können.

Haltung der Warenkreditversicherungen

Vorsorglich sollten Factoring-Anbieter frühzeitig ihre Warenkreditversicherungsverträge darauf prüfen, ob beziehungsweise in welcher Gestalt Folgen der Corona-Pandemie zu Leistungsausschlüssen der Warenkreditversicherer führen (zum Beispiel Sperrung von Lieferwegen als politisches Risiko).

Zudem bleibt abzuwarten, wie Warenkreditversicherer in der aktuellen Situation mit der Zeichnung von Limiten umgehen und ob sie gegebenenfalls staatliche Unterstützung erhalten, um auch in der Krise ihre wichtige Aufgabe der Risikoabsicherung ausfüllen zu können. Jedenfalls bei Erstellung dieses Aufsatzes (30. März 2020) existierte hierzu (noch) keine gesetzliche Regelung.

Covid-19-Sondergesetzgebung

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht enthält eine Vielzahl von Regelungen, die auch für das Factoring von Bedeutung sein können.

In Artikel 1 § 1 hat der Gesetzgeber zunächst die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen (mit Verlängerungsoption) bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt, wenn die Insolvenz auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Zugleich sieht das Gesetz eine Vermutung vor, wonach die Covid-19-Pandemie als Ursache der Insolvenzreife gilt, wenn das betreffende Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war.

Flankiert wird die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen durch eine Erschwerung für einen erfolgreichen Insolvenzantrag von Gläubigern. Hier setzt die Verfahrenseröffnung nach Artikel 3 § 3 voraus, dass der Eröffnungsgrund am 1. März 2020 vorlag. In der Praxis dürfte dies die Durchsetzung von Forderungen erschweren, da der Gläubigerantrag durchaus ein probates Mittel sein kann, um säumige Schuldner zur Erfüllung ihrer Zahlungspflichten anzuhalten. Ebenso bleibt abzuwarten, wie sich die Warenkreditversicherungen hierauf einstellen.

Konsequenterweise hat der Gesetzgeber mit der befristeten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zugleich auch Regelungen für die sonstigen mit einer Insolvenz für Gläubiger mitunter verbundenen Folgen vorgesehen. Durch Artikel 1 § 2 Nummer 2 sollen beispielsweise Kreditgeber für in der Krise ausgereichte Kredite unter anderem vor einer späteren Insolvenzanfechtung geschützt werden, indem Kreditrückzahlung und Besicherung nicht als gläubigerbenachteiligend gelten.

Den Tatbestand des echten Factorings erwähnt der Gesetzgeber hier bedauerlicherweise nicht. Das echte Factoring ist dogmatisch nicht als Darlehen einzustufen, sondern als Rechtskauf und erfüllt aufsichtsrechtlich den Tatbestand der Finanzdienstleistung, vergleiche § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 9 Kreditwesengesetz. Allerdings kommt dem echten Factoring eine Finanzierungsfunktion zu. Mit dem Gesetz will der Gesetzgeber "Anreize" schaffen, um den "betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen".6) Dies spricht deutlich dafür, den Begriff des Kredits rein wirtschaftlich zu betrachten und allein auf die Finanzierungsfunktion abzustellen. Diese Schlussfolgerung wird gestützt durch die Klarstellung des Gesetzgebers, dass unter § 2 Absatz (1) Nummer 2 auch "Warenkredite" fallen sollen.7) Factoring lässt sich nach der Rechtsprechung des BGH durchaus unter diesen Terminus fassen.8)

Dass es auf eine rein wirtschaftliche Betrachtung ankommt, verdeutlicht auch die vom Gesetzgeber in § 2 Absatz (1) Nummer 2 gewählte Formulierung "Zahlungen auf Forderungen und Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen". Ob die Beschränkung der Insolvenzanfechtung nach § 2 Absatz (1) Nummer 4 eine wirkliche Erleichterung für Gläubiger darstellt, bleibt abzuwarten; die Formulierung birgt Unklarheiten, etwa soweit es die Ausweitung bestehender Factoring-Linien in der Krisensituation betrifft. Denn § 2 Absatz (1) Nummer 4 stellt darauf ab, dass der Gläubiger die Sicherung oder Befriedigung "zu der Zeit beanspruchen konnte". Der Factoring-Vertrag wird in dieser Konstellation bereits vor der Krise abgeschlossen gewesen sein, die Ausweitung der Linie erfolgt jedoch erst während der Krise. Nach der Ratio des Gesetzes müssten an sich auch solche Vereinbarungen anfechtungsrechtlich privilegiert sein. Indes profitiert der Forderungskauf als Bargeschäft im Sinne des § 142 Insolvenzordnung ohnehin von einer beschränkten Anfechtbarkeit.9)

Neben Änderungen des Insolvenzrechts sieht das Gesetz auch ein umfassendes Moratorium für Leistungs- und Zahlungspflichten von Verbrauchern und Kleinstunternehmen vor, die von der Covid-19-Pandemie betroffen sind. Artikel 5 zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche sieht unter anderem ein bis zum 30. Juni 2020 beschränktes Leistungsverweigerungsrecht für Leistungs- und Zahlungspflichten aus "wesentlichen Dauerschuldverhältnissen", die vor dem 8. März 2020 geschlossen worden sind, vor. Als Beispiel für wesentliche Dauerschuldverhältnisse nennt der Entwurf Verträge über die Lieferungen von Energie- oder Telekommunikationsdiensten. Die Auswirkungen für Factoring-Anbieter dürften damit überschaubar sein, weil derartige Forderungen nur selten Gegenstand des Factorings sind. Anders mag dies etwa im Bereich der großen Mobilfunkanbieter liegen.

Factoring als weitreichende Finanzierungsform

Es bleibt abzuwarten, ob sich Factoring als Finanzierungsform zur Minderung der wirtschaftlichen Effekte der Covid-19-Pandemie auf andere Forderungen übertragen lässt. Da Unternehmen in großer Zahl und zeitgleich auf Kurzarbeit setzen und Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiter beantragen, steigen die Zeiträume zwischen Antrag und Entscheidung aktuell rapide an. Hier könnte sich die Prüfung lohnen, ob Factoring der Vorfinanzierung dienen kann.

Mit dem Staat steht ein sicherer Schuldner zur Verfügung, jedoch ist der operationelle Aufwand ebenso wie der Gestaltungsaufwand infolge einer Abtretungskette (Arbeitnehmer an Arbeitgeber, Arbeitgeber an Factor) hoch, zumal im Verhältnis zu Arbeitnehmern stets die Vorgaben des § 307 BGB zu beachten sind und die Anforderungen des § 53 Erstes Buch Sozialgesetzbuch jedenfalls das Factoring von Ansprüchen gegen den Staat nicht im Blick hatten. Diese Herausforderungen sollten Factoring-Anbieter jedoch nicht davon abhalten, weitere Einsatzmöglichkeiten ihres Produkts zu prüfen. Jeder Krise wohnt eine Chance inne.

Fußnoten

1) Feldmann/Schuhmann: Ansprüche von Konzertbesuchern bei Leistungsstörungen, JuS 2019, 848.

2) Vgl. BeckOK BGB/Geib, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 651a Rn. 23.

3) BGH, Urteil vom 19. Januar 2005 AZ: VIII ZR 173/03, BB 2005, 799.

4) Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Müller-Chen, 7. Aufl. 2019, CISG Art. 45 Rn. 23.

5) MüKoBGB/Huber, 8. Aufl. 2019, CISG Art. 79 Rn. 10.

6) Vgl. Seite 4 der Drucksache 19/18110.

7) Vgl. Seite 23 der Drucksache 19/18110.

8) Vgl. BGH, Urteil vom 8.5.2014 - IX ZR 128/12, NZI 2014, 696.

9) Uhlenbruck/Ede/Hirte, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, Rn. 60.

WOLF STUMPF ist Rechtsanwalt und Partner der internationalen Sozietät Noerr LLP, Frankfurt am Main. Zu seinen Schwerpunkten zählen unter anderem Bank- und Prozessrecht, Compliance und Geldwäscheprävention. Seit 1999 bei der europäischen Wirtschaftskanzlei verantwortet er die Beratung von Factoring-Unternehmen.
LAURA FRITSCH ist Rechtsanwältin und Senior Associate in der internationalen Sozietät Noerr LLP, Frankfurt am Main. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht. Sie vertritt Banken und Finanzdienstleister außergerichtlich und gerichtlich in allen Fragen rund um die Finanzierung mit einem Fokus auf Factoring.
Wolf Stumpf , Rechtsanwalt und Partner , Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB, Frankfurt am Main
Laura Fritsch , Rechtsanwältin und Senior Associate in der internationalen Sozietät Noerr LLP, Frankfurt am Main.

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