Dokumenten-Management und Digitalisierung im Daten-Onboarding

Optimierung durch Early-Scan-Prozess

Enrico Moritz

Die Digitalisierung bietet im Bereich des Dokumenten-Managements ein sehr großes Optimierungspotenzial, trotz optischer Archive oder Dokumenten-Management-Systeme. Papier hat Geschichte und eine lange Tradition, und es ist bekanntlich geduldig, aber vor allem langsam in Bezug auf den Transport und die Verarbeitung der über Papier vorgehaltenen Informationen. Die Autoren skizzieren in diesem Beitrag die Möglichkeit einer geschickten Orchestrierung von Anbahnungs- und Verwaltungsprozessen.

Postlaufzeit und Scan-Vorgang verhindern heute noch eine Real-Time-Verarbeitung dokumentenzentrierter Informationen und somit einen schnellen Vertragsabschluss im Rahmen der Antragsprozesse. Ansatzpunkte zur Optimierung liegen also nicht nur in der Prozessbearbeitung, sondern es lohnt sich, die Prozessliegezeiten zu analysieren und mögliche Verbesserungspotenziale zu identifizieren.

Wenn heute die Forderung nach der Verbesserung von Prozessen in der Antragsbearbeitung laut wird, heißen die ersten Reaktionen meist: "Optimieren der internen Abläufe" oder sogar der "Austausch des IT-Systems". Dabei bieten die Prozessbearbeitungszeiten Optimierungmöglichkeiten. Viel größeres Potenzial schlummert jedoch in den Prozessliegezeiten, die nicht im unmittelbaren Einflussbereich des Finanzdienstleisters liegen, wie zum Beispiel die Postlaufzeit: Ohne Zweifel lässt sich diese durch Expresszustellung oder per Kurier beschleunigen, jedoch geht dies mit zusätzlichen Kosten einher.

Das eingereichte Stück Papier hat - mittelfristig betrachtet - bereits an Bedeutung verloren, da viele Finanzdienstleister bereits elektronische Dokumentenarchive einsetzen, die ein optisches Abbild zur Aufbewahrung vorhalten. Schon bei der Inhaltsprüfung des Dokumentes greift man dann nur noch auf die optische Kopie zu. Jedoch bleiben zwei wesentliche zeitliche Aspekte bestehen: die Verzögerung bei der Einreichung des Dokumentes auf dem Postweg und das Digitalisieren des Dokumentes, mithilfe eines Scanners - intern oder durch Einschaltung eines externen Dienstleisters.

Innovative Ansätze

Diese Hürden verhindern einen "schnellen" Vertragsabschluss und verursachen hohe Aufwände aufseiten des Finanzdienstleisters. Sind zudem Informationen unleserlich oder wurde das falsche Dokument als Nachweis eingereicht, wiederholen sich die Bearbeitungsschritte. Dadurch verlängert sich die Dauer der Bearbeitung über Tage hinweg, und weitere Liegezeiten im Prozess sowie Verzögerungen bis zum finalen Abschluss sind die Folge.

Die Technik ermöglicht heute innovative Ansätze, die vor einigen Jahren noch undenkbar waren oder wie Science Fiction klangen. Heute sind Multifunktionsgeräte mit Scan-Funktion, Scanner-Devices und Smartphones mit Kamerafunktion bereits Standard. Moderne Apps helfen mit ihrer Ausrichtungskorrektur beim Abfotografieren von Dokumenten. Sogar aus den unmöglichsten Winkeln wird bei ausreichendem Licht ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt, wobei die elektronische Kopie an allen Kanten den Abmaßen der DIN-Norm entspricht.

Damit lässt sich der heute existierende Late-Scan-Prozess in einen Early-Scan-Prozess verwandeln, und die Aufwände für die Digitalisierung verlagern sich in den Front-Office-Bereich, also hin zum Point of Sale.

DMS-/ECM-Lösungen

Damit dort die Umwandlung der Papierdokumente möglichst reibungslos funktioniert, sind effiziente Ansätze für die Zuordnung und Klassifikation der elektronisch erzeugten Dokumente notwendig, welche die verschiedenen Geräteklassen unterstützen. Unterschiedliche Ausbaustufen bieten hierbei Komfortgrade, die mit der Zuordnung in der Online-Anwendung und Synchronisierung mit einem Cloud-Anbieter beginnen und über eigens entwickelte Smart Device-Apps bis zur vollständigen Inhaltsextraktion und automatischen Zuordnung durch intelligente Mustererkennung reichen.

Aktuelle Marktbeobachtungen zeigen eine stetig zunehmende Geschwindigkeit in der Digitalisierung der Wirtschaft. Quer über alle Branchen hinweg sehen sich die Unternehmen mit der Herausforderung konfrontiert, nicht den digitalen Anschluss zu verlieren und ihre Prozesse bei der Verarbeitung von Dokumenten optimal zu gestalten.

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Digitalisierung ist der Einsatz moderner Dokumenten-Management-Systeme (DMS) beziehungsweise Enterprise-Content-Management-Lösungen (ECM), die diesen Prozess durch flexible Schnittstellen maximal unterstützen. Wie eine aktuelle über alle Branchen hinweg durchgeführte Studie von AMA Adress- und Zeitschriftenverlag GmbH zeigt, arbeiten derzeit noch circa vier von zehn Unternehmen ohne ein DMS. Jedoch plant knapp jedes dritte dieser Unternehmen einen Einsatz in den nächsten ein bis zwei Jahren - ein Indiz dafür dass, viele Unternehmen die Chance einer Digitalisierung von Dokumenten bereits erkennen. Einmal eingeführt, sind die DMS lange Zeit im Einsatz - in rund ein Viertel der befragten Unternehmen sogar mehr als zehn Jahre (siehe Abbildung 1).

Allerdings scheint in Unternehmen, die bereits ein DMS einsetzen, nur eine relativ geringe Bereitschaft zu bestehen, der digitalen Transformation zu folgen, da dies oft eine Modernisierung der bestehenden DMS-Lösung erfordert. Diesen Schritt scheuen laut der AMA-Untersuchung derzeit noch mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen (Abbildung 2).

Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Zahlen in der Zukunft entwickeln. Das Potenzial hinter der Digitalisierung sollte man nicht unterschätzen, ebenso wenig wie die Gefahr, gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten.

Übertragungswege

Während DMS-/ECM-Lösungen in erster Linie bei der Verwaltung des juristischen Dokumentenbestandes und der strukturierten Ablage der Kommunikation zum Einsatz kommen, beginnt die Digitalisierung bereits viel früher im Prozess. Im Rahmen der Geschäftsanbahnung ist es essentiell, verschiedene Kanäle für die Einreichung von zu prüfenden Dokumenten abzudecken. Für eine breite Akzeptanz müssen die Hürden und technischen Voraussetzungen besonders gering sein.

Als derzeit technisch gängige Übertragungswege kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:

- Übertragung per Fax,

- Einsendung per E-Mail-Anhang,

- Direkt-Upload über die Webseite,

- Digitalisierung per App über Smartphone beziehungsweise Tablet.

Die aus heutiger Sicht bereits etwas "antiquiert" erscheinende Übertragung per Fax wird immer noch rege genutzt, da der Gebrauch ebenso einfach ist wie ein Telefonanruf. Und der automatische Einzug am Faxgerät gewährleistet auch den Versand von mehreren Seiten. Die auf der Gegenseite empfangenen Daten lassen sich systemseitig direkt digital in ein DMS einspielen und stehen dort unmittelbar zur Verfügung.

Leider bringt diese Übertragungsform diverse Nachteile mit sich. Neben einer von Gerät zu Gerät unterschiedlichen Fax-Qualität, von sehr gut bis unlesbar, ist eine eindeutige Typ- und Kategorisierung meist nur mittels eines entsprechenden Vor-/ Deckblattes möglich. In der weiteren Bearbeitung ergeben sich daher möglicherweise erhebliche manuelle Nacharbeiten. Das größte Manko allerdings sind die meist sensiblen Daten, da diese bei einem Fax unverschlüsselt übertragen werden und somit einsehbar sind.

Die Übertragungswege Dokumentenbereitstellung per E-Mail oder Upload unterscheiden sich zwar in der Art und Weise der Übermittlung, verlangen dem Absender im Vorfeld aber identische Arbeitsschritte ab. In beiden Fällen muss der Nutzer die zu sendenden Dokumente mittels eines Drittgeräts digitalisieren, beispielsweise Scanner beziehungsweise Multifunktionsdrucker. Je nach Gerät und Treiber führt dies vor allem in der Bedienung zu größeren technischen sowie zeitlichen Herausforderungen. Nach erfolgreichem Scan werden die Dokumente auf dem jeweiligen Rechner des Nutzers zwischengespeichert. Diese sensiblen Daten kann ein unberechtigter Dritter ausspähen, sofern sie nach dem Versand nicht unverzüglich gelöscht werden.

In puncto Übermittlung bietet das direkte Hochladen von Dokumenten gegenüber dem Anhang einer E-Mail zumindest den Vorteil einer standardmäßig verschlüsselten Übertragung. Es ist davon auszugehen, dass Finanzdienstleister in der heutigen Zeit standardmäßig eine SSL-Verschlüsselung1) für ihre Webseite beziehungsweise für ihr Kundenportal benutzen, während die wenigsten Kunden die Anhänge ihrer E-Mails verschlüsseln.

Stellt man nun diese drei Übertragungswege der Digitalisierung und der Übermittlung per App für Smartphone oder Tablet gegenüber, so scheint bei letzterer der Königsweg für die Zukunft gefunden zu sein. Die Finanzdienstleister sind somit in der Lage, ihren Kunden neben intuitiver Bedienung, automatischer Kategorisierung und verschlüsselter Datenübertragung auch das Feature zu bieten, die abfotografierten Daten unmittelbar nach der erfolgreichen Übertragung automatisch vom Smartphone beziehungsweise Tablet zu löschen. Dies führt zu einer deutlichen Steigerung in Bezug auf den Datenschutz.

Praxisbeispiel

Die Bandbreite, das digitale Dokumentenmanagement zu nutzen, ist vielfältig. Allen Umsetzungen gemein ist das Ziel, die entsprechenden Prozesse zu beschleunigen - bei gleichzeitiger Erfüllung aller rechtlich-regulatorischen Anforderungen seitens der Compliance.

Als einer der Vorreiter auf dem Gebiet der digitalen Interaktion mit den Kunden über das Internet bietet die Direktbank ING-Diba verschiedene Komfortservices2) im Rahmen der Digitalisierung von papierhaften Dokumenten an, welche die Bankgeschäfte für die Kunden erleichtern sollen. So erhält der Kunde die Möglichkeit, seine Rechnungen oder Überweisungsträger komfortabel mithilfe der bereitgestellten Banking-App für das Smartphone abzufotografieren, anstatt die Informationen mühsam in das Online-Banking-Formular übertragen zu müssen.

Dies ermöglicht die Einbindung von Dienstleistungen aus der Fintech-Branche, die diese Services in verschiedenen Ausprägungen anbieten, die über integrierte Spezialfunktionen verfügen, wie etwa die Bildkorrektur zur Optimierung der Ausrichtung, des Kontrasts oder der Farbgebung. Durch sogenannte Software Development Kits (SDK) besteht die Möglichkeit, eigens entwickelte Apps um mehrwertschöpfende Funktionen zu ergänzen oder als komplette Bestandteile in Prozessketten einzubinden.

Die Extraktion von Informationen aus den digitalen Dokumenten erfolgt zumeist durch den Einsatz von OCR-Funktionalitäten (Optical Character Recognition). Aus den gewonnenen Informationen lässt sich einerseits der Dokumententyp bestimmen sowie andererseits die korrekte Zuordnung zu einer Dokumentenakte. Falls die mehrstufigen Suchalgorithmen keinen Vorschlag ermitteln und das Dokument nicht direkt zugeordnet werden konnte, landet es in einer Sammelakte, über welche die Zuordnung zur korrekten Dokumentenakte gegebenenfalls manuell erfolgt. Daneben lassen sich durch das Auslesen relevanter Daten - als zusätzliche Komfortfunktion für den Anwender - vorhandene Formularfelder bereits systemseitig vorbefüllen. Die manuelle Datenerfassung wird damit auf ein Minimum reduziert, und so werden Fehler bei der Eingabe vermieden. Portallösungen vereinfachen darüber hinaus die weitere interne Bearbeitung, indem man zum Beispiel die relevanten Seiten umfangreicher Vertragswerte in spezielle Ordner kopiert und damit den schnellen Zugriff des Bearbeiters ermöglicht.

Beim konkreten Beispiel der ING-Diba werden die (Daten der) Dokumente einfach und schnell bis ins Back-End-System übertragen. Im Fall einer Rechnung oder Überweisung werden dort die benötigten Metadaten ausgelesen und an die App zurückgesandt. Somit können die notwendigen Felder im Überweisungsformular für den Kunden automatisch vorbefüllt werden. Dieser muss nach einer abschließenden Prüfung die Transaktion nur noch mit der Eingabe einer Transaktionsnummer (TAN) freigeben.

Ergänzend dazu haben die Kunden über die App (alternativ über die Online-Banking-Webseite) die Möglichkeit, auch andere Dokumente digital an die Bank zu senden. So können beispielsweise die im Rahmen einer Baufinanzierung notwendigen Nachweise in Form von (Abschlags-) Rechnungen auf diesem Wege unkompliziert und schnell erbracht werden. Nach einer Klassifizierung und Indizierung durch das System werden die Dokumente an das DMS übergeben, welche eine Einsortierung, sowohl in die elektronische Kundenakte als auch in den elektronischen Postkorb des zuständigen Sachbearbeiters, vornimmt.

Bereits ein viertel Jahr nach der Einführung dieser Services stieg die Zahl der täglich auf diesem Wege an die Bank geschickten Dokumente auf etwa 3 000, Tendenz schnell weiter ansteigend.

Dieses Beispiel steht nur als eines von vielen. Es zeigt jedoch, wie digitale End-to-End-Prozesse umgesetzt werden können. Über spezielle, auf die digitale Reife ausgerichtete Prozessanalysen lassen sich so signifikante Potenziale in nahezu jedem Unternehmen heben.

Durch Optimierung der Dokumentenverarbeitung im Daten-Onboarding-Prozess (siehe Abbildung 3) ergeben sich folgende Vorteile:

- verkürzte Prozesslaufzeiten, da Transport- und Liegezeiten wegfallen,

- schnellere Reaktion und kürzere Bearbeitungszeiten durch Systemunterstützung,

- höhere Kundenzufriedenheit durch engere Integration und Interaktion,

- minimaler Aufwand bei der Zuordnung von Dokumenten durch Automatisierung,

- geringeres Veränderungsrisiko durch Entfall von Bereinigungsläufen, da die Vorabklassifikation außerhalb der DMS-/ECM-Lösung erfolgt.

Erhebliches Verbesserungspotenzial

Eine spürbare Beschleunigung und damit auch Kostenreduzierung in den Durchlaufzeiten von End-to-End-Prozessen kann nur gelingen, wenn Anbahnungsprozesse (außerhalb von DMS-/ECM-Lösungen) mit den Verwaltungsprozessen (innerhalb von DMS-/ECM-Lösungen) geschickt miteinander verbunden sind. In den Anbahnungsprozessen können bereits die verschiedensten für einen späteren Vertragsschluss benötigten Dokumente, zum Beispiel über eine App digitalisiert, hochgeladen und für die spätere Verwaltung in den DMS- beziehungsweise ECM-Lösungen vorbereitet werden.

Derartige vorbereitende Funktionalitäten reichen von der reinen Bildaufbereitung (Angle Correction, Cropping, Filtering, Rotation und so weiter) über Inhaltsextraktion per OCR mit Prüfung des Inhalts inklusive Prüfprotokoll (wie etwa Echtheitsprüfung für Personalausweise oder Gehaltsabrechnungen) bis zu einer Vorstrukturierung im Sinne einer Zuordnung zu einem entsprechenden Dokumententyp wie auch einer automatischen Verschlagwortung.3)

Nach der Übertragung dieser vorbereiteten Dokumente an das DMS beziehungsweise die ECM-Lösung profitieren die Mitarbeiter des Finanzdienstleisters in den nachfolgenden Verwaltungsprozessen dann sehr von deren Stärken. Neben der automatisierten Indizierung, Klassifizierung und Kategorisierung lassen sich die Dokumente direkt in die jeweiligen Kundenakte sowie in den elektronischen Postkorb des entsprechenden Mitarbeiters ablegen. Dies stellt sowohl einen schnellen Zugriff auf den juristischen Bestand als auch eine revisionssichere Ablage sicher.

Beschränkte man sich allein auf die Betrachtung der durch die Automatisierung weggefallenen manuellen Schritte, ergäbe sich bereits hieraus eine deutliche Prozessbeschleunigung im Hinblick auf den gesamten Endto-End-Prozess, angefangen beim Kunden bis zur Vertragsverwaltung aufseiten der Finanzdienstleister.

Die hier skizzierte Möglichkeit einer geschickten Orchestrierung von Anbahnungs- und Verwaltungsprozessen gilt unabhängig von weiteren Optimierungen in der Prozessbearbeitung und zeigt das gewaltige Optimierungspotenzial, das dieses Verfahren bietet.

1) Secure Sockets Layer (SSL), ein Verschlüsselungsprotokoll zur sicheren Datenübertragung im Internet.

2) Merten Slominsky, Digitaler Darwinismus, Artikel in: Handelsblatt-Journal, November 2015, S. 7.

3) Verschlagwortung (oder Beschlagwortung) bezeichnet die Erfassung von Schlagworten und Metadaten zu Dokumenten.

DIE AUTOREN: Enrico Moritz, München,arbeitet seit 2004 bei der afb Application Services AG, derzeit als Manager Business Development und Consulting. Zuvor leitete er den Bereich Requirements Engineering.E-Mail: moritz.enrico[at]afb[dot]deMarkus Preitsameter, München,ist seit 2012 bei der afb Application Services AG tätig, zu Beginn im Bereich Requirements Engineering und inzwischen als Senior Consultant.E-Mail: preitsameter.markus[at]afb[dot]de

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