RECHT

Drittwirkung einer Forderungsabtretung

OLG Saarbrücken zum Zweiten - Fortsetzung folgt

Dr. Stefan Krüger, Foto: Mütze Korsch

Die Frage der Drittwirkung bei einer Forderungsabtretung sorgt seit über einem Jahrzehnt für Unklarheiten. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte in einem vorliegenden Fall zu diesem Thema den Europäischen Gerichtshof angerufen. Mangels einer einheitlichen europäischen Regelung ist der Rechtsstreit jedoch zurückgewiesen worden. Nationales Recht solle entscheiden. Der Autor erläutert kurz den Sachverhalt, geht dann auf die gerichtlichen Entwicklungen ein und nimmt abschließend ausführlich Stellung zu der Entscheidung der Saarbrückener Richter. (Red.)

Die Drittwirkung einer Forderungsabtretung, also die Frage der Wirksamkeit einer Abtretung gegenüber Dritten, ist im Internationalen Privatrecht innerhalb der Europäischen Union seit langem umstritten. Dies betrifft namentlich die Wirksamkeit der Abtretung gegenüber Gläubigern (von Zedent und/oder Zessionar), die mehrfache Abtretung derselben Forderung und das Rangverhältnis zu sonstigen Rechten Dritter an der Forderung. Diese Frage ist letztendlich für alle Finanzierer relevant. Insbesondere aber für Factoring-Gesellschaften, deren Geschäft der Forderungsankauf mit der hiermit einhergehenden Abtretung ist.

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt es derzeit nicht. Dementsprechend war ein Rechtsstreit hierüber eine Frage der Zeit. Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken hatte die Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Dieser hat den Rechtsstreit unter Verweis auf eine fehlende europäische Regelung und die Maßgeblichkeit des jeweils nationalen Rechts zur Entscheidung an das OLG Saarbrücken zurückgespielt. Dessen Entscheidung wird im Folgenden erläutert.

Sachverhalt

Der Entscheidung liegt - vereinfacht - folgender Sachverhalt zugrunde: Eine luxemburgische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in Deutschland war mit der Klägerin (einer deutschen Bank) durch einen deutschem Recht unterliegenden Darlehensvertrag vom 29. März 2011 verbunden. In dessen Rahmen trat sie den jeweils pfändbaren Teil ihrer gegenwärtigen und künftigen Lohn- und Gehaltsforderungen, einschließlich insbesondere der Pensionsansprüche, gegen ihren Arbeitgeber in Luxemburg ab. Nur kurz später, am 15. Juni 2011, schloss die Dame einen weiteren Darlehensvertrag. Dieses Mal mit der Beklagten (einer luxemburgischen Bank). Auch hier trat sie die oben angeführten Ansprüche gegen ihren Arbeitgeber ab. Zusätzlich erfolgte am 20. September 2012 die Benachrichtigung der zuständigen luxemburgischen Trésorerie de l'État.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 5. Februar 2014 wurde über das Vermögen der Dame das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt. Diese zog von dem Arbeitgeber der nunmehr Insolvenzschuldnerin 13 901,64 Euro ein und hinterlegte diesen Betrag beim Amtsgericht Merzig, da sowohl Klägerin als auch Beklagte Rechte an diesem Betrag geltend gemacht hatten. Klägerin und Beklagte begehren wechselseitig die Freigabe dieses Betrages.

Zu den gerichtlichen Entscheidungen

Das Landgericht hat der Klage der Klägerin stattgegeben und die Widerklage mit Entscheidung vom 28. April 2017 - 4 O 119/16 abgewiesen. Das OLG Saarbrücken hat daraufhin mit Vorlagebeschluss vom 8. August 2018 - 4 U 109/171) dem EuGH folgende Fragen vorgelegt:

- Ist Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) auf die Drittwirkungen bei Mehrfachabtretung anwendbar (Vorlagefrage 1)? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Entscheidung des Verordnungsgebers, die Drittwirkungen der Zession nicht gesondert zu regeln? Die Anwendung deutschen Kollisionsrechts stößt auf die Schwierigkeit, dass Artikel 33 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) durch das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 25. Juni 2009 aufgehoben worden ist.

- Falls die Anwendbarkeit des Artikel 14 Rom I-VO bejaht wird, ist zu klären, nach welchem Recht sich auf dieser Grundlage die Drittwirkung beurteilt (Vorlagefrage 2). Im deutschen Schrifttum wird dazu die Auffassung vertreten, die Lösung müsse aus der Verordnung autonom entwickelt werden, wobei die Wahl zwischen dem (Vertrags-)Statut der Abtretung und dem Forderungsstatut bestehe.

- Falls eine Anwendbarkeit des Artikel 14 Rom I-VO verneint wird, ist zu klären, ob Artikel 14 Rom I-VO entsprechende Anwendung findet (Vorlagefrage 3). Einer in der deutschen Literatur vertretenen Auffassung zufolge soll eine Regelungslücke vorliegen, welche bis zu einer Änderung oder Ergänzung der Rom I-VO durch die Entwicklung einer einheitlichen Kollisionsregel für alle Mitgliedstaaten geschlossen werden soll. Da andernfalls die mit Artikel 14 Rom I-VO angestrebte Rechtsangleichung erheblich gefährdet wäre.

- Sofern Artikel 14 Rom I-VO entsprechend anwendbar ist, bedarf es der Klärung, welchem Recht in diesem Fall die Drittwirkungen unterliegen (Vorlagefrage 4). Es bieten sich im Wesentlichen die vier Lösungen an, sodass auch in diesem Punkt eine höchstrichterliche Klärung erforderlich ist. Die von Leible/Müller (IPRax 2012, 491, 499) als fünfte Möglichkeit geprüfte Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Zessionars findet nicht nur keine Stütze in Artikel 14 Rom I-VO, sondern erlaubt bei einer Mehrfachabtretung auch keine einheitliche Anknüpfung.

Der EuGH hat daraufhin mit Urteil vom 9. Oktober 2019 - C-548/182) wie folgt entschieden: Artikel 14 der VO (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) ist dahin auszulegen, dass er weder unmittelbar noch durch entsprechende Anwendung bestimmt, welches Recht auf die Drittwirkungen einer Forderungsabtretung bei Mehrfachabtretung einer Forderung durch denselben Gläubiger nacheinander an verschiedene Zessionare anzuwenden ist.

Der Ball lag dann wieder beim OLG Saarbrücken. Dieses hat der Berufung stattgegeben und mit Urteil vom 20. Februar 2020 - 4 U 109/173) wie folgt entschieden:

- Ein Rechtsstreit zwischen Absonderungsberechtigten (Zessionaren) ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters fällt nicht unter die Annexzuständigkeit nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000.

- Beurteilen sich die Drittwirkungen einer Abtretung nach deutschem Internationalen Privatrecht, ist auch nach Aufhebung des Artikel 33 Absatz 2 EGBGB alte Fassung das Statut der abgetretenen Forderung (Forderungsstatut) maßgeblich.

Somit hat sich das OLG Saarbrücken hinsichtlich der Drittwirkung für das Forderungsstatut entschieden. Es hat zunächst entsprechend den Vorgaben des EuGHs zu Recht ausgeführt, dass es derzeit keine europäische Regelung gibt, die diese Frage regelt. Daher war vorliegend auf das deutsche Internationale Privatrecht abzustellen. Die herrschende Meinung zu Artikel 33 EGBGB alte Fassung (dem Vorgänger von Artikel 14 Absatz 2 Rom I-VO) habe an das Forderungsstatut angeknüpft.4)

Nach dem besagten EuGH-Urteil stünden sich im Wesentlichen zwei Ansichten gegenüber: Zum einen werde auf den Rechtsgedanken des Artikel 33 EGBGB alte Fassung und die vorherigen Rechtsprechungsgrundsätze zurückgegriffen.5) Zum anderen werde auf den Zedentenstatus abgestellt, zumal Artikel 33 EGBGB alte Fassung nicht mehr gelte.6) Da sich diese Fragen vor allem im Insolvenzfall stellen, stehe allein dies in Übereinstimmung mit dem Centre of Main Interests (COMI) im Rahmen der streitgegenständlich gültigen Artikel 3, 4 EU-Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO) alte Fassung (= Artikel 3, 7 EuInsVO neue Fassung).7)

Das OLG Saarbrücken hat sich der ersten Ansicht angeschlossen und aufgeführt, dass der Wegfall einer gesetzlichen Regelung nicht zum Wegfall jahrzehntelang anerkannter Rechtsgrundsätze führe. Zumal der Gesetzgeber angenommen habe, dass die Frage im Rahmen der Rom I-VO geregelt werde. Zudem hat es auf eine (angebliche) Parallele bei Schiedsklauseln8) abgestellt. Ferner entspreche das Forderungsstatut auch den berechtigten Interessen des Schuldners, der Klarheit haben müsse, an wen er schuldbefreiend zahlen könne. Eine Bank könne dies - vereinfacht ausgedrückt - selbst prüfen. Auch die Beeinträchtigung der Globalzession ließ das OLG Saarbrücken nicht gelten; dies sei bereits im Rahmen des Artikel 33 Absatz 2 EGBGB geklärt gewesen.

Stellungnahme

Ausgangspunkt ist eine katastrophale Leistung des deutschen und europäischen Gesetzgebers, durch die eine Vorschrift, nämlich Artikel 33 EGBGB alte Fassung, aufgehoben wurde und die wesentliche Frage nach der Drittwirkung im Rahmen des (vermeintlichen) Nachfolgers, nämlich Artikel 14 Rom I-VO, nicht geregelt wurde.

Fakt ist: Artikel 33 EGBGB alte Fassung ist ersatzlos aufgehoben. Dann aber kann ein Gericht nicht mehr auf diese Vorschrift abstellen. Einen Vertrauensschutz für aufgehobene Vorschriften, wie es offensichtlich das OLG Saarbrücken unterstellt, gibt es nicht. Daher verfängt das wesentliche Argument des OLG Saarbrücken nicht.

Auch der Verweis auf eine angebliche Parallele bei Schiedsklauseln überzeugt nicht. Zwar wird in der besagten Bundesgerichtshof-(BGH)-Entscheidung in Randziffer 239) - unzutreffender Weise - auf einen Artikel 33 Absatz 2 EGBGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken abgestellt, indes zugleich auf Artikel 14 Absatz 2 Rom-I VO. Letzterer aber ist streitgegenständlich nach den Vorgaben des EuGHs nicht anwendbar. Insoweit ist die Fallgestaltung auch nicht vergleichbar.

Ebenso sind die Schutzwürdigkeitserwägungen bezüglich des Schuldners unzutreffend: Wer eine Forderung zweimal abtritt, weiß, dass ein Gläubiger leer ausgehen wird. Und zwar durch das Verschulden des Schuldners. Er verhält sich gegenüber einem seiner Gläubiger also vorsätzlich vertragswidrig, was im Übrigen auch eine strafrechtliche Relevanz hat. Beides hilft dem leer ausgehenden Gläubiger im Insolvenzfall monetär leider nicht weiter. Zudem gilt in Deutschland bei Abtretungen der Prioritätsgrundsatz,10) sodass von einer Schutzwürdigkeit des Schuldners mitnichten die Rede sein kann. Das Gegenteil ist der Fall: Der zeitlich erste Gläubiger ist zuvörderst schutzwürdig.

Aus Gründen der Rechtssicherheit ist auf den Zedentensitz abzustellen.11) Dieser ist - wie der hiesige Fall zeigt - regelmäßig einfach und objektiv zu bestimmen. Und zwar für alle Beteiligten, namentlich Schuldner, Zessionar, weitere Gläubiger, Dritte wie Insolvenzverwalter und Gerichte.12) Im Gegensatz hierzu ist das Abstellen auf das Forderungsstatut hoch komplex und das Ergebnis jeweils einzelfallbezogen zu beurteilen. Dies gilt nicht nur bei Prüfungen vor einer Abtretung von Forderungen mit Auslandsbezug, sondern auch im Nachgang, wenn etwa neue gesetzliche Vorschriften erlassen werden oder nationale Urteile ergehen, die dann später im Gegensatz zur ursprünglichen Wertung stehen.

Dies steht auch in Einklang mit den Wertungen des europäischen Insolvenzrechts, bei dem auf den COMI abgestellt wird, vergleiche Artikel 3, 4 EuInsVO.13) Es wäre ein fataler Wertungswiderspruch, hier - wie das OLG Saarbrücken - zivilrechtlich zum genau gegenteiligen Ergebnis wie im Insolvenzrecht zu gelangen. Denn die Wertigkeit von Sicherheiten erweist sich regelmäßig gerade im Sicherungsfall, insbesondere in der Insolvenz des Schuldners.14) Gleiches gilt im Übrigen auch für die (Voll-)Abtretung von Forderungen im Rahmen des Forderungsverkaufs an einen Factor. Jedenfalls dann müssen insolvenzrechtliche Wertungen vorgehen.

Einstweilen bleibt es für Finanzierer, insbesondere Factoring-Gesellschaften, bei einer unheilvollen Rechtsunsicherheit.

Rechtsunsicherheit bleibt

Die grundsätzliche Empfehlung, sich bei der Abtretung von Forderungen mit Auslandsbezug entsprechende anwaltliche Gutachten einzuholen, hilft vor diesem Hintergrund nur bedingt. Es ist zu hoffen, dass der BGH das Fehlurteil des OLG Saarbrücken korrigiert. Die BGH-Entscheidung dürfte nach diesseitiger Einschätzung für einen nicht unerheblichen Zeitraum Leitlinie sein - zumindest in Deutschland. Im Übrigen dürfte es leider bei einem EU-Flickenteppich verbleiben - vom Nicht-EU-Ausland einmal ganz abgesehen. Nicht zuletzt deshalb wäre eine möglichst kurzfristige Regelung durch den europäischen Gesetzgeber mehr als wünschenswert. Die entsprechenden Verhandlungen wurden coronabedingt unterbrochen; leider ist es offen, wann diese wieder aufgenommen werden.15)

Fußnoten

1) OLG Saarbrücken, BeckRS 2018, 20145.

2) EuGH, BeckRS 2019, 23508.

3) OLG Saarbrücken, BeckRS 2020, 2943.

4) OLG Saarbrücken, aaO. Rz. 36 m.w.N., unter anderem auf BGHZ 111, 376, 379 f. und BGH, NJW-RR 2005, 206, 208.

5) OLG Saarbrücken, aaO. Rz. 37 m.w.N. unter anderem auf Esser, FD-InsR 2019, 421890; Schroeter/Maier-Lohmann, EWiR 2020, 33.

6) OLG Saarbrücken, aaO. Rz. 38 m.w.N. unter anderem auf Hübner, ZEuP 2019, 41, 52; Keller, WuB 2020, 51, 53; Kieninger, NJW 2019, 3353, 3356; Stumpf/Nefiz, FLF 2020, 33, 34.

7) Vgl. OLG Saarbrücken, aaO. Rz. 38 m.w.N.

8) BGH, SchiedsVZ 2014, 151.

9) BGH, SchiedsVZ 2014, 151.

10) Vgl. etwa BGH, NJW-RR 1998, 1123.

11) Vgl. Clausnitzer/Stumpf, in: Krüger, Handbuch Factoringrecht, 2017, § 20 Rz. 54; Keller, WuB 2020, 51, 53, Mankowski, IPRax 2012, 298, 304; Spickhoff, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, 54. Edition, Stand: 1. Mai 2020, VO (EG) 593/2008, Art. 14 Rz. 4; Stumpf/Nefiz, FLF 2020, 33, 34.

12) Vgl. Clausnitzer/Stumpf, in: Krüger, Handbuch Factoringrecht, 2017, § 20 Rz. 54; Kieninger, in: Ferrari/Kieninger/Mankowski u.a., Internationales Vertragsrecht, 3. Auflage 2018, VO (EG) 593/2008, Art. 14 Rz. 12.

13) Vgl. Clausnitzer/Stumpf, in: Krüger, Handbuch Factoringrecht, 2017, § 20 Rz. 56; Kieninger, NJW 2019, 3353, 3356; Kieninger/Schütze, IPRax 2005, 200, 203; Mankowski, IPrax 2012, 298, 300 f.; Stumpf/Schmitt, FLF 2012, 276, 280; Stumpf/Nefiz, FLF 2020, 33, 34.

14) So der zutreffende Hinweis von Keller, WuB 2020, 51, 54.

15) Vgl. Wagner, NJW 2020, 1864, 1865.

DR. STEFAN KRÜGER ist Rechtsanwalt und Partner bei der Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind das Finanzierungs- und Insolvenzrecht. In finanzierungsrechtlichen Fragen berät er vor allem Factoring- und Leasing-Gesellschaften sowie Kreditversicherer.
Dr. Stefan Krüger , Rechtsanwalt und Partner , Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf
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