Factoring und Rechtsdienstleistungsgesetz

BGH-Urteil auch zu nachträglichen Vereinbarungen zur schuldbefreienden Zahlung

Dr. Stefan Krüger Quelle: Mütze Korsch

Mit einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof für eine Klarstellung im Verhältnis von Factoring und dem Rechtsdienstleistungsgesetz ebenso gesorgt wie zur Wirksamkeit von nachträglich zwischen dem Factor und dem Schuldner geschlossenen Zahlungsvereinbarungen. Der Autor stellt den Sachverhalt und dessen Entscheidungsgründe vor und kommentiert diese. (Red.)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 21. März 20181 ein bemerkenswertes Urteil zu zwei Themen gefällt: Zum einen betrifft dies das Verhältnis von Factoring und Rechtsdienstleistungsgesetz - und zwar bezogen auf gefactorte Forderungen und sicherungsabgetretene Forderungen. Zum anderen geht es um nachträgliche Vereinbarungen zwischen Factor und Schuldner über die Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung ausschließlich an den Factor. Beides wurde zugunsten des Factors entschieden. Der BGH hat wie folgt tenoriert:

1. Die Einziehung im Wege des echten Factorings abgetretener Forderungen ist keine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen, RDG), weil ein Factoring-Unternehmen, welches das Risiko vertraglich vollständig übernommen hat, keine fremden, sondern eigene Angelegenheiten besorgt, wenn es die ihm abgetretenen Forderungen auf eigene Rechnung einzieht.

2. Geht das Risiko des Forderungsausfalls nach den im Factoring-Vertrag getroffenen Vereinbarungen nicht vollständig auf das Factoring-Unternehmen über (unechtes Factoring), ist die Forderungseinziehung - sofern das Factoring-Unternehmen nach dem Vertragsinhalt weder zur Klärung von Rechtsfragen, wie Bestand und Durchsetzbarkeit der abgetretenen Forderungen, noch zum Inkasso verpflichtet ist - ebenfalls keine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 1 RDG, weil die Forderungsabtretung erfüllungshalber zur Kreditsicherung und damit als Nebenleistung, nicht aber im Rahmen eines eigenständigen Geschäfts des Factoring-Unternehmens erfolgt.

3. Trotz der Abtretung einer - aus einem beiderseitigen Handelsgeschäft hervorgegangenen - Geldforderung an einen neuen Gläubiger (hier: ein Factoring-Unternehmen) ist der Forderungsschuldner gemäß § 354a Abs. 1 S. 2 Handelsgesetzbuch (HGB) befugt, mit befreiender Wirkung an seinen bisherigen Gläubiger (den Factoring-Kunden) zu leisten.

4. Unbeschadet des Wortlauts des § 354 a Abs. 1 S. 3 HGB, der bestimmt, dass abweichende Vereinbarungen unwirksam sind, ist eine nach der Forderungsabtretung getroffene Vereinbarung des Forderungsschuldners mit dem neuen Gläubiger, Zahlungen nur an diesen zu leisten, mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck des § 354 a Abs. 1 S. 2 HGB, der allein dem Schutz des Schuldners dient, gleichwohl wirksam.

Zum Sachverhalt

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, ein Factor, und die MSI GmbH (kurz MSI) schlossen am 17./20. April 2012 einen Factoring-Vertrag. In dem Factoring-Vertrag befanden sich unter anderem folgende Regelungen:

- Vorausabtretung aller gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen der MSI aus Warenlieferungen und Erbringung von Dienstleistungen.

- Übernahme des Delkredererisikos bis zu 90 Prozent des Nettobetrages jeder angekauften Forderung, soweit dieser den Mindestdelkrederebetrag von 1 000 Euro übersteigt.

- "Soweit (die Klägerin) Forderungen ankauft, erwirbt (sie) die einzelnen Forderungen des Kunden bis zu dem in dem Factoring-Vertrag vereinbarten Prozentsatz des Nettobetrages der Forderung, soweit dieser den Mindestdelkrederebetrag übersteigt, jeweils im Wege echten Factorings unter Übernahme des Delkredererisikos, und den restlichen Forderungsteil im Wege unechten Factorings unter Verbleib des Delkredererisikos beim Kunden..."

- "(Die Klägerin) übernimmt das Delkredererisiko jeweils in Höhe desjenigen Teils jeder angekauften Forderung, welcher im Wege echten Factorings erworben wird und der im Factoring-Vertrag durch den vereinbarten Prozentsatz von dem Nettobetrag jeder Forderung, soweit dieser den Mindestdelkrederebetrag übersteigt, bestimmt wird. In Höhe des verbleibenden restlichen Teils der Forderung in Höhe bis zu deren Nettobetrag und der in der Forderung enthaltenen Umsatzsteuer verbleibt das Delkredererisiko beim Kunden ..."

Die Klägerin verfügte über keine Registrierung nach § 10 RDG.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2013 unterrichtete die Klägerin die Beklagte, einen Auftraggeber von MSI, darüber, dass aufgrund des Factoring-Vertrages Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das näher bezeichnete Zahlkonto der Klägerin geleistet werden können. Zugleich bat sie um Bestätigung des Erhalts und Akzeptanz des Schreibens sowie dass alle zukünftigen Zahlungen an das Zahlkonto der Klägerin geleistet werden. Dieser Bitte kam die Beklagte nach.

Dessen ungeachtet folgte die Zahlung der Rechnung von MSI an die Beklagte vom 11. Juni 2013 über 12 078,50 Euro an MSI. Dieser Rechnung lag der Rahmenvertrag über Schweißarbeiten zwischen MSI und der Beklagten vom 7./22. Mai 2013 zugrunde, der ein beiderseitiges Abtretungsverbot enthielt. Der Factor nahm daraufhin die Beklagte in Anspruch und machte zudem vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend. Die Beklagte wurde sowohl vom Landgericht Cottbus als auch vom Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg2 zur Zahlung verurteilt.

Zu den Gründen der Entscheidung

Der BGH hat diese Entscheidungen bestätigt.

Dies betrifft sowohl die Vereinbarkeit mit dem RDG als auch die Akzeptanz der nachträglichen Vereinbarung einer schuldbefreienden Leistung ausschließlich an den Factor.

Zum RDG

Der BGH hat einen Verstoß gegen das RDG abgelehnt, da der Forderungseinzug der hier im Wege des Factorings abgetretenen Forderung keine Rechtsdienstleistung nach §§ 3, 2 Abs. 1, 2 RDG sei. Es liege insbesondere keine Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG vor. Diese ergebe sich aus der Auslegung des Factoring-Vertrages.

Zum einen seien 90 Prozent der Forderung im Wege des echten Factorings an die Klägerin abgetreten. Insoweit liege eine entsprechende Delkredere-Übernahme vor und es gebe auch keine Rückbelastungsmöglichkeit. Daher trage der Factor insoweit das volle Ausfallrisiko. Die Einziehung eigener Forderungen sei kein Inkasso im Sinne des RDG.

Zum anderen liege auch hinsichtlich der im Wege des unechten Factorings abgetretenen 10 Prozent kein Verstoß gegen das RDG vor. Zwar trage der Factor insoweit nicht das Delkredererisiko. Es handele sich aber um kein eigenständiges Geschäft und damit um keine Inkassodienstleistung. Ein eigenständiges Geschäft im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 1 RDG liege vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt. Das Vorliegen eines eigenständigen Geschäfts hat der BGH hier verneint und nach Art und Umfang eine Nebenleistung des Hauptgeschäfts Factoring angenommen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass unechtes Factoring als Kreditgeschäft eingeordnet werde und die Forderungsabtretung insoweit eine Kreditsicherung für den Factor sei. Dies habe sich auch nach der gesetzgeberischen Neuregelung des RDG nicht geändert.

Im Rahmen eines "obiter dictums"3 hat der BGH jedoch darauf hingewiesen, dass sich dies in anderen Fällen anders darstellen mag und unter besonderen Umständen die Einziehung der abgetretenen Forderung das Hauptgeschäft des Factors bilden könne. Es hat insoweit auf das Urteil des BGH vom 21. April 2014 - VI 507/134 zur Forderungsabtretung eines Unfallgeschädigten auf Erstattung von Sachverständigenkosten an einen Factor verwiesen.5 Dort sei der Factor in jedem Einzelfall zur Prüfung der Erfolgsaussichten verpflichtet gewesen. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nach Maßgabe des Factoring-Vertrages nicht vor.

Zur Vereinbarung über schuldbefreiende Leistung

Zudem stehe dem das im Rahmenvertrag zwischen MSI und der Beklagten vereinbarte Abtretungsverbot nicht entgegen. Zwar führe dies nach § 354 a Abs. 1 S. 3 HGB dazu, dass der Schuldner schuldbefreiend auch an den Altgläubiger leisten könne. Hierauf habe der Schuldner indes verzichtet.

Der BGH hat die streitgegenständliche Bestätigung für wirksam erachtet. Jedenfalls bei einem nachträglichen Verzicht des Schuldners gegenüber einem Factor sei dieser wirksam, da er sich aus freien Stücken seines durch die Regelung des § 354 a HGB gegebenen Schutzes begeben habe. § 354 a Abs. 1 S. 3 HGB sei insoweit einschränkend auszulegen.6

Würdigung

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Frage des Verhältnisses von Factoring und RDG. Auch wenn es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass jeder - auch ein Factor - eigene Forderungen erlaubnisfrei einziehen kann, zeigt der Fall den höchstrichterlichen Klarstellungsbedarf. Für eine Ungleichbehandlung von eigenen Forderungen eines Lieferanten und denselben Forderungen durch den Factor als eigene Forderungen beim echten Factoring nach Abtretung an den Factor gibt es auch keinen sachlichen Grund.

Positiv ist auch die Klarstellung, dass in dem konkreten Fall im Übrigen ein erlaubnisfreies Nebengeschäft angenommen wurde. Dies mag sich - worauf der BGH hinweist - in besonderen Ausnahmefällen auch anders darstellen.

Schließlich ist die weitere Klarstellung des BGH erfreulich, dass mit dem Schuldner nachträglich wirksam Vereinbarungen abgeschlossen werden können, aufgrund derer schuldbefreiende Leistungen auf an den Factor abgetretene Forderungen nur noch an den Factor möglich sind. Denn dies ist mitunter ein praktisches Problem, namentlich wenn Factoring-Kunden in Krisensituationen versuchen, doppelt Liquidität zu generieren, indem sie zum einen den Kaufpreis für die gefactorte Forderung (des Factoring-Kunden gegen dessen Abnehmer) vom Factor vereinnahmen und gleichzeitig zum anderen dieselbe Forderung gegenüber dem Abnehmer geltend machen und ebenfalls vereinnahmen.

Die hiermit einhergehenden zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen nützen dem Factor im Insolvenzfall dann wirtschaftlich wenig, wenn schlichtweg kein Geld mehr da ist, und zwar beim Kunden, dessen Organen und den ansonsten handelnden Personen. Daher ist die Inanspruchnahme des Schuldners grundsätzlich die vorzugswürdigste Variante. Gerade bei großen Forderungsvolumina und Klumpenrisiken sollten Factoring-Unternehmen versuchen, von dieser Option weiter und verstärkt Gebrauch zu machen, um nicht beim Forderungseinzug unliebsame Überraschungen zu erleben.

1) BGH-Urteil vom 21. März 2018 - VIII ZR 17/17.

2) OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 11 U 13/15, BeckRS 2016, 131193.

3) Lat. "nebenbei Gesagtes".

4) BGH, NJW 2015, 397, vgl. hierzu Brink/Faber, FLF 2015, 201, 205 f.

5) Hierauf hinweisend auch Deckenbrock, EWiR 2018, 461, 462; Jost, LMK 2018, 408014.

6) Zustimmend Deckenbrock, EWiR 2018, 461,462.

DER AUTOR: Dr. Stefan Krüger, Düsseldorf, ist Rechtsanwalt und Partner bei der Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind das Finanzierungs- und Insolvenzrecht. In finanzierungsrechtlichen Fragen berät er vor allem Factoring-und Leasing-Gesellschaften sowie Kreditversicherer. E-Mail: krueger[at]mkrg[dot]com
Dr. Stefan Krüger , Rechtsanwalt und Partner , Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf
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