Wer haftet für Umsatzsteuer bei der Abtretung von Forderungen?

Änderung von § 13c Umsatzsteuergesetz bringt Rechtssicherheit

Dr. Julia Lehmann-Björnekärr

Quelle: Privat

Seit Einfügung des § 13c Umsatzsteuergesetz vertrauen Finanzämter und Factoring-Institute bei dessen Auslegung auf den zugehörigen Anwendungserlass, bis sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16. Dezember 20151) zur Haftung des Abtretungsempfängers/Factoring-Unternehmens für die vom Factoring-Kunden abzuführende Umsatzsteuer geäußert hat. In das Gesetzgebungsverfahren zum Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz ist nun ein Lösungsvorschlag eingeflossen, der den rechtssicheren Zustand wiederherstellt und die Factoring-Branche entlastet.(Red.)

Der § 13c Umsatzsteuergesetz (UStG) geht zurück auf das Steueränderungsgesetz 2003.2) Grundlage ist wiederum die vom Rat der Europäischen Union (EU) verabschiedete Richtlinie 2001/115/EG vom 20. Dezember 2001 zur "Änderung der Richtlinie 77/388/ EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung".3)

Bei § 13c UStG handelt es sich um einen steuerrechtlichen Haftungstatbestand für Sachverhalte, in denen ein leistender Unternehmer (Steuerschuldner) seinen Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz (Forderung) abtritt, der Abtretungsempfänger die Forderung einzieht oder an einen Dritten überträgt und der Steuerschuldner die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet. Die Regelung soll eventuelle Umsatzsteuerausfälle vermeiden, die (angeblich) dadurch entstehen, dass abtretende Unternehmer oftmals finanziell nicht mehr in der Lage gewesen sein sollen, die geschuldete Umsatzsteuer zu entrichten, weil Abtretungsempfänger die Forderungen eingezogen haben, so die amtliche Begründung (siehe Abbildung 1, Seite 173).

Die Voraussetzungen für die Haftung ergeben sich aus § 13c Absatz 1 UStG: Danach haftet der Abtretungsempfänger für die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:4)

- Der Abtretungsempfänger ist Unternehmer. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26. Juni 20035) ist auch der, der das Ausfallrisiko für die an ihn abgetretene Forderung übernimmt (echtes Factoring), Unternehmer.

- Der leistende Unternehmer hat die festgesetzte Steuer im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht entrichtet. In der festgesetzten Steuer muss die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer berücksichtigt sein.

- Der Abtretungsempfänger muss die abgetretene Forderung ganz oder teilweise vereinnahmt haben. Hat er sie teilweise vereinnahmt, erstreckt sich die Haftung nur auf die Umsatzsteuer, die im tatsächlich vereinnahmten Betrag enthalten ist. Hat er sie ganz oder teilweise an einen Dritten übertragen, gilt dieses Rechtsgeschäft insoweit als Vereinnahmung, das heißt der Abtretungsempfänger kann für die im Gesamtbetrag der weiter übertragenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer in Haftung genommen werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Gegenleistung der ursprüngliche Abtretungsempfänger für die Übertragung der Forderung erhalten hat.

In der Gesetzesbegründung heißt es jedoch auch, dass der Abtretungsempfänger "nachrangig als Haftungsschuldner in Anspruch genommen" wird, "weil erst feststehen muss, dass der leistende Unternehmer die festgesetzte Steuer im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat".6)

Ferner ist laut Gesetzesbegründung vorgesehen, dass sich der Abtretungsempfänger der Haftungsinanspruchnahme entziehen kann, "wenn er als Dritter Zahlungen im Sinne von § 48 AO zugunsten des leistenden Unternehmers bewirkt. Nach § 48 Absatz 2 AO kann sich ein Dritter (hier der Abtretungsempfänger) vertraglich verpflichten, für Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis einzustehen. Insoweit kann er nicht mehr für die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer in Anspruch genommen werden."7)

Das Steueränderungsgesetz 2003 wurde am 19. Dezember 2003 im Bundesgesetzblatt verkündet.8)

Das Bundesfinanzministerium hat am 24. Mai 2004 ein Begleitschreiben mit einem Anwendungserlass zu § 13c UStG publiziert. Dieser Erlass bindet die Finanzgerichte zwar bei der Auslegung des § 13c UStG nicht (kein Gesetzescharakter), ist jedoch richtungsweisend.

Bisher heißt es in § 13c.1 Ziffer 27 Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE), welcher seit 2008 an die Stelle der früheren Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) des Bundesfinanzministeriums getreten ist:

"In den Fällen des Forderungsverkaufs gilt die Forderung nicht durch den Abtretungsempfänger als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt (zum Beispiel bei entsprechend gestalteten Asset-Backed-Securities (ABS)-Transaktionen). Voraussetzung ist, dass dieser Geldbetrag tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt. Davon ist nicht auszugehen, soweit dieser Geldbetrag auf ein Konto gezahlt wird, auf das der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs hat. (...)"9)

EU-Rechtskonformität bekräftigt

Laut amtlicher Begründung zum Steueränderungsgesetz 2003 wurde § 13c UStG aufgrund Artikel 21 Absatz 3 der 6. Richtlinie zur Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts eingeführt. Gemäß dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten bestimmen, "dass eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat."10)

Die EU-Rechtskonformität des § 13c UStG ist seit seiner Einführung mit differierender Begründung von Teilen der Literatur angezweifelt worden. 11)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dagegen in seiner Entscheidung vom 20. März 201312) die Ansicht vertreten, dass § 13c UStG "nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt" sei, "sodass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Einzelnen voraussehbar und berechenbar werden". Damit werde den rechtsstaatlichen Anforderungen genüge getan.13)

Schließlich hat der BFH mit seiner Entscheidung vom 21. November 201314) festgehalten, dass die in § 13c UStG normierte Haftung den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht und zugleich eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof abgelehnt, sodass entsprechende Vorbringen in finanzgerichtlichen Verfahren daher künftig wenig Erfolg versprechend sein dürften.

BFH-Urteil sorgt 2015 für Aufruhr

Der BFH hat sich mit Urteil vom 16. Dezember 201515) zur Haftung des Abtretungsempfängers/Factoring-Unternehmers für die vom Factoring-Kunden abzuführende Umsatzsteuer beim echten Factoring geäußert und damit die gesamte Factoring-Branche in Aufruhr gebracht.

Im Leitsatz heißt es: "Die Haftung des Abtretungsempfängers (Factors) für Umsatzsteuer nach § 13c UStG ist nicht ausgeschlossen, wenn er dem Unternehmer, der ihm die Umsatzsteuer enthaltende Forderung abgetreten hat, im Rahmen des sogenannten echten Factorings liquide Mittel zur Verfügung gestellt hat, aus denen dieser seine Umsatzsteuerschuld hätte begleichen können."16)

Ferner heißt es in Randnummer 63 des Urteils: "Soweit die Finanzverwaltung in Abschn. 13c.1 Abs. 27 Satz 1 UStAE davon ausgeht, dass in den Fällen des Forderungsverkaufs die abgetretene Forderung nicht durch den Abtretungsempfänger im Sinne von § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG als vereinnahmt gilt, 'soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt (z. B. bei entsprechend gestalteten Asset-Backed-Securities (ABS-)Transaktionen', handelt es sich hierbei um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung, die - falls mit dieser Regelung auch Fälle der vorliegenden Art erfasst werden sollen - die Gerichte nicht bindet (vergl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, Rz 68; vom 5. September 2013 XI R 7/12, BFHE 242, 399, BStBl II 2014, 37, Rz 20, m.w.N.)."17)

Vor Erlass dieses Urteils konnte sich die Praxis darauf verlassen, dass die Finanzverwaltungen trotz des eindeutigen Wortlauts im § 13c UStG sich auf die Ausführungen im UStAE Abschnitt 13c.1. Absatz 27 beziehen.

Dies wurde nunmehr nach der seit mehr als 13 Jahren geltenden und auch die Interessen des Fiskus wahrenden § 13c UStG konkretisierenden Regelungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) durch das BFH-Urteil vom 16. Dezember 2015 ad absurdum geführt, mit fatalen Folgen.

Sowohl Finanzämter als auch Factoring-Institute richten ihr Handeln in langjähriger und bewährter Praxis nach dem UStAE aus, insbesondere an Abschnitt 13c.1 Absatz 27. Durch die Ausführungen des BFH könnte allerdings die bisher geltende Rechtssicherheit, die mit dem UStAE geschaffen wurde, beseitigt werden. Für Factoring-Institute ist es jedoch eine essenzielle Frage der Planungs- und Rechtssicherheit, dass sich die Finanzverwaltung nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch künftig nach den Ausführungen des UStAE richten kann und wird. Gleiches gilt auch für die Finanzverwaltung, gerade vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren stetig gewachsenen Factoring-Volumina.18)

Ferner erweckt die BFH-Entscheidung den unzutreffenden Eindruck, dass nur die in § 13c Absatz 2 Satz 4 UStG vorgesehene Zahlung der Umsatzsteuer direkt durch den Factor als Abtretungsempfänger19) einen Ausweg aus der Haftung bietet, den auch der BFH akzeptiert. Diese Möglichkeit kann in der Praxis jedoch problematisch sein, vor allem, da in Abschnitt 13c.1 Abs. 43 UStAE explizit darauf hingewiesen wird, dass der Factor/Abtretungsempfänger zwar die Umsatzsteuer für den Factoring-Kunden zahlen kann, er bei einer gleichzeitigen oder späteren Zahlung durch den Factoring-Kunden - und somit einer Doppelzahlung der Umsatzsteuer - hingegen keinen direkten Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt hat. Vielmehr muss der Factor sich dann an den Factoring-Kunden wenden und von ihm die Erstattung des entrichteten Umsatzsteuerbetrags verlangen.

Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass der Factor seinen Anspruch nur zur Insolvenztabelle anmelden kann, sofern der Factoring-Kunde in der Zwischenzeit Insolvenz angemeldet hat. Zudem kann der Factor eventuelle Korrekturen oder ähnliches der geschuldeten Umsatzsteuer nicht voraussehen beziehungsweise erfährt davon im Zweifel erst (zu) spät.

Entlastung für die Factoring-Branche

Nach der durch das BFH-Urteil entstandenen Verunsicherung der gesamten Factoring-Branche ist nunmehr ein Durchbruch gelungen. Nach zunächst erfolglosen Bemühungen, eine administrative Lösung in Form eines Nichtanwendungserlasses zu erzielen, konnte ein Lösungsvorschlag in das Gesetzgebungsverfahren zum Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG II)20) eingebracht werden. Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 30. März 2017 das BEG II mit einer Modifikation des § 13c UStG verabschiedet.21) Demnach werden die in Abbildung 2, Seite 174) dargestellten Sätze angefügt.22) Die Modifikation entspricht mit minimalen Abweichungen dem Wortlaut des Abschnitts 13c.1 Absatz 27 UStAE in der aktuell geltenden Fassung.23)

Der Bundesrat hat in seiner 957. Sitzung am 12. Mai 2017 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz zuzustimmen.24) Das Gesetz muss nunmehr noch vom zuständigen Minister und der Bundeskanzlerin gegengezeichnet, vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden.

Nach Verkündung des Gesetzes tritt die Änderung des § 13c UStG rückwirkend zum 1. Januar 2017 in Kraft. Dies ist für die Factoring-Branche ein sehr erfreulicher Lobbyerfolg, für den sie jahrelang gekämpft hat.

1) BFH-Urteil AZ: XI R 28/13

2) Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 23.9.2003, Deutscher Bundestag Drucksache (BT-Drs) 15/1562, Bundesrat Drucksache (BR-Drs.) 630/03, S. 78, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de

3) 6. EG-Richtlinie abrufbar unter: http://eurlex.europa.eu/legal-content

4) Vgl. BT-Drs 15/1562 S. 46.

5) Vgl. EuGH-Urteil C-305/01.

6) Vgl. BT-Drs 15/1562 S. 46.

7) Vgl. BT-Drs 15/1562 S. 47.

8) Vgl. Bundesgesetzblatt (BGBl.) 2003 Teil I, Nr. 62 vom 19.12.2003, S. 2645 ff.

9) Abschnitt 13c.1. Ziff. 27 des UStAE.

10) Vgl. BR-Drs. 630/03, S. 78.

11) Vgl. u.a. Hahne, BB 2003, 27, S. 2720, 2723.

12) Vgl. BFH-Urteil vom 20.3.2013 XI R 11/12 zur Haftung des Abtretungsempfängers für Umsatzsteuer bei Abtretung von Forderungen durch Globalzession.

13) Ebenda.

14) Vgl. BFH-Urteil vom 21.11.2013 V R 21/12 zur Bankenhaftung im Insolvenzfall.

15) Vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2015 XI R 28/13 zur Haftung des Abtretungsempfängers für Umsatzsteuer beim sog. echten Factoring.

16) Ebenda.

17) Vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2015 XI R 28/13 zur Haftung des Abtretungsempfängers für Umsatzsteuer beim sog. echten Factoring, Rn 63.

18) Siehe dazu ausführlich: Hartmann-Wendels, S. 166 ff.

19) Vgl. § 48 AO.

20) Zweites Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (BR-Drs 437/16).

21) Abrufbar unter: www.bundestag.de/dokumente

22) Abrufbar unter: www.bundestag.de/dokumente

23) Abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Service/Publikationen

24) Abrufbar unter: www.bundesrat.de

Abbildung 1: Auszug Gesetzesentwurf Steueränderungsgesetz 2003 "§13c UStG begründet unter bestimmten Voraussetzungen einen Haftungstatbestand für die Fälle, in denen ein Unternehmer eine Kundenforderung abtritt und der Abtretungsempfänger die Forderung einzieht oder an einen Dritten überträgt. Mit der Festsetzung der Haftungsschuld wird ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne des § 44 AO begründet. Die Regelung dient der Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen, die dadurch entstehen, dass der abtretende Unternehmer häufig finanziell nicht mehr in der Lage ist, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer zu entrichten, weil der Abtretungsempfänger die Forderung eingezogen hat. Der Abtretungsempfänger war bisher nicht verpflichtet, diese Umsatzsteuer, die zivilrechtlich Bestandteil der abgetretenen Forderung ist, an das Finanzamt abzuführen.Die Neuregelung entspricht auch einer Empfehlung des Bundesrechnungshofes.§13c UStG beruht auf Artikel 21 Absatz 3 der 6. EG-Richtlinie".Quelle: Deutscher Bundestag Drucksache 15/1562 vom 23.9.2003, S. 46
Abbildung 2: Aktuelle Ergänzung § 13c UStG "Die Forderung gilt durch den Abtretungsempfänger nicht als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt. Voraussetzung ist, dass dieser Geldbetrag tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt; davon ist nicht auszugehen, soweit dieser Geldbetrag auf ein Konto gezahlt wird, auf das der Abtretungsempfänger die Möglichkeit des Zugriffs hat".Quelle: Bundesrat Drucksache 305/17 vom 21.4.17, S. 2
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