LEASING

ICAAP im Leasing-Geschäft

Hinweise zur Umsetzung

Thomas Schmidt, Foto: Plenum AG

Durch den Leitfaden "Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung ("ICAAP") - Neuausrichtung" von Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und Deutscher Bundesbank müssen bisher genutzte Konzepte der Risikotragfähigkeit neu eingeordnet werden. Davon betroffen sind neben Finanzinstituten auch Leasing-Unternehmen. Die Autoren geben gerade für kleine und mittelgroße Firmen einige Hinweise zur Umsetzung des ICAAP. Sie beziehen sich dabei auf die mit dem Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e. V. gemeinsam überarbeiteten Anwendungshinweise zur Risikotragfähigkeit. (Red.)

Im Mai 2018 haben die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Ba-Fin) und die Deutsche Bundesbank den Leitfaden "Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung ("ICAAP") - Neuausrichtung" vorgelegt. Mit diesem ICAAP-Leitfaden erweitert die Aufsicht den Blickwinkel von der Risikotragfähigkeitsrechnung auf deren Einbettung in den ICAAP. Sie definiert diesen im Kern über die drei zentralen Elemente Risikotragfähigkeitsrechnung, Kapitalplanung und Stresstests.

Im Mittelpunkt des bankaufsichtlichen Leitfadens steht im Einklang mit dem ICAAP-Leitfaden der Europäischen Zentralbank für bedeutende Institute im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) die Einführung zweier neuer Perspektiven, einer normativen und einer ökonomischen. Der erweiterte Blickwinkel und die neuen Perspektiven stellen die Leasing-Branche wie die Banken vor die Herausforderung, die bisher angewandten Konzepte für die Risikotragfähigkeit zu überprüfen. Seitdem Leasing-Unternehmen als Finanzdienstleistungsunternehmen eingestuft sind, müssen sie bekanntlich auch die regulatorischen Anforderungen an die Risikotragfähigkeit erfüllen.

Überarbeitete Anwendungshinweise

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e. V. (BDL) seine Anwendungshinweise zur Risikotragfähigkeit in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit der Plenum AG, der Inveos GmbH und Teilnehmern aus der Leasing-Branche überarbeitet. Mit der nun vorliegenden kompakten Einführung in die Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals von Leasing-Unternehmen (ICAAP-Leasing) richtet sich der BDL in erster Linie an kleine und mittelständische Leasing-Unternehmen. Für diese Zielgruppe enthält der Leitfaden zahlreiche Hinweise zur praktischen Vorgehensweise mit dem Ziel, eine Umsetzung des ICAAP nach dem Grundsatz der Proportionalität zu ermöglichen.

Die Anwendungshinweise beziehen sich auf die aktuell geltende 5. Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). Die am 26. Oktober 2020 von der BaFin zur Konsultation gestellte 6. Novelle wurde noch nicht bewertet und wird aufgrund ihres nicht-finalen Charakters im Folgenden nur punktuell angesprochen.

Der ICAAP in der Gesamt-Leasing-Steuerung

Der ICAAP mit seinen drei zentralen Elementen ist in die Organisation eines jeden Leasing-Unternehmens einzubetten. Dabei gibt das Management den Rahmen für die Durchführung des ICAAP vor und trägt die Verantwortung für dessen Integration in die Geschäftsprozesse. Die Bedeutung einer angemessenen und wirksamen Steuerung wurde von den Regulatoren in der Prüfungspraxis immer betont und spiegelt sich auch in dem im Juli 2020 konsultierten Update der Leitlinien der EBA wider.

Die Ergebnisse des ICAAP wiederum geben dem Management wichtige Rückkopplung für notwendige Anpassungen an den Rahmenvorgaben für das Risikomanagement.

Die ökonomische Perspektive im Fokus

Da Leasing-Unternehmen keinen aufsichtlichen Eigenmittelanforderungen unterliegen, hat die BaFin in Fußnote 1 zu Teilziffer 4 des ICAAP-Leitfadens klargestellt, dass die Ausführungen zur normativen Perspektive für diese Unternehmen keine Geltung haben. Ergänzend hat die BaFin ausgeführt, dass Leasing-Unternehmen, auch wenn sie nicht zur Berücksichtigung der normativen Perspektive verpflichtet sind, die beiden in den AT 4.1 Risikotragfähigkeit der MaRisk verankerten Schutzziele Fortführung des Instituts und Gläubigerschutz sicherzustellen haben.

Gleichwohl lässt der Leitfaden insofern eine Zielhierarchie erkennen, als dass das übergeordnete Ziel eines jeden ICAAP, das mit der jederzeitigen Sicherstellung der Risikotragfähigkeit verfolgt wird, das langfristige Fortführen der Unternehmenstätigkeit auf Basis eigener Substanz und Ertragskraft sein soll.

Für Leasing-Unternehmen ergibt sich damit das in Abbildung 1 dargestellte Bild: In der ökonomischen Perspektive sind Risiken und Risikodeckungspotenzial grundsätzlich barwertig abzuleiten. Dieses Grundprinzip ermöglicht es den Leasing-Unternehmen, bewährte Elemente ihrer etablierten Risikotragfähigkeitskonzepte bei der Umsetzung der ökonomischen Perspektive weiter zu nutzen. Neben den grundlegenden Bausteinen im Prozess wie Risikoinventur und Risikomessung gilt dies insbesondere für den Substanzwert. Aufgrund seines barwertigen beziehungsweise barwertnahen Charakters kann der Substanzwert wie bisher als wesentlicher Teil des Risikodeckungspotenzials berücksichtigt werden. Die von Leasing-Unternehmen seit Langem angewandte ökonomische Sichtweise erhält nun auch von den Regulatoren die angemessene Bedeutung als eigenständige Perspektive.

Abbildung 1: Perspektiven und Schutzziele im ICAAP für Leasing-Unternehmen Quelle: BDL, ICAAP - Leasing: Anwendungshinweise zur Umsetzung von Risikotragfähigkeitsrechnung, Kapitalplanung und Stresstests im Leasing, 2020, S. 10

Substanzwert und Risikodeckungspotenzial

In der Risikotragfähigkeitsrechnung bestimmt der individuell durch die Geschäftsleitung des Leasing-Unternehmens festzulegende Risikoappetit den Abschlag vom Risikodeckungspotenzial und damit die Risikodeckungsmasse, die als Gesamtlimit für die Deckung der wesentlichen Risiken zur Verfügung steht.

Für die Leasing-Unternehmen ist der Substanzwert - auch als erweitertes Eigenkapital bezeichnet - ein wesentlicher Bestandteil des Risikodeckungspotenzials. Die Komponenten des Substanzwerts in Anlehnung an das Substanzwertschema des BDL bestehen aus Eigenkapital, aufgelaufenem Jahresergebnis, stillen beziehungsweise offenen Rücklagen (§§ 340 f und g Handelsgesetzbuch) sowie zukünftigem Ergebnis aus dem kontrahierten Bestand. Eine zusätzliche Risikodeckungspotenzial-Komponente bilden die sonstigen stillen Reserven.

Risikoinventur und Stresstests

Der ICAAP wird mit klarem Fokus auf die in der Risikoinventur identifizierten wesentlichen Risiken durchgeführt. Abbildung 2 zeigt die für die Bewertung der Wesentlichkeit relevanten Risikoarten und deren Teilrisiken. Bei der Bewertung sind unternehmensindividuelle Aspekte, aber auch Impulse aus den aktuellen aufsichtsrechtlichen Prüfungsschwerpunkten zu berücksichtigen, wie beispielsweise die IT-Risiken und Nachhaltigkeitsrisiken.

Auch Finanzdienstleistungsunternehmen sind gemäß MaRisk verpflichtet, angemessene Stresstests durchzuführen, wobei das Proportionalitätsprinzip greift. Für kleine Unternehmen können qualitative Überlegungen sinnvoller sein als komplexe, quantitative Stresstests. Inverse Stresstests erwartet die BaFin ausschließlich von sehr großen Instituten. Nach AT 4.3.3 Tz. 6 MaRisk sind Stresstests bei der Beurteilung der Risikotragfähigkeit angemessen zu berücksichtigen. Dieser allgemeine Grundsatz wird im Risikotragfähigkeit-Leitfaden konkretisiert. Den Stresstests kommt mit der Erweiterung des Blickwinkels des aufsichtlichen Leitfadens auf den ICAAP eine erweiterte und integrative Bedeutung zu. Um die Stresstests noch deutlicher in den Kontext des ICAAP zu heben, hat auch der BDL die beiden bisher separaten Anwendungshinweise zu Risikotragfähigkeit und Stresstests für ihre Mitglieder in einem Dokument zusammengefasst.

Identifikation wesentlicher Risiken

Ausgangspunkt für die Erstellung von Stresstests sind die in der Risikoinventur identifizierten wesentlichen Risiken. Für diese werden relevante Risikofaktoren und -treiber ermittelt, auf deren Grundlage in die Zukunft gerichtete Szenarien entwickelt werden. Nach AT 4.3.3 Tz. 2 MaRisk sind wie bisher auch Stresstests auf Gesamtunternehmensebene durchzuführen. Um dafür notwendige "übergeordnete Szenarien" abzuleiten, ist es wichtig, das eigene Geschäftsmodell auf denkbare Gefährdungen zu prüfen, die sich von den historischen Erfahrungen lösen. Hierbei sind gemäß MaRisk sowohl marktweite als auch institutseigene Ursachen zu betrachten.

Abbildung 2: Überblick der Risikoarten Quelle: BDL, ICAAP - Leasing: Anwendungshinweise zur Umsetzung von Risikotragfähigkeitsrechnung, Kapitalplanung und Stresstests im Leasing, 2020, S. 13 in Anlehnung an Glaser, Das Risikoinventar als Basis für die Risikosteuerung, in FLF, Nr. 3, 2011, S. 109

Nach Tz. 64 des ICAAP-Leitfadens erwartet die Aufsicht passend dazu in der ökonomischen Perspektive in angemessenem Umfang Stresstests, "die sich von den zugrundeliegenden Prämissen der eingesetzten Risikomessverfahren lösen". Die Aufsicht befürchtet, dass anderenfalls nur eine geringe Aussagekraft bestünde, wenn "die Marktverhältnisse während des Beobachtungszeitraums wenig volatil waren".

Abbildung 3: Risikotragfähigkeit und Kapitalplanung Quelle: BDL, ICAAP - Leasing: Anwendungshinweise zur Umsetzung von Risikotragfähigkeitsrechnung, Kapitalplanung und Stresstests im Leasing, 2020, S. 33

Idealer Prozess

Bei der Ableitung der Stressszenarien sollte der Fokus auf Aussagekraft gelegt werden. Transparente Annahmen und Wirkungsketten verbessern die Praxistauglichkeit, vermeiden Modellrisiken und bringen Effizienzgewinne. Zur Quantifizierung der Auswirkungen der abgeleiteten Szenarien werden anschließend die Parameter aus der Risikomessung verändert. Für kleine Unternehmen kann eine qualitative Beschreibung der Wirkungsweise von Stressszenarien angemessen sein.

Der idealtypische Prozess für Stresstests baut sich wie folgt auf: Zunächst wird eine Risikoinventur durchgeführt, an die sich die Identifikation der Risikofaktoren- und treiber (zum Beispiel rückläufige Nachfrage) anschließt. Es folgen eine Ableitung der Stressszenarien (zum Beispiel wirtschaftlicher Abschwung), Veränderung der Risikoparameter (beispielsweise Verschlechterung der Kundenbonitätsnoten), Ermittlung der relevanten Risikokennzahlen (etwas Erhöhung der kalkulatorischen Risikokosten, unerwarteter Verlust) sowie Berücksichtigung der Ergebnisse bei der Beurteilung der Risikotragfähigkeit. Die beiden letzten Prozessschritte betreffen die Einbettung in den ICAAP. Dabei handelt es sich entweder um die Einleitung weiterer Maßnahmen (etwa Änderung der Scoringregeln, zusätzliche Sicherheiten einfordern et cetera) oder Überprüfung der Angemessenheit (also Szenarien, Risikofaktoren und so weiter).

Die regelmäßige Überwachung der Eintrittsnähe der Szenarien ist eine wichtige Voraussetzung, um auf konkrete Entwicklungen reagieren zu können. Präventiv empfehlen sich Konzepte, die schnell auf die tatsächlich eingetretene Situation übertragen werden können. Um die konkrete Bedrohung festzustellen, sollten verbindliche Schwellenwerte definiert werden.

Kapitalplanung

Kernprinzip bei ausschließlicher Anwendung der ökonomischen Perspektive ist die Planung des ökonomischen Kapitals und der Risiken, wobei wie schon bisher ein Zeithorizont von mindestens drei Jahren gilt (siehe auch Abbildung 3). Bei der Wahl des adversen Szenarios für die Kapitalplanung kann es für ein Unternehmen Sinn machen zu prüfen, ob Synergien mit den Szenarien für Stresstests auf Gesamtunternehmensebene nach MaRisk genutzt werden können. Ein gemeinsames Szenario kann helfen, Komplexität zu reduzieren. Die Aufsicht ermöglicht die Nutzung eines solchen Szenarios für beide Zwecke, wenn die Intensität der Wirkung auf das (bei Leasing-Unternehmen ökonomische) Kapital im Zeitablauf über den Dreijahreshorizont "spürbar" ist.

Für die Annahmen und Ergebnisse der Kapitalplanung empfiehlt sich ein laufendes Monitoring, da Änderungen der Rahmenbedingungen (Marktentwicklung, Strategieanpassung) auch Veränderungen in den Ergebnissen der Kapitalplanung mit sich bringen können. Im Besonderen gilt dies für strategische Annahmen bei der Neugeschäftsplanung oder der Festlegung des Risikoappetits der Geschäftsleitung. Daher bietet sich eine Anbindung des Kapitalplanungsprozesses an den Strategieprozess des Leasing-Unternehmens an.

Die Ergebnisse des ICAAP sollten nicht nur in der laufenden Unternehmenssteuerung, sondern auch im Planungs- und Strategieprozess Berücksichtigung finden.

Konsistente Parametrisierung im ICAAP

Wichtig sind dabei die Wechselwirkungen zwischen den Elementen des ICAAP und die enge Verzahnung mit den Methoden des Risikomanagements. Bei der Durchführung des ICAAP spielt die konsistente Parametrisierung der Berechnungen in den Kernelementen Risikotragfähigkeit, Kapitalplanung und Stresstests eine wesentliche Rolle. Ein Folgebeitrag wird den Blick anhand eines praktischen Beispiels auf die Parametrisierung richten.

Fußnoten

1) Die finale MaRisk Novelle mit den Ergebnissen der Konsultation zu den Schutzzielen bleibt hier abzuwarten.

2) Vgl. BaFin (2018), Tz. 15.

Thomas Schmidt , Managing Director , RS&M Risk, Sustainable Finance & More, Bürgel
Georg Müller , Senior Manager bei Plenum AG Managementberatung, Frankfurt am Main

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