BANKING

Mehr Auswahl bei der GwG-konformen Online-Identifikation

Die Identifizierung mit Online-Banking in der Praxis

Frank S. Jorga, Foto: Jannis Dirksen

Zeitgemäße und mit dem Geldwäschegesetz konforme Identifikationswege für die digitale Finanzabwicklung sind dieser Tage gefragter denn je, um Kunden gewinnen und auch halten zu können. Die Autoren berichten über eine Lösung, die bereits vor Kontaktbeschränkungen und Lockdowns entwickelt wurde. Entstanden ist ein Identifikationsverfahren, das ganz ohne Video auskommt. Der Beitrag gibt Einblicke in den mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und dem Geldwäschegesetz abgestimmten Entstehungsprozess und stellt die neue Anwendung "WebID Konto Ident" vor. (Red.)

Heute könnte man einfach behaupten, es sei eine direkte, blitzschnelle Reaktion auf die zeithistorischen Umstände gewesen, im Mai 2020 eine neue Geldwäschegesetz-(GwG)-konforme Identifikationslösung mit Online-Banking auf den Markt zu bringen: Damals, während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020, hatten von nahezu einem Tag zum nächsten die Bankfilialen geschlossen, gleichzeitig stieg der Bedarf an Finanzprodukten. Zur Vermeidung persönlicher Kontakte war Online-Abwicklung gefragt wie nie zuvor, jedoch schienen die Konversionsraten - also der Teil an Interessenten, der zu Kunden wird - etwa bei Kontoeröffnungen oder Ratenfinanzierungen bedroht.

Denn die notwendige Personenidentifizierung beim Kunden-Onboarding mittels Videoidentifikation war durch Lockdownbedingungen herausgefordert: Familien hockten im Homeoffice und -schooling aufeinander, während die Sicherheitsbestimmungen der Videoidentifikation erfordern, dass sich eine Person allein vor der Kamera aufhält. War der "Corona-Freizeitlook" zwar für den Daueraufenthalt zu Hause gemütlich, entstanden Hemmungen, damit vor eine Kamera zu treten und ein Gespräch mit einem Videoagenten zu führen.

Die erhöhte Nachfrage führte auch zu Stoßzeiten und dem Wunsch, Identifikationen vermehrt zu Randzeiten wahrnehmen zu können. Mit anderen Worten: Unter Pandemiebedingungen wurde einmal mehr deutlich, dass Finanzdienstleister für erfolgreiche Online-Geschäfte mehr Möglichkeiten bei den Onboarding-Prozessen benötigen. Der scheinbar perfekte Zeitpunkt für den Markteintritt von "WebID Konto Ident".

Weitere Option für Online-Identifikation

Doch in Wirklichkeit lief die Entwicklung daran zum Zeitpunkt des ersten Lockdowns schon seit Wochen auf Hochtouren. Den Beteiligten war es bereits länger ein Anliegen gewesen, neben dem etablierten Videoidentifikationsverfahren eine weitere Option zur GwG-konformen Online-Identifikation zur Verfügung zu stellen.

Einer der Gründe dafür besteht in dem Umstand, dass auch zehn Jahre nach der Einführung des elektronischen Ausweises die eID-Funktion kaum zum Einsatz kommt. Die sichere und vollautomatisierte Identifikation mit den amtlichen Daten - mit der sich Compliance-Aufwände deutlich reduzieren würden - bleibt bis heute eine theoretische Option, hat aber bis dato leider keine Praxisrelevanz erreicht. Die Videoidentifikation, zu der WebIDs Erfindung 2014 den Startschuss gab und für die es heute diverse zuverlässige Anbieter gibt, hat sich so zum De-Facto-Standard der GwG-konformen Online-Identifizierung entwickelt. Diese funktioniert gut, doch letztlich bleiben Banken und Finanzdienstleistern zu wenig zeitgemäße Identifikationsverfahren, mit denen sie ihre Kunden begeistern und gesetzeskonform ihre Know-Your-Customer-(KYC)-Prozesse abwickeln können.

So wurde das Projekt "WebID Konto Ident" geboren. Es wurde ein neues Verfahren entwickelt, das die Tatsache nutzt, dass Online-Banking in vielen Verbrauchergruppen zum täglichen Leben dazugehört. Die rechtliche Basis zur Ausgestaltung der Identifizierungsmethode bildet § 12 Absatz 1 Satz 3 GWG, der eine weitere technische Option zur Personenidentifizierung erlaubt. Der kurze Wortlaut dieses Satzes eröffnet in der Tat die Möglichkeit für ein Identifizierungsverfahren, doch selbstverständlich gehen die Anforderungen an eine rechtsgültige Verfahrensgestaltung weit über den Wortlaut hinaus.

Im regelmäßigen Austausch mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stehend, war es WebIDs Aufgabe, den § 12 Absatz 1 Satz 3 GWG im Sinne der Aufsicht auszugestalten und technisch umzusetzen. Dazu wurden neben den internen weitere externe Experten hinzugezogen. Außerdem stimmte man sich in wiederholten Telefonkonferenzen mit der Ba-Fin ab. Betrachtet man diese gewissenhafte Vorgehensweise, wird deutlich, dass das neue Identifizierungsverfahren keine direkte, blitzschnelle Reaktion auf die pandemiebedingten Einschränkungen gewesen sein kann - auch wenn dieses besonders werbewirksam für das Unternehmen WebID gewesen wäre.

Identifizierung mit WebID Konto Ident Quelle: WebID

Mehrstufiger Prozessablauf

Der Prozessablauf für die Identifizierung mit WebID Konto Ident teilt sich in mehrere Schritte (siehe Abbildung). Mit Start der Anwendung kommt als erstes Modul WebID AI Ident Premium Plus zum Einsatz. Der Bankkunde - oder technisch gesprochen: der Nutzer - macht Fotos von Ausweis und Gesicht, die Anwendung überprüft vollautomatisiert mithilfe von künstlicher Intelligenz und Biometrie die Ausweisdokumente und Identität des Nutzers.

Danach wird er aufgefordert, sich bei seinem Online-Banking mit den bekannten Login-Daten anzumelden und ein Cent wird automatisiert an ein vorgegebenes Nachweiskonto von WebID überwiesen. Der Vorgang wird dadurch validiert und der Nutzer bekommt eine TAN auf sein Handy gesendet. Mit Eingabe dieser TAN ist er erfolgreich identifiziert und WebID stellt der Bank die relevanten Nachweisdaten zur Verfügung. Der Nutzer erhält eine E-Mail-Bestätigung - fertig ist der Vorgang. Konzeptionell stand ein schlanker Prozessablauf mit zügiger Durchführbarkeit im Mittelpunkt.

Bestimmte Gründe technischer Natur auf Nutzerseite können dafür sorgen, dass die Identifizierung nicht erfolgreich verläuft, beispielsweise ein beschädigtes Ausweisdokument, Mängel an der Fotografie des Ausweises (wenn der Nutzer etwa Teile des Ausweises verdeckt) oder Nichtausführung der Cent-Überweisung wegen Überziehung des Dispokredits. In diesem Szenario ist ein "Fallback" zur Videoidentifikation möglich. Das Identifizierungsverfahren wird in diesem Fall mit priorisierter Bedienung des Nutzers verkürzt durchgeführt, das Gesamtprozedere der "klassischen" Videoidentifikation oder gar ein Neustart des Vorgangs seitens des Nutzers wird nicht nötig. Der erfolgreiche Abschluss des Anwendungsfalls (Kontoeröffnung, Ratenfinanzierung) steht im Fokus.

Ein Drittel für Online-Banking-Verfahren

Mit dem Einsatz in der Praxis wurden die Überlegungen der Entwickler unmittelbar bestätigt. Die Verbraucher sind als Nutzer technologischer Verfahren - sei es von Online-Banking, sei es durch Paymentsysteme wie Paypal oder Klarna - in den letzten Jahren "gewachsen". Es besteht sowohl eine Akzeptanz für die Überweisung eines Kleinstbetrags als auch für die Weiterleitung über eine andere Anwendungsoberfläche zum Login des eigenen Online-Bankings. In Zahlen bedeutet das: Etwa ein Drittel der Nutzer von Online-Identifikationsverfahren entscheiden sich für eine Identifizierung mit Online-Banking.

Die Erhebung zum Nutzerverhalten bei Online-Identifikationsverfahren stammt aus dem Bereich der Absatzfinanzierung bei einem der führenden Anbieter von Konsumentenkrediten in Deutschland. Im ersten Monat nach der Einführung entschieden sich bereits 32,41 Prozent für die Option mit "WebID Konto Ident". Im Vergleich dazu: Als die Videoidentifikation 2014 startete, entschieden sich im ersten Monat acht Prozent der Kunden für dieses Verfahren.

In dem Fall eines Finanzinstituts, dessen Leistungen zum allergrößten Teil per App genutzt werden, wurde sogar eine nahezu hundertprozentige Verschiebung hin zur Nutzung der Identifizierung mit Online-Banking beobachtet. Es handelt sich dabei um eine Kundengruppe, die sofort zur Nutzung eines Services bereit war, obwohl sie ihn - mindestens mehrheitlich - zuvor noch nicht kannte.

Betrugsprävention und Wertschöpfung

Den Zahlen zum Nutzerverhalten kann zudem eine durchschnittliche Dauer von eineinhalb Minuten für den gesamten Identifizierungsvorgang entnommen werden. Diese Werte bestätigen eine zügige Abwicklung und damit die Nutzerfreundlichkeit des Verfahrens. Besonders interessant erscheint jedoch die Beobachtung, dass mit dem neuen Verfahren der Anteil von Nutzern der Online-Identifizierung steigt: Stehen digitale und lokale Identifikation zur Verfügung, entscheiden sich mehr Menschen für eine Online-Identifikation, wenn WebID Konto Ident mit zur Auswahl steht. Es gibt also Kundengruppen, die lieber die Postfiliale statt die Videoidentifikation nutzen, aber der Postfiliale eine Identifikation mit Online-Banking vorziehen.

Eine Verlagerung zugunsten der Online-Identifikation ist nicht nur hinsichtlich eines erfolgreichen und schnellen Produktabschlusses interessant, sondern auch aufgrund der technischen Kombinationsmöglichkeiten, sei es innerhalb der Wertschöpfungskette, sei es innerhalb der Maßnahmenkette zur Betrugsprävention.

Im Fall von WebID Konto Ident bedeutet das beispielsweise, dass das Identifikationsverfahren mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zur Unterzeichnung von Verträgen jeglicher Art zu einem Gesamtablauf zusammenschaltbar ist. Der Personenidentifikation kann in diesem Fall auch eine Geräteidentifizierung ("Device Ident") vorgeschaltet werden. Diese überprüft das zur Identifizierung mit Online-Banking eingesetzte Endgerät auf Auffälligkeiten, das heißt ob es bereits in Zusammenhang mit einem Betrugsfall aufgetreten ist.

Spannungsfeld Online-KYC und GwG-Compliance

Die Videoidentifikation war lange Zeit das einzige Online-Identifizierungsverfahren, bei dem die BaFin zustimmt, dass es die Anforderungen aus dem GwG erfüllt. Erste Praxiserfahrungen zeigen, dass die Entwicklung von "WebID Konto Ident" - und Nachahmerprodukten, die natürlich noch folgen werden - als Gewinn zu betrachten ist, denn der Bedarf an einer Auswahl von zeitgemäßen Identifizierungen besteht.

Das hätte sicher auch vorher niemand bestritten, denn mit der Zunahme des Dienstleistungsangebots im Internet wächst auch die Nachfrage nach Online-Lösungen für KYC-Prozesse. So bestehen bereits vielfältige Lösungen insbesondere für den Online-Handel oder allgemein gesprochen für Bereiche, die in KYC-Hinsicht weniger reguliert sind. Bei diesen Lösungen sind wesentliche Kriterien für den erfolgreichen Einsatz ihre Nutzerfreundlichkeit - schnell verständlich und durchführbar, sonst bricht der Kunde den Kaufprozess ab - sowie ihre technische Integration - der Aufwand muss für das Unternehmen im Verhältnis zum Gewinn aus dem Kaufprozess stehen.

In dieser Hinsicht ist dem Bankgeschäft durch das GwG ein enger Rahmen gesetzt, denn dieses macht es entsprechend anspruchsvoll, Online-KYC-Lösungen umzusetzen, von denen wirklich zuverlässig die Regelkonformität zu erwarten ist. Erfreulicherweise konnte der Rahmen nun auf der Grundlage von § 12 Absatz 1 Satz 3 GWG erweitert werden. Zweifellos wird nicht nur angesichts der schmalen Textpassage jedes einzelne Detail für eine rechtskonforme Ausgestaltung des Identifizierungsvorgangs bedeutsam - es handelt sich in der Tat um ein komplexes Sachgebiet. Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Komplexität abbildbar ist und ein neues Online-Identifizierungsverfahren nicht verhindert hat. In Abstimmung mit der BaFin war es möglich, die Anforderungen an eine Rechtskonformität en détail zu definieren und entlang dessen die technische Ausgestaltung vorzunehmen.

Dass sich mit dem neuen Identifizierungsverfahren mittels Online-Banking nun die Auswahl bei GwG-konformen Online-KYC-Prozessen erweitert hat, kann an sich bereits als eine wertvolle Fortentwicklung bei der Digitalisierung von Bankgeschäften gewertet werden. Hinzu kommt die tagesaktuelle Relevanz: Die pandemiebedingten Einschränkungen halten an, der Bedarf an performanten Online-Lösungen steigt entsprechend weiter. In der Praxis stellt sich mehr denn je die Frage nach der Skalierung von Onboarding-Prozessen. Wenn Fachkräfte unter Pandemiebedingungen unvermittelt eine verwundbare Ressource darstellen - und insbesondere bei plötzlich auftretenden Schwankungen nicht beliebig schnell sicherzustellen sind -, erzielt das Hinzuschalten einer vollautomatisierten Lösung - was in der Standardeinstellung dank moderner API-Architekturen (Application Programming Interface) fast auf Knopfdruck geschehen kann - schnelle und deutliche Effekte.

Frank S. Jorga , Gründer und Geschäftsführer , WebID Solutions
Christof Randazzo , Großkunden- und Kooperationsmanager , WebID Solutions GmbH

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