RECHT

Nachhaltigkeit - eine regulatorische Aufgabe?

Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen im Rahmen der MaRisk

Marijan Nemet, Foto: Deloitte

Die nachhaltige Umgestaltung von Unternehmen birgt für die Finanzbranche ganz spezielle Herausforderungen. Die BaFin hat deshalb im September 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Dieses soll einerseits Orientierung geben und beinhaltet andererseits diverse Verhaltensansätze. Gerade Leasing-Unternehmen sehen sich dadurch mit großen Auswirkungen konfrontiert. Die Autoren umreißen die zentralen Punkte des Merkblatts und analysieren deren potenzielle Bedeutung für die Leasing-Branche. (Red.)

Nachhaltigkeitsrisiken spielen in der öffentlichen Diskussion eine zentrale Rolle. Der Klimawandel sowie der ökologischere Umbau der Gesellschaft und damit der Unternehmen bergen wesentliche Risiken für den Finanzsektor. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat vor diesem Hintergrund im September 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht mit dem Ziel, die Finanzbranche für die damit verbundenen Risiken zu sensibilisieren. Diese werden erhebliche Auswirkungen auf die Geschäfts- und Risikostrategie sowie auf die Prozesse von Leasing-Unternehmen haben. Angesichts des auch im Alltag immer erkennbarer werdenden Klimawandels und der zunehmenden Mobilisierung vor allem auch junger Menschen wird in den letzten Monaten keine gesellschaftspolitische Frage so lebhaft und emotional diskutiert wie die Frage der Nachhaltigkeit.

Sustainable Finance als Zukunftsaufgabe

Sustainable Finance, oft etwas unbeholfen als nachhaltige Finanzen, nachhaltiges Wirtschaften übersetzt, hat dabei verschiedene Dimensionen und ist ein zentraler Bestandteil zur Erreichung der auf globaler Ebene von den Vereinten Nationen definierten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, den sogenannten Sustainable Development Goals (SDG).1) Die SDG umfassen 17 voneinander abhängige Ziele mit den drei übergreifenden Dimensionen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance), siehe hierzu auch Abbildung 1.

Die SDG Ziele erstrecken sich auf alle Lebensbereiche und umfassen auch die Nachhaltigkeit im Finanzmarkt. Entsprechend wurden auf Ebene der G20 Länder von der Sustainable Finance Study Group2) Empfehlungen erarbeitet, die sich unter anderem auf die Schaffung von nachhaltigen Produkten für den Finanzmarkt, auf die Förderung von Finanzierungsmöglichkeiten für nachhaltige klein- und mittelständische Unternehmen oder Startups sowie auf die Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung für eine nachhaltige Finanzwirtschaft beziehen. Diese bildeten zudem auch die Grundlage eines von der Europäische Kommission erarbeiteten "Action Plan: Financing Sustainable Growth."3)

Erklärtes Ziel der Deutschen Regierung ist es, auf diesem Gebiet eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Sie hat dementsprechend am 7. November 2018 ihre Nachhaltigkeitsstrategie aktualisiert und darauf aufbauend weitere, konkrete Ziele formuliert. So sollen beispielsweise der ökologische Landbau bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent der Anbaufläche erhöht und die privaten und öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung zum Thema Nachhaltigkeit bis 2025 auf mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gesteigert werden.4)

Risiken für die Finanz-Branche

Daneben wurde aber auch erkannt, dass derart umfassende Veränderungen, bedingt durch den Klimawandel und den angestrebten ökologischen Umbau der Wirtschaft, weitreichende Risiken für die Finanzindustrie bergen. Damit ist eine sehr frühzeitige Auseinandersetzung mit diesen Themen im Sinn eines Risikofrüherkennungssystems unausweichlich.

Hier gibt es jedoch nach Einschätzung der BaFin bei den Instituten noch einen erheblichen Handlungsbedarf. So zeigten zum Beispiel die Ergebnisse des aufsichtlichen Stresstests für weniger bedeutsame Institute (Less Significant Institutions, LSI) im Jahr 2019, dass nur ein Teil von ihnen die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement ausreichend berücksichtigt haben.5) In diesem Kontext überrascht es daher kaum, dass die BaFin, interessanterweise unmittelbar nach der Pressekonferenz zu den Ergebnissen des LSI Stresstests 2019, am 24. September 2019 ein "Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken" zur Konsultation veröffentlicht hat.

Zielsetzung der BaFin

Zielsetzung der BaFin ist es, mit diesem Merkblatt der Finanzindustrie eine Orientierung im Sinne von Good-Practice Ansätzen im Umgang mit dem immer wichtiger werdenden Thema "Nachhaltigkeitsrisiken" zu geben. Nachhaltigkeitsrisiken sind danach Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) deren Eintreten, tatsächlich oder potenziell, erhebliche negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines Unternehmens haben können. Der Begriff schließt klimabezogene Risiken in Form von physischen Risiken und Transitionsrisiken ein.

Physische Risiken ergeben sich aus klima- und wetterbedingten Ereignissen wie Dürren, Überschwemmungen und Stürmen sowie dem Anstieg des Meeresspiegels. Sie umfassen direkte Auswirkungen (beispielsweise Sachschäden) und (indirekte) Folgewirkungen (zum Beispiel die Unterbrechung der globalen Lieferketten). Transitionsrisiken (Übergangsrisiken) ergeben sich aus politisch motivierten Veränderungen wie der Verteuerung fossiler Brennstoffe oder Umweltabgaben. Sie resultieren auch aus verändertem Kundenverhalten und technologischem Fortschritt, der durch den Klimaschutz motiviert ist. Nach Einschätzung der BaFin können physische Risiken und Transitionsrisiken zu Finanzstabilitätsrisiken führen, eine der zentralen Motivationen für regulatorische Maßnahmen.6)

Ihrer zentralen Zielsetzung - der Sicherstellung eines funktionsfähigen Finanzmarktes - folgend stellt die BaFin klar, dass Nachhaltigkeitsrisiken dem Grunde nach keine neue, gesonderte Risikoart sind, sondern bei allen finanzwirtschaftlichen Transaktionen und damit implizit auch im Rahmen der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) zu berücksichtigen sind. Im Ergebnis, so die BaFin, können Nachhaltigkeitsrisiken in Form von physischen Risiken und Transitionsrisiken bei Kunden zu erheblichen Auswirkungen auf deren Bonität führen sowie im Extremfall deren Geschäftsmodell in Frage stellen oder zumindest deutlich beeinflussen. Die Folge wäre eine Erhöhung deren Ausfallwahrscheinlichkeit. Dies kann im Ergebnis Folgewirkungen für die Institute selbst haben, sofern sie diese potenziellen Risiken nicht zeitnah identifizieren, bewerten und steuern.

Die BaFin bringt mit ihrem Merkblatt deutlich zum Ausdruck, dass sie seitens der Institute, und damit auch Leasing-Unternehmen, eine aktive, risikoorientierte Auseinandersetzung mit potenziellen Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen des Risikomanagementkreislaufs erwartet. Nachhaltigkeitsrisiken sind daher implizit bei der Umsetzung der MaRisk zu berücksichtigen. Folgerichtig setzt die BaFin in ihrem Merkblatt hinsichtlich der empfohlenen Maßnahmen daher auch unmittelbar bei der Geschäfts- und Risikostrategie an. Diese bildet die Grundlage für die Umsetzung eines darauf aufbauenden, angemessenen Risikomanagementsystems im Sinne des § 25 a Kreditwesengesetz und Allgemeiner Teil (AT) 4.2 der MaRisk. Die Festlegung der Strategien und eine damit verbundene Durchführung der Risikoinventur (AT 2.2 der MaRisk), die auch Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt, sind dabei in der Praxis inhaltlich und zeitlich eng miteinander verknüpft.

Überprüfung von Strategien

Um eine risikoorientierte Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsrisiken sicherzustellen, wird es für die Leasing-Unternehmen erforderlich sein, ihre bisherige Geschäfts- und Risikostrategie kritisch daraufhin zu überprüfen, inwieweit ihre Geschäftsfelder, ihre Kunden, deren Branchen und Regionen von physischen- und Transitionsrisiken besonders betroffen sind. Es wird zu untersuchen sein, ob in den jeweiligen Portfolien über den Zeitverlauf entsprechende Anpassungen erfolgen sollten und mit welchen Maßnahmen die gegebenenfalls erforderliche Strategieanpassung sinnvoll einhergehen soll.

Neben einer daraus abgeleiteten Anpassung der jeweiligen Limite für die betroffenen Kunden- und Objektgruppen sowie möglicherweise betroffenen Branchen und Regionen, ist dabei auch an ein zur gezielten Anreizsteuerung genutztes Vergütungssystem im Vertrieb und ein differenziertes Pricing zu denken. Ziel ist es, Nachhaltigkeitsrisiken zu berücksichtigen und potenzielle Konzentrationsrisiken, zum Beispiel aufgrund einer problematischen Objektfokussierung, zu mitigieren beziehungsweise im Rahmen der Geschäftsstrategie umzusteuern.

Exemplarisch sei hier auf die immer noch aktuelle Diskussion rund um das Thema "Diesel-Gate" sowie die Elektromobilität verwiesen. Neben den technischen Entwicklungen in diesem Bereich wird auch das veränderte Verbraucherverhalten die betreffenden Branchen zu Veränderungen zwingen. Dies kann sich auf die jeweiligen Kunden, je nachdem wie flexibel und schnell sie auf derartige Veränderungsprozesse reagieren, negativ oder positiv auf die wirtschaftlichen Verhältnisse und damit deren Bonität auswirken. Dies haben Institute ebenso zu berücksichtigen, wie die Möglichkeit sich auf andere gegebenenfalls nachhaltigere Geschäftsmodelle oder Branchen zu fokussieren. Unternehmen mit nachhaltigen Produkten, wie zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien, könnten, sofern sie wirtschaftlich tragfähig sind, Alternativen sein, die es im Rahmen der Geschäfts- und Risikostrategie kritisch zu würdigen gilt.

Diese Fragestellungen sind allerdings von einer nicht zu unterschätzenden Komplexität, da damit verbundene technische Entwicklungen häufig nicht kontinuierlich erfolgen, sondern oft disruptiv sind. Vermeintlich ökologisch nachhaltige Trends können in kurzer Zeit überholt sein und sich hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und damit ihrer Würdigung verändern. Dies erfordert dann eine zeitnahe Umsteuerung. Daher gilt es derartige Prozesse kontinuierlich zu beobachten und in den jeweiligen Geschäfts- und Risikostrategieprozess einzubeziehen. Potenzielle Anpassungen der Strategien und Maßnahmen zu deren Umsetzung sollten dabei unter Berücksichtigung des jeweils spezifischen Risikos der betreffenden Leasing-Unternehmen regelmäßig erfolgen.

Besonderheiten durch Objektperspektive

Dabei ist zu berücksichtigen, dass derartige Überlegungen unabhängig von der Frage der Nachhaltigkeit bereits jetzt regelmäßig Bestandteil des Geschäfts- und Risikostrategieprozesses von Leasing-Unternehmen sind. Aufgrund der besonderen Objektperspektive haben Leasing-Unternehmen, die sich als echte Asset-Finanzierer verstehen, bereits seit jeher, neben der Bonität ihrer Kunden, die Werthaltigkeit und damit auch die Verwertungsmöglichkeit der finanzierten Objekte nach Ablauf der Leasing-Laufzeit im Blick. Dies stellt neben der reinen Finanzierung regelmäßig eine wesentliche Ertragsquelle dar. Daher erfolgt in der Regel bereits bei Abschluss eines Leasing-Vertrages implizit eine Würdigung der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells des Kunden und vor allem des finanzierten Objekts. Schließlich gehört die Übernahme beziehungsweise deren Steuerung über Restwertgarantien und Rückkaufvereinbarungen zur Kernkompetenz von Leasing-Unternehmen.

Fragen der Vertragsgestaltung spielen dabei ebenfalls eine wichtige Rolle. So werden insbesondere im Mobilien-Leasing aus dieser objektbezogenen Risikobetrachtung heraus die Verwertungsrisiken und damit auch diese Nachhaltigkeitsrisiken durch den Abschluss von Vollamortisationsverträgen oder Teilamortisationsverträgen für einen planmäßigen Vertragsverlauf auf den Kunden übertragen. Dieser wird somit bereits bei Abschluss des Vertrags gegebenenfalls zu einem ökologischen Umdenken beziehungsweise einer nachhaltigeren Objektauswahl gezwungen. Das gilt gleichermaßen für den Fall einer außerplanmäßigen Vertragsbeendigung.

In diesem Fall ist die Leasing-Gesellschaft regelmäßig bemüht, die Ratenverläufe dem erwarteten Werteverlust des Objektes anzupassen, um ein bei einer vorzeitigen Vertragsbeendigung mögliches Verwertungsrisiko einschließlich potenzieller Nachhaltigkeitsrisiken zu minimieren. Hier ist insbesondere an die Vereinbarung degressiver Ratenverläufe oder den Einzug von Mietsonderzahlungen oder ähnliches zu denken. Beides macht den Kunden bei einer entsprechenden Ansprache auf potenzielle Nachhaltigkeitsrisiken aufmerksam und sollte ihn positiv bei seiner Objektauswahl beeinflussen.

Erneuerung durch Leasing

Bei der Würdigung des Leasing-Geschäfts im Hinblick auf die Umsetzung des erforderlichen ökologischen Umbaus ist ferner zu berücksichtigen, dass viele Leasing-Nehmer ihre Leasing-Verhältnisse vor allem auch dazu nutzen, ihren Maschinen- und/oder Fuhrpark regelmäßig zu erneuern. Indem sie nach Ende der Vertragslaufzeit Leasing-Verträge zur Finanzierung neuer, technisch weiterentwickelter Objekte nutzten, halten sie ihren Maschinen- und/oder Fuhrpark stets auf dem neusten technischen Stand. Damit kann die Leasing-Branche auch vor diesem Hintergrund aufgrund ihres Geschäftsmodells einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die angestrebten Nachhaltigkeitsziele ohne weitere regulatorische Maßnahmen sicherzustellen.

Sofern die vorgenannten Überlegungen und damit verbundenen Vorgaben nicht ausreichend in der bereits bestehenden Geschäfts- und Risikostrategie enthalten sind, ergibt sich hier ein entsprechender Überarbeitungsbedarf.

Anpassung von Prozessen

Die zuvor dargestellten Überlegungen fließen auch unmittelbar in den Risikomanagementkreislauf ein. In Abhängigkeit von den in der Risikoinventur identifizierten Risiken werden für die verschiedenen, kritischen Kunden-, Branchen- und Objektgruppen die bereits bestehenden Methoden und Verfahren zur Identifikation, Bewertung, Steuerung und Überwachung von Risiken gegebenenfalls um Angaben zum jeweiligen Nachhaltigkeitsrisiko zu ergänzen sein. Das Ziel ist hierbei, diese auch übergreifend steuern zu können. Denkbar wäre zum Beispiel eine entsprechende Erweiterung der jeweiligen Kundenklassifizierung um eine Nachhaltigkeitskomponente. Diese sollte neben der Objektart und deren Werthaltigkeit auch die mit dem Engagement verbundenen Nachhaltigkeitsrisiken des jeweiligen Geschäftsmodells berücksichtigen.

In dem Kontext empfiehlt die BaFin, neben einer Analyse der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die individuelle Bonität des Kunden, was in den allgemeinen Bonitätsprüfungsprozess integriert werden kann, eine Simulation verschiedener Szenarien (Sensitivitätsanalysen). Solch ein Vorgehen soll der Bewertung der geschäftlichen Entwicklung des Kunden dienen. Damit greift die BaFin in Teilen bereits den sehr detaillierten Anforderungen an die Kreditvergabe und Kreditüberwachung, wie sie von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA)7) für CRR-Institute vorschlagen wird, vor. Diese EBA-Leitlinien würden nach derzeitigem Stand für Leasing-Unternehmen jedoch erst nach einer entsprechenden Anpassung der MaRisk einschlägig.

Die Nachhaltigkeit des Objekts sollte sich dem Grunde nach bereits bei der Würdigung der Objektqualität und deren Verwertbarkeit niederschlagen. Ein Kriterium, das dem Leasing-Geschäft immanent ist und ebenso wie die Kundenbonität in das Pricing einfließt. Daraus ergibt sich auch - wie im Merkblatt empfohlen - eine zumindest mittelbare Möglichkeit zur Einflussnahme auf das Geschäftsmodell des Kunden, die unter Risikoaspekten auch im Interesse des Leasing-Unternehmens ist. Ein zur Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken gesondertes Rating (ESG-Rating) erscheint im Hinblick auf die Art der Steuerung des Leasing-Geschäfts als unmittelbare Kombination von Bonitäts- und Objektrisiko, in das Nachhaltigkeitsaspekte unmittelbar eingebaut werden können, nicht erforderlich.

Sofern derartige Nachhaltigkeitsüberlegungen noch nicht hinreichend in den Risikomanagementprozess integriert sind, wird dieser entsprechend zu überarbeiten und vor allem auch in der schriftlich fixierten Ordnung, in den Arbeitsanweisungen zu dokumentieren sein. Erfahrungsgemäß ist dies bei den meisten, vor allem mittelständisch geprägten Leasing-Unternehmen, eine größere Herausforderung. Das Vorgehen sollte deshalb stets unter Berücksichtigung der doppelten Proportionalität umgesetzt werden. Dies gilt auch für die Aufbereitung des internen Berichtswesens an die Geschäftsleitung und - sofern vorhanden - den Aufsichtsrat. Beide tragen gemäß dem BaFin-Merkblatt letztendlich die Verantwortung für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Dies sollte sich schlussendlich auch als eine wichtige Ausprägung in der jeweiligen Risikokultur des Unternehmens und nicht zuletzt im Risikoappetit im Rahmen der Geschäfts- und Risikostrategie wiederspiegeln.

Im Hinblick auf die im Kontext der Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken erforderliche Risikoberichterstattung werden entsprechende Auswertungen vorzubereiten sein. Dies erfordert eine differenzierte Erfassung der jeweiligen Risikoindikatoren auch in der IT. Bei den Berichtsdarstellungen wird es sich regelmäßig um eine besondere Ausprägung der Konzentrationsrisiken handeln, da sich Nachhaltigkeitsrisiken tendenziell aus spezifischen Kunden-, Branchen- und Objektgruppen ergeben.

Damit besteht die Möglichkeit, Risiko-Gruppen über Simulationsrechnungen auf zu künftige Risikopotenziale zu stressen sowie auf eine potenzielle Belastung der Risikotragfähigkeit zu würdigen. Dies ist ein Vorgehen, das betroffenen Leasing-Unternehmen zum Beispiel im Zusammenhang mit der Überprüfung von Restwertrisiken von Dieselfahrzeugen dem Grunde nach bekannt ist. Eine solche Simulation sollte unter Berücksichtigung der jeweiligen Größe und dem spezifischen Risikogehalt vor allem bei kleineren Leasing-Unternehmen auch in qualitativer Form ausreichend sein.

Einbindung besonderer Funktionen

Neben dem Risikocontroller, dem bei der Ausgestaltung der überarbeiteten Geschäfts- und Risikostrategie sowie der gegebenenfalls in Teilen erforderlichen Anpassung der Prozesse und Richtlinien eine wichtige Funktion zukommt, sieht das Merkblatt konsequenterweise auch eine entsprechende Einbeziehung der Compliance- Funktion und der Internen Revision in diesen Prozess vor.

So hat sich die Tätigkeit der Compliance-Funktion nach AT 4.4.2 der MaRisk auch auf die Einhaltung interner und gesetzlicher Regelungen zur Nachhaltigkeit zu erstrecken. Die Interne Revision hat im Rahmen ihrer regulären Prüfungen den internen Anforderungen an den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken Rechnung zu tragen. Daraus sollte sich bis auf die erstmalige Analyse der potenziellen Risiken im Rahmen der Risikoinventur und der Anpassung der Geschäfts- und Risikostrategie kein grundlegend neues Prüffeld ergeben. Die bestehenden Prüffelder sind vielmehr um Nachhaltigkeitsaspekte zu erweitern.

Jahresabschlussprüfung 2019

Unbeschadet der überwältigenden Einigkeit hinsichtlich der Dringlichkeit und Notwendigkeit umfassender Maßnahmen zur Erreichung der SDG-Ziele wurde nach der Veröffentlichung des BaFin-Merkblattes zur Nachhaltigkeit auch Kritik geübt. So wurde darauf hingewiesen, dass der Eindruck entstünde, politisch motivierte Ziele würden mit aufsichtsrechtlichen Mitteln durchgesetzt und auf die Finanzindustrie abgewälzt, statt unmittelbar die Verursacher zu belasten. Ein Eindruck, dem auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann8) bei seiner Rede im Rahmen der zweiten Finanzmarktkonferenz der Bundesbank in Frankfurt im Oktober 2019 entgegenwirkte. Er betonte, dass die korrekte Abbildung von Klimarisiken für ein angemessenes Risikomanagement der Institute zwar von hoher Bedeutung ist, Bankenregulierung aber nicht dazu genutzt werden dürfe, um klimapolitische Anreize zu setzen. Diese zu regeln sei Aufgabe der Politik.

Die Aufsicht hingehen sieht sich in der Pflicht, die Institute für künftige Risiken zu sensibilisieren und vorzubereiten. Daher liegt es auch an den Instituten, die von der BaFin aufgeführten Nachhaltigkeitsrisiken risikoorientiert und unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips in ihr Risikomanagement zu integrieren. Dazu passend hat die BaFin mehrfach betont, dass das im September 2019 zur Konsultation veröffentlichte Merkblatt zwar eine hohe Relevanz hat und in ihren risikobasierten Aufsichtsansatz eingebunden wird, jedoch zum 31. Dezember 2019 noch unverbindlich sein wird. Insoweit kann es in Abhängigkeit vom Umsetzungsstand in den einzelnen Unternehmen noch nicht unmittelbar Gegenstand der Prüfung sein.

Zukunftsperspektiven

Angesichts der Bedeutung des Themas bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form gegebenenfalls über die EBA zeitnah dezidierte Regelungen für Institute getroffen werden. Ein erster Vergleich mit dem Entwurf der EBA-Leitlinien zur Kreditvergabe und Kreditüberwachung9) zeigt, wie umfassend im Zweifelsfall die erforderlichen Einzelmaßnahmen sein können. Dabei bleibt aber auch festzuhalten, dass wenige Branchen so gut dafür geeignet sind, Unternehmen beim ökologischen Umbau ihres Geschäftsmodells zu begleiten, wie die Leasing-Branche. Mit ihrem ausgeprägten Objektperspektive sowie aufgrund der begrenzten Leasing-Laufzeiten begünstigt sie bereits jetzt eine zeitnahe Umrüstung auf eine nachhaltige und wirtschaftliche Produktion. Damit kann sie den ökologischen Wandel von Unternehmen mittelbar unterstützen.

Fußnoten

1) Vgl. UN, https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/

2) Vgl. UN Environment Programme, https://unepinquiry.org/

3) Vgl. https://eurlex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0097&from=EN

4) Vgl. Deutsche Bundesregierung, https://www.bundesregierung.de/bregde/themen/nachhaltigkeitspolitik/eine-strategie-begleitet-uns/die-deutsche-nachhaltigkeitsstrategie

5) Vgl. Deutsche Bundesbank, https://www.bundesbank.de/resource/blob/807590/8cd2b931f02825341c51c1de19b62354/mL/2019-09-23-stresstest-anlage-data.pdf

6) Vgl. Rösler (2019), S. 20 ff.; in: BaFin Perspektiven 2/2019.

7) Vgl. EBA/CP/2019/04 - Draft Guideline on loan origination and monitoring.

8) Vgl. Börsenzeitung vom 22.10.2019.

9) Vgl. EBA/CP/2019/04 - Draft Guideline on loan origination and monitoring.

MARIJAN NEMET ist Partner/Wirtschaftsprüfer im Bereich Financial Services bei Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in der Betreuung von Leasing- und Factoring-Gesellschaften sowie Retail- und Auslandsbanken.
 
NICOLE GEYSEL ist Senior Managerin im Bereich Financial Services bei Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ihr Arbeitsschwerpunkt liegt neben der Jahresabschlussprüfung von Instituten auf dem Themengebiet der regulatorischer Compliance.
Marijan Nemet , Partner/Wirtschaftsprüfer im Bereich Financial Services bei Deloitte GmbH
Nicole Geysel , Senior Managerin im Bereich Financial Services bei Deloitte GmbH , ngeysel@deloitte.de

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