BANKING

Notleidende Kredite Post-Covid

Wie können sich Banken und Aufsicht schon jetzt wappnen?

Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Foto: Bundesbank (Bert Bostelmann)

Mit Auslaufen der Coronahilfsprogramme wird es eine schrittweise Rückkehr zu den normalen aufsichtlichen und regulatorischen Anforderungen geben. Auch wenn die Aufsicht dabei die Situation der Institute im Blick behält, wird sich ein Anstieg von Kreditausfällen nicht vermeiden lassen. Die gute Nachricht: Wenn der Bankensektor frühzeitig reagiert, kann eine stichhaltige Risikovorsorge etabliert werden. Der Beitrag zeigt, wie die Banken momentan aufgestellt sind, wie sie sich schützen können und was für Vorschläge es auf europäischer Ebene gibt. (Red.)

Lauf offizieller Statistik hat sich in Deutschland bislang etwa einer von 20 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Tatsächlich dürften es sogar noch mehr sein, da viele Infektionen so mild verlaufen, dass sie gar nicht erfasst werden. In gewisser Weise lässt sich dies auf die Wirtschaft übertragen. Während die Coronakrise für viele Firmen einen schweren Verlauf genommen hat, waren andere scheinbar kaum betroffen. Banken gehören bisher zu denjenigen Unternehmen mit einem milden Verlauf.

Allerdings ist dies noch kein Grund, Entwarnung zu geben. Denn da gibt es noch etwas, das mittlerweile als Long-Covid oder Post-Covid-Syndrom bekannt ist. Wer an Covid-19 erkrankt, leidet bisweilen erst später und oft sehr lang - selbst dann, wenn die eigentliche Infektion mild verlaufen ist. Auch die Kreditinstitute laufen Gefahr, trotz milder Infektion an Post-Covid zu erkranken. In diesem Fall würden sie vor allem von notleidenden Krediten (Non-Performing Loans oder kurz NPL) geplagt. Dabei gilt: Je schwerer der Verlauf für Unternehmen der Realwirtschaft, desto größer das Post-Covid-Risiko für Banken.

Kreditausfälle im deutschen Bankensektor

Die positive Nachricht ist, dass die deutschen Banken in guter Verfassung sind. Sie sind gut mit Eigenkapital ausgestattet und ihre Bestände an notleidenden Krediten sind gering. Damit stehen sie im europäischen Vergleich bestens da. Um das Post-Covid-Risiko der deutschen Banken genauer analysieren zu können, lohnt ein Blick auf mögliche Kreditausfälle in Deutschland, auf Kapitalausstattung und Risikomanagement der deutschen Institute und auf den NPL-Abbau auf der europäischen Ebene.

In Deutschland sollten wir uns darauf vorbereiten, dass es infolge der Pandemie zu vermehrten Kreditausfällen kommt. Noch wirken allerdings die umfangreichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen - von Kreditgarantien, über Schnellkredite bis hin zu Überbrückungshilfen. Obwohl die Pandemie viele Unternehmen in Deutschland schwer getroffen hat, melden historisch wenige Betriebe Insolvenz an. Laut Statistischem Bundesamt lag die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal 2021 rund 20 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Allerdings verdecken die staatlichen Hilfen, dass viele Unternehmen mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu kämpfen haben. Ein genauer Blick auf die Zahlen lässt dafür bereits erste Anzeichen erkennen: Im Handel und im Dienstleistungsgewerbe sind die Insolvenzen im ersten Halbjahr 2021 laut einer Erhebung von Creditreform leicht angestiegen - beide Branchen waren besonders stark von den Lockdowns betroffen. Und auch die Gewinne sind in einigen Branchen zurückgegangen, beispielsweise im Gastgewerbe.

Was bedeuten diese deutlicher zu Tage tretenden Symptome der Realwirtschaft nun für das Post-Covid-Risiko der Banken? Steht eine Welle notleidender Kredite ins Haus? Im internationalen Kontext wurde oft vor möglichen Klippeneffekten gewarnt, die eintreten könnten, wenn Moratorien auslaufen, die gemäß den Richtlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) nicht automatisch als Stundungsmaßnahme zu klassifizieren waren. Es ist beruhigend, dass die NPL-Quote des deutschen Bankensektors bislang nicht stark angestiegen ist, obwohl diese Art der Moratorien hierzulande inzwischen größtenteils ausgelaufen ist. Zum Ende des ersten Quartals 2021 betrug die NPL-Quote hierzulande gut 1,2 Prozent1) und hat damit seit Beginn der Pandemie kaum zugenommen.

Blick in die Zukunft

Auch für die Zukunft stimmen die Fortschritte bei der Pandemie-Bekämpfung und die jüngsten Lockerungsschritte etwas optimistischer: Aktuell ist nicht davon auszugehen, dass das Volumen notleidender Kredite im deutschen Bankensektor übermäßig ansteigen wird. Es ist aber sicher noch zu früh, um Entwarnung zu geben. Zum einen ist die Pandemie noch nicht überstanden. Zum anderen rechnen die Kreditinstitute selbst mehrheitlich damit, dass sich die Auswirkungen erst nächstes Jahr voll in ihren Büchern niederschlagen werden. Etwa ein Fünftel der Befragten erwartet den Höhepunkt der Pandemie-Auswirkungen sogar erst für 2023.2) Das würde den Betroffenen immerhin mehr Zeit geben, um die notwendige Risikovorsorge aufzubauen.

Es ist außerordentlich schwierig, Prognosen über künftige Kreditausfälle anzustellen. Denn es gibt zahlreiche Faktoren, die diese über den Haufen werfen können. Beispielsweise können plötzlich neue Virusvarianten auftauchen oder der Aufschwung der Wirtschaft kräftiger oder verhaltener ausfallen als erwartet. Gerade beim Wirtschaftswachstum ist derzeit vieles in Bewegung: So wird in der aktuellen Prognose von einem deutlich höheren Wachstum des Bruttoinlandsprodukts für Deutschland ausgegangen als noch im Dezember letzten Jahres. Die wirtschaftlichen Aussichten verbessern sich, die Banken haben Vorsorge getroffen und große, unerwartete Effekte werden unwahrscheinlicher. Sollte sich dieses Bild verfestigen, muss auch wieder zu den normalen aufsichtlichen und regulatorischen Anforderungen zurückgekehrt werden.

Aufseher und Regulierer werden die Sondermaßnahmen zeitlich gestaffelt zurücknehmen: So laufen die Ausnahmeregelungen bei Liquiditätsdeckungs- und Verschuldungsquote voraussichtlich bereits Ende diesen beziehungsweise Anfang nächsten Jahres aus; die Bilanzierungserleichterungen werden noch deutlich länger bestehen bleiben. Daneben gibt es auch Maßnahmen ohne konkretes Enddatum, etwa die Reduzierung des antizyklischen Kapitalpuffers. Wann der Puffer wieder erhöht wird, hängt davon ab, wie sich die zyklischen Verwundbarkeiten und Risiken im Bankensektor nach der Pandemie entwickeln. Die Institute können sich sicher sein, dass sie nicht überfordert werden. Dennoch sollten sie sich darauf einstellen, dass die Erleichterungen nicht ewig währen. Und auch für den Stresstest des Landesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) gilt: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Nachdem der Stresstest der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde dieses Jahr - mit einem Jahr Verspätung - durchgeführt wurde, wird der LSI-Stresstest nächstes Jahr stattfinden.

Kapitalausstattung und Risikomanagement

Die Kreditinstitute müssen sich nicht nur auf ein Ende der Sondermaßnahmen vorbereiten, sondern auch darauf, dass ein Teil ihrer Kreditnehmer ausfallen könnte. Hierfür sind die Kapitalausstattung und das Risikomanagement wichtige Werkzeuge.

Die Kapitalausstattung der Kreditinstitute ist gut: Deutsche Banken halten per März dieses Jahres 150 Milliarden Euro an Überschusskapital, also hartes Kernkapital oberhalb der Kapitalpuffer- und Mindestanforderungen. Von diesem Kapital können sie zehren, um Verluste aufzufangen und gleichzeitig weiterhin Kredite zu vergeben. Insgesamt sind die Institute in Deutschland erheblich widerstandsfähiger und haben eine komfortablere Kapitalausstattung als noch vor einigen Jahren. So hat sich die harte Kernkapitalquote seit 2006 mehr als verdoppelt und liegt derzeit bei über 16 Prozent; die Reformanstrengungen der vergangenen Jahre zahlen sich also aus.

Eine gute Kapitalisierung ist eine Sache - die Fähigkeit, auch operativ mit Kreditausfällen umzugehen, die andere. Drei Punkte sind hier besonders wichtig:

  • Erstens sollten die Institute mehr Transparenz bei den Kreditrisiken schaffen. Denn die Hilfsmaßnahmen versperren den Banken teilweise immer noch den Blick darauf, wie hoch die Kreditqualität in ihren Büchern tatsächlich ist. Das macht es den Geldhäusern schwerer, diejenigen Kreditrisiken angemessen in der Bilanz und im Risikomanagement abzubilden, die durch die Pandemie entstanden sind. Die Banken müssen sich daher intensiv mit ihren Kreditnehmern austauschen und analysieren, welche Engagements besonders gefährdet sind. In vielen Banken geschieht dies bereits vorbildlich, aber noch nicht in allen. Dabei sollten die Institute vor allem ihre offenen Risikopositionen gegenüber stark von der Pandemie betroffenen Sektoren im Blick behalten. Dasselbe gilt für Risikopositionen, die von Moratorien betroffen sind, denn hier sind - wenig überraschend - bereits höhere Wertberichtigungsquoten zu erkennen als bei Krediten, die normal bedient werden.

Schon jetzt schlagen sich die Kreditrisikoeinschätzungen der Institute in einem erhöhten Wertberichtigungsbedarf nieder. Nach Berechnungen auf Basis des aufsichtlichen Meldewesen haben deutsche Banken im Jahr 2020 mit insgesamt rund zwölf Milliarden Euro netto dreimal so viel Kreditrisikovorsorge gebildet wie 2019. Diese Zahl muss man allerdings ins Verhältnis setzen, denn 2019 mussten die Geldhäuser verhältnismäßig wenig Risikovorsorge betreiben. Damit sieht der Anstieg 2020 zwar sehr hoch aus, hat aber in Summe eine eher moderate Wirkung auf die Bankbilanzen.

Die Institute müssen ihre notleidenden Kredite schnell erkennen und in einer angemessenen Zeit abbauen. Aber in wirtschaftlich turbulenten Zeiten können Banken auch helfen, die Realwirtschaft zu stabilisieren. Es sollte Banken möglich sein, ihren Kreditnehmern in Krisenzeiten zur Seite zu stehen, beispielsweise über ein Entgegenkommen bei den Zahlungsverpflichtungen. Allerdings darf dies eine verschlechterte Kreditqualität in den Büchern der Institute nicht verdecken - aus Sicht des Aufsehers macht hier die Dosis das Gift und Transparenz sollte stets Vorrang haben.

  • Zweitens gibt es beim Risikomanagement noch Luft nach oben. Das Risikomanagement der Banken hat sich bisher zwar im Großen und Ganzen bewährt, der Belastungstest steht aber noch aus. Hierfür sollten sich alle Banken mit der notwendigen Achtsamkeit wappnen. Angesichts niedriger Kreditausfälle in den vergangenen Jahren ist dies besonders wichtig, weil das Know-how und die Erfahrung im Umgang mit Kreditausfällen nicht mehr überall so ausgeprägt sind wie noch während der letzten Krise.

Außerdem hat die Krise Defizite offenbart. Manche Institute konnten ihre Planung und Steuerung nicht so gut und nicht so schnell anpassen wie andere. Auch im Reporting und in der Datenaggregation haben sich Schwächen gezeigt. Daraus können und müssen die Banken nun Lehren ziehen. Ziel sollte es sein, schneller auf eine Krisensituation reagieren zu können - Datenaggregation und Datenqualität sind in diesem Zusammenhang wichtige Schlagworte. Banken müssen Quellen von Risiken rasch erkennen und ihnen begegnen. Investitionen in innovative Technologien können Teil der Lösung sein. Die Kreditinstitute könnten verstärkt Technologien wie künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Cloud-Services nutzen, um ihre Datenkompetenz im Risikomanagement zu verbessern.

  • Drittens bilden die aufsichtlichen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) auch in der Pandemie wichtige Leitplanken für die Banken. Im Kreditrisikomanagement geben die MaRisk vor, dass Banken über geordnete Kreditprozesse verfügen müssen. Ohne Zweifel ist die Pandemie aber auch für die MaRisk eine Bewährungsprobe, vor allem mit Blick auf das Kreditgeschäft.

Als prinzipienbasiertes Regelwerk unterscheiden die MaRisk nicht danach, ob man sich aktuell in einer Phase mit hohen oder niedrigen Kreditausfällen befindet. Dementsprechend erwarten Aufseher trotz - oder gerade wegen - der Pandemie, dass die Banken die aufsichtlichen Anforderungen an das Kreditrisikomanagement einhalten. Bankenaufseher tauschen sich hierzu intensiv mit den Instituten aus. Prinzipienbasiert bedeutet aber nicht "in Stein gemeißelt". Gerade im operationellen Bereich haben Aufseher flexibel reagiert, um die Belastungen der Pandemie zu verringern. Sie haben etwa die in den MaRisk bereits angelegte Möglichkeit der Außerhausgeschäfte im Handel flexibel ausgelegt - Stichwort Homeoffice. Die Institute konnten damit das Handelsgeschäft nicht nur ausnahmsweise, sondern weitgehend außerhalb ihrer Handelsräume durchführen.

Außerdem passen sich die MaRisk durchaus an neue Entwicklungen an: Die 6. MaRisk-Novelle wird diesen Sommer veröffentlicht, die 7. Novelle steht dann schon in den Startlöchern. Beide Novellen setzen wichtige Bestandteile des EU-Aktionsplans zum Abbau notleidender Kredite von 2017 um. Eine wichtige Neuerung der 6. Novelle ist, dass Institute beim Management von notleidenden Risikopositionen höhere Anforderungen einhalten müssen, sobald sie den Schwellenwert von fünf Prozent beim NPL-Bestand erreichen. So müssen sie etwa eine Strategie für den Umgang und Abbau der entsprechenden Positionen entwickeln und ihre Prozesse, beispielsweise das Bearbeiten von Problemkrediten, danach ausrichten.

NPL-Abbau in Europa

Auch wenn die Bestände notleidender Kredite in Deutschland gering sind, können sie andernorts im Euroraum zum Problem werden, zunächst für das jeweilige Land selbst, aber schließlich auch für den Euroraum insgesamt. Beim Thema NPL muss daher europäisch gedacht und gehandelt werden. In den vergangenen Jahren haben sich im Euroraum wichtige Fortschritte beim NPL-Abbau getan. Während der NPL-Bestand signifikanter Institute im Euroraum Mitte 2015 noch fast eine Billion Euro betrug, hat er sich bis Ende letzten Jahres mehr als halbiert, auf knapp 450 Milliarden Euro. Wichtige Meilensteine für diesen NPL-Rückgang waren die aufsichtlichen Vorgaben aus dem NPL-Leitfaden der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2017 und dem folgenden Addendum von 2018. Allerdings sind die Bestände weiterhin sehr ungleich über die Länder des Euroraums verteilt. Nach den Fortschritten der letzten Jahre beim NPL-Abbau könnte die Pandemie nun jedoch für eine Trendwende sorgen: Ein erneuter Anstieg notleidender Kredite ist im Euroraum wohl nur eine Frage der Zeit.

Grundsätzlich gehen Banken Kreditrisiken ein und da kann es passieren, dass einzelne Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Dann müssen Geldinstitute Kredite bei Bedarf wertberichtigen oder abschreiben sowie Sicherheiten eintreiben und verwerten. Auch hier macht die Dosis das Gift. Solange es sich um Einzelfälle handelt, ist dies unproblematisch, in der Masse jedoch nicht. Denn über höhere Rückstellungen wirken sich steigende NPL-Bestände negativ auf die ohnehin schon schwache Profitabilität der europäischen Banken aus. Das könnte in der Folge auch deren Solvenz beeinträchtigen. Je höher die NPL-Quote im System und je unsicherer die wirtschaftliche Lage, desto eher hinterfragen Investoren und Einleger die Qualität der Bankbilanzen sowie die Fähigkeit der Institute, weitere Wertberichtigungen zu bilden und mögliche Verluste aufzufangen.

Daher ist es wichtig, jetzt gegenzusteuern. Das wird besonders diejenigen Institute und Länder vor Herausforderungen stellen, die bereits vor Beginn der Pandemie einen hohen Bestand notleidender Kredite aufwiesen. Aufsicht und Politik handeln bereits: Im Dezember 2020 hat die EZB beispielsweise in einem "Dear CEO Letter" an die signifikanten Institute klargestellt, was sie in Bezug auf die Risikovorsorge erwartet.

Europäische Lösungen

In diesem Zusammenhang erhob sie zudem Informationen dazu, wie Banken mit Kreditrisiken umgehen und wie sie die notwendige Risikovorsorge ermitteln. Dabei gibt es weder Absicht noch Anlass, die ehrgeizigen NPL-Regeln aufzuweichen.

Und auch die EU-Kommission setzt mit ihrem NPL-Aktionsplan vom Dezember 2020 wichtige Impulse. Mit frühzeitigen Maßnahmenvorschlägen möchte sie den Umgang mit coronabedingten NPL erleichtern und damit einer erneuten Anhäufung notleidender Kredite in den europäischen Bankbilanzen vorbeugen. Im Fokus stehen Maßnahmen, um Sekundärmärkte zu fördern, Vermögensverwaltungen einzurichten, Insolvenzrahmenwerke zu verbessern und unter gewissen Bedingungen vorsorgliche öffentliche Stützungsmaßnahmen zu ermöglichen. Mit Blick auf die Sekundärmärkte geht es vor allem um eine größere Transparenz. Die Vorschläge der Kommission könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten: Datenqualität, Datenvergleichbarkeit und Dateninfrastruktur sind die Schlagwörter. Initiativen sind diesbezüglich bereits angestoßen: Die EBA konsultiert derzeit ihre im Umfang reduzierten standardisierten NPL-Transaktionstemplates und die Kommission stellt bis Anfang September 2021 ihren Vorschlag eines europäischen Datenmanagementsystems zur öffentlichen Diskussion.

Auch der Vorschlag der Kommission, nationale Vermögensverwaltungen zu errichten und zu vernetzen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Dies muss aber auf freiwilliger Basis, ohne Gemeinschaftsfinanzierung und in Einklang mit den EU-Beihilferegeln geschehen. Derartige Verwaltungen haben sich schon in der Vergangenheit als Instrument für den Abbau notleidender Kredite bewährt. Über Skaleneffekte, eine bessere Koordination von Gläubigern und die Bündelung von Expertise können sie dazu beitragen, Bankbilanzen zu bereinigen. Letztlich aber müssen die Banken selbst rechtzeitig und risikogerecht Wertberichtigungen bilden und so einem Anstieg notleidender Kredite begegnen. Das ist wohl der wichtigste Hebel, um sich für einen europaweiten NPL-Anstieg zu wappnen und negative Rückwirkungen auf die Realwirtschaft zu verhindern.

Vorsicht walten lassen

Banken und Aufsicht dürfen sich von der immer noch niedrigen Zahl von Unternehmensinsolvenzen nicht in trügerischer Sicherheit wiegen lassen. Wenn die staatlichen Hilfen auslaufen, dürften die Insolvenzen steigen. Der damit verbundene Anstieg notleidender Kredite sollte sich für die deutschen Kreditinstitute zwar in Grenzen halten, dennoch bleibt Vorsicht das Gebot der Stunde.

Die deutschen Institute sind widerstandsfähiger und besser mit Kapital ausgestattet als noch vor einigen Jahren. Im Risikomanagement müssen sie aber aufholen: Sie müssen mehr Transparenz bei den Kreditrisiken schaffen und ihre Datenkompetenz verbessern. Dabei sind notleidende Kredite auch ein europäisches Thema. Nach den Fortschritten der letzten Jahre beim Abbau von NPL könnte die Pandemie nun für eine Trendwende sorgen. Umso wichtiger ist es, frühzeitig gegenzusteuern. Die EU-Kommission tut dies mit ihrem NPL-Aktionsplan vom Dezember 2020, dessen Maßnahmenvorschläge jetzt auch umgesetzt werden müssen. Insgesamt gilt, dass Post-Covid für Banken kein Schicksal sein muss. Eine Impfung gegen notleidende Kredite gibt es zwar nicht. Dennoch haben Banken viele Möglichkeiten, sich frühzeitig in eine Form zu bringen, in der ihnen auch Post-Covid wenig anhaben kann.

Fußnoten

1) Zur Vermeidung eines Strukturbruchs und im Einklang mit der von EZB und EBA im Rahmen von Veröffentlichungen verwendeten Berechnungsmethodik enthält die NPL-Quote weiterhin die Position "Guthaben bei Zentralbanken und Sichtguthaben".

2) NPL-Barometer der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e. V.

Prof. Dr. Joachim Wuermeling , Mitglied des Vorstands , Deutsche Bundesbank
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