FACTORING

Wie sehen die rechtlichen Bedingungen für Factoring in Europa aus?

EUF Legal Study 2021 veröffentlicht

Magdalena Wessel, Foto: DFV

Die European Federation for Factoring and Commercial Finance ist die Interessensvertretung der Factoring-Branche auf europäischer Ebene. Im August 2021 hat der Verband eine abermals aktualisierte vergleichende Studie bezüglich der rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für Factoring und andere Formen der Forderungsfinanzierung in mehreren europäischen Ländern und den USA veröffentlicht. Dadurch werden grundsätzliche Aspekte zur rechtlichen Behandlung des Factorings in verschiedenen Ländern übersichtlich dargestellt, analysiert und einschlägige Fragen der aktuellen Zeit aufgegriffen. (Red.)

Die European Federation for Factoring and Commercial Finance (EUF) hat erneut eine aktualisierte Fassung der EUF Legal Study - nun mit Stand 2021 - veröffentlicht. Diese rechtsvergleichende Studie ist nicht nur für die Factoring-Branche nützlich, sondern auch für potenzielle Factoring-Kunden, politische Entscheidungsträger, Personen in Forschung und Wissenschaft sowie alle, die sich über das Factoring-Geschäft in der Europäischen Union (EU) und in ausgewählten Drittstaaten informieren möchten.

Auf nationaler Ebene werden Factoring-Unternehmen und ihre Interessen bekanntlich bereits in vielen Mitgliedsstaaten der EU von nationalen Ver bänden vertreten, in Deutschland durch den Deutschen Factoring-Verband e. V. (DFV). Seit 2009 existiert auch auf europäischer Ebene eine entsprechende Interessensvertretung der Factoring-Branche: Die European Federation for Factoring and Commercial Finance, kurz EUF, dessen Mitbegründer unter anderem der DFV ist.

Rechtsvergleichende Studie aktualisiert

Die EUF ist der europäische Dachverband für 13 nationale Factoring-Verbände aus der gesamten EU sowie für zwei nationale Verbände aus europäischen Staaten außerhalb der EU und für den internationalen Verband Factors Chain International (FCI). Die EUF vertritt nicht nur die Interessen der europäischen Factoring-Branche gegenüber Institutionen der EU, sondern sie sieht sich auch als Informations- und Wissensvermittler zu Factoring und anderen Formen der Forderungsfinanzierung. Sie stellt daher unter anderem statistische Daten zum europäischen Factoring-Markt regelmäßig zusammen, hat aber auch bereits Whitepaper und ein mehrsprachiges Glossar zum Factoring mit entsprechendem Übersetzungstool herausgegeben.

Vor diesem Hintergrund wurde Anfang 2011 beschlossen, dass die erstmals im Jahr 2007 vom damaligen britischen Factoring-Verband Asset Based Finance Association (ABFA, inzwischen UK Finance) und dem internationalen Verband International Factors Group (IFG, inzwischen in der FCI aufgegangen) herausgegebene Studie durch die zwischenzeitlich gegründete EUF auf den neuesten Stand gebracht würde. 2011 erschien die erste überarbeitete Fassung, die sodann 2013 und 2017 zwei weiteren Aktualisierungen unterzogen wurde. Die seitdem vergangenen fast vier Jahre sind nicht nur für Juristen ein durchaus langer und potenziell ereignis- sowie veränderungsreicher Zeitraum, weswegen ein weiteres Update sinnvoll erschien.

Die EUF begann daher 2020 damit, die rechtsvergleichende Studie in der Fassung von 2017 zu ergänzen und zu aktualisieren: Unter der fachlichen Leitung des EUF Legal Committee wurde der Fragebogen, auf dem die EUF Legal Study beruht, inhaltlich nochmals überarbeitet und beispielsweise um Fragen zur nationalen Umsetzung zwischenzeitlich neu erschienener EU-Richtlinien wie der E-Invoicing-Richtlinie zur elektronischen Rechnungsstellung und der Restrukturierungsrichtlinie ergänzt. Dieser überarbeitete Fragebogen wurde den Fachleuten auf nationaler Ebene Anfang 2021 zugesandt, um ihre Antworten einzuholen und diese dann in der Studie zusammenzustellen und zudem in einem Schlusskapitel zusammenzufassen und zum Teil zu analysieren. Nunmehr ist die Studie unter dem Titel "Factoring, Receivables Finance & ABL - A Study of Legal Environments Across Europe 2021" fertiggestellt und veröffentlicht worden.

Genau wie die EUF Legal Study 2017 und die vorhergehenden Editionen befasst sich auch die diesjährige Ausgabe mit den rechtlichen Rahmenbedingungen für Factoring und anderen Formen der Forderungsfinanzierung ("receivables financing") in den Mitgliedsstaaten der EU und aufgrund des Brexits inzwischen sechs weiteren Drittstaaten, die über einen starken Factoring-Markt verfügen und somit in puncto Factoring als "Benchmark-Staaten" gelten (Schweiz, Großbritannien, Norwegen, Russland, Türkei und die USA).

Veränderungen seit 2017

Ausgangspunkt der Studie war bei dieser aktuellen Ausgabe ein gegenüber 2017 nochmals überarbeiteter und inhaltlich weiter ergänzter Fragebogen mit Fragen zu unter anderem Erlaubnispflichten, aufsichtsrechtlichen Anforderungen, zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Factorings sowie zu Abtretungsverboten und -beschränkungen. Insgesamt besteht der Fragebogen weiterhin aus über 40 Fragen, da es im Vergleich zur Ausgabe von 2017 sowohl zu Streichungen als auch zu neuen Einfügungen bei den Fragen gekommen ist.

Die auf die Rechtslage 2021 hin aktualisierten Antworten verschiedener factoring-kundiger Rechtsexperten aus den zu untersuchenden Ländern auf diesen ergänzten Fragenkatalog finden sich in der Studie wieder. Ebenso enthalten sind darin unter anderem eine entsprechend aktualisierte tabellarische Auswertung der Antworten und ein zusammenfassendes Fazit, welches die Antworten auswertet und hieraus Schlüsse sowie Vergleiche zu einigen Ergebnissen und Erkenntnissen der vorhergehenden Ausgaben der Studie zieht. Erfreulicherweise enthält die EUF Legal Study 2021 - im Gegensatz zur vorherigen Ausgabe von 2017 - aktualisierte Antworten zu allen angefragten Staaten und Rechtsordnungen und kann insoweit als vollständiger angesehen werden als die vorhergehende Edition.

Auch wenn insbesondere aufgrund des weiter ergänzten und damit veränderten Fragebogens ein direkter Vergleich zwischen den Antworten aus den Ausgaben von 2017 und 2021 nicht immer möglich ist, so sind Veränderungen bei den Antworten aus unter anderem Belgien, Tschechien und Russland zu verzeichnen. Einige dieser Veränderungen sind eher geringfügig oder betreffen besondere Rechtsgebiete mit (in-)direkten Auswirkungen auf das Factoring, jedoch sind in vielen Ländern auch grundlegende juristische Änderungen seit 2017 erfolgt oder noch in Arbeit, so zum Beispiel in Großbritannien, Zypern und in den Niederlanden. Natürlich hinterlässt die Covid-19-Pandemie auch hier ihre Spuren: In einigen Staaten sind im Rahmen des Umgangs mit vor allem den ökonomischen Folgen der Pandemie neue Gesetze verabschiedet worden, die zwar nicht unbedingt von Dauer und auch nicht immer factoring-spezifisch sind, jedoch zumindest temporäre und/oder indirekte Auswirkungen auf das Factoring haben.

Einfluss gesellschaftlicher Trends

Hinzu kommen mittel- und langfristige Änderungen in der juristischen Praxis zum Factoring wie zum Beispiel in den Niederlanden, wo das zur Durchführung des Factorings bisher fast ausschließlich genutzte Rechtsinstitut der Verpfändung offenbar zunehmend durch Übertragungen oder Abtretungen von Forderungen im Rahmen von Transaktionen mit (beschränkten) Rückgriffsmöglichkeiten ersetzt wird. Auch andere gesellschaftliche Veränderungen und Trends wie beispielsweise die zunehmende Digitalisierung bilden sich in den Antworten der EUF Legal Study ab: So werden Schecks als Zahlungsform in Ländern wie Zypern, Irland und Portugal, wo sie noch 2017 mit zwischen 20 Prozent und 75 Prozent der Zahlungen eine recht weit verbreitete Zahlungsmethode waren, inzwischen erheblich weniger genutzt, während bargeldlose und meist digitalisierte Zahlungsformen insgesamt eindeutig bevorzugt werden.

Diese Zusammenstellung und Auswertung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Factoring in allen EU-Mitgliedsstaaten sowie sechs weiteren Drittstaaten war offenbar bei der Veröffentlichung der ersten Ausgabe der EUF Legal Study bereits einzigartig und verbleibt es wohl auch 2021, sowohl was die Bandbreite als auch die Aktualität der Untersuchung angeht. Diese rechtsvergleichende Studie der EUF kann und soll keineswegs die individuelle und einzelfallbezogene Beratung durch einen in der entsprechenden Rechtsordnung erfahrenen Anwalt oder Juristen ersetzen. Jedoch ermöglicht sie einen schnellen ersten Überblick durch Antworten in komprimierter und verständlicher Form auf eine Vielzahl grundsätzlicher Fragen zur rechtlichen Behandlung des Factorings in verschiedenen Ländern, auch für Leser ohne juristische Vorkenntnisse.

Die EUF Legal Study eignet sich daher für all diejenigen, die sich für die Rahmenbedingungen und die Situation des Factorings in verschiedenen europäischen Ländern interessieren und eine übersichtliche und zum Teil vergleichend-analysierende Einführung in die Thematik wünschen, um sich dann mit einzelnen Themenbereichen oder Ländern eingehender zu befassen, indem sie beispielsweise mithilfe länderspezifischer Fachliteratur weiter recherchieren oder individuelle Rechtsberatung in Anspruch nehmen.

Die Studie "Factoring, Receivables Finance & ABL - A Study of Legal Environments across Europe 2021" ist für Mitglieder des DFV kostenfrei, für alle anderen kostenpflichtig über die Website der EUF unter https://euf.eu.com/#what-is-euf/objectives/euf-legal-study.html erhältlich.

Magdalena Wessel , Dezernentin Recht beim Deutsche Factoring-Verband e. V., Berlin, Mitglied des EUF Executive Committee und Vorsitzende des EUF Legal Committee
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