BANKING

Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch (IRRBB)

Was Banken wissen müssen

Tim Breitenstein, Foto: KPMG

Das Niedrigzinsumfeld, verschärfte Regularien und stetige Überwachung durch die Bankenaufsicht wirken sich auch auf Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch aus. Der Beitrag liefert Hintergrundinformationen zum Thema, zeigt die aktuellen Veränderungen auf und vertieft die beiden Hauptaspekte: die Anforderungen aus dem BaFin-Rundschreiben 06/2019 zu aufsichtlichen Zinsschocks sowie weitere Regularien der EBA-Leitlinien 2018/02. Die Erläuterungen werden durch ein Anwendungsbeispiel ergänzt. (Red.)

Das Thema Management von Zinsänderungsrisiken (ZÄR) im Bankbuch hat in den letzten Jahren insbesondere durch das Niedrigzinsumfeld, steigende regulatorische Herausforderungen sowie durch den starken Fokus der Aufsicht branchenweit einen immer höheren Stellenwert erhalten. Dieser Artikel liefert einen kurzen Überblick über relevante regulatorische Weiterentwicklungen im Themenfeld Zinsänderungsrisiko sowie deren Bedeutung für Banken.

  • Das Zinsänderungsrisiko im Bankbuch (englisch Interest Rate Risk in the Banking Book - IRRBB) bezeichnet das Risiko, dass sich
  • der Barwert des Bankbuchs (EVE) und/oder
  • das periodische Zinsergebnis (NII) und/oder
  • das bilanzielle Ergebnis1) (Earnings)

aufgrund von Zinsänderungen verringert. Die Elemente des ZÄR-Managements umfassen dabei den gesamten Risikomanagementprozess von Datengrundlagen und Berechnungsregeln über Controlling-, Reporting- und Steuerungsprozesse bis hin zum entsprechenden Governance-Framework. Zu betrachten ist dabei grundsätzlich sowohl die Einzelinstitutsebene als auch die Gruppenebene.

Regulatorische Anforderungen

Die regulatorischen Anforderungen an das Management und an das Reporting von Zinsänderungsrisiken im Bankbuch entwickeln sich aktuell wesentlich weiter. Ein entscheidender Treiber dieser Weiterentwicklung sind die Arbeiten des Basel Committee of Banking Supervision (BCBS) zum Thema. Das BCBS hat im Jahr 2016 mit dem Standard "Interest rate risk in the banking book" (BCBS 368) ein zwölf Jahre altes BCBS-Papier zum Thema ersetzt. Angesichts stark divergierender Ansätze beim Management von Zinsrisiken bei Banken verfolgten die Autoren das Ziel, hohe Mindeststandards für das bankinterne Risikomanagement zu setzen und mehr Vergleichbarkeit durch stärker standardisierte Meldungen an Aufsicht und Öffentlichkeit zu erreichen.

Wesentliche Teile der BCBS-Empfehlungen wurden auf europäischer Ebene durch die "Guidelines on the management of interest rate risk arising from nontrading book activities" der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA-GL 2018/02) umgesetzt. Durch Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wurden diese in Deutschland konsistent übernommen. Zu nennen sind das Rundschreiben 06/2019 zu den Anforderungen an Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch (bekannt als "BaFin-Zinsschock" oder "Standardschock") sowie das Rundschreiben 09/2017 zu Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk 5. Novelle).

Weitere Teile des BCBS-Papiers werden noch durch die Regulierungen CRR 2, CRD 5 sowie weitere EBA-GL und Technical Standards umgesetzt werden. Zusätzlich zu der Erfüllung der Anforderungen der Aufsicht an das bankinterne Risikomanagement müssen Banken in der Lage sein, die aktuellen, von der Aufsicht angeforderten Meldungen abgeben zu können. Dies betrifft insbesondere die BaFin-Zinsschocks und die Short-Term-Exercise-Lieferungen der Europäischen Zentralbank (EZB STE) zum ZÄR.

Im Folgenden werden die Anforderungen aus dem BaFin-Rundschreiben 06/2019 zu aufsichtlichen Zinsschocks sowie aus neuen EBA-GL 2018/02 näher betrachtet, da diese Anforderungen ab sofort von deutschen Kreditinstituten einzuhalten sind.

Aufsichtsrechtliche Zinsschocks

Dieser Abschnitt beschreibt die Anforderungen zu aufsichtlichen Zinsschocks.

- Hintergrundinformationen: Kreditinstitute müssen zu fest vorgegebenen Zinsszenarien Bankbuchbarwerte berechnen und an die Aufsicht melden. Bei relativ hohen barwertigen Änderungen im Vergleich zu Eigenkapitalgrößen müssen Institute mit einer verstärkten Beobachtung durch die Aufsicht rechnen.

Das aktuelle Rundschreiben 06/2019 hat die BaFin am 12. August 2019 veröffentlicht. Das Regelwerk spezifiziert die quartalsweise Meldung von Kennzahlen zum ZÄR an die BaFin und die Deutsche Bundesbank. Im Zentrum stehen dabei die barwertigen Effekte, die sich für die Institute bezüglich der Anwendung einer von der nationalen Aufsichtsbehörde vorzugebenden plötzlichen und unerwarteten Zinsänderung ergeben. Das Schreiben stellt klar, wie die Anforderungen zu regulatorischen Standardzinsschocks aus den bereits 2018 veröffentlichten und ab 30. Juni 2019 gültigen Leitlinien zum Zinsrisiko im Bankbuch der EBA (EBA-GL 2018/02) in Deutschland anzuwenden sind.

Inhaltlich folgt aus einer Beachtung der Anforderungen aus dem aktuellen BaFin-Rundschreiben eine Erfüllung der Anforderungen der EBA-Leitlinien zu aufsichtlichen Zinsschocks. Gleichzeitig stellen die EBA-GL 2018/02 auch die Basis für die Berechnung der aufsichtlichen Zinsschocks nach der EZB STE für EZB-beaufsichtigte Institute dar. Die BaFin-Anforderungen zu aufsichtlichen Zinsschocks erweisen bei gleicher Berechnungsmethodik auch im Wesentlichen eine Konsistenz mit den EZB STE-Vorgaben.

- Wichtige Neuerungen: Das neue BaFin-Rundschreiben 06/2019 löste das bis zum 30. September 2019 gültigen BaFin-Rundschreiben 09/2018 ab.

Gegenüber dem BaFin-Rundschreiben 09/2018 sind als wichtige Neuerungen insbesondere sechs zusätzliche Zinsszenarien zu nennen. Außerdem wurden einige Vorgaben zu der Berechnung der Barwertverluste konkretisiert. Aufsichtliche Meldungen unter Verwendung der neu eingeführten Zinsschocks und Berechnungsvorgaben haben ab dem Stichtag 31. Dezember 2019 zu erfolgen, sechs Monate nach Inkrafttreten der EBA-GL 2018/02.

Die BaFin-Anforderungen gelten für alle Kreditinstitute in Deutschland. Diese müssen die Barwertänderungen durch plötzliche vorgegebene Zinsänderungen sowohl auf Einzelinstituts- als auch auf Gruppenebene an die BaFin und Deutsche Bundesbank melden. Sofern von einem Gruppen/Parent-Waiver nach § 2 Absatz 5 Kreditwesengesetz Gebrauch gemacht wird, sind die Anforderungen nur auf Gruppenebene zu beachten.

Für ihre aufsichtliche Meldung müssen inländische Kreditinstitute den Barwert des Bankbuchs sowie die entsprechenden Barwertänderungen nach zwei Standardtests (plus/minus 200 Basispunkte Parallelverschiebung der Zinskurve, die für alle Währungen gleich anzuwenden sind) sowie sechs zusätzliche Frühwarnindikatoren ausrechnen. Die Frühwarnindikatorszenarien sind währungsspezifisch definiert und um fassen neben Parallelverschiebungen auch Drehungen der Zinskurve, Versteilerungen und Verflachungen sowie An- und Absteigen der kurzfristigen Zinsen, während die langfristigen Zinsen stabil bleiben. Bei allen acht Szenarien sind die Marktzinsen durch einen laufzeitabhängigen Floor zwischen minus ein Prozent und null Prozent nach unten begrenzt.

Bei der Ermittlung der Auswirkungen einer plötzlichen und unerwarteten Zinsänderung sind alle für diese Ermittlung wesentlichen, mit einem Zinsänderungsrisiko behafteten Geschäfte des Anlagebuchs einzubeziehen. Dies umfasst die zinssensitiven bilanziellen und außerbilanziellen Positionen. Im Falle eines Nichthandelsbuchinstituts sind sämtliche mit einem Zinsänderungsrisiko behafteten Geschäfte des Instituts zu berücksichtigen.

- Spezielle Anforderungen: Des Weiteren gelten für viele Positionsarten spezifische Anforderungen. Erstens: Eigenkapitalbestandteile, die dem Institut zeitlich unbegrenzt zur Verfügung stehen, dürfen nicht in die barwertige Ermittlung der Zinsänderungsrisiken einbezogen werden.

Zweitens: Alle wesentlichen in Bankprodukten enthaltenen automatischen und verhaltensabhängigen Optionen sind zu berücksichtigen. Darunter sind sowohl marktzinsabhängige als auch marktzinsunabhängige Optionalitäten zu verstehen. Drittens: Pensionsverpflichtungen dürfen in den Zinsschocks nicht berücksichtigt werden, sofern diese im internen Risikomanagement durch eine andere Risikometrik abgebildet sind. Viertens: Notleidende Forderungen (NPE) müssen als allgemeine zinssensitive Instrumente modelliert und berücksichtigt werden. Allerdings nur, sofern die NPE-Quote - das heißt die notleidenden Forderungen (notleidende Schuldverschreibungen, Darlehen und Vorauszahlungen) relativ zu der Summe aller Forderungen - des Finanzinstituts (auf Einzelebene) über zwei Prozent liegt. Die Modellierung soll die Höhe der erwarteten Cashflows und ihr zeitliches Auftreten widerspiegeln. Fünftens: Für den modellierten durchschnittlichen Zinsanpassungstermin von Verbindlichkeiten ohne feste Zinsbindung, das heißt insbesondere Einlagen, gilt eine Obergrenze von fünf Jahren, welche für jede Währung individuell einzuhalten ist. Die Durchschnittsbildung erfolgt volumengewichtet über alle Verbindlichkeiten mit unbestimmter vertraglicher Zinsbindung. Einlagen von Finanzinstituten dürfen nicht modelliert werden und sind als täglich fällig einzustufen.

Finanzinstitute dürfen die Margen aus den Zahlungsströmen herausrechnen, sofern dies der internen Steuerung für alle Positionen entspricht und die Margenermittlung transparent und nachvollziehbar ist. Der gewählte Ansatz hat aber konsistent für alle Geschäftseinheiten sowie alle bilanziellen und außerbilanziellen Positionen zu erfolgen. Zur Diskontierung ist je Währung eine risikofreie Zinskurve zu verwenden.

Die risikolose Zinskurve darf keine instrumenten- oder -entitätspezifischen Spreads enthalten. In jedem Szenario können pro Währung positive Effekte (nur) bis zu 50 Prozent berücksichtigt werden. Fremdwährungen können aus der Berechnung ausgeschlossen werden, wenn deren Anteil fünf Prozent am Gesamtvolumen nicht übersteigt und mindestens 90 Prozent des Gesamtvolumens berücksichtigt werden.

Im Hinblick auf die Auswertung der Zinsszenarien werden barwertige Verluste bei plus/minus 200 Basispunkten Parallelverschiebung der Zinskurve mit den gesamten regulatorischen Eigenmitteln verglichen, wobei die Überschreitung eines Schwellwerts von 20 Prozent zu aufsichtlichen Maßnahmen führt. Barwertige Verluste bei den sechs währungsabhängigen Frühwarnindikatorszenarien werden mit dem regulatorischen Kernkapital (Tier 1) verglichen. Hier führt das Überschreiten einer Schwelle von 15 Prozent zu verstärkter Beobachtung durch die Aufsicht.

Weitere Regularien der EBA-Guidelines

Dieser Abschnitt zeigt die weiteren regulatorischen Anforderungen aus den EBA-Leitlinien 2018/02 auf. Es handelt sich um Anforderungen an das bankinterne Risikomanagement von Instituten.

- Hintergrundinformationen: Auf europäischer Ebene wurden im Oktober 2015 zunächst die EBA-GL 2015/08 veröffentlicht. Diese umfassen Anforderungen für Banken, deren Einhaltung über die europäischen Aufsichten sichergestellt werden soll. Insbesondere fordern die EBA-GL mehrere Betrachtungsweisen des Zinsänderungsrisikos im internen Risikomanagement: "Institute sollten die Risiken aus ihren IRRBB-Risikopositionen steuern und mindern, die sowohl ihre Erträge als auch ihren wirtschaftlichen Wert betreffen." Das Papier behandelt neben der Berechnung von barwertigen Standardschocks umfangreiche Anforderungen an das interne Risikomanagement von Zinsänderungsrisiken.

Die EBA-GL 2018/02 [2] stellen eine Erweiterung der GL 2015/08 dar und sind gemäß EBA ab Mitte 2019 anzuwenden. Anforderungen an das Management von Credit-Spread-Risiken im Bankbuch werden ebenfalls in den Leitlinien grob thematisiert; es wird jedoch in der Zukunft ein separates EBA-Papier zu diesem Thema erwartet. Durch die EBA-GL 2018/02 wird auch ein Steuerungskreis für die sogenannte Earnings-Sicht gefordert, der Schwankungen des bilanziellen Eigenkapitals und der Gewinn- und Verlustrechnung begrenzen soll. Banken müssen somit die Auswirkungen von Zinsschwankungen in allen ihren Bilanz- beziehungsweise Gewinn- und Verlustrechnung-Positionen ermitteln. Die Berücksichtigung, unter anderem von Bilanzierungskategorien, Auswirkungen auf das Other Comprehensive Income (OCI) und die Wirkung des Hedge Accountings bei International-Financial-Reporting-Standards-(IFRS)- Banken sollen zukünftig Eingang in das Risikomanagement finden.

- Wichtige Neuerungen: Insbesondere sind in der Festlegung des Risikoappetits die akzeptablen handelsrechtlichen Ergebnis- beziehungsweise Eigenkapitalschwankungen aus Marktzinsveränderungen festzulegen. Eine derartige Definition des Risikoappetits ist bisher bei Banken in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Die Anforderungen der EBA-GL 2018/02 sollten gemäß EBA ab 30. Juni 2019 von allen europäischen Aufsichtsbehörden angewendet und daher von Banken beachtet werden. Grundsätzlich hat die deutsche Aufsicht im Februar 2018 öffentlich gemacht, dass sie generell alle EBA-GL in ihre Verwaltungspraxis übernehmen möchte. In der Praxis zeigen Erfahrungswerte sowohl aus EZB-Vor-Ort-Prüfungen als auch aus 44-er Prüfungen, dass deutsche Aufseher die EBA-Anforderungen zum ZÄR beachten.

Auch für die national beaufsichtigten Kreditinstitute sind die EBA-GL 2018/02 relevant. So geben die prinzipienorientierten MaRisk im Themenfeld Zinsänderungsrisiko relativ wenig detaillierte Anforderungen vor. Detaillierte konkrete Forderungen an das interne Zinsänderungsrisikomanagement finden sich hingegen in den EBA-GL 2018/02. In der Prüfungspraxis ist bei 44er-Prüfungen im Themenfeld Zinsänderungsrisiko zu beobachten, dass in den 44er-Berichten zwar stets auf die MaRisk referenziert wird, sich konkrete Findings aber meist aus den konkreteren Anforderungen der EBA-GL ableiten lassen.

Die EBA-GL 2018/02 geben im Wesentlichen zwei Arten von ZÄR-Anforderungen vor - die bereits erläuterten Anforderungen zu aufsichtsrechtlichen Standardzinsschocks sowie die speziellen Anforderungen an das interne Management von ZÄR.

- Spezielle Anforderungen: Die Ansprüche an das interne Management von ZÄR sind umfangreich. Sie umfassen den gesamten Risikomanagementprozess von Risikodefinition, DatengrundlagenundBerechnungsregeln, über Validierungs-, Controlling-, Reporting- und Steuerungsprozesse bis hin zum entsprechenden Governance-Rahmen und der Integration in übergreifende Prozesse der Bank wie dem Internal Capital Adequacy Assessment Process. Gemäß den Anforderungen der EBA-Guidelines müssen alle aus der Veränderung von Zinssätzen resultierenden Risiken identifiziert, bewertet und kontrolliert werden. Dabei sind sowohl barwertige als auch periodische Perspektiven zu berücksichtigen, welche aus einem breiten und angemessenen Spektrum von Zinsschock- und Zinsstressszenarien abgeleitet werden. Beide Sichtweisen sind in das interne Risikomanagement- und Reportingsystem zu integrieren, inklusive Limitierung und Validierung. Analog sollte der Risikoappetit der Bank für ZÄR sowohl in Bezug auf barwertige als auch in Bezug auf ertragsorientierte Maße ausgedrückt werden. Banken sollten entsprechende Limite implementieren, welche die Exposition gegenüber ZÄR im Rahmen des definierten Risikoappetits halten.

Die EBA-GL fordern explizit von den Banken, über ein angemessenes Framework zur Steuerung von ZÄR zu verfügen, welches regelmäßig von unabhängiger Stelle überprüft und in Bezug auf seine Effektivität evaluiert wird. Die Kapitalallokation für ZÄR muss separat als Teil des Internal Capital Adequacy Assessment Process vom Vorstand genehmigt werden und im Einklang mit dem Risikoappetit der Bank in Bezug auf ZÄR stehen.

Die Modelle, die zur Messung des ZÄR verwendet werden, sollten umfassend sein und Steuerungsprozessen zum Management von Modellrisiken unterliegen, einschließlich einer Validierungsfunktion, die unabhängig von der Entwicklung ist. Die wesentlichen Verhaltens- und Modellannahmen bei der Messung des ZÄR sollten vollständig verstanden werden, konzeptionell fundiert und dokumentiert sein. Diese Annahmen sollten gründlich getestet werden und im Einklang mit der Geschäftsstrategie der Bank stehen.

Sofern es sich um ein wesentliches Risiko auf der Aktivseite der Bank handelt, sind noch die Credit-Spread-Risiken im Bankbuch zu messen und zu überwachen. Die Ergebnisse der kompletten Messung des ZÄR (barwertig und periodisch sowie auf Unterrisikoarten) sowie die entsprechenden Sicherungsstrategien sollten dem Vorstand oder seinen Delegierten regelmäßig und auf relevanten Aggregationsstufen (aufgeteilt nach Konsolidierungsstufen und Währungen) berichtet werden.

Die Systeme und Modelle, welche zur Messung des ZÄR benutzt werden, sollten auf korrekten Daten basieren und angemessen dokumentiert, getestet und kontrolliert werden, um die Genauigkeit der Berechnungen sicherzustellen. In Summe ergibt sich ein konsistentes Bild der Anforderungen an die Überwachung und Steuerung des ZÄR, welches sich auch im Prüfungskatalog der zuständigen Aufsichtsbehörden wiederfindet. Die Anforderungen an Management, Messung, Steuerung und Reporting des Zinsänderungsrisikos sind entsprechend dem Proportionalitätsprinzip anzuwenden: "Institute sollten bei der Umsetzung der Leitlinien ihr bestehendes und voraussichtliches IRRBB proportional zu Umfang, Komplexität und Risikogehalt ihrer Positionen im An lagebuch [...] ermitteln [...]" (EBA-GL 2018/02 Tz. 19).

Welche Erleichterungen bei der Erfüllung von Anforderungen aufgrund dieses Proportionalitätsprinzips nun für eine kleine oder mittelgroße Bank genau folgen, bleibt in der EBA-GL ähnlich wie in den MaRisk meist relativ vage und lässt Interpretationsspielraum. Bei einigen Themengebieten jedoch macht die EBA recht explizit klar, welche Anforderungen pro Kategorie von Banken zu erfüllen sind (siehe zum Beispiel EBA-GL 2018/02). Dafür nutzt die EBA die Kategorisierung von Banken gemäß EBA-SREP Guidelines 2014/13.2) Die verschiedenen Kategorien spiegeln die unterschiedliche Größe, Struktur sowie Art, Umfang und Komplexität der Tätigkeiten der Institute wider, wobei Kategorie 1 den hoch entwickelten und systemisch wichtigen Finanzinstituten (sogenannte Global Systemically Important Institutes oder Other Systemically Important Institutes) entspricht. Kategorie 4 dagegen beinhaltet die kleinsten, lokalen, nichtkomplexen Institute. Im Zweifel ist von der höheren, das heißt der komplexeren, Kategorie auszugehen.

Ein Anwendungsbeispiel

Die EBA-GL 2018/02 fordern explizit eine Messung von ZÄR im Rahmen des internen Risikomanagements sowohl aus der barwertigen Perspektive als auch aus der periodischen Perspektiven. Auch eine Berechnung des ZÄR nach dem periodischen Zinsergebnis sollte stattfinden, insbesondere im Hinblick auf die demnächst in Kraft tretenden Offenlegungspflichten gemäß der CRR 2.

Eine besondere Herausforderung für die meisten Banken ist aktuell die Umsetzung der Earnings-Perspektive und deren Integration in eine übergreifende integrierte Banksteuerung. Die periodische ZÄR-Messung soll sich auf das gesamte bilanzielle Ergebnis der Bank fokussieren und somit neben dem Zinsüberschuss weitere Positionen wie "Ergebnis aus Fair Value Bewertung" und "Ergebnis aus Finanzanlagen", die gemäß Rechnungslegung Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung oder auf das OCI haben, berücksichtigen. Diese sogenannte Earnings-Sicht kann daher als eine erweiterte NII-Sicht angesehen werden.

Für eine Abschätzung und Berechnung der Zinsänderungsrisiken für das bilanzielle HGB-Ergebnis hat es sich in der Praxis bewährt, insbesondere folgende HGB-Positionen zu betrachten:

- Zinsüberschuss nach HGB

- Barwertänderungen der zum Zeitwert bilanzierten Positionen (etwa für Wertpapiere im Handelsbestand)

- Weitere zinsabhängige Gewinne und Verluste (etwa durch Pensionsrückstellungen)

- (Potenzielle) Drohverlustrückstellungen gemäß BFA 3/verlustfreie Bewertung des Bankbuchs

Für das bilanzielle IFRS-Ergebnis stehen unter Zinsänderungsrisikoaspekten hingegen häufig folgende IFRS- Positionen im Mittelpunkt:

- Zinsüberschuss nach IFRS

- Barwertänderungen der zum Fair Value bilanzierten Positionen, die damit direkten P-and-L-Effekt haben (etwa Fair Value through Profit and Loss)

Other Comprehensive Income (etwa durch Anleihen, dessen Wertveränderungen im OCI gebucht werden)

- Weitere zinsabhängige Gewinne und Verluste (etwa zinsabhängiges Fee-Einkommen)

- Effekte aus Hedge Accounting (etwa Ineffektivitäten bei Portfolio Fair Value Hedge Accounting)

Selbstverständlich können solche Aufzählungen nur ein erster Anhaltspunkt sein. Die tatsächlichen Zinsänderungsrisiken für das bilanzielle Ergebnis hängen von ihrem individuellen Geschäftsmodell sowie den Bilanzierungsregeln ab.

In vielen Banken werden auch weitere Teile der neuen ZÄR-Anforderungen bisher noch nicht vollständig erfüllt. Großen Instituten fällt es häufig schwer, die sehr hohen Anforderungen, welche die EBA speziell für große Einrichtungen formuliert hat, zu befolgen. Beispielsweise kann kaum ein Institut Earnings-Simulationen, bei denen zukünftige Volumina zinsabhängig modelliert sind, in ausreichender Qualität durchführen. Für kleine Institute, die bisher nur begrenzte Simulationsmöglichkeiten in den Ermittlungsverfahren zur Verfügung haben, stellen hingegen auch einfachere periodische Simulationsmöglichkeiten sowie barwertige Berechnungen gemäß den neuen Anforderungen an den Standardzinsschock Herausforderungen dar.

Aktuelle und künftige Entwicklungen

Gleichzeitig entwickeln sich die regulatorischen Anforderungen an das Management und Reporting von ZÄR weiter. Die EBA hat bereits zusätzliche Leitlinien zu Management und Behandlung von Credit-Spread-Risiken im Bankbuch angekündigt. Weitere Teile des BCBS 368-Papiers werden nach und nach in europäisches Recht überführt, insbesondere durch die CRR 2 und CRD 5 sowie folgende EBA-GL und Regulatory Technical Standards.

Die Aufsicht hat das Thema ZÄR offiziell hoch priorisiert. Dementsprechend sind aktuell eine hohe Zahl an EZB-On-Site-Inspektionen und viele Anfragen der Joint Supervisory Teams zu ZÄR bei großen Banken sowie eine erhöhte Anzahl an 44-er Prüfungen mit Schwerpunkt ZÄR bei weniger großen Banken zu beobachten. Schließlich ist das Thema ZÄR auch ökonomisch für die Banken wichtig. Das anhaltende Niedrigzinsumfeld und die daraus entstehenden Margenkompressionen zwingen viele Banken, neue Ertragsquellen zu erschließen, Kosten zu senken und ihre Steuerung und Strategie bezüglich Marktrisiken zu überdenken.

Fußnoten

1) Mit bilanziellem Ergebnis ist nach HGB die Gewinn- und Verlustrechnung gemeint. Nach IFRS ist damit Profit or Loss zuzüglich Other Comprehensive Income (OCI) gemeint.

2) Vgl. EBA-Guidelines 2018/02 Annex 2 i.V.m. EBA-SREP Guidelines 2014/13 Kapitel 2.1.1. "Categorisation of institutions", Nummer 11 für die exakten Kriterien zu der Einstufung in die Kategorien 1 bis 4.

TIM BREITENSTEIN ist Direktor Financial Services bei der KPMG Deutschland, München, und Experte für Zinsänderungsrisiko im Bankbuch, EBA/EZB Stresstesting sowie weiteren Themen in den Bereichen Treasury und Gesamtbanksteuerung.
 
MICHAEL SOMMA leitet das Referat für Betriebswirtschaft beim Bankenfachverband e.V., Berlin. Seit 2015 ist er Mitglied im Fachgremium IRRBB und begleitet in dieser Funktion die Neufassung des ZÄR-Rundschreibens.
Tim Breitenstein , Direktor Financial Services bei der KPMG Deutschland, München
Michael Somma , Referat für Betriebswirtschaft beim Bankenfachverband e.V

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