REGULIERUNG

Expertenstatements zur PSD2 aus juristischer, strategischer und technischer Sicht

Andrea München, Foto: CMS Hasche Sigle

ANDREA MÜNCHEN LL.M.

Rechtsanwältin und Partner bei CMS Hasche Sigle, Frankfurt am Main

Wo sind aus juristischer Sicht in Kürze die wichtigsten Problemfelder im Zusammenhang mit der Einführung von PSD2 zu verorten und bei welchen Fragen besteht noch Klärungsbedarf?

Mit dem Umsetzungsgesetz zur PSD2 wurden auch Anbieter von Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdiensten in den Anwendungsbereich des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes und damit in den aufsichtsrechtlich regulierten Bereich einbezogen.

Über die PSD2 und ihre Umsetzung sollte ein sicherer Bereich für digitale Innovationen im Zahlungsdienstebereich geschaffen werden. Es erweist sich derzeit jedoch noch als recht schwierig, Recht und digitale Innovation in einen für alle Beteiligten akzeptablen Ausgleich zu bringen. Kunden sollen auf der einen Seite Dritte sicher damit beauftragen können, Zahlungen vorzunehmen oder Kontoinformationen abzurufen. Auf der anderen Seite sollen die an eine solche Dienstleistung gestellten aufsichtsrechtlichen Anforderungen für die Dienstleister erfüllbar sein. Derzeit erscheint der administrative Aufwand, den die neue Regulierung für die Dienstleister mit sich bringt, als Innovationsbremse. Die Registrierung eines Kontoinformationsdienstes ist ähnlich aufwendig wie die Beantragung einer ZAG-Erlaubnis oder einer Erlaubnis als Finanzdienstleister.

Wie kann und sollten sich Ihrer Meinung nach die Aufsicht und die rechtliche Vorgaben für Fintechs und Non-Banks entwickeln?

Die Aufsichtsbehörden sollten in der Art und Tiefe der Aufsicht klarer zwischen Banken und Fintechs beziehungsweise Nicht-Banken unterscheiden. Es sollte nicht, wie es sich derzeit abzeichnet, im Zweifel Bankenstandard auf Fintechs und Nicht-Banken angewendet werden. Die Aufsicht sollte sowohl im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht als auch im Rahmen von Erlaubnis- und Registrierungsverfahren vermehrt auf den auch im Aufsichtsrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abstellen. Hierzu ist erforderlich, dass sich die Aufsicht noch tiefer mit den am Markt entwickelten Geschäftsmodellen und deren tatsächlichen Gegebenheiten und Risiken auseinandersetzt. Überformalisierte Verfahren helfen an dieser Stelle nicht weiter und binden sowohl bei der Aufsicht als auch bei den betroffenen Unternehmen Kapazitäten, die besser eingesetzt werden könnten.

JANO KOSLOWSKI

Leiter des Bereichs "Core-Banking", Financial Services von Deloitte; Director, Financial Services Industry, Deloitte, Düsseldorf

Wie gut sind Ihrer Einschätzung nach die deutschen Finanzinstitute auf die Einführung vorbereitet und wo würden Sie noch Nachholbedarf sehen?

Die zweite Stufe der PSD2 bringt die großen technischen Neuerungen, die außerdem eine anbieterübergreifende Zusammenarbeit erfordern. Die Tests zwischen Drittdienstleistern und etablierten Instituten laufen seit einigen Monaten. Wir gehen davon aus, dass trotz der knappen Umsetzungsfristen Institute in Deutschland die Schnittstelle termingerecht bereitstellen werden.

Bei der Zweifaktorauthentifizierung ist die Lage dramatischer, da auch der Handel in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt und damit die Kartenzahlung. Im Vergleich zur Kontoschnittstelle ist die Wertschöpfungskette länger und arbeitsteiliger organisiert. Branchenverbände haben sich für eine Aussetzung der Deadline um 18 Monate stark gemacht. Aktuell stehen länderspezifische Ausnahmeregelungen im Raum, was einen Flickenteppich von Einsatzterminen nach sich ziehen und eine noch schwierigere Situation für Anbieter und Verbraucher verursachen würde.

Werfen Sie einen Blick in die Zukunft: Wie weit wird PSD2 den deutschen Finanzmarkt in zehn Jahren verändert haben, welche Rolle werden Banken, Fintechs und BigTech einnehmen?

Auch wenn eine Einschätzung über 10 Jahre, wo doch die größten Teile der Richtlinie noch gar nicht umgesetzt sind, verwegen erscheinen mag: Rückblickend wird man sicher sagen können, dass PSD2 den entscheidenden Impetus für den Einstieg der Finanzbranche in eine Open Banking Ökonomie geben hat.

In einer solchen Plattformökonomie kann es viele erfolgreiche Geschäftsmodelle und damit Gewinner geben: Vom Abwickler, der Skaleneffekte nutzt, über Plattformbetreiber, der das Schaufenster bestückt, bis hin zum spezialisierten Anbieter von Mehrwertdiensten. Wir gehen davon aus, dass PSD2 das Aufbrechen vertikalintegrierter Geschäftsmodelle in der Finanzbranche weiter vorantreiben wird. Auch wenn die Beteiligung von BigTechs in der Wertschöpfungskette Gefahren für neue Oligopole birgt: Kunden werden von schnelleren Innovationszyklen profitieren. Die dezentralen Kooperationsmodelle werden die Customer Experience geeigneter bedienen und sich durchsetzen.

FRANCA LÖWENSTEIN

Expertin Trusted Services bei der Bundesdruckerei, Berlin

Echtzertifikate werden seit Mai bereitgestellt: Wie ist der erste Eindruck von den Umsetzungsanstrengungen durch Banken und Zahlungsdienstleister, was funktioniert, wo haben die Marktakteure noch Schwierigkeiten?

Wir haben Kontakt mit einigen Hundert Banken, Fintechs und Dienstleistern in 28 Märkten des Europäischen Wirtschaftsraums. Die großen Banken und Bankenverbände in Mittel- und Nordeuropa sind durch die erste Testphase mit unseren Testzertifikaten gut vorbereitet. Die neuen Anforderungen an eine starke Kundenauthentifizierung sind jedoch noch nicht überall umgesetzt. Großbritannien startete etwas später mit der Umsetzung der PSD2-Anforderungen, dort sehen wir aber aktuell starkes Interesse. Auch die großen Fintechs sind bereit, in Deutschland haben bereits zirka 70 Prozent der lizensierten Fintechs Echtzertifikate bei uns bestellt. Obwohl die regulatorischen Rahmenbedingungen immer noch nicht restlos klar sind und die Prozesse und Register der nationalen Aufsichtsbehörden und der European Banking Authority (EBA) noch Anlaufschwierigkeiten haben, rechneten nur wenige Marktteilnehmer mit einem Aufschub des Septembertermins. Ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist die gute Kooperation zwischen Wettbewerbern, wie in der Berlin Group oder der Open Banking U.K.

Welche Möglichkeiten der technischen Weiterentwicklung der Schnittstellen, insbesondere mit Blick auf die Sicherheit im Zahlungsverkehr, bieten sich perspektivisch Regulierer und Markt?

Besonders die großen Banken treiben die PSD2 voran und sehen hier eher eine Chance als eine Bedrohung. Es gibt Diskussionen, die Schnittstellen auch für andere Konten als Online-Zahlungskonten zu öffnen. Ein weiteres Beispiel könnte der Einsatz von qualifizierten Zertifikaten statt der bislang genutzten "Strong Customer Authentication" sein. Wir hoffen, dass die PSD2 als Erfolgsstory auch in den Märkten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums etabliert wird.

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