FACTORING

"Factoring ist für die unterschiedlichsten Branchen ein interessantes Produkt"

Interview mit Michael Menke

Michael Menke, Foto: PB Factoring GmbH

Die PB Factoring GmbH ergänzt das Finanzierungsangebot der Deutschen Bank und der Postbank im Firmenkundengeschäft. Neben Standardlösungen wie Inhouse- und Export-Factoring werden auch diverse Speziallösungen angeboten. Branchenexperte Michael Menke war in der Gründungsphase dabei und ist seit Januar 2002 als Geschäftsführer für den Aufbau der Gesellschaft verantwortlich. Im Interview spricht er über seine Anfänge im Factoring und unternimmt einen Streifzug durch die Factoring-Landschaft und deren Wandel. (Red.)

Herr Menke, wie sind Sie in die Factoring-Branche gekommen?

Sehr früh. Angefangen hat es, als ich gerade mit meiner Diplomarbeit beschäftigt war. Über einen Hochschulkontakt wurde ich auf die Bertelsmann-Gruppe aufmerksam und startete 1990 bei Bertelsmann Financial Services. Dort habe ich schnell mehr und mehr Verantwortung bekommen. 1998 bekam ich die Möglichkeit, in die USA zu gehen.

Das war für mich erst einmal das Ende im klassischen Factoring. Bis Anfang 2001 war ich in den USA unterwegs. Das war die Zeit, in der die ganzen E-Commerce-Themen an Fahrt aufnahmen. Mein Auftrag war es, einen Standort Financial Services mit aufzubauen und E-Commerce-Zahlungslösungen zu schaffen.

Was waren die ersten Schritte der PB Factoring?

Für mich stellte sich damals die Frage, wie geht es weiter? Über einen Personalberater bin ich dann zur Postbank gekommen. Da hatte man 2001 jemanden gesucht, der das ganze Thema Logistik und Finance mit aufbaut in Zusammenarbeit mit der Deutschen Post. Die Gründung der Gesellschaft war im Herbst 2001. Aber außer dem Eintrag ins Handelsregister gab es noch keine Strukturen. Sämtliche Themen von der EDV bis hin zum eigentlichen Konzept mussten erst noch aufgegleist werden. Monika Loock-Weber und ich wurden dann offiziell am 1. Januar 2002 zu Geschäftsführern der Gesellschaft bestellt. Weil damals in der Anfangsphase die Société Générale das Factoring-Geschäft eingestellt hat und Monika Loock-Weber von der Société Générale kam, sind viele Kunden gerne zu uns als neuem Anbieter gewechselt. Unser Fokus lag in den ersten Jahren auf dem typischen deutschen Mittelstand einschließlich deutscher Forderungsverkäufer, Debitoren, Schuldner sowie Abnehmer. Unser Produkt wurde klassischerweise angeboten als Full-Service-Factoring und Inhouse-Geschäft.

Zunächst versuchten wir - in Kooperation mit der Deutschen Post - eine Finance-und-Logistik-Lösung aufzubauen, analog quasi der Bertelsmann Financial Services. Aber das konnten wir nicht so umsetzen wie wir uns das ursprünglich vorgestellt hatten. Dafür hatten wir bereits ab 2003 gute Kontakte zur Deutschen Bank. Insofern hatten wir zwei tolle Vertriebspartner, auf der einen Seite die Firmenkundeneinheit der Postbank und auf der anderen Seite die Deutsche Bank AG. Entsprechend haben wir über die Jahre hinweg unser Produktportfolio, das Produktspektrum und die Varianten des Factorings weiter ausgebaut und je nach den Bedürfnissen der jeweiligen Kunden auch viele individuelle Lösungen geschaffen.

Wie hat sich der Markt verändert?

Infolge der Kooperation mit der Deutschen Bank und deren Zugang zu größeren und teilweise weltweit agierenden Konzernen, mussten wir uns breiter aufstellen. Wir haben das Factoring-Produkt entsprechend variiert und geschaut, was die Voraussetzungen sind, um auch Forderungsverkäufer in anderen europäischen Jurisdiktionen bedienen zu können.

Das führte dazu, dass wir nicht nur zum klassischen deutschen Mittelstand schnell Zugang gefunden haben, sondern auch zu größeren Unternehmen, die mehr dem Klientel der Deutschen Bank entsprechen. Mit der Finanzmarktkrise 2008/2009 kam dann schließlich eine Art "Sternstunde des Factorings": Auch größere Unternehmen, die vorher ihre Forderungen verbrieft hatten, wurden jetzt auf die Vorteile des Factorings aufmerksam.

Welchen Beitrag leistet die PB Factoring?

Der Vorteil der PB Factoring war und ist, dass wir größere Debitorenportfolios ankaufen können. Wir waren von Anfang an mit unserer Software und unserem individuellen Setup in der Lage, sehr viele Forderungsverkäufer mit vielen Tausenden von Debitoren bedienen zu können. Auf der einen Seite versorgen wir den klassischen Mittelstand, betreiben also das Standard-Factoring-Geschäft.

Auf der anderen Seite spielen wir in einer Liga, die größere, auch international agierende Konzerne aus unterschiedlichen Ländern unterstützen kann. Wir strukturieren zum Beispiel gerade ein komplexes Engagement, bei dem der Kunde zwölf verschiedene Forderungsverkäufer in zwölf verschiedenen Ländern hat. Die PB Factoring begleitet diesen kompletten Weg. Das ist schon eine Herausforderung. Die Verträge müssen an das jeweilige Landesrecht angepasst sein. Die internationalen Forderungen müssen insolvenzfest und die jeweiligen Währungen vorhanden sein. Und natürlich muss man sich auch mit den einzelnen Marktnuancen in den entsprechenden Ländern auseinandersetzen. Das Thema ist daher ziemlich komplex. Dafür können wir aber auch aus einem Konzern heraus in den unterschiedlichen Jurisdiktionen die einzelnen Märkte bedienen - und entsprechende Lösungen parat halten. Gerade das Know-how unseres Teams zur Strukturierung komplexer Konstellationen der Forderungsverkäufer - das ist es, was die PB Factoring besonders auszeichnet.

Was war Ihre wichtigste Innovation?

Wir haben von Anfang an großen Wert darauf gelegt, so digital wie möglich zu sein. Die Factoring-Branche ist ja ohnehin sehr digital aufgestellt. Die Kommunikation mit den Kunden läuft online, die Adress- und Forderungsdaten werden elektronisch geliefert. Auch die Verarbeitung der Forderungen erfolgt digital. Es kommt kaum noch vor, dass Forderungen manuell erfasst werden, sondern das geschieht alles auf Knopfdruck. Natürlich sind wir da längst noch nicht am Ende. Die Fintechs haben uns in gewisser Art und Weise einen weiteren Weg aufgezeigt.

Davon abgesehen glaube ich, dass dieser grundsätzliche Imagewandel der Branche in den letzten Jahren zu einer höheren Bekanntheit und Akzeptanz von Factoring geführt hat. Früher wurden Forderungen auch eingesetzt, damit bonitätsschwache Unternehmen eine zusätzliche Refinanzierungs quelle haben. Das Bild hat sich völlig geändert. Es sind Lösungen entstanden, die durchaus in der Lage sind, größere Transaktionen zu bedienen. Das umfasst auch individuelle Lösungen, bei denen man heute einen viel breiteren Markt bedient. Die frühe Nutzung zu Liquiditätszwecken ist eine dieser Errungenschaften.

Eine andere sind bilanzielle Themen, die zunehmend eine Rolle spielen. Bilanzielle Entlastung einerseits zu erlangen und andererseits Lieferantenverbindlichkeiten zu reduzieren - das sind Aspekte, die mittlerweile in den Vordergrund gerückt sind. Die Factoring-Unternehmen haben sich da ganz klar den Markterfordernissen und den Kundenanforderungen angepasst. Das sieht man auch in der Wachstumsrate.

Wodurch ist Factoring zum Massenprodukt geworden?

Die Anbietervielfalt im deutschen Factoring-Markt hat dafür gesorgt, dass das Factoring einer viel größeren Masse an Unternehmen zur Verfügung steht. Und tendenziell nimmt das noch weiter zu, gerade auch vor dem Hintergrund des boomenden Online-Handels und von "Buy-now-pay-later". Da ist die klassische Factoring-Industrie gefragt, denn es ist im Grunde nichts anderes als ein Forderungsankauf. Wir beobachten, dass der klassische Factoring-Gedanke - auch wenn er unter einem anderen Namen geführt wird - immer wichtiger wird.

Zusätzlich gibt es mittlerweile zahlreiche Spezialisierungen von Factoring-Anbietern, zum Beispiel in der Gesundheitsbranche oder unter Anwälten. Genauso wie wir uns in den letzten Jahren auf größere Transaktionen fokussiert haben, gibt es Anbieter, die die kleineren und mittleren Unternehmen als Markt für sich identifiziert haben.

Ist Factoring aus Ihrer Sicht mittlerweile ausreichend etabliert und der Nutzen bekannt?

Die meisten Finanzchefs oder Unternehmen können heutzutage etwas mit dem Begriff Factoring anfangen, auch wenn sie es selbst noch nicht eingesetzt haben. Die aktuelle Situation erinnert stark an die Finanzmarktkrise 2008/2009. Viele Unternehmen haben gelernt, wie wichtig alternative Refinanzierungsmöglichkeiten sind. Weil damals auch der ABS Markt nicht mehr funktionierte, kam es zu einer verstärkten Nachfrage des Factorings. Ein ähnliches Marktverhalten stellen wir auch in der Coronakrise fest. Die Nachfrage nach Factoring-Programmen nimmt weiter zu. Für viele Unternehmen ist es wichtig, gegenüber den üblichen, klassischen Kreditprodukten der Banken eine moderne umsatzkongruente Finanzierungsalternative wie das Factoring zu haben.

Was macht das Factoring aus?

Factoring ist für die unterschiedlichsten Branchen und Fallkonstellationen ein interessantes Produkt. Das Strukturieren eines größeren Engagements ist dabei regelmäßig eine besondere Herausforderung. Eine Blaupause gibt es da nicht, sondern es tun sich immer wieder neue Fragestellungen auf. Und das macht es einfach auch so spannend. Es ist die Vielfältigkeit dieser Branche, der Kunden und der Herausforderungen, die auf uns warten.

Gleichzeitig stellt uns der Regulator immer wieder vor neue Herausforderungen. Und dann gibt es natürlich auch die großen Herausforderungen der Digitalisierung. Wie können wir da noch besser werden? Wie lässt sich der Onboarding-Prozess für Forderungsverkäufer weiter erleichtern? Wie können wir die debitorischen Prozesse einfacher gestalten? Hier können wir auch von den Fintechs lernen. Und nicht zu vergessen - die ganzen ESG-Herausforderungen. Wir haben beispielsweise bei uns in den marktfolgeseitigen Beschlüssen einen neuen Part eingefügt, in dem wir die Forderungsverkäufer unter Nachhaltigkeitsaspekten beurteilen. Es ist eine große Komplexität, mit der wir es zu tun haben - da kommt keine Langeweile auf. Gerade weil es so viele Themen sind, bleibt die Zukunft spannend.

Ergibt sich aus der Digitalisierung nicht auch neue Konkurrenz?

Natürlich müssen wir das im Auge behalten. Aber ob von dieser Seite wirklich Unternehmen kommen, die bestehende Factoring-Anbieter nachhaltig angreifen können, da bin ich eher skeptisch. Meistens zielen die Fintechs ja auch gar nicht auf unsere Klientel ab, sondern sie sind angetreten, um kleineren Gewerbetreibenden die Möglichkeit des Forderungsverkaufs zu geben.

Ich kann mir aber durchaus auch Kooperationen vorstellen - oder dass wir von den Fintechs lernen. Denn die haben einige interessante Ansatzpunkte entwickelt. Die Fintechs haben momentan ohne Frage ihre Existenzberechtigung, aber ob sie dann nachhaltig die bestehenden Anbieter von ihren Plätzen verdrängen können, das glaube ich derzeit eher nicht.

Anders verhält es sich bei den Plattformen. Also bei Anbietern, die Forderungsverkäufer und Investoren zusammenbringen. Daraus könnte schon eine Herausforderung für die klassische Factoring-Landschaft oder für die etablierten Anbieter werden. Die Plattformen spielen so eine Art Vermittlerrolle, indem sie den Forderungsverkäufer und die Investoren zusammenbringen. Auf diesen Plattformen findet so etwas statt, das Auktionen von Forderungen sehr nahekommt. In den Lösungen, die aktuell angeboten werden, steckt viel Kreativität und es können dadurch durchaus ernstzunehmende Wettbewerber für die klassische Factoring-Landschaft entstehen.

Das müssen wir weiter beobachten. Sicherlich entstehen daraus auch gute Kooperationsmöglichkeiten. Die Plattformen kommen eher von der Debitorenseite, also dem Schuldner. Die Factoring-Branche kommt eher von der Forderungsverkäufer-Seite. Hier können sich die Angebote beider Bereiche ergänzen. Allerdings dürfen wir keine Äpfel mit Birnen vergleichen. Das Factoring ist reguliert und die Institute unterliegen der Aufsicht. Die Plattformen verfügen bislang über keine Factoring-Lizenz und agieren in erster Linie als Vermittler.

Welche Prognose sprechen Sie dem zukünftigen Factoring-Markt aus?

Schauen Sie sich die Wachstumsraten des Factorings in Deutschland in den letzten Jahren an. Aktuell sind wir hier bei einer Factoring-Quote von 8,4 Prozent. Die Factoring-Quote ist das Factoring-Volumen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. In Großbritannien beträgt diese elf Prozent. Niederlande, Frankreich und Italien haben eine Marktdurchdringung von 14 Prozent. In Spanien liegt die Quote sogar bei 16 Prozent. Der EU-Schnitt liegt bei 11,1 Prozent. Da haben wir in Deutschland noch eine gewisse Wegstrecke vor uns. Gemessen an anderen Finanzierungsformen befinden wir uns immer noch in einer Nische.

20 Jahre ist in der Branche eine stolze Zeit - wie war das Feedback der Kunden?

Ein Großteil unserer Kunden begleitet uns schon viele Jahre, nicht wenige arbeiten schon seit Anbeginn mit uns vertrauensvoll zusammen. Aus Anlass unseres 20-jährigen Geburtstags haben wir unseren Kunden als Dank für die Treue und lange Zusammenarbeit ein kleines Präsent zukommen lassen. Das Feedback darauf war sehr positiv und hat uns wirklich gefreut. Das zeigt uns, dass wir doch vieles richtig gemacht haben. Und es ist ein Ansporn, weiterhin für unsere Kunden da zu sein und gemeinsame Lösungen zu finden.

Michael Menke , Geschäftsführer , PB Factoring GmbH
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