Trust Bills - eine Marktplatz-Plattform für Handelsforderungen

Interview mit Jörg Hörster und Markus Wohlgeschaffen

Jörg Hörster ist Gründer der TrustBills GmbH. Er fungiert als Geschäftsführer des Hamburger Unternehmens.

Das Hamburger Startup Trust Bills will eine Marktlücke füllen: Bislang sei es schlicht und einfach nicht möglich gewesen, durch einen Filter auf einer Website aus einem großen Pool von Handelsforderungen ein nach Investorenpräferenzen geeignetes Portfolio zusammenzustellen und mit integriertem Bestandsführungs-, Risikomanagement-, Meldewesen- und Buchführungssystem zu verwalten. Die beiden Manager des Startups sprechen im Interview unter anderem von ihren weiteren Zielen und der Zukunft des Forderungsmanagements.

Herr Hörster und Herr Wohlgeschaffen: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, im Bereich des Forderungsmanagements aktiv zu werden? Sahen Sie hier veraltete Strukturen und somit eine gute Marktlücke für ein Unternehmen wie das Ihre?

Hörster: Wenn wir die derzeitige Struktur des Marktes für Forderungsmanagement betrachten, dann drängt sich leicht der Vergleich mit einem Flohmarkt auf. Es gibt keine echte Preisbildung, die Prozesse sind langsam und beschwerlich, die Käufer haben keinen Überblick über das Gesamtangebot, und die Verkäufer können sich nicht an den gesamten Markt wenden. Mit unserem Startup verfolgen wir ein ähnliches Prinzip, wie es bereits Ebay erfolgreich angewendet hat. Wir versuchen, für Unternehmen und Investoren einen schnellen, fairen und bequem bedienbaren globalen Marktplatz für Handelsforderungen zu schaffen. Trust Bills ist zum einen schnell durch Anwendung von Verfahren der künstlichen Intelligenz sowie Echtzeit-Auktionsmechanismen und andererseits auch fair, da Forderungsverkäufer ihre nationalen und internationalen Forderungen - auch Einzelforderungen - in selbstbestimmtem Mindestpreis, Umfang und Zeitrahmen auf einem offenen Markt anbieten können.

Unser Startup ist zudem anwenderfreundlich und bequem in der Handhabung, da von Anfang an bei der Gestaltung der Benutzeroberfläche die Sicht des Praktikers bedacht wurde - beispielsweise durch Optionen wie dem Upload aus ERP-Systemen, automatisierte Einholung von Bestätigungen sowie eine automatisierte Zahlungsabwicklung in einer offenen oder aber auch stillen Zession.

Für institutionelle Investoren und Banken bieten wir die kostengünstigste Möglichkeit, Zugang zu einem hoch profitablen Markt mit sehr attraktivem Risikoprofil und kurzer Kapitalbindung zu erlangen. Bislang war es schlicht und einfach nicht möglich, durch einen Filter auf einer geschützten Website aus einem großen Pool von Handelsforderungen ein nach Investorenpräferenzen geeignetes Portfolio zusammenzustellen und mit integriertem Bestandsführungs-, Risikomanagement-, Meldewesen- und Buchführungssystem zu verwalten. Unser neues Unternehmen wird all dies leisten.

Wo stehen Sie im Lebenszyklus - sind Sie noch im Aufbau oder wird auf der Plattform schon gehandelt?

Wohlgeschaffen: Wir haben lange verschiedene Konzepte analysiert, Innovationen programmiert und Beta-Versionen getestet. Diese Phase ist erfolgreich abgeschlossen, und wir stehen in den Startblöcken. Mit anderen Worten, die Plattform ist fertig, und wir bereiten jetzt prozessual den operativen Marktstart vor.

Was sind die kurz- und mittelfristigen Ziele ihrer Unternehmung?

Hörster: Zunächst ist unser ausdrückliches Ziel, die Plattform erfolgreich in den Markt einzuführen und Forderungsverkäufern und Investoren im Umgang mit dem neuen Marktplatz eine überzeugende Benutzererfahrung zu bieten. Mit unserem Spezialistenteam aus Programmierern, Branchen- und Fachexperten haben wir in jeder Phase unserer Unternehmensentwicklung haarscharf auf bestmögliche Kunden- und Benutzerfreundlichkeit geachtet, und dieses Prinzip wollen wir bei der weiteren Entwicklung nicht aus den Augen verlieren.

Mittelfristig ist es daher zunächst einmal unser Ziel, die Skalierbarkeit der Plattform international zu fördern, um möglichst vielen Anwendern den Zugang zu dem Marktplatz zu ermöglichen. Daneben arbeiten wir bereits an sehr interessanten Weiterentwicklungsmöglichkeiten.

Welche Art der Forderungen sollen auf dem Marktplatz gehandelt werden?

Wohlgeschaffen: Alle Arten von Handelsforderungen mit einem Nennwert von mindestens 15 000 Euro. Das heißt, wir schließen B2C-Forderungen aus.

Wer sind potenzielle Nutzer Ihrer Plattform - wer stellt Forderungen zum Verkauf, wer sind die Käufer?

Wohlgeschaffen: Marktteilnehmer sind Unternehmen, die seit mindestens drei Jahren am Markt existieren und die bei einer unserer Partnerbanken einen KYC-(Know-Your Client)-Prozess im Rahmen einer Kontoeröffnung durchlaufen haben. Typischerweise agieren Industrie- und Dienstleistungsunternehmen eher als Forderungsverkäufer und institutionelle Investoren und Asset Manager eher als Forderungskäufer. Für Letztere werden Forderungen erst durch unser Unternehmen zur Anlagealternative, weil zuvor das kleinteilige Geschäft mit Forderungen schlicht zu heterogen und daher in der Verarbeitung zu teuer war. Durch die Funktionalitäten auf unserer Plattform entfallen jedoch die Rüstkosten.

Welche Funktion erfüllt eigentlich der Marktplatz in diesem gesamten Prozess?

Hörster: Das entscheidende Novum ist die Erschaffung einer neutralen Marktplatz-Plattform für Handelsforderungen, die keine Finanzberatungs- oder Finanzvermittlungsdienstleistung erbringt. Die Preise werden einzig und allein durch den Markt der Teilnehmer im Rahmen eines Auktionsprozesses ermittelt.

Manche Fintechs scheinen den Fehler zu machen, ihre Dienste komplett kostenlos anzubieten. Wie wird denn Ihr Unternehmen Geld verdienen? Wer zahlt die Gebühren?

Wohlgeschaffen: Es gibt ein sehr einfach überschaubares Gebührenmodell: Eine Registrierungsgebühr, die jeder Teilnehmer bei der erstmaligen Anmeldung auf der Plattform entrichten muss. Ferner gibt es eine Postinggebühr für Forderungen, die der Forderungsverkäufer zu tragen hat sowie eine Transaktionsabschlussgebühr für den Forderungskäufer.

Forderung ist nicht gleich Forderung - wie werden die Preise ermittelt?

Wohlgeschaffen: Die Preise werden durch den Markt in einem Auktionsprozess ermittelt, wobei es dem Forderungsverkäufer freisteht, einen beliebigen Mindestpreis zu setzen.

Wie ist die im Mai verkündete Beteiligung der DZ Bank an Ihrem Startup zu bewerten?

Hörster: Die DZ Bank ist die erste von einer Reihe von Banken, die wir als Konsortium hinter Trust Bills für eine internationale Kundenabdeckung zusammenführen wollen. Wir sind über das frühe Engagement des Kreditinstituts als Innovationsvorreiter sehr glücklich. Die Tatsache, dass die DZ Bank gemeinsam mit uns neue Wege beschreitet, zeigt zudem, dass unser Konzept auf soliden realwirtschaftlichen Füßen steht. In einer ersten Verprobung haben uns bereits Kunden der genossenschaftlichen Finanzgruppe attestiert, dass unser Angebot das ist, worauf sie schon lange für Ihr Working Capital Management gewartet haben. Wir freuen uns deshalb, die Plattform gemeinsam mit der genossenschaftlichen Finanzgruppe an den Start zu bringen.

Was ist das Kalkül hinter dieser Partnerschaft?

Hörster: Wir arbeiten nicht gegen die Banken, sondern mit ihnen, um Kundenlösungen anzubieten, die in den Finanzinstituten aus eigener Kraft nicht so schnell entwickelt werden können. Gleichzeitig profitieren wir in unserer Partnerschaft von dem sicheren und vertrauensvollen Umgang mit Kundenverbindungen, die weiterhin bei den Instituten bleiben.

Wird die DZ Bank als 25-prozentiger Anteilseigner auf die Abläufe Ihres Unternehmens aktiv Einfluss nehmen?

Wohlgeschaffen: Ja und nein. Ja, es gibt ein Gremium, das explizit spezifisches Knowhow von den Partnerbanken für Trust Bills integriert. Und nein, wir sind eine eigenständige Firma mit unabhängigem Management. Außer der DZ Bank werden noch weitere Banken in das Konsortium kommen.

Was kommt an Überzeugungsarbeit gegenüber Forderungsverkäufern und institutionellen Anlegern noch auf Sie zu? Befürchten Sie Skepsis hinsichtlich Themen wie Datenschutz und Geldwäsche?

Wohlgeschaffen: Sowohl beim Thema Datenschutz wie auch beim Thema Geldwäsche können wir überzeugende Lösungen anbieten. Was Datenschutz angeht, haben wir - auch durch Deutschland als Firmensitz und Serverstandort - ein hohes Niveau an Sicherheit. Das Thema Geldwäsche ist dadurch adressiert, dass alle Marktplatzteilnehmer KYC-und AML-(Anti-Money-Laundering)-Prozesse bei unseren Partnerbanken durchlaufen müssen, bevor ihnen der Handel auf Trust Bills eröffnet wird.

Ist ein digitales Forderungsmanagement nicht in besonderem Maße betrugsanfällig?

Wohlgeschaffen: Die Betrugsprävention ist natürlich eine wichtige Aufgabe. Da wie bereits beschrieben sämtliche Marktplatzteilnehmer durch das Durchlaufen eines KYC-Prozesses bei einer Partnerbank authentifiziert sind, können wir Betrugsfälle verfolgen und Verantwortliche in die Haftung nehmen. Mit Methoden der künstlichen Intelligenz werden wir Betrugsmuster bereits prophylaktisch mit dem Ziel durchschauen, den Betrug bereits zu stoppen, bevor er begangen wird.

Fallen Sie deshalb auch unter die Aufsicht der BaFin? Wie schätzen Sie allgemein die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland ein? Kann sich hierzulande kreatives Potenzial entfalten?

Hörster: Ein hohes rechtliches Schutzniveau ist für uns ein guter Nährboden für Innovation, weshalb wir uns bewusst für Deutschland als Firmensitz und Serverstandort entschieden haben. Mit der BaFin sind wir bereits im Dialog.

Sie wenden sich gezielt an internationale Anleger. Inwieweit sind dabei Fragen des internationalen Rechts bei Transaktionen relevant?

Wohlgeschaffen: Sie sind höchstrelevant. Unter der Leitung unseres Chief Legal Officers wird eine Regelmatrix für internationale Transaktionen aufgebaut und in die Logikarchitektur der Plattform integriert. Diese umfasst unter anderem zivilrechtliche Abtretungsprozesse, Anlegerschutz, Datenschutz, Steuerfragen und Embargos.

Abschließend noch ein kurzer Blick in die Zukunft des Forderungsmanagements. Welche Megatrends lassen sich ausmachen?

Hörster: Die Megatrends sind leider gar nicht so weit weg. Wir müssen bereits den Brexit in die Überlegungen mit einbeziehen und stellen auch in juristischer Sicht einen Trend zur Renationalisierung fest. Weitere wichtige Megatrends sind der Anlagenotstand (Stichwort: Negativzinsen), Geldschwemme, veränderte Produktionsstandorte und zukünftig auch neuere Verfahren des 3D-Drucks, die allesamt einen nachhaltigen Einfluss auf künftige Waren- und Finanzströme haben. Daher ist aus unserer Sicht die Einführung eines flexiblen und vor allem globalen Marktplatzes für Handelsforderungen eine längst überfällige Finanzinnovation im immer schneller werdenden und zyklisch wechselhafteren nationalen und internationalen Handelsgeschäft.

Das Interview führte Philipp Hafner, Redaktionsvolontär, Verlagsgruppe Knapp/Richardi

Philipp Hafner , Leitender Redakteur, Immobilien & Finanzierung , Helmut Richardi Verlag

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X