Die Übernahme der Deutschen Factoring ist eine strategische Entscheidung

Interview mit Kai Ostermann

Kai Ostermann ist Vorstandsvorsitzender der Deutsche Leasing AG, Bad Homburg v. d. Höhe

Weg vom reinen Leasing-Unternehmen, hin zum Full-Service-Anbieter für das gesamte Spektrum des Anlagevermögens wie des Umlaufvermögens. Mit der im August endgültig fixierten mehrheitlichen Übernahme der Deutschen Factoring macht sich die Deutsche Leasing noch ein Stück unentbehrlicher. Im Redaktionsgespräch erläutert Vorstandschef Kai Ostermann die strategischen Überlegungen, die weiteren Schritte der Integration und den Nutzen für das eigene Haus ebenso wie für die Sparkassen und deren Kunden. Mit einem Marktanteil von derzeit etwa zwölf Prozent ist die Sparkassen-Finanz gruppe gemessen an ihrer sonstigen Bedeutung im Firmenkundengeschäft in diesem Geschäftsfeld unterrepräsentiert. Diese Lücke muss von Ostermann und Kollegen nun geschlossen werden.

Welche Zukunft hat Leasing unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen wie niedrigen Zinsen, wie zunehmender regulatorischer Dichte, wie langsamer wachsender Konjunktur, wie hoher politischer Unsicherheit?

Leasing zeichnet sich seit jeher nicht nur durch eine Finanzierungsfunktion aus, sondern immer auch durch eine Servicefunktion. Dabei handelt es sich teils um eine gewisse Flexibilität, die schon im Vertrag enthalten ist wie beispielsweise das Rückgaberecht bei einem Autoleasing, teils um ergänzende Servicefunktionen. Das ist der größte Unterschied zu einem reinen Bankprodukt und spielt in Zeiten, in denen der Zins quasi abgeschafft ist, natürlich eine größere Rolle.

Hinzu kommt der Trend zur sogenannten Sharing Economy, sprich, Menschen wollen und müssen nicht mehr an allem Eigentum haben. In eine solche Welt passt Leasing sehr gut und ist somit sehr modern.

Wo sind in diesem Umfeld trotz der Vorzüge des Leasings die größten Herausforderungen zu sehen?

Da ist zunächst das Zinsumfeld. Dieses setzt den gesamten Markt der Banken und Finanzdienstleister unter Ertragsdruck und auch bei Leasing-Gesellschaften ist seit geraumer Zeit eine Ertragserosion über einen Teil des Ergebnisses zu beobachten.

Das nächste Thema ist die Digitalisierung, von der bislang vor allem Geschäfte mit privaten Kunden betroffen sind. Ich bin aber sicher, dass die Entwicklung mit einer kleinen Zeitverzögerung in den kommenden Jahren auch auf Firmenkunden und Leasing überschwappen wird. Das wird genauso den Markt, also Multikanal- und Online-Angebote, wie interne Prozesse betreffen. Hier stellt sich bei ganz vielen Finanzdienstleistern das Problem der veralteten IT-Strukturen. Als dritte Herausforderung ist unverändert die Regulierung zu sehen.

Wie ist der Erfolg Ihres Hauses vor diesem Hintergrund zu werten, ist er noch aussagekräftiger?

Der Deutschen Leasing ist es unter diesen Bedingungen gelungen, zu wachsen und ihr Ergebnis stabil zu halten beziehungsweise in den vergangenen beiden Jahren sogar leicht zu steigern. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn die Ertragserosion durch die niedrigen Zinsen muss entweder über Kosteneinsparungen oder zusätzliches Geschäft ausgeglichen werden.

Führen die niedrigen Zinsen nicht auch dazu, dass mehr investiert wird?

Generell befördern niedrige Zinsen Investitionen. Diese Grundüberlegung ist sicherlich richtig. Aber ich sehe nicht mehr, dass diese Politik noch wirkt. Wer bei 1,5 Prozent nicht investiert, wird dies auch bei 1,0 Prozent nicht tun - und wenn eine Investition nur mit dieser Zinssenkung möglich ist, dann ist das Engagement insgesamt fraglich. Investitionen werden also nicht nur von den Zinsen bestimmt, sondern vor allem auch von den Erwartungen an die Zukunft. Und die sind heute eher schlechter geworden. Bei den Unternehmen wächst die Sorge vor dem Rückschlagsrisiko. Zudem sorgt die Fülle an unkonventionellen Maßnahmen zu wachsenden Zweifeln an der wirtschaftlichen Stärke, nach dem Motto: Wenn das alles nötig ist, wie schlimm ist die Lage dann tatsächlich. Unsicherheit ist ein sehr schlechter Innovationsmotor.

Setzen Unternehmen heute mehr eigene Mittel ein als früher?

Ja, absolut. Bevor Strafzinsen bei den Banken fällig werden, investieren die Unternehmen ihr eigenes Kapital und nehmen keine oder viel weniger Finanzierungen in Anspruch als früher. Trotzdem, und da sind wir wieder bei der Bewertung des Status quo für die Deutsche Leasing, wachsen wir in unserem Kernmarkt Deutschland.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Sparkassen? Vermitteln die Primärbanken mehr Leasing oder nehmen sie Finanzierungen auf die eigenen Bücher?

Wir haben im Vergleich aller Vertriebswege das größte Wachstum im Verbundgeschäft. Mit dem Sparkassen-Leasing und unserem standardisierten Angebot DL-Direkt für kleinere Firmenkunden und Geschäfts- und Gewerbekunden wachsen wir deutlich zweistellig. Von Zurückhaltung der Sparkassen bei der Vermittlung von Leasing-Angeboten kann also keine Rede sein. Hier zahlt sich das hohe Maß an Integration aus, das die Zusammenarbeit von Sparkassen und Deutscher Leasing seit Jahren auszeichnet.

Wir docken mit unserem integrierten Angebotssystem direkt an OSPlus an, sodass der Sparkassenberater sofort Zugang zu unseren Produkten und Dienstleistungen hat, es gibt gemeinsame Werbemaßnahmen, und wir sind flächendeckend mit eigenen Mitarbeitern präsent. Und mit Start des neuen Geschäftsjahres werden wir unseren Vertrieb noch systematischer mit den Sparkassen verzahnen.

Eine Antwort der Leasing- Unternehmen auf die angesprochenen Herausforderungen ist die Verbreiterung oder Vertiefung der Wertschöpfungskette: Die Deutsche Leasing hat im August die Deutsche Factoring Bank übernommen. Wie ist dieser Schritt zu bewerten?

Wir haben 2012 mit der Übernahme der Universal Factoring erste Schritte in den Factoring-Markt hinein gemacht. Dieses Engagement war sehr erfolgreich, Leasing und Factoring sind komplementäre Produkte. Als sich dann die Möglichkeit ergab, die Anteile der Landesbanken an der Deutschen Factoring Bank zu übernehmen, mussten wir nicht lange überlegen. Wir haben dann im August unsere Factoring-Aktivitäten der Universal Factoring und der Deutschen Factoring Bank zusammengeführt.

Das war eine strategische Entscheidung und ein Meilenstein in unserer Entwicklung. Factoring ist für uns ein strategisches Wachstumsfeld und wir wollen mit der Deutschen Factoring Bank perspektivisch zu den Top 3 der Anbieter in Deutschland gehören. Grob überschlagen setzen wir ein Factoring-Volumen von gut 15 Milliarden Euro in neuer Aufstellung um. Und wir sehen im Factoring-Geschäft noch weiteres beträchtliches Potenzial.

Wächst der Factoring-Markt immer noch schneller als der Leasing-Markt?

Der Factoring-Markt ist über Jahre hinweg mit deutlich mehr als zehn Prozent gewachsen und entwickelt sich sehr dynamisch. Der Leasing-Markt wächst weniger stark, dafür aber auf hohem Niveau.

Was sind die Hauptunterscheide zwischen dem Leasing-Geschäft und dem Factoring?

Factoring ist ein sehr viel kurzfristigeres Geschäft. Die Laufzeiten der einzelnen Forderungen liegen bei 30 bis 40 Tage, aber natürlich ist es ein revolvierendes Geschäft. Beim aktuellen Factoring-Umsatz liegt die Bilanzsumme bei etwa zwei Milliarden.

Ist im Factoring mehr zu verdienen?

Dieser Vergleich ist sehr schwer. Die Zins- und Gebührenstrukturen im Factoring sind sehr unterschiedlich, abhängig davon, welche Serviceleistungen die Kunden über das reine Factoring hinaus in Anspruch nehmen. Fakt ist, sowohl im Leasing als auch im Factoring sind die Margen durch die EZB-Politik unter Druck.

Wie verändert sich die Positionierung Ihres Hauses innerhalb des Sparkassen-Verbunds durch die neue, breitere Aufstellung?

Die Deutsche-Leasing-Gruppe wird innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe auch zentraler Anbieter für Factoring. Unser Angebot umfasst künftig die komplette Wertschöpfungskette - Finanzierung und Services für das Anlagevermögen genauso wie für das Umlaufvermögen. Beide Produkte, Leasing wie Factoring, zielen in erster Linie auf den Mittelstand ab, als Kernkunden der Sparkassen in Deutschland. Für die Sparkassen ist es effizienter, wenn sie beide Produkte quasi "aus einer Hand" angeboten bekommen.

Entsteht aber durch diese Bündelung von Aktivitäten innerhalb der S-Finanzgruppe zu immer größeren Verbundunternehmen nicht auch ein Klumpenrisiko? Wenn es der Deutschen Leasing schlecht geht, geht es doch gleich dem gesamten Leasing- und Factoring-Angebot der Sparkassen schlecht, oder?

Ich denke, dass das noch in einer guten Verhältnismäßigkeit steht. Die Bilanzsumme der Deutschen Leasing liegt derzeit bei rund 17 Milliarden Euro. Wenn man die rund zwei Milliarden Euro Bilanzsumme der Deutschen Factoring Bank dazu nimmt, stellt dies die Verhältnisse nicht auf den Kopf. Wenn man die Fokussierung auf einen etablierten Anbieter hinterfragt, muss man aber auch abwägen, ob man überhaupt eine Zukunftsperspektive mit vielen kleinen Anbietern hätte, oder ob die Markterfordernisse diese Konsolidierung nicht vorschreiben. Allein die Regulatorik stellt heute eine sehr hohe Hürde dar. Leasing und Factoring unterliegen mittlerweile erheblichen regulatorischen Anforderungen.

Der DSGV-Präsident, Georg Fahrenschon, erwartet, dass der Marktanteil der Sparkassen im Factoring nun deutlich steigen wird: Wo liegt dieser Marktanteil und was ist realistisch zu erreichen?

Der Factoring-Umsatz hat in Deutschland in den letzten zehn Jahren durchschnittlich um 15 Prozent pro Jahr zugenommen. 2015 wurde die 200- Milliarden-Euro-Grenze geknackt. Der Marktanteil der Sparkassen-Finanzgruppe liegt bei zwölf oder 13 Prozent. Das ist absolut unterproportional zur Bedeutung der Finanzgruppe in diesem Geschäft insgesamt. Im Firmenkreditgeschäft liegt der Marktanteil der Sparkassen bei 24 Prozent, bei kleineren Mittelständlern sogar spürbar darüber. Hier steckt viel Potenzial, denn die Kunden der Sparkassen machen durchaus Factoring, allerdings bislang mit anderen, verbundfremden Anbietern. Das wollen und das können wir ändern, denn die Ausgangsbasis mit Deutscher Leasing und Deutscher Factoring Bank ist sehr gut. Das Potenzial im Factoring-Markt wird auch im Vergleich mit dem europäischen Ausland deutlich: Die Factoring-Quote in Deutschland liegt mit sieben Prozent deutlich unter der Quote anderer europäischer Staaten - in Frankreich, Italien, Spanien liegt sie bei jeweils elf Prozent und in Großbritannien sogar bei 16 Prozent.

Allerdings ist Ihr Haus nur Mehrheitseigentümer, nicht alleiniger Besitzer der Deutschen Factoring Bank. Drohen hier Reibungsverluste?

Nein. Wir haben Anteile von den Landesbanken übernommen und halten heute 53 Prozent. Neben der Deutschen Leasing bleiben die Freien Sparkassen, unter anderem die Haspa Finanzholding, mit einem Anteil von 35 Prozent und die Berliner Sparkasse mit einem Anteil von zwölf Prozent weiterhin Gesellschafter der Deutschen Factoring Bank. Das war die Wunschkonstellation. Wir haben die Factoring-Aktivitäten der Universal Factoring mit der Deutschen Factoring Bank unter dem Dach der Deutschen Leasing gebündelt und so eine schlagkräftige Gesellschaft gegründet. Die Fachkompetenz der Factoring-Spezialisten bleibt erhalten und wird ergänzt durch die Vertriebsstärke und das Netzwerk der Deutschen Leasing in den Verbund hinein.

Was sind nun die kommenden Schritte der Integration?

Die Transaktion ist Mitte August vollzogen worden. Damit ist die Deutsche Factoring Bank in neuer Aufstellung nun Teil der Deutsche-Leasing-Gruppe.

Nun folgt die organisatorische Zusammenführung der beiden Factoring-Einheiten, damit eine gemeinsame Organisation entstehen kann. Hier geht es um die gemeinsame Strategiegestaltung ebenso wie die Integration von Prozessen bis hin zu IT-technischen Fragestellungen. Das wird sicherlich noch einige Monate dauern. Bei all dem wird die Deutsche Factoring Bank ein hohes Maß an unternehmerischer Eigenständigkeit behalten.

Wie hoch sind erreichbare Synergien, wie hoch die Integrationskosten?

Die Übernahme ist eine strategische Übernahme. Uns geht es vor allem darum, Marktpotenziale zu realisieren und weniger darum, die letzte Kostensynergie freizusetzen. Die Deutsche Factoring Bank hat jetzt circa 160 Mitarbeiter. Das erklärte Ziel ist es, deutlich mehr Geschäft zu machen, um zu wachsen.

Sie sagten, das Angebot richtet sich primär an die mittelständischen Kunden der Sparkassen: Wird es darüber hinaus auch Direktgeschäft geben?

Ja, es wird beides geben, wie im Leasing auch. Die Sparkassen sind der wichtigste Vertriebspartner, im Leasing beträgt der Anteil der Sparkassen am Neugeschäft etwa 40 Prozent. Das heißt aber auch, dass 60 Prozent über andere Vertriebswege zustande kommen. Wenn wir die Möglichkeiten im Asset Finance heben wollen, muss es ein Sowohl-als-auch-Ansatz sein. Primäres Ziel dabei ist es, die brach liegenden Potenziale im Verbund zu heben. Hierbei zielen wir gleichermaßen auf die eigenen Kunden der Deutschen Factoring Bank, auf die Kunden der Sparkassen und auf die Kunden der Deutschen Leasing.

Wie sieht es im Auslandsgeschäft aus?

Bereits heute ist die Deutsche Factoring in nennenswerter Größenordnung im Auslandsgeschäft tätig. Gleichwohl sehe ich hier weitere Chancen, gerade wenn ich an die breite Auslandspräsenz unseres Hauses denke.

Sind damit die externen Wachstumsmöglichkeiten für die DL-Gruppe erschöpft? Kommen auch Opportunitäten außerhalb des Verbundes in Betracht?

Im Wesentlichen geht es nun darum, organisch zu wachsen. Dafür gibt es in der neuen Konstellation auch ausreichend Möglichkeiten. Dazu gehört vor allem die Neuausrichtung unseres Leasing-Vertriebs auf die Sparkassen. Wir wollen eine noch engere Zusammenarbeit, organisieren daher den Vertrieb noch stärker an den Bedürfnissen der Sparkassen und bauen auch Personal auf. Und wir müssen das Wachstumspotenzial im Factoring jetzt erst einmal erschließen. Man darf auch nicht vergessen, dass die Strukturen mit dem Volumen mitwachsen müssen.

Das Interview führte Philipp Otto, Chefredakteur der FLF.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft
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