Aufsätze

ABS "Made in Germany" bewegte Zeiten

Der deutsche Verbriefungsmarkt erfährt gerade seine bislang vielleicht härteste Bewährungsprobe, wofür der griffige Terminus "Subprime Mania" geprägt wurde. Ingredienzien wie ein überhitztes Segment des US-amerikanischen Immobilienmarktes, dessen spezifische Kreditrisiken in größerem Umfang via Verbriefung am Kapitalmarkt platziert wurden, massenweise Ratingherabstufungen durch die Agenturen, Schieflagen bei ohnehin stets argwöhnisch betrachteten Hedge Funds, die intensiv in US Subprime RMBS, aber auch andere strukturierte Kreditprodukte investiert sind sowie jüngst Hiobsbotschaften aus der deutschen Bankenszene haben viele Marktteilnehmer in höchste Nervosität versetzt.

Nervosität gepaart mit technischen Reaktionen

Der Primär-Markt ist zwischenzeitlich nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, die Liquidität des Credit-Marktes versickerte binnen weniger Tage nahezu vollständig. Milliardenschwere "Bid-Listen" vor allem betroffener Hedge Funds erzeugten zusätzlichen Druck, auch auf nicht unmittelbar betroffene Asset-Klassen. Die Credit Spreads schossen nach oben, und die Indexstände, zum Beispiel der iTraxx-Familie stiegen im Vergleich zum Juni binnen weniger Wochen auf mehr als das doppelte an.

All dies geschah und geschieht, ohne dass sich abgesehen von der Thematik "Subprime" fundamental irgendetwas ereignet hat, was sich unmittelbar negativ auf die zukünftige Performance des Credit-Marktes im Allgemeinen sowie des ABS-Marktes im Besonderen auswirkt. Die Gefahr eines "Spill over" auf andere Asset-Klassen und letztlich auf dem Umweg über einen "Credit Crunch" auch auf die Realwirtschaft wird diskutiert. Während nicht unmittelbar von der Subprime-Krise betroffene Produkte, also grundsätzlich alle mit Ausnahme von Subprime RMBS und einigen CDOs auf ABS mit Subprime-Positionen im Portfolio regelrecht in Sippenhaft genommen werden, ist der größte Teil dessen, was aktuell am Markt geschieht, auf Sentiment und Nervosität gepaart mit technischen Reaktionen zurückzuführen. Ausreichende Informationen und Transparenz können jedoch erheblich dazu beitragen, Überreaktionen zu vermeiden, eine differenzierte Betrachtungsweise beizubehalten und letztlich einen kühlen Kopf zu bewahren.

Eine Betrachtung des deutschen ABS-Marktes ist ohne "Benchmark" wenig aussagekräftig, weshalb zunächst kurz der europäische Markt in seiner Struktur und Entwicklung analysiert werden soll. Dieser verzeichnete in den letzten Jahren explosionsartige Wachstumsraten von durchschnittlich 30 Prozent beim Neuemissionsvolumen und stellte damit die "Konkurrenz" in Form von Unternehmensanleihen und Covered Bonds deutlich in den Schatten. Im vergangenen Jahr erhöhte sich das Neuemissionsvolumen nochmals drastisch um 57 Prozent, so dass mit 467 Milliarden Euro ein neuer Rekord aufgestellt wurde. Im Jahr 2007 deutete - bislang - wiederum alles auf ein neues Rekordjahr hin. Die Steigerungsrate des 1. Halbjahrs im Vergleich zum Vorjahreszeitraum betrug 67 Prozent bei Neuemissionen von 293 Milliarden Euro (Abbildung 1).

Der europäische Kontext

Treibende Kraft des europäischen Verbriefungsmarktes sind traditionell die immobilienbezogenen Asset-Klassen RMBS und CMBS, auf die in diesem Jahr rund 73 Prozent des Neuemissionsvolumens entfallen. Weit abgeschlagen folgen CDOs mit 20 Prozent und ABS mit sieben Prozent. Ein Subprime-RMBS-Segment wie in den USA existiert in Europa bislang lediglich in UK. Daneben finden sich einzelne Transaktionen aus Irland und jüngst den Niederlanden. Strukturell gibt es insoweit jedoch erhebliche Unterschiede, da im Hinblick auf Beleihungsobergrenzen und "Affordability Produkte" der "europäische" Subprime-Markt bei weitem nicht so aggressiv wie der amerikanische von den Kreditgebern penetriert wurde. Von den 210 Milliarden europäischen RMBS des laufenden Jahres entfallen deutlich weniger als zehn Prozent auf das Subprime-Segment.

Deutschland nimmt aktuell mit einem Marktanteil von 4,4 Prozent und etwa 15 Milliarden Euro wie in den beiden Vorjahren den fünften Platz in der Reihenfolge der europäischen Verbriefungsländer, also ohne Berücksichtigung der in Europa aktiv vermarkteten und in Euro denominierten australischen RMBS, ein. Bestandsaufnahme des deutschen ABS-Marktes

Nachdem der deutsche Markt - gemessen am emittierten Anleihevolumen - lange Zeit wegen seiner weitgehenden Limitierung auf synthetische Transaktionen "unter ferner liefen" rangierte, gab es im Jahr 2005 einen gewaltigen Schub. Dieser resultierte ebenso wie derjenige im Folgejahr 2006 primär aus Aktivitäten in den beiden Asset-Klassen SME-CLOs und Multi-Family Housing CMBS. Im bisherigen Spitzenjahr 2006 wurde ein Neuemissionsvolumen von 34,5 Milliarden Euro erreicht (Abbildungen 3 und 4).

Bei den SME-CLOs gesellte sich zu den bekannten "Balance Sheet-CLOs" (im Wesentlichen Promise und Geldilux) die neue Spezies der "Capital Market CLOs" in Form von Mezzanine und Schuldschein-Darle-hen-Verbriefungen hinzu. Motiv dieser Transaktionen ist nicht mehr Bilanzentlastung oder Refinanzierung, sondern die Generierung von Arbitragegewinnen. Viele Banken setzten entsprechende Plattformen auf und vergaben Finanzierungen in Gestalt von Nachrangdarlehen, Genussrechten oder eben Schuldscheindarlehen mit dem Ziel, diese wiederum am Kapitalmarkt zu platzieren. Leider achtete man gerade in der Anfangsphase der Mezza-nine-CLOs nicht ausreichend darauf, Überlappungen in den Portfolios zu vermeiden so dass einige Ausfälle, allen voran die NICI AG, gleich mehrere Transaktionen traf.

Der Boom von Multi-Family-Housing (MFH)-CMBS ergab sich aus dem Appetit vor allem US-amerikanischer Real Estate Opportunity Funds auf deutsche Wohnimmobilien. Sie erwarben große Portfolios an Mehrfamilien-Häusern von der öffentlichen Hand sowie von Industrieunternehmen und refinanzierten diese Akquisitionen mittels CMBS am Kapitalmarkt. Man erachtete den deutschen Immobilienmarkt im europäischen Vergleich als unterbewertet und hoffte darauf, nach Renovierungen Mieterhöhungen durchsetzen sowie in größerem Umfang die Wohnungen an die Mieter veräußern zu können. Die Euphorie hat sich inzwischen etwas gelegt, und soweit ersichtlich, haben viele Transaktionen Schwierigkeiten, ihre ursprünglichen Busi-ness-Pläne einzuhalten.

"Ladehemmung" bei RMBS-Transaktionen

RMBS-Transaktionen zu Refinanzierungszwecken haben bis heute, anders als im Rest Europas, keine besondere Rolle gespielt. Auch die Neuemissionen des Jahres 2007, also auch nach Einrichtung des Refinanzierungsregisters, entfallen vollständig auf die Asset-Klassen Auto ABS, SME-CLOs sowie CMBS. Für die "Ladehemmung" dieser in Rest-Europa so dominanten Asset-Klasse gibt es vermutlich mehrere Gründe, unter anderem die sehr lange Pfandbrieftradition, ein langjährig stagnierender Immobilienmarkt, ein tendenziell rückläufiges Neugeschäft bei privaten Immobiliendarlehen, die große Bedeutung von Spareinlagen als Finanzierungsquelle bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Erschwerend kamen lange Zeit rechtliche Hürden für True-Sale-Transaktionen hinzu. Die Vorteilhaftigkeit synthetischer Verbriefungen verschlechtert sich zudem sukzessive bis zur endgültigen Umsetzung von Basel II im Jahr 2010. Britische Beispiele zeigen eindrucksvoll die Möglichkeiten eines "Verbriefungs-Baukastens" mit einer Kombination aus True Sale und synthetischen Verbriefungen, Master-Trust- und Stand-Alone-Transaktionen, First-Loss-Verbriefungen sowie letztlich Integration von Covered Bonds und RMBS in einem einzigen Verbriefungs-Vehikel.

Bis dahin ist es in Deutschland aber noch ein weiter Weg. Überlegungen, in Deutschland ein Subprime-RMBS-Segment nach britischem Vorbild zu etablieren, dürften in Anbetracht der gegenwärtigen Situation nur mit Schwierigkeiten umzusetzen sein, auch wenn man selbst über diese Asset-Klasse nicht abschließend den Stab brechen sollte. Aus den aktuellen Erfahrungen könnte man durchaus Lehren ziehen, um es "besser zu machen" als bislang in den USA.

Kontinuierliche Information erforderlich

In Anbetracht der aktuellen Marktgeschehnisse soll im perspektivischen Teil dieses Beitrags anstelle der üblichen Schätzung zukünftiger Emissionsvolumina und Asset-Klassen-Verteilungen eine qualitative Betrachtung der Determinanten von Angebot und Nachfrage, aber nicht zuletzt auch von Informationen als Bindeglied zwischen beiden, angestellt werden. Informationen dienen in diesem "Modell" des Weiteren als Fundament für die Rahmenbedingungen des ABS-Marktes, unter denen Anbieter und Nachfrager agieren, sowie konstituieren die Basis für die Wahrnehmung des ABS-Marktes unter den Akteuren am Cre-dit-Markt, aber auch in der Öffentlichkeit (Abbildungen 5 und 6).

Was genau ist nun aber unter ABS-Markt relevanten "Informationen" zu verstehen? Wer stellt diese Informationen in welcher Form bereit? Zunächst fällt auf, dass das Thema "Verbriefung" beziehungsweise ABS in den Medien trotz der Größe des Marktes nach wie vor recht stiefmütterlich behandelt wird. Es wäre wünschenswert, wenn die aktuelle Krisenberichterstattung und die daraus resultierenden Kontakte zwischen Medien und Marktteilnehmern in eine kontinuierliche Information aller Interessierten auch in hoffentlich bald besseren Zeiten münden würde.

Transaktionsspezifische Informationen zur Struktur und zur laufenden Performance müssen von den Arrangern beziehungsweise Originatoren bereitgestellt werden, sind allerdings meist nicht allgemein zugänglich. Hier ist sicherlich das Angebot der TSI vorbildlich, auf deren Homepage alle relevanten Informationen zu TSI-Transaktionen, zumal in standardisierter Form, abgerufen werden können.

Entwicklung von Indizes für ABS

ABS werden, wie andere OTC-Produkte auch, fast nur per Telefon gehandelt. Entsprechend finden sich Preisstellungen ausschließlich auf Anfrage beim jeweiligen Handelstischr sowie indikativ in den Offer-Sheets der handelnden Banken. Die Entwicklung von Indizes für ABS steckt in Europa noch in den Kinderschuhen und Fortschritte in diesem Bereich würden der Transparenz und Akzeptanz des Marktes einen großen Schub geben. Wünschenswert wären separate Indizes für einzelne Asset-Klassen mit Sub-Indizes für die jeweiligen Rating-Segmente. Noch in diesem Jahr soll von den Datenanbietern CDS In-dex-Co und Markit mit dem ECMBS. EUR ein europäischer Index für CMBS eingeführt werden. Vielleicht gelingt es ja, eine entsprechende Indexfamilie für den deutschen ABS-Markt zu entwickeln.

Der TSI kommt eine wichtige Funktion zu, wenn es darum geht, Informationen aus dem eigentlichen Markt heraus an die Instanzen zu vermitteln, die für die (gesetzlichen) Rahmenbedingungen des ABS-Marktes, insbesondere deren Weiterentwicklung und Verbesserung, zuständig sind.

Nicht zuletzt stellt sie ein Forum dar, in dem sich Marktteilnehmer, die letztlich ja in Konkurrenzbeziehung zueinander stehen, austauschen und neue Ideen gemeinsam vorantreiben können. Insoweit verfügt Deutschland im europäischen Vergleich über einen einzigartigen Wettbewerbsvorteil, den es zu nutzen gilt. Große Bedeutung im Rahmen der Informationsbereitstellung kommt auch einem qualifizierten Research zu, dass zeitnah, objektiv und umfassend über das Marktgeschehen berichtet, strategische sowie relative Value-Empfehlungen ausspricht und Investoren auf Wunsch en détail Rede und Antwort steht. Adressaten des Informationsangebots sind neben Investoren als "Nachfragern" von ABS-Produkten auf der Angebotsseite insbesondere Originatoren von Verbriefungen, die eine Finanzierung über den Kapitalmarkt und/oder einen Risikotransfer anstreben. Ein laufender Informationsbedarf besteht insoweit stets, während ein tiefer gehender Input gerade bei potenziellen, neuen Originatoren gefragt ist.

Pool-Modelle für kleinere Institute

Hier ist insbesondere an kleinere Kreditinstitute aus dem Genossenschafts- sowie Sparkassensektor zu denken, für die sich Pool-Modelle anbieten. Des Weiteren sind hier aber auch Versicherungen, Corporates und die öffentliche Hand zu nennen.

Dieses Angebot bestimmt im Wesentlichen die zukünftige Bedeutung des deutschen ABS-Marktes, denn deutsche Assets, insbesondere granulare Portfolios aus Auto- oder Unternehmenskrediten, Leasingforderungen beziehungsweise Immobiliendarlehen sind bei ausländischen Investoren sehr gefragt. Gerade von Kreis-lauf-Modellen wie der VR Circle-Serie des Genossenschaftssektors kann der deutsche ABS-Markt in Zukunft einen wichtigen Impuls bekommen, wenn es gelingt diese zu Pool-Modellen mit "Kapitalmarkt-Exit" weiter zu entwickeln, indem die zugrunde liegenden Kreditrisiken in Form gerateter Anleihen einem breiten Kreis von Investoren angeboten werden.

Berücksichtigt man den erheblichen Marktanteil im Kreditgeschäft, der in Deutschland auf Sparkassen und Kreditgenossenschaften entfällt, die starke regionale Verwurzelung dieser Institute mit entsprechenden geografischen und branchenmäßigen Konzentrationen in den Kreditportfolios und dem daraus resultierenden Diversifizierungsbedarf, schlummert hier ein erhebliches Potenzial für "ABS made in Germany".

Der (deutsche) Verbriefungsmarkt wird seine Bewährungsprobe in Form der Sub-prime-Krise bestehen und es ist den aktuellen - in weiten Teilen irrationalen - Marktverwerfungen, die sich in den nächsten Wochen und Monaten auflösen werden, auch Positives abzugewinnen. Aller Voraussicht nach wird zukünftig hinsichtlich der "Qualität" von Verbriefungstransaktionen stärker differenziert werden, was auch eine entsprechende Preisdifferenzierung nach sich zieht. Hinsichtlich der Qualität brauchen sich deutsche ABS sicherlich nicht hinter ihren europäischen Peers zu verstecken, sodass sie weiterhin und vermutlich in noch größerem Maße ein attraktives Instrument für Finanzierung und Kreditrisikotransfer darstellen werden.

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