Aufsätze

Anmerkungen zum neuen Impairment-Vorschlag des IASB

Im März 2013 hat der IASB einen neuen Vorschlag zur Bildung von Wertberichtigungen veröffentlicht (ED/2013/3). Ausgangspunkt war der während der Finanzmarktkrise 2008 laut gewordene Vorwurf einer zu späten Berücksichtigung von Wertberichtigungen auf Forderungen und andere Finanzinstrumente durch die Vorschriften des IAS 39.1) Nach IAS 39 darf nur für eingetretene Verluste Risikovorsorge gebildet werden (Incurred Loss Model). Die im Zuge der Ablösung des IAS 39 durch IFRS 9 beabsichtigte Umstellung des Risikovorsorgemodells auf die Berücksichtigung erwarteter Verluste (Expected Loss Model) wurde von den Kreditinstituten begrüßt, zumal erwartet wurde, dass die Rechnungslegungsvorschriften stärker mit der internen Kreditrisikosteuerung und den aufsichtsrechtlichen Anforderungen von Basel II harmonisiert werden.

Kritik: hochkomplex und kaum umsetzbar

Mit dem ED/2009/12 "Financial Instruments: Amortised Cost and Impairment" hat der IASB im November 2009 einen Entwurf für ein neues Impairment-Modell vorgelegt, der heftig kritisiert wurde. Es wurde zwar konstatiert, dass die Neuregelungen konzeptionell überzeugen, aber hochkomplex und kaum umsetzbar seien.2) Ein wichtiger Grundgedanke des aktuellen Vorschlags war bereits Kern dieses ersten Modells: Bei Kreditvergabe wird das Ausfallrisiko über die Gesamtlaufzeit des Kredits unter Berücksichtigung von Sicherheiten geschätzt und in die Zinskonditionen eingepreist. Ein Kreditnehmer mit einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit wird bei sonst gleichen Bedingungen einen höheren Zins bezahlen müssen. Die auf das Ausfallrisiko entfallende Zinsmarge müsste eigentlich über die Zeit als Risikovorsorge angesammelt werden, um dann bei Bedarf erwartete und damit eingepreiste Ausfälle abzudecken. Wenn die Risikovorsorge nicht über die Laufzeit eines Geschäfts mindestens in Höhe der eingepreisten erwarteten Ausfälle angesammelt wird, kommt es zu einem Front Loading: Es wird zu Beginn beziehungsweise in der anfänglich verlustfreien Phase eines Geschäfts ein zu hoher Zinsüberschuss vereinnahmt.3)

Auf die an dem ersten Entwurf geäußerte Kritik und den politischen Druck zur Harmonisierung der Impairment-Vorschriften zwischen IFRS und US GAAP reagierten die Standardsetter IASB und FASB, indem ein gemeinsamer Vorschlag entwickelt wurde. Diesen hat der IASB als Ergänzung des ersten Standardentwurfs (Supplement to ED/2009/12) für offene Portfolios im Januar 2011 veröffentlicht. Aus Sicht der Praxis wurden damit manche Verbesserungen erreicht, unter anderem die Unterscheidung in Good Book und Bad Book4) und das sogenannte Decoupling, das heißt die getrennte buchhalterische Erfassung von Zinserträgen auf Basis der Effektivzinsmethode und von Wertberichtigungen beziehungsweise Wertaufholungen.5) Beide Punkte finden sich im aktuellen Entwurf wieder. Das Modell wurde trotz dieser Verbesserungen als immer noch komplex und in Teilen nicht zielführend kritisiert.6)

Daraufhin wurde noch gemeinsam von IASB und FASB ein neues Impairment-Modell entwickelt, der im Juni 2011 erstmals vorgestellte sogenannte Three-Bucket Approach.7) Der FASB entschied sich jedoch im Sommer 2012, ein eigenes und weniger komplexes Modell weiterzuverfolgen, das eine sofortige Vorsorge in Höhe des Lifetime Expected Loss (Lifetime EL) vorsieht.8) Der IASB entwickelte den Three-Bucket Approach schließlich zu dem im März 2013 veröffentlichten Exposure Draft ED/2013/3 "Financial Instruments: Expected Credit Losses" weiter. Die Kommentierungsfrist läuft bis zum 5. Juli 2013.

Grundzüge des neuen Impairment-Modells

Nach dem ED/2013/3 sind alle Finanzinstrumente der Aktivseite, die Schuldinstrumente sind und die zu fortgeführten Anschaffungskosten (AC, Amortised Cost) oder erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert (FVOCI, Fair Value through other Comprehensive Income) bewertet werden, von den neuen Impairment-Vorschriften betroffen. Der Anwendungsbereich schließt Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ebenso ein wie Leasingforderungen. Zudem sind außerbilanzielle Geschäfte wie unwiderrufliche Kreditzusagen und Finanzgarantien betroffen, sofern sie nicht erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden.

Die Ermittlungsmethodik unterscheidet sich abhängig von der Zuordnung zu drei Stufen: In Stufe 1 befinden sich Finanzinstrumente ab dem Zugangszeitpunkt. Davon ausgenommen sind lediglich Finanzinstrumente, bei denen schon im Zugangszeitpunkt nicht mit der Bedienung der vertraglichen Zahlungen gerechnet wird. Die Höhe der Wertberichtigung bemisst sich als Barwert der erwarteten Kreditausfälle (Cash Shortfalls) über die Gesamtlaufzeit, welche auf Ausfallereignisse innerhalb der nächsten zwölf Monate zurückzuführen sind. Es wird somit unmittelbar bei Zugang ein Wertberichtigungsbetrag berücksichtigt und nicht erst bei Eintritt eines Verlustereignisses.

Stufe 2 wird erst bei signifikanter Verschlechterung der Kreditqualität relevant. Die Kreditverschlechterung wird anhand der Veränderung der Ausfallwahrscheinlichkeit (PD, Probability of Default) bemessen. Die PD kann in ein internes Rating "übersetzt" werden. Wenn eine signifikante Verschlechterung im Vergleich zum Zugangszeitpunkt festgestellt wird, muss das Finanzinstrument von Stufe 1 in Stufe 2 transferiert werden, es sei denn, das Ausfallrisiko ist nach wie vor gering. Von einem geringen Ausfallrisiko ist dann auszugehen, wenn das Rating im Investment-Grade-Bereich liegt. Die Risikovorsorge in Stufe 2 ist in Höhe des Lifetime EL zu bilden, der sich nach der erwarteten Restlaufzeit bemisst.

Der Stufe 3 werden Finanzinstrumente zugeordnet, die Credit Impaired sind, bei denen also ein Verlustereignis (Credit Event) eingetreten ist. In diesen Fällen wird nicht mit der vollständigen Bedienung der vertraglichen Zahlungen gerechnet. In Stufe 3 wird der Zinsertrag in Höhe des Effektivzinses bezogen auf den Nettobuchwert (Bruttobuchwert abzüglich Wertminderungsbetrag) vereinnahmt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Zinsvereinnahmung in den Stufen 1 und 2, die weiterhin auf den Bruttobuchwert bezogen ist, entspricht aber der bisherigen Behandlung nach IAS 39 für ausgefallene Forderungen (sogenanntes Unwinding).

Finanzinstrumente, die bereits bei Zugang Credit Impaired sind, werden direkt der Stufe 3 zugeordnet. Es sind weitere Sonderregelungen zu beachten, die sich im Ergebnis aber nicht von der bisher nach IAS 39 geforderten Behandlung unterscheiden.9) Weitere Sonderregelungen bestehen für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und Modifizierungen, auf die hier nicht näher eingegangen wird.10)

Zuordnungs- und Transferlogik

Weil die Zuordnung zu den Stufen nicht von der absoluten Kreditqualität, sondern von der relativen Verschlechterung ab Zugang beziehungsweise früherer Kreditzusage abhängt, wird das neue Impairment-Modell auch als Credit Deterioration Model bezeichnet. Die Zuordnungs- und Transferlogik zeigt die Abbildung.

In der Abbildung sind vier Geschäfte dargestellt. Es wird die Annahme getroffen, dass eine wesentliche Verschlechterung der Kreditqualität in einer 25-stufigen Ratingklassenstruktur (0 bis 24) bei einer Verschlechterung von vier Ratingklassen gegeben ist. Die Ratingklasse leitet sich unmittelbar aus der intern ermittelten Ausfallwahrscheinlichkeit ab, wobei die absolute Veränderung der Ausfallwahrscheinlichkeit für den Übergang in die nächstschlechtere Ratingklasse ansteigt. Das Geschäft A wird ursprünglich der Ratingklasse 1 zugeordnet. Zum nächsten Zeitpunkt hat sich die Kreditqualität wesentlich verschlechtert (Ratingklasse 6). Ein Transfer in Stufe 2 erfolgt jedoch nicht, weil die Ausfallwahrscheinlichkeit immer noch gering ist (Investment Grade). Erst die weitere Verschlechterung in die Ratingklasse 12 (Non-Investment Grade) führt dazu, dass das Geschäft in Stufe 2 zu transferieren ist.

Bei dem Geschäft B ist die Verschlechterung von der Ratingklasse 10 zur Ratingklasse 12 zwar ein Wechsel in den Non-Investment-Grade-Bereich, aber die hier angenommene Definition einer wesentlichen Verschlechterung ist nicht erfüllt. Somit verbleibt das Geschäft in Stufe 1. Erst mit einer weiteren Verschlechterung zur Ratingklasse 14 hat sich das Geschäft um vier Ratingklassen verschlechtert und wird in Stufe 2 transferiert. Das Geschäft C befindet sich im Zugangszeitpunkt in Stufe 1, auch wenn das Ausfallrisiko so hoch ist, dass es dem Non-Investment-Grade-Bereich zugeordnet wird. Erst mit einer Verschlechterung auf die Ratingklasse 20 erfolgt der Transfer in Stufe 2. Zum nächsten Zeitpunkt hat sich das Geschäft auf die Ratingklasse 16 verbessert, sodass gegenüber der Ersterfassung keine wesentliche Verschlechterung der Kreditqualität mehr vorliegt. Demnach muss ein Transfer von Stufe 2 zurück in die Stufe 1 erfolgen. Das Geschäft D geht mit einer Ratingklasse von 18 zu (Stufe 1) und wird bei Eintritt eines Verlustereignisses (Ausfallratingklassen 22 bis 24) direkt in Stufe 3 transferiert.

Verwendbarkeit von vorliegenden Parametern und Anpassungsbedarfe

Positiv zu werten wäre es, wenn in Stufe 1 der Wertberichtigungsbetrag auf der Basis von Parametern ermittelt werden könnte, die für aufsichtsrechtliche Zwecke oder für die interne Kreditrisikosteuerung ohnehin vorgehalten werden. Hierzu wird jedoch angeführt, dass dies nicht möglich sei, da die aufsichtsrechtliche 12-Monats-PD eine Through-the-Cycle- und keine Point-in-Time-Betrachtung sei.11) Hier gelingt es der Bankenpraxis hoffentlich, den IASB davon zu überzeugen, dass ausreichend zyklische und Point-in-Time-Elemente in der aktuellen Berechnung enthalten sind.

Für die Geschäfte in der Stufe 2 ist der Lifetime EL zu ermitteln. In Anlehnung an die aufsichtsrechtliche Formel für den EL werden Kreditinstitute voraussichtlich wie folgt rechnen:

Formel

mit ELL = Expected Loss over the Lifetime

PD = Probability of Default

EAD = Exposure at Default

D = Diskontierungsfaktor

Kreditinstitute werden den Lifetime EL sicherlich in Anlehnung an die für die interne Kreditrisikosteuerung vorliegenden Parameter berechnen. Eine IFRS 9-konforme Berechnung wird aber ohne Modifikationen und Weiterentwicklungen nicht möglich sein.12) Grundsätzlich sind sämtliche Parameter darauf zu untersuchen, ob sie sich zeitabhängig während der Laufzeit eines Geschäfts verändern. Dies trifft auf die PD zu. Hier besteht eine Möglichkeit darin, unter Verwendung vorhandener 12-Monats-PDs Mehrjahres-PDs über Migrationsmatrizen abzuleiten.

Anders als bei den aufsichtsrechtlich verwendeten LGDs dürfen keine Gemeinkosten enthalten sein, sondern nur direkt zuordenbare Kosten. Die Verwertungsdauer und Abschläge auf den Marktwert der Sicherheiten aufgrund der historischen Erfahrung geringerer Erlösquoten im Verwertungsfall sind zwar aufsichtsrechtlich in den LGDs ebenfalls einzubeziehen, aber die Berücksichtigung von späteren Ausfällen, über die Ein-Jahres-Betrachtung hinaus, führt zu einem zusätzlichen Diskontierungseffekt. Zudem sind aufsichtsrechtlich vorsichtige Abschläge auf die Sicherheitenwerte (sogenannte Downturn-Parameter) enthalten, die zu bereinigen sind.

Ein EAD kann nicht wie bisher nur der Stichtagswert sein, sondern es müssen über die Restlaufzeit zukünftige EADs geschätzt werden. Grundlage hierfür ist der aktuelle IFRS-Buchwert des Geschäfts und Erwartungen über die Buchwertentwicklung, für die geplante und auch außerplanmäßige Tilgungen zu berücksichtigen sind. In Zusammenhang mit dem Ausweis des Risikovorsorgebetrages ist das Problem von nicht genutzten Kreditlinien zu lösen. Bisher werden nicht genutzte Linien mit einer Ziehungswahrscheinlichkeit (Credit Conversion Factor) multipliziert, um den gesamten EAD zu ermitteln. Für den separaten Ausweis von der Wertberichtigung (für die Inanspruchnahme) und der Rückstellung (für die nicht in Anspruch genommene Linie) ist jeweils eine gesonderte Ermittlung oder eine Aufteilung eines gesamthaft berechneten Lifetime EL erforderlich.

Berücksichtigung des Zeitfaktors

Dem Zeitfaktor wird durch eine Diskontierung Rechnung getragen. Hierzu ist die Verwendung des risikofreien Marktzinses, des ursprünglichen Effektivzinses oder eines Zinses innerhalb dieser Spanne möglich.13) Jede Abweichung vom Effektivzins ist konzeptionell nicht überzeugend, weil marktzinsinduzierte Schwankungen der Risikovorsorge auftreten, obwohl die Geschäfte sonst in ihrer GuV-Auswirkung zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden.14) Das Wahlrecht kann jedoch aus Gründen der Operationalisierbarkeit für die Anwender hilfreich sein.

In die Berechnung sind zusätzlich konjunkturelle Erwartungen einzubeziehen. Dies kann über die Einbeziehung in den einzelnen Parametern oder auch durch Zu- oder Abschläge auf das berechnete Ergebnis des Expected Loss erfolgen.

Mit der Stufe 3 ist ein sogenanntes Bad Book definiert, für das grundsätzlich auf Basis individueller Cash-Flow-Schätzungen barwertige Ausfallbeträge gerechnet werden. Die Zuordnung zur Stufe 3 erfolgt bei Eintritt eines Verlustereignisses. Dieses kann konsistent zu dem Ausfallbegriff nach Basel II verwendet werden.15) Die individuelle Schätzung von Cash-Flows führt gegenüber einer statistisch geprägten Methode zu einer höheren Prognosegüte der tatsächlich erwarteten diskontierten Ausfälle. Im Unterschied zur bisherigen Ermittlung nach IAS 39, bei der für die Cash-Flow-Schätzung das wahrscheinlichste Szenario zugrunde gelegt wurde, müssen nach dem neuen Impairment-Modell Cash-Flows für mindestens zwei Szenarios geschätzt werden. Der Risikovorsorgebetrag ist als mit den Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichteter Erwartungswert zu ermitteln.

Sofern keine individuellen Cash-Flow-Schätzungen für Geschäfte der Stufe 3 vorliegen, zum Beispiel im Fall einzeln nicht signifikanter Geschäfte, sollte es möglich sein, auch bei eingetretenen Verlustereignissen den Lifetime EL unter Verwendung von Portfolioverlustparametern zu ermitteln.

Marktbasierte Ermittlung von Ausfallwahrscheinlichkeiten

Zur Ermittlung der erwarteten Verluste sind grundsätzlich die besten verfügbaren Informationen zu berücksichtigen, die ohne unangemessenen Aufwand beschafft werden können. Hierzu kommen vergangenheitsbezogene und aktuelle Informationen sowie plausible und belegbare zukunftsbezogene Prognosen in Betracht. Dies wirft die Frage auf, ob sich bei börsennotierten Schuldtiteln eines Emittenten aus den Wertpapierkursen unter Bereinigung von zins- und liquiditätsinduzierten Wertänderungen Ausfallwahrscheinlichkeiten ableiten lassen, die dann zu verwenden sind. Aufsichtsrechtlich und für die interne Kreditrisikosteuerung liegt jedoch instrumentenunabhängig eine einzige PD für den Kunden vor, die aus Konsistenzgründen auch für alle Kreditgeschäfte im Anwendungsbereich des Impairment-Modells verwendet werden sollte. Beobachtbare Marktwerte für einzelne Produkte sollten daher lediglich zur Validierung der Modellparameter herangezogen werden.

Höhe der Risikovorsorge im Vergleich zu IAS 39

Der Risikovorsorgebetrag in Stufe 1 wird gegenüber dem Status quo insbesondere durch den Wegfall des LIP-Faktors (Loss Identification Period) steigen. Der LIP-Faktor drückt die durchschnittliche Zeitperiode zwischen dem tatsächlichen Eintritt eines Verlustereignisses und der Berücksichtigung im Risikovorsorgeprozess aus. Durch Multiplikation des LIP-Faktors mit dem Expected Loss wurde im Rahmen der IAS-39-Risikovorsorge von vielen Kreditinstituten ein Risikovorsorgebetrag für Forderungen ermittelt, die ausgefallen sind, aber bei denen der Ausfall noch nicht entdeckt wurde (Incurred but not Reported). Anzumerken ist, dass auch dieses Verfahren unmittelbar bei Zugang eines Geschäfts zur Erfassung eines Wertberichtigungsbetrages geführt hat. Je niedriger die aktuell angewendeten LIP-Faktoren sind, desto stärker wird sich durch das neue Risikovorsorgemodell die Risikovorsorge erhöhen.

Außerdem sind für Finanzinstrumente der Kategorie FVOCI (Fair Value through other Comprehensive Income), sofern sie Schuldinstrumente sind, Expected Credit Losses zu ermitteln und erfolgswirksam zu erfassen. Bisher wurden erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert bewertete Finanzinstrumente nach IAS 39 (Kategorie Available for Sale) vollständig erfolgsneutral bewertet, sofern kein Verlustereignis eingetreten war. Zukünftig ist damit zu rechnen, dass unter IFRS 9 ein wesentlicher Teil der bisher als Available for Sale kategorisierten Geschäfte in die Kategorien AC (Amortised Cost) oder FVOCI fallen wird und mit einer Risikovorsorge für erwartete Ausfälle zu belegen ist.

Hinsichtlich des Transfers in Stufe 2 wird eine Teilmenge des gesamten Kreditvolumens im Anwendungsbereich während der Kreditlaufzeit in Stufe 2 transferiert werden. Diese Teilmenge wird gegenüber der bisher für nicht ausgefallene Kredite nach IAS 39 ermittelten Portfoliowertberichtigung zu einer deutlich höheren Risikovorsorge führen, weil - abgesehen vom LIP-Faktor - der Lifetime EL höher sein wird als der bisher zugrunde gelegte EL auf Basis der 12-Monats-PD. Wie stark der Effekt ausfallen wird, hängt sowohl von der absoluten Breite des Volumens der Geschäfte in Stufe 2 ab als auch von der Geschäftsstruktur insbesondere hinsichtlich der (Rest-)Laufzeiten, da diese maßgeblich den Erhöhungsfaktor prägen. Die Befürchtung einer signifikanten Risikovorsorgeerhöhung bei Kreditverschlechterungen (ohne Ausfall) könnte dazu führen, dass Kreditinstitute das Ausfallrisiko bei langfristigen Geschäften stärker als bisher einpreisen werden.

In Stufe 3 ist insgesamt weder mit einer höheren noch mit einer niedrigeren Risikovorsorge zu rechnen, weil diese dem Incurred Loss und damit dem bisherigen Modell entspricht.

Eignung in Krisenzeiten und prozyklische Effekte

Durch das neue Impairment-Modell wird eine zeitlich vorverlagerte und absolut höhere Risikovorsorge als nach IAS 39 bestehen. Diese kann bei Verlusteintritt für die Abdeckung tatsächlicher Verluste genutzt werden, bevor das Eigenkapital "angegriffen" werden muss. Damit wird dem Ziel der Überarbeitung der Risikovorsorgevorschriften entsprochen. Allerdings muss auch klar festgestellt werden, dass das neue Impairment-Modell nicht weniger prozyklisch wirkt als die bisherigen IAS-39-Vorschriften. In allgemeinen Krisenzeiten oder auch bezogen auf einzelne Branchen, die in eine Krise geraten und bei denen ein Kreditinstitut ein signifikantes Exposure hat, kann sich die Kreditqualität über den gesamten Bestand oder einen Großteil davon erheblich verschlechtern und eine deutliche Erhöhung der Risikovorsorge zur Folge haben.

Umgekehrt kann es in Zeiten eines konjunkturellen Aufschwungs zu deutlichen Entlastungen kommen. Da sich Erwartungsänderungen stärker als bisher auf die Risikovorsorge auswirken, könnte dies eine höhere GuV-Volatilität zur Folge haben. Andererseits könnten sich auch Glättungseffekte durch das aufwandswirksame Vorziehen von Verlusten und damit bei Eintritt der Verluste niedrigerem Zuführungsbedarf ergeben.

Für die Ermittlung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel nach Basel II muss ein Wertberichtigungsvergleich vorgenommen werden. Sofern die aufsichtsrechtlich ermittelten Expected Losses höher sind als die bilanziell gebildete Risikovorsorge, erfolgt ein Abzug des Differenzbetrages vom Kernkapital. Wenn die aufsichtsrechtliche Kapitalermittlung schon auf IFRS umgestellt worden ist, führt das bisherige Incurred Loss Model nach IAS 39 häufig zu Abzugsbeträgen. Nach dem neuen Wertberichtigungsmodell ist in der Regel nicht mit Abzugsbeträgen zu rechnen,16) weil der aufsichtsrechtliche EL auf Basis der 12-Monats-PD einzelgeschäftsbezogen die Wertuntergrenze der Höhe der bilanziellen Risikovorsorge darstellt. Daraus folgt, dass die bilanzielle Risikovorsorge vorsichtiger ermittelt wird und zu einem größeren Risikopuffer führt, als dies aufsichtsrechtlich vorgesehen war. Da die Erhöhung der bilanziellen Risikovorsorge das IFRS-Eigenkapital reduziert, können - bei Zugrundelegung des IFRS-Kapitals - die aufsichtsrechtlichen Kapitalquoten stärker belastet werden, als dies bisher durch Abzugsbeträge aus dem Wertberichtigungsvergleich gegeben war.

Anhangangaben

Die geforderten Anhangangaben sind sehr detailliert und zu ausführlich. Stark zu kritisieren ist die Überleitungsrechnung der Bruttobuchwerte vom Beginn bis zum Ende der Periode für die Stufen 1 bis 3 und ähnlich auch für Kreditzusagen und Finanzgarantien. Dies würde die einzelgeschäftliche Integration von Kreditrisikosteuerungsdaten in die Finanzbuchhaltung erfordern. Der Wechsel einer Stufe muss eine Buchung auslösen, damit Spiegelinformationen auswertbar sind. Effekte aus Konsolidierungskreisveränderungen und der Währungsumrechnung müssen separiert werden.

Dies betrifft den gesamten Bestand an Geschäften der Kategorien AC und FVOCI, also auch solche mit nur geringer Ausfallwahrscheinlichkeit (Stufe 1). Bisher konnte die Risikovorsorge in einer Nebenbuchhaltung ermittelt und summarisch gebucht werden. Es ist fraglich, ob der Umsetzungsaufwand im Hinblick auf eine bessere Informationsvermittlung lohnt oder ob nicht der Vergleich von zwei stichtagsbezogenen Auswertungen ausreicht, um die Risikoposition beurteilen zu können.

Risikovorsorge früher und höher

Das neue Impairment-Modell erfüllt grundsätzlich die Erwartung einer früheren bilanziellen Erfassung der Risikovorsorge. Zudem wird die absolute Höhe der Risikovorsorge steigen. Damit werden Kreditinstitute krisenfester. Dies wird vermutlich zu einer Reduzierung der aufsichtsrechtlichen Kapitalquoten und höherem Eigenkapitalbedarf führen. Es hätte aber - mit Blick auf das Modell des FASB - noch schlimmer kommen können. Das vorgeschlagene Impairment-Modell wird von den Kreditinstituten - mit gebotener Vorsicht und Zurückhaltung - überwiegend positiv beurteilt. Die Vorsicht und Zurückhaltung ist den vielen offenen Fragen, den anstehenden Implementierungskosten und -risiken, derzeit noch fehlenden individuellen Proberechnungen und Auswirkungsanalysen sowie potenziellen Rückkopplungseffekten auf andere Themen (zum Beispiel Aufsichtsrecht, Risikosteuerung, Dokumentation, Prozesssicherheit, Pricing von Neugeschäften) geschuldet.

Konsequenzen für das Kreditgeschäft und damit für Kunden sind nicht auszuschließen. Beispielsweise kann die Verkürzung von Restlaufzeiten bei gleichzeitig beabsichtigten Prolongationen, die für die Ermittlung der Risikovorsorge nicht relevant sind, zu einer Reduzierung des Lifetime EL führen. Außerdem könnten sich Rückwirkungen auf das Pricing von Neugeschäften ergeben, wenn sich herausstellen sollte, dass erwartete Ausfälle zutreffender als bisher berechnet werden können.

Transferlogik und die Modellierung als wesentliche Diskussionspunkte

Derzeit sind die wesentlichen Diskussionspunkte die Transferlogik und die Modellierung von Lifetime EL. Der relative Ansatz wird möglicherweise kritisiert, weil der Abstand zwischen aktueller und erstmalig erfasster Ausfallwahrscheinlichkeit regelmäßig überwacht werden muss17) und weil Kredite in Stufe 1 eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit aufweisen können als in Stufe 2.

Der relative Ansatz überzeugt aber deshalb, weil bei Zugängen mit hoher Ausfallwahrscheinlichkeit auch relativ hohe Zinserträge erzielt werden. Nur bei unerwarteter Verschlechterung der Kreditqualität deckt die ursprünglich fixierte Zinsmarge für erwartete Ausfälle die aktualisierte Ausfallerwartung nicht mehr ab, sodass die Risikovorsorge erhöht werden muss. Die sofortige Erfassung des Lifetime EL bei Zugang würde hingegen Aufwand vorziehen, dem in den Folgeperioden höhere Erträge gegenüberstehen.

Die Bemessung der Verschlechterung sollte anhand der 12-Monats-PD möglich sein. Dies ist derzeit als ausnahmsweise zulässige Vereinfachung formuliert und erfordert den Nachweis, dass das Ergebnis kein anderes wäre.18) Hier ist zu befürchten, dass schon die Erbringung des Nachweises aufwendige Parallelberechnungen der Mehrjahres-PD erfordert. Es ist somit nicht hinreichend sicher, dass die derzeit bestehenden Ratingklassensysteme verwendet werden können.

Bei der Modellierung von Lifetime EL, die in der geforderten Form bei den meisten Kreditinstituten noch nicht vorliegen, müssen sinnvolle Vereinfachungen gegenüber theoretisch denkbaren Berechnungen akzeptiert werden. Das Machbare wird auch von Datenqualität, -verfügbarkeit und -auswertbarkeit abhängen.

Bei den Anhangangaben sollte insbesondere die geforderte Überleitung der Bruttobuchwerte so vereinfacht werden, dass zwei Stichtagsauswertungen ausreichen. Es ist darüber hinaus zu bedenken, dass Kreditinstitute durch die extrem stark gestiegenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen gezwungen sind, den Aufsichtsbehörden sehr zeitnah und teilweise auf monatlicher Basis Konzernabschlussdaten zur Verfügung zu stellen. Dies erfordert einen hohen Automatisierungsgrad. Jede nicht automatisiert vorliegende Information führt zu zusätzlichem Zeitbedarf und erfordert Ressourcen, die nur dann strapaziert werden sollten, wenn der erwartete Nutzen überwiegt.

Eine Vergleichbarkeit der Risikovorsorgeermittlung zwischen verschiedenen Kreditinstituten ist nicht zu erwarten, weil es Unterschiede in der Methodik und den Datengrundlagen geben wird. Hier sind auch unterschiedliche Ausgangslagen zu berücksichtigen.19) Zudem bestehen erhebliche faktische Ermessensspielräume. Eine Vergleichbarkeit sollte aufgrund der Unmöglichkeit auch gar nicht angestrebt werden. Diese kann auch durch extensive Offenlegungsvorschriften nicht hergestellt werden.

Komplexe Parallelberechnungen sollten wenn möglich vermieden werden, indem entweder der IASB aufsichtsrechtlich geforderte Berechnungen, die bei Kreditinstituten vermutlich komplexer sind, als dies in anderen Industrien üblich ist, als standardkonform akzeptiert. Andererseits könnte auch der Baseler Ausschuss bei Abweichungen, die aus für die Rechnungslegung nicht mehr akzeptierten methodischen Schwächen resultieren, eine Annäherung herbeiführen.20)

Fußnoten

1) Kritik am Incurred Loss Model äußerten bereits vor der Finanzmarktkrise Gebhardt/ Strampelli. Siehe Gebhardt/Strampelli, BFuP 2005, S. 525.

2) Die Umsetzungsprobleme wurden detailliert von dem eingesetzten Expert Advisory Panel (EAP) diskutiert und aufbereitet. Siehe Ergebnisdokument unter: http://www.ifrs.org/Current-Projects/IASB-Projects/Financial-Instruments-A-Replacement-of-IAS-39-Financial-Instruments-Recognitio/Impairment/Exp... (abgerufen am 24. April 2013).

3) Vgl. Bär, KoR 2010, S. 290.

4) Ablehnend dazu Große, IRZ 2011, S. 425 bis 426.

5) Vgl. Bardens/Meurer/Gebova, WPg 2012, S. 812 bis 813.

6) Vgl. beispielsweise Helke/Bär/Morawietz, WPg 2011, S. 453 bis 461.

7) Siehe Agenda Paper 8 zum IASB / FASB Meeting im Juni 2011, abrufbar unter http://www.ifrs.org/ Meetings/Documents/FI0611b08obs.pdf (abgerufen am 24. April 2013). Vgl. auch Bardens/Meurer/Gebova, WPg 2012, S. 813 bis 815.

8) Siehe zum FASB-Projekt: http://www.fasb.org/jsp/FASB/FASBContent_C/ProjectUpdatePage&c id=1176159268094 (abgerufen am 24. April 2012). Zum Stand der Konvergenzbemühun gen siehe auch den Bericht des Financial Stability Board an die G20 unter http://www.financialstabilityboard.org/publications/r_130216b.pdf (abgerufen am 3. Mai 2013), S. 3 bis 4.

9) Vgl. hierzu ausführlicher Straub/Schwab/Morawietz, PiR 2013, S. 143 bis 144.

10) Vgl. hierzu Brixner/Schaber/Bosse, KoR 2013, S. 221 bis 235, Straub/Schwab/Morawietz, PiR 2013, S. 144. Hinsichtlich der Regelungen zu Modifikationen, die nur für den Fall gelten, dass die Modifikation nicht zu einem Abgang führt, sollten in diesem Zusammenhang insbesondere die Abgangsregeln geschärft werden.

11) Vgl. Gehrer/Theiss, IRZ 2013, S. 194. Dies scheint auch die Sichtweise des Boards zu sein, vgl. ED/2013/3.BC193.

12) Vgl. Flick/Gehrer/Krakuhn, IRZ 2010, S. 548 bis 549.

13) Vgl. ED/2013/3.B29(a). Für das außerbilanzielle Geschäft besteht dieses Wahlrecht nicht, siehe ED/2013/3.B29(b).

14) Vgl. Straub/Schwab/Morawietz, PiR 2013, S. 143.

15) Vgl. ED/2013/3.BC97. Schon bisher wurde dies nach IAS 39 als zulässig erachtet, vgl. Grünberger, KoR 2007, S. 280.

16) Für diese Aussage wird angenommen, dass die Grundgesamtheiten identisch sind und dass die aufsichtsrechtlich verwendeten Parameter denen der internen Steuerung entsprechen. Zu Abzügen kann es außerdem unterjährig kommen, weil der aktuell ermittelte aufsichtsrechtliche EL der bilanziellen Risikovorsorge des zuletzt festgestellten Abschlusses abzüglich der aktualisierten Verbräuche gegenübergestellt wird und unterjährige Zuführungen keine Beachtung finden. Dies ist vor dem Hintergrund der monatlichen Abschlusserstellung nicht nachvollziehbar und sollte geändert werden.

17) Vgl. Müller/Möde/Panzer, PiR 2011, S. 304.

18) Vgl. ED/2013/3.B11.

19) Verwiesen sei hier auf die Unterschiede, die da raus resultieren, dass manche Kreditinstitute aufsichtsrechtlich noch den Kreditrisikostandardansatz (KSA) nutzen, andere den Foundation Approach (F-IRB), und wieder andere den Advanced Approach (A-IRB).

20) Dass von der Bankenaufsicht wenig Rücksicht auf das Rechnungswesen im Hinblick auf die Vermeidung von Mehrfacharbeiten genommen wird, zeigt der aktuelle Stand zu FINREP. Siehe Gültekin/ Krakuhn/Loch, IRZ 2013, S. 111 bis 115.

Dr. Christoph Weber , Abteilungsleiter Konzern/Grundsatz Bilanzen und Steuern, Helaba Landesbank Hessen- Thüringen, Girozentrale, Frankfurt am Main
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