Schwerpunkt

Assetklasse der Zukunft: Infrastrukturfinanzierungen

Gemäß einer Schätzung der Unternehmensberatung McKinsey & Co. werden bis 2030 für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten weltweit 57 Billionen US-Dollar benötigt. Die öffentlichen Gelder, die für den Erhalt der bestehenden Infrastruktur und den Neubau von Infrastruktur bereit stehen, sind knapp bemessen. Also bleibt nur die privatwirtschaftliche Bereitstellung des Kapitals beziehungsweise der Finanzierung. Die Versicherungswirtschaft als große Kapitalsammelstelle scheint prädestiniert für diese gesellschaftliche Aufgabe.

Ein Feld für Versicherer

Einige Politiker meinen, dass angesichts der konkurrenzlos niedrigen Zinsen der Staat und seine Gebietskörperschaften anstatt Privater die Finanzierung übernehmen sollten. Diese Argumentation verkennt aber, dass Zentralbanken derzeit die Zinsen quasi subventionieren und damit die öffentliche Ausgabenbereitschaft befeuern, was auch ein Grund für die beklagenswert hohen staatlichen Schuldenberge ist. In einer Marktwirtschaft sollte sich der Staat auf seine originären Aufgaben beschränken und nicht in den Allokationsmechanismus der Märkte eingreifen. Die damit verbundenen Störungen und Verzerrungen sind in aller Regel mit signifikanten Wohlfahrtsverlusten verbunden.

Neben den Versicherungen kämen natürlich auch Banken für die Finanzierung infrage. Hier ist zu beobachten, dass Banken seit der Finanzkrise ihre langlaufenden Aktiva aufgrund von erschwerter laufzeitkongruenter Refinanzierung und unerwünscht hoher Belastung ihres Eigenkapitals reduzieren beziehungsweise nicht weiter ausbauen. Marktschätzungen gehen davon aus, dass der Bankensektor lediglich zirka 60 Prozent des Bedarfs decken könnte. Versicherer könnten hier zumindest teilweise in die Bresche springen. Aber sind die Finanzierungen mit dem Profil eines Versicherers kompatibel? Grundsätzlich passen Finanzierungen von Infrastruktur sehr gut zu den sehr lang laufenden Verpflichtungen aus dem Versicherungsgeschäft, vor allem die Kranken- und Lebensversicherungen, aber auch bei der Rückversicherung. Bei entsprechender Besicherung ist eine Allokation von drei bis fünf Prozent - bezogen auf die gesamten Kapitalanlagen - vorstellbar. Damit könnten Versicherungen einen signifikanten Teil des Finanzierungsbedarfs decken.

Das Volumen an Infrastrukturinvestitionen ist heute noch verhalten. Vielen Versicherungen mangelt es nicht am Interesse, in die neuen Assets zu investieren. Sie erkennen jedoch, dass es einer ganz besonderen Expertise bedarf, um nachhaltig erfolgreich zu investieren. Darüber hinaus will auch die korrekte Abwicklung und Überwachung gut organisiert sein. Die Einbettung der neuen Assetklasse in die vorhandenen Strukturen und Prozesse verlangt vom Front- bis zum Backoffice eine sorgfältige Vorbereitung.

Warum Infrastrukturfinanzierungen? Warum jetzt?

Infrastruktur bietet gute Möglichkeiten der Diversifizierung, da diese Assetklasse in der Regel nur wenig mit Wertpapieren und anderen klassischen Vermögensanlagen korreliert ist. Die jüngsten Krisen haben gezeigt, dass Anlagen in Infrastruktur krisenfest und schockresistent sind, was wiederum zu stabilen Cashflows und wenig volatilen Erträgen führt. Die Historie solcher Anlagen zeigt geringe Ausfallraten und hohe Recoveries.

Das Angebot an Infrastrukturfremdkapital bietet dem Versicherungsanleger ein breites Spektrum an Anlagen. Die Laufzeiten bewegen sich zwischen zehn und dreißig Jahren. Die gängigsten Währungen sind der australische, der kanadische und der US-amerikanische Dollar sowie der Euro und das britische Pfund. Dem Anleger steht ein zunehmend wachsender Markt mit fester Zinsbindung zur Verfügung. Auch die Bonitäten bieten ein breites Spektrum: Die am Markt gehandelten und verfügbaren Kredite bewegen sich zwischen den Rating-Kategorien A und BBB. Das ist nach dem Geschmack konservativer Versicherungsanleger.

Die Renditen bewegen sich gut oberhalb sicherer Bundesanleihen beziehungsweise US-Staatsanleihen. Die Risikoaufschläge bieten zwar einen auskömmlichen, aber kaum mehr komfortablen Puffer. Denn auch hier haben renditehungrige Investoren, unter ihnen auch staatliche Förderbanken, die Rendite nach unten getrieben. Investoren - zumal der Versicherungswirtschaft - sind deswegen gut beraten, eingehend die Risiken zu prüfen.

Finanzierungen von Infrastruktur sind für Versicherungsanleger Neuland. Dies hat angebots- und nachfrageseitige Gründe. Bis vor einigen Jahren waren fast nur darauf spezialisierte Banken in dem Geschäft aktiv. Die langfristige Kreditvergabe ist unabhängig von bestehenden Sicherheiten aufgrund der Liquiditäts- und Eigenkapital-Belastung deutlich unattraktiver geworden. Gleichzeitig hat sich bei Versicherungen aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase die Suche nach attraktiveren Renditen zu akzeptablen Risiken intensiviert. Dabei soll das Portfolio auch diversifiziert werden. Das Investitionsverhalten wurde auch hier durch die Regulierung beeinflusst. Solvency II führt dazu, dass Versicherungen heute ihre langfristigen Verpflichtungen aus dem Kerngeschäft stärker mit langlaufenden Anlagen unterlegen müssen. Die langfristigen Finanzierungen von Infrastrukturvorhaben passen also gut zum Risikoappetit.

Vorsicht Risiko - noch akzeptabel?

Es drängt sich allerdings die Befürchtung auf, Versicherungen könnten sich womöglich im Übermaß ungesunde Risiken in die Bücher holen. Diese Befürchtung ist dann unbegründet, wenn gewisse Prämissen eingehalten werden. Vielen Versicherern ist sehr wohl bewusst, dass sie in der Beurteilung von Bonitätsrisiken im Nachteil sind. Strukturelle Investitionen in die Beurteilungsfähigkeit von Kreditrisiken sind im strategischen Interesse vorzunehmen: So zum Beispiel in den konsequenten Aufbau an qualifiziertem Personal, Entwicklung eines disziplinierten Investmentprozesses sowie Verwendung eigener interne Ratingmodelle, die einige dieser institutionellen Investoren erst noch entwickeln müssen.

Des Weiteren gehören auch diverse Investitionsformate, die von den klassischen Schuldscheindarlehen oder Schuldverschreibungen abweichen, in der Regel nicht zum Standardrepertoire von Versicherungen. Allerdings ist zu beobachten, dass Finanzierungssuchende sich auf die neuen Investoren aus der Versicherungswirtschaft zunehmend einstellen. Eine graduelle Entwicklung hin zum Anleihenmarkt ist mit Blick auf die Risikotransparenz, die Stückelung sowie die Marktgängigkeit beziehungsweise Liquidität zu verzeichnen. Ausdrücklich ist die beabsichtigte regulatorische Erweiterung der risikoadjustierten Anlagemöglichkeiten für VAG-Anleger im Bereich Infrastruktur über Fremdkapitalinstrumente zu unterstützen. Nach der aktuell noch gültigen Anlageverordnung für Versicherungsunternehmen sind Darlehen im Direktbestand in der Regel unzulässig, da die Anforderungen an Unternehmensdarlehen bei Projektfinanzierungen nicht erfüllt werden (Beurteilung einer Drei-Jahres-Historie entsprechend Kreditleitfaden). In einem Investmentfonds dürfen VAG-Anleger bislang nicht mehr als 30 Prozent in unverbriefte Darlehen investieren. Infrastrukturdarlehen konnten und können folglich in einem Investmentfonds nur beigemischt werden.

Kapitalunterlegung überprüfen

Nach dem momentan diskutierten Entwurf der neuen Anlageverordnung könnten dagegen auch Darlehen an neu gegründete Infrastrukturprojektgesellschaften mit einer Bonitätseinstufung im High-Yield-Bereich (bis B-/B3) in Höhe von maximal fünf Prozent des gebundenen Vermögens erworben werden. Bis zu 7,5 Prozent soll ein Versicherungsunternehmen zukünftig in Investmentfonds investieren können, die bis zu 100 Prozent des Fondsvolumens in Infrastrukturdarlehen investieren. Beides ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status quo. Selbstverständlich muss auch auf europäischer Ebene weiter darauf hingewirkt werden, dass die Kapitalanforderungen unter Solvency II für qualitativ hochwertige Infrastrukturinvestments eine günstigere Behandlung erfahren. Noch unterliegen Beteiligungen (auch Fremdkapitalinvestitionen) an Infrastrukturprojekten einer hohen Kapitalunterlegung.

Worauf gilt es bei den Bonitätsrisiken zu achten? Ist die Betriebsphase eines Infrastrukturobjekts erreicht, so bleiben die Risiken in der Regel in einem für Versicherungen akzeptablen Rahmen. Die Vertragskonstellation ist geklärt und ein steter Strom aus Rückzahlungen kann nach erfolgter positiver Bonitätsprüfung mit erhöhter Sicherheit erwartet werden. Dort wo Rückzahlungen marktabhängig sind, wie zum Beispiel bei Flughäfen/Passagierzahlen, muss über Eigenkapitalanteil und strenge Covenants zusätzlicher Puffer eingebaut sein. Auch Infrastruktur in der Bauphase kann attraktiv sein, wenn andere Risiken entsprechend geringer ausfallen oder bestimmte Standortvorteile überwiegen. Eine generelle Einordnung ist schwierig: Bei jedem Einzelfall muss genau analysiert werden, ob er noch zum Risiko-Sicherheitsprofil der Versicherungen passt. Im Zweifel gilt: Finger weg!

Ganz entscheidend ist bei der Auswahl der richtigen Investments eine fundierte Risikoexpertise. Wer Risiken besser als andere beurteilen kann, ist im Vorteil. Dabei gilt es ganz besonders für Versicherungen, die aus dem Kerngeschäft vorhandene Risikoexpertise zu bündeln und zu nutzen. Zum einen wird damit vermieden, Risiken einzugehen, die nicht bekannt sind, zum anderen können aber auch spezifische Risiken aufgrund des im Vergleich zum Wettbewerb tieferen Einblicks in die Risikosituation eingegangen werden. Dem Investor muss aber klar sein, dass die Risiken in der Anlageklasse Infrastruktur erheblich sein können und der Analyseaufwand hoch ist. Nur für große Asset Manager dürfte sich also der Aufwand lohnen.

Politische Risiken beachten

Ein besonderes Augenmerk gilt den politischen Risiken. Es gibt hierzu einige sehr unerfreuliche Beispiele, die so von den Marktteilnehmern nicht erwartet worden sind und die, wenn sie denn Schule machen sollten, eine prohibitive Wirkung entfalten könnten. In Spanien sind Umsatzsteuern auf erneuerbare Energien eingeführt worden. In Italien sind ähnliche Maßnahmen geplant. Und in Norwegen wurden die zugesagten Erträge aus dem Gasnetz einseitig gesenkt. In allen drei Fällen wurde der Bestands- und Vertrauensschutz der Investoren missachtet. Einseitige und rückwirkende Eingriffe in die Vermögensposition der Investoren führen dazu, dass diese in Zukunft ausbleiben werden. Staatliche Regulierung wird zum Glücksspiel für Investoren. Für Versicherungen ist das ein rotes Tuch.

Es ist verständlich, dass die Infrastruktur aus Sicht der öffentlichen Einnahmesteuerung gerade aufgrund ihrer Illiquidität und Immobilität zu einer attraktiven Bemessungsgrundlage neuer Steuern wird. Auch ist der besondere politische Charme unverkennbar, wenn dabei vorwiegend oder fast ausschließlich ausländische Vermögensbesitzer diskriminiert werden. Aber diese Entwicklung des retroaktiven Eingriffs in die Vermögensposition der Eigentümer ist alarmierend. Nur wenigen ist dabei bewusst, dass damit marktwirtschaftliche Prinzipien leichtfertig zur Disposition gestellt werden. Das Vertrauen auch der Investoren ist die nachhaltige Grundlage des Wohlstands.

Investitionen in Infrastruktur - die Agenda

Große Anleger können sich vor politischen Risiken schützen, indem sie breit diversifizieren, um nicht zu stark von einzelnen politischen Maßnahmen getroffen zu werden. Noch stecken die Investitionen der Versicherungen in Infrastruktur in den Kinderschuhen. Die Assekuranz hat eben erst begonnen, diese Assetklasse für sich zu entdecken. Die zunehmende Bedeutung politischer Risiken führt bei Versicherern und ihren Asset Managern auch dazu, sich in politische Entscheidungsprozesse stärker einzubringen. Andere Branchen, beispielsweise der Energiesektor, sind dahingehend wesentlich aktiver. Die Rolle des passiven Nehmers von politischen Entscheidungen dürfte der Assekuranz auch mit Blick auf ihre Kapitalanlagen künftig nicht mehr genügen.

Die Kapitalanlage in der Versicherungswirtschaft wird ganz wesentlich bestimmt von dem Risikoappetit, auch unter Berücksichtigung der gesamten Risikoexponierung im Kerngeschäft. Im Besonderen wird die Kapitalanlage abgeleitet aus den Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Kerngeschäft ergeben. Langlaufende Verpflichtungen wird man versuchen mit langlaufenden Vermögenspositionen beziehungsweise deren Auszahlungsprofil zu bedecken. So funktioniert im Wesentlichen die Kapitalanlage für Versicherungen.

Die Zusammenarbeit bei Munich Re mit Blick auf die Kapitalanlage lässt sich auch ableiten aus der Rolle der Meag als integraler Asset Manager des Konzerns. Diese Struktur bietet enorme Vorteile, was die Nutzung des gemeinsamen Wissens angeht - Wissen, das im Kerngeschäft zum Teil wettbewerbsrelevant ist und das man nicht bereit wäre, mit einem externen Asset Manager zu teilen. Andererseits ist die Zusammenarbeit in einem globalen und weit verzweigten Konzern immer auch eine Herausforderung, komplexe Strukturen und Prozesse effizient zu managen. Für die Investitionen in Infrastruktur wird der Standardprozess im Management der konzerneigenen Kapitalanlagen deutlich erweitert. Der Investmentprozess des Frontoffice, wird durch eine Second Opinion des Backoffice unterstützt. Hinzu kommt die Integration des technischen Wissens aus dem Kerngeschäft, das für das Due Diligence genutzt wird. So wird der Kapitalanleger bei der Analyse des technischen Risikos von Experten auf der Versicherungsseite unterstützt, die zum Beispiel bau- und konstruktionsbedingte Risiken von Hochspannungsmasten deren Exposition mit Blick auf Wetterrisiken (Sturm, Eis) oder auch geologische Risiken, zum Beispiel Erdbeben beurteilen können. Die Risikosituation ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen.

Typischerweise werden bei Infrastrukturinvestitionen die Anlagen in Eigen- und Fremdkapital von unterschiedlichen Teams betreut. Während die eine Anlageklasse in den Bereich der Aktien fällt, ist die andere im Bereich der Renten zu Hause. Infrastruktur ist ein weiteres Beispiel für das engere Zusammenwachsen unterschiedlicher Fachbereiche, und zeigt, wie gemeinsame Expertise übergreifend und gewinnbringend eingesetzt werden kann.

Im Rahmen der Fremdkapitalinvestitionen in Infrastruktur müssen die grundlegenden Basisinstrumente identifiziert werden sowie die dafür notwendigen Marktkontakte aufund ausgebaut werden. Beim Aufbau des Portfolios gilt: Qualität geht vor Schnelligkeit! Dabei ist in der Aufbauphase eine enge Begleitung im Risikomanagement wichtig. Dies gilt für die Rückkopplung im Portfoliomanagement ebenso wie im funktionsgetrennten Bereich. Auf den Gleichlauf aller relevanten Backoffice-Prozesse ist zu achten.

Hohe Qualität über die gesamte Investitionsdauer

Kapitalanleger von Versicherungen müssen auf der Suche nach etwas höheren Renditen und Diversifikation ausgetretene Pfade verlassen. Infrastrukturfinanzierungen sind ein Weg, der den Anlageerfordernissen entgegen kommt. Königswege gibt es sicher nicht, und neue Wege bedeuten immer auch neue Risiken, die gründlich zu erforschen sind. Gerade bei illiquiden Assetklassen mit langen oder nicht endlichen Laufzeiten kann nicht genug auf entsprechend hohe Qualität über die gesamte Investitionsdauer geachtet werden.

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