Aufsätze

Auswirkungen von Verbriefungen auf die Finanzmarktstabilität

Die Stabilität des Finanzsystems wird entscheidend beeinflusst von der Stabilität der Finanzintermediäre, der Stabilität der Finanzmärkte (Geld-, Kapital-, Devisen-, Rohstoffmärkte) und einer robusten finanziellen Infrastruktur (insbesondere Zahlungs- und Abwicklungssysteme). Verbriefungen von Forderungen stellen einen wesentlichen (und wachsenden) Teil des Finanzsektors in Europa dar. Zugleich sind die meisten großen Banken, Wertpapierfirmen und Versicherungen an diesem Markt engagiert. Deshalb sind Verbriefungen von systemischer Relevanz.

Die Möglichkeit, Forderungen zu verbriefen, stellt eine Bereicherung des Risikomanagements von Banken dar, es erlaubt ein verbessertes Bilanzmanagement und eine Diversifizierung der Mittelaufnahme (durch True-Sale-Transaktionen). Wenn die Marktteilnehmer dieses Instrument professionell und mit klarem Blick auf die damit verbundenen Risiken einsetzen, können Verbriefungen die Stabilität des Finanzsystems positiv beeinflussen.

Aufsichtsregeln und Risikobetrachtung auf Einzelinstitutsebene

Ob die Risikoverteilung im Finanzsystem nach Verbriefung günstiger ist als zuvor, lässt sich angesichts der weltweiten Ausrichtung des Verbriefungsmarktes und der Informationsdefizite derzeit nicht abschließend feststellen. Unabhängig hiervon werden durch die zunehmende Handelbarkeit Kredite und andere Forderungen sowie im Zusammenhang mit Verbriefungen gewährte Liquiditätslinien von der Psychologie der Märkte stärker abhängig, als dies beim traditionellen Buchkredit der Fall ist.

Mit Basel II sind erstmals international harmonisierte Aufsichtsregeln für Verbriefungen in Finanzinstituten eingeführt worden. In den USA ist Basel II noch nicht umgesetzt, deshalb gibt es weltweit zum Beispiel hinsichtlich der Behandlung von Liquiditätsfazilitäten noch gewisse Unterschiede. Die Definition einer Verbriefung, und damit die regulatorische Kapitalanforderung an die zugrunde liegenden Aktiva, hängt unter dem neuen, stärker risikobasierten Kapitalstandard davon ab, ob ein wesentlicher Risikotransfer stattfindet. Diese Forderung ist angesichts der Komplexität mancher Verbriefungstransaktionen keineswegs trivial. Risikotransfer und Übertragung der Aktiva müssen dabei nicht zwingend zusammenfallen.1) Wichtig ist, dass wesentliche Teile des unerwarteten Verlustes übertragen werden, wobei die Aufsicht den ökonomischen Kapitalbedarf der Bank als Orientierungsgröße verwendet.

Aufgrund der Umsetzung von Basel II dies ist als erste Tendenz erkennbar, nimmt die "klassische" Kapitalarbitrage ab, bei der trotz des Transfers großer Forderungsvolumina das Risiko häufig in den Bankbilanzen verblieb. Zugleich steigt die Ausplatzierung der Erstverlusttranchen (1 250 Prozent Risikogewicht), auch wenn dies nicht in allen Marktsituationen gleich gut gelingt.

Die neuen Baseler Regeln zielen darüber hinaus auf eine adäquatere Risikobewertung ab. Besondere Herausforderungen stellen dabei zum Beispiel Liquiditätsfazilitäten und Kredit unterstützende Maßnahmen im Zusammenhang mit Asset-Backed Commercial Paper (ABCP) oder ähnlichen Programmen dar. Solche Linien können über lange Zeit relativ risikoarm sein und ein Gefühl einer stetigen Marktliquidität vermitteln.

Überraschungen möglich

Bei Marktanspannungen sind dann Überraschungen möglich, wenn zum Beispiel die zugrunde liegenden ABS-Papiere Wertverluste aufweisen und dadurch Liquiditätslinien unerwartet gezogen werden. Darüber hinaus ist es denkbar, dass über ABCP-Programme oder andere Verbriefungsstrukturen ursprünglich ausplatzierte Risiken "verpackt", zum Beispiel in Collateralized Debt Obligations oder Hedgefonds, direkt oder indirekt in die Bank zurückgenommen werden.

Die Herausforderungen an die Bewertung und Steuerung von Risiken nehmen damit für die Akteure in diesem Bereich erheblich zu. Das in der Regel bei Verbriefungstransaktionen vorhandene Rating, selbst eine AAA oder AA-Bewertung, ist kein hinreichender Schutz vor Marktschwankungen von ABS-Papieren, wie die Subprime-Krise am US-Hypothekenmarkt zeigt. Banken müssen daher Inhalt und Aussagekraft von Ratings im ABS-Bereich richtig verstehen, ungünstige Szenarien nicht außer Acht lassen und ihr Risikomanagement auf die spezifischen Besonderheiten von Verbriefungen einstellen.

Makroprudenzielle Aspekte

Die Entwicklung am Verbriefungsmarkt in den letzten Jahren ist von einer Steigerung der Emissions- und Handelsvolumina sowie der Weiterentwicklung von Bewertungsmodellen geprägt. Hinzu kommt der Eintritt neuer Marktteilnehmer, vor allem nicht regulierter Unternehmen wie Hedgefonds oder Private Equity-Gesellschaften. Damit hat sich grundsätzlich die Preisbildung für die zugrunde liegenden Risiken verbessert, und ein funktionierender Sekundärmarkt ist entstanden. Diese Entwicklung zu einem breiteren und tieferen Markt für Risikotransfer ist zu begrüßen; sie kann zur besseren Funktionsfähigkeit und Stabilität des Finanzsystems beitragen.

Gleichzeitig werfen Verbriefungen neue Fragen auf, da diese Transaktionen wenig transparent sind und häufig grenzüberschreitend aufgelegt werden. Bis auf Weiteres wird es bei den Ad-hoc-Umfragen der Aufsicht beziehungsweise entsprechenden Auskunftsersuchen zu einem bestimmten Zeitpunkt bleiben, um Risi-kosituationen besser zu erfassen. Das neue europaweit angeglichene Solvenzmeldewesen (Corep) wird erstmals im Dezember zusätzliche Details zu den Verbriefungstransaktionen und Liquiditätsfazilitäten liefern.

Aus systemischer Sicht ist auch von Bedeutung, ob Verbriefungen die Risikoverteilung im Finanzsystem verbessern und damit dessen Stabilität fördern. Die Ausplatzierung von Risiken in nicht regulierte Bereiche, die im Inland oder Ausland angesiedelt sein können, führt in Verbindung mit der Komplexität der Strukturen dazu, dass letztlich nicht mehr bekannt ist, wer diese Risiken hält, ob zum Beispiel bei den neuen "Risikoträgern" Konzentrationsrisiken entstanden sind, weil diese zu einseitig ausgerichtete Positionen halten; und gegebenenfalls wie relevant solche Risikohäufungen mit Blick auf das nationale sowie das internationale Finanzsystem sind. Hier gilt es, die Informationslage weiter zu verbessern.

Auch die Marktteilnehmer selbst können Fehleinschätzungen bezüglich des Risikogehaltes in Finanzinstrumenten unterliegen, da Risiken teilweise über eine ganze Kette von Akteuren weitergegeben werden (Repackaging), dies oft grenzüberschreitend. Ein Aufbau von Mehrfachverbriefungen (zum Beispiel CDOs of CDOs) oder wie erwähnt - der Rückkauf eigener, ursprünglich ausplatzierter Risiken könnten so unerkannt bleiben.

Weiterhin nicht ganz von der Hand zu weisen ist die Gefahr, dass die handelnden Banken mit dem steigenden und über längere Zeit relativ problemlos möglichen Transfer von Risiken auf Dritte (Originate-to-distribute-Strategien) ihre Kreditstandards lockern und damit Probleme in der Zukunft eine höhere Wahrscheinlichkeit annehmen. Dies scheint ein Kennzeichen der Subprime-Krise in den USA zu sein, wo der rasche Weiterverkauf von Krediten, oft über mehrere Stufen, offenbar zu laxeren Bonitätsprüfungen führte.2) Eine daraus resultierende Verschlechterung der durchschnittlichen Kreditqualität in einem Marktsegment kann zu erhöhten Ausfällen führen und auch dazu, dass Risiken unfreiwillig wieder auf die eigenen Bücher genommen werden müssen, sei es aus rechtlichen Gründen oder um Reputationsschäden zu vermeiden.

Die Subprime-Krise am US-Verbriefungsmarkt macht zudem deutlich, dass eine Einschränkung der Handelbarkeit von Verbriefungen sowie Spillover-Effekte auf andere Marktsegmente auftreten können. Eine Korrektur der Risikoeinschätzung kann zu Unsicherheit, höherer Volatilität und eine Erhöhung der Risikoprämien führen. Da viele Marktakteure ähnliche Modelle zur Risikobewertung und Preisermittlung verwenden, können sich zuvor unberücksichtigte oder unterschätzte Risiken auch deshalb auf andere Teile des Marktes auswirken.

Holistische Risikosicht notwendig

Der stärkere Einsatz von Verbriefungen ist als Finanztechnik zu begrüßen, wenn - wie erwähnt - die Risiken korrekt identifiziert und gesteuert werden. Auch unter Finanzplatzaspekten sind Verbriefungen positiv zu bewerten. Die Bundesregierung hat mit ihrer True-Sale-Initative aus dem Jahr 2003 zu Recht wichtige Impulse gesetzt. Nun gilt es, darauf weiter aufzubauen und die geschaffene Plattform noch stärker zu nutzen.

Auf der Risikoseite verlangt das entstandene Umfeld mit komplexen, grenzüberschreitenden Strukturen und neuen Gegenparteien, wie Hedgefonds und Private Equity Firmen als Risikonehmern, von allen Marktteilnehmern risikobewusstes Verhalten. Die Risikobewertung komplexer Finanzinstrumente muss unabhängig von der äußeren Form des Risikotransfers (True Sale oder synthetisch) erfolgen und neben dem Kreditausfallrisiko andere Risiken einschließen, wie das Marktpreisrisiko, das Liquiditätsrisiko sowie operationelle Risiken.

Im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungsprozesses der Baseler Säule 2 wird von der Aufsicht unter anderem untersucht, inwieweit die mit komplexen Produkten eingegangenen Risiken in einem adäquaten Verhältnis zum Geschäfts- und Risikomanagementmodell eines Kreditinstituts stehen. Sowohl die Institute als auch die Aufsichtsbehörden benötigen hierfür ein tiefes Verständnis dieser Finanzinstrumente, in das in den letzten Jahren von beiden Seiten investiert wurde.

Mit Blick auf die Analyse der Finanzmarktstabilität ist - wie erwähnt - die Beantwortung der Frage nach der Risikoallokation im Finanzsystem von zentralem Interesse. Neben einer wünschenswerten Verbesserung der Datenbasis kann auch die Erhöhung der Transparenz bislang unregulierter Finanzmarktakteure wesentlich zu einer Risikobegrenzung beitragen. Essenziell ist auch die enge Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsbehörden. Dies gilt angesichts der Strukturen des Verbriefungsmarktes sowohl grenzüberschreitend als auch sektorenübergreifend, um die Querbeziehungen zwischen Banken, Wertpapierfirmen und Versicherungen angemessen zu bewerten und systemische Risiken gering zu halten.

Gerhard Hofmann , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
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