Aufsätze

Eine "Bank für Gemeinwohl" in Österreich?

Die Gründung eines Kreditinstitutes ist in Deutschland (D), Österreich (A) und der Schweiz (CH) in den letzten Jahrzehnten eher eine auf die Gruppe der privaten (Aktien-)Banken begrenzte Ausnahme geblieben. Die jüngeren Kreditgenossenschaften, GLS Gemeinschaftsbank (1974, D) oder Freie Gemeinschaftsbank (1984, CH), sind schon einige Jahrzehnte alt, teilweise werden Innovationen auch innerhalb einer bestehenden Bank realisiert wie die Ethik Bank als Zweigniederlassung der Volksbank Eisenberg (2002, D), eine junge Sparkasse ist Die Zweite Wiener Vereins-Sparcasse (2006, A).

Gespräche mit der Finanzmarktaufsicht

Umso mehr Aufmerksamkeit hat die Idee zur Gründung einer "Demokratischen Bank" in Österreich als Genossenschaft hervorgerufen.1) Inzwischen ist daraus das Projekt "Bank für Gemeinwohl" geworden. Seit der Startschuss zur Verwirklichung der Idee im Oktober 2010 erfolgte, sind viele Vorarbeiten geleistet worden, zur Namensfindung gelangte man im Juli 2013. Inzwischen wurden bereits (Vor-)Gespräche mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) geführt, um die Erfordernisse dafür zu klären, eine Lizenz zu erhalten.

Die Bank soll als "Kapitalgesellschaft in 100-prozentigem Eigentum ... [der] zukünftigen Genossenschaft"2) gegründet werden. Für die Zeichnung von privaten Genossenschaftsanteilen wird ein Finanzmarkt-Prospekt vorbereitet.3) "Jeder Genossenschaftsanteil ist ein Zeichen für ein faires, nachhaltiges und demokratisches Bank- und Finanzsystem." Man rechnet nicht zuletzt aufgrund aufsichtsrechtlich allgemein höherer Anforderungen an eine solide und verfügbare Eigenmittelausstattung für Banken mit mindestens zehn Millionen Euro Gründungskapital,4) die zum Beispiel durch etwa 20 000 Menschen aufgebracht werden könnten, wenn jeder bereit wäre, 500 Euro Genossenschaftsanteile zu zeichnen.5)

Bankaktiengesellschaft mit Vermögensverwaltungsgenossenschaft

Von der ursprünglichen Gründung einer Bankgenossenschaft hatte man sich mit Blick auf im Zulassungsverfahren erforderliche Maßnahmen, unter anderem bei der Wahl einer Einlagensicherung, und größere Flexibilität entfernt.6)

Die Genossenschaft sieht man dennoch "als idealste Gesellschaftsform für die Führung" der Bank. Denn "Genossenschaften ermöglichen Mitgestaltung und Mitbestimmung. Sie sind demokratisch organisiert (eine Person hat immer nur eine Stimme) und beruhen auf freiwilliger Mitgliedschaft. Darüber hinaus sind Genossenschaften immer im Sinne der Entwicklung ihrer Mitglieder tätig. Besonders sichtbar wird das in Form von Bildungs- und Ausbildungsangeboten für die Mitglieder der Genossenschaft."7)

Die Genossenschaft soll den Erwartungen und Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts entsprechen - eine Neuauflage sein: "Genossenschaft 2.0". Die Mitglieder sollen sich als "Mitgestalter" und "Ermöglicher" der Bank für Gemeinwohl verstehen, sich in den Weiterentwicklungsprozess aktiv einbringen können und durch die demokratische Ausgestaltung der Bankdienstleistungen Sinn erfahren. Idealerweise sind, entsprechend dem Identitätsprinzip, alle Genossenschafter auch gleichzeitig Kunden, was Selbstverantwortung und Vertrauen zugleich ausdrücken würde.8)

Modell mit Beteiligung einer Stiftung ...

Innerhalb des Diskussionsprozesses wurde auch das Modell mit Beteiligung einer Stiftung, ähnlich wie es von der GLS Bank Ende 2011 beschlossen worden ist,9) im April 2011 eingebracht. Dieses Modell mit einem wesentlichen und den Eigentümerkreis stabilisierenden Kapitalgeber (Stiftung) könnte in modifizierter Form ebenso in der neuen Lösung mit Bankaktiengesellschaft und Holdinggenossenschaft realisiert werden.

Im Gegensatz zur VKB Bank, deren Vorbild man anführt10) und die aus einer Bankgenossenschaft in eine Bankaktiengesellschaft mit Verwaltungsgenossenschaft umgegründet worden ist,11) soll die Bank für Gemeinwohl in dieser zweiteiligen Struktur gegründet werden. Dies bietet für die Verwaltungsgenossenschaft unter Umständen den Vorteil, auch weitere Beteiligungen eingehen zu können, deren Finanzierungsrisiko aus Sicht einer Bank zu groß erscheint, aber deren Projektideen doch vielversprechend wären, sodass sich die reine Bank-Holdinggenossenschaft hin zu einer regionalen Beteiligungsgenossenschaft entwickeln könnte.

... oder (Vereins-)Sparkasse?

Grundsätzlich sei angemerkt, ob ein am Gemeinwohl orientierter Zweck nicht weniger zu einer mitgliederorientierten, förderwirtschaftlichen Genossenschaft, sondern besser zu einer Sparkasse passt, wie es deren Selbstverständnis ausdrücklich kennzeichnet: "Dem widrigen wirtschaftlichen Umfeld setzten und setzen die Sparkassen ein grundsolides Geschäftsmodell entgegen, ihre regionale Anbindung und gelebtes Gemeinwohl. ... Der Gemeinwohlauftrag der Sparkasse wurde bereits lange vor der Erfindung des CSR-Begriffs, nämlich schon mit der Gründung der ersten Sparkassen vor beinahe 200 Jahren, festgeschrieben."12) "Und wir springen mit unserem Gemeinwohlauftrag auch dort ein, wo der Staat den Sparstift angesetzt hat."13)

Ob es am Ende zur Gründung kommen wird oder bestimmte Hindernisse nicht haben überwunden werden können - jedenfalls haben das Gründungsvorhaben und die Diskussion um die Ideen einer "Gemeinwohl-Ökonomie"14) und "gemeinwohlorientierte Banken"15) Impulse gegeben, die auch bestehende Kreditinstitute in Österreich,16) aber auch in Deutschland17) bewegt haben. Sie können dadurch angeregt werden, das eigene Geschäftsmodell und Profil zu prüfen, zu schärfen und sich - mit und ohne "Gemeinwohl-Orientierung" unverwechselbarer gegenüber den Mitwettbewerbern - zwischen privaten (Aktien-)Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften und sodann auch in Österreich zwischen Raiffeisenbanken und Volksbanken - zu machen. Denn jede Bank(engruppe) ist mit ihrem Profil einzigartig und unentbehrlich für ein Bankensystem und erhält Alternativen und damit Wahlmöglichkeiten.

Fußnoten

1) Dieser Beitrag ist Herrn Prof. Dr. Johann Brazda zu seinem 60. Geburtstag gewidmet.

2) http://www.mitgruenden.at/stand, alle Internetseiten abgefragt am 16. Juni 2014.

3) http://www.mitgruenden.at/weg.

4) Das gesetzliche Mindesterfordernis beträgt fünf Millionen Euro (§ 5 Abs. 1 Ziff. 5 BWG).

5) http://www.mitgruenden.at/mitgruenden, Zitat: ebd.

6) http://www.mitgruenden.at/newsletter-15 (erschienen am 24. Mai 2013).

7) Vgl. http://www.mitgruenden.at/mitgruenden, Zitate: ebd.

8) Vgl. http://www.mitgruenden.at/mitgruenden, Zitate: ebd.

9) Vgl. https://www.gls.de/privatkunden/ueber-diegls-bank/organisation/gls-bank-stiftung.

10) http://www.mitgruenden.at/newsletter-15.

11) Vgl. Hahn, Oswald (1988): Umgründung der Volkskreditbank reg.Gen.m.b.H: (Linz) in eine Aktiengesellschaft (1981). In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, 38. Jg., S. 219-220.

12) Aichinger, Christian in: Österreichischer Sparkassenverband (2013): In jeder Beziehung zählen die Menschen - Corporate Social Responsibilitybericht 2012. Wien, S. 4. Vgl. auch Fabisch, Gerhard in: Frühbauer, Milan (2014): "Nur die beste Bank im Ort verdient Geld", Interview mit Gerhard Fabisch. In: Österreichische Sparkassen Zeitung, 101. Jg., Nr. 2 (Juni 2014), S. 3: "Wir haben eine 100-prozentige Übereinstimmung in den Grundwerten - Regionalität, in der nachhaltigen Kundenbeziehung, in der Verlässlichkeit, in der Stabilität, der Sicherheit sowie im Gemeinwohlauftrag. ... Zwischen dem Gemeinwohlauftrag und der Ertragsorientierung kommt es in einigen Sparkassen zu einer Gratwanderung." Ebenso ist ein Hinweis auf das Gemeinwohl in den Sparkassengesetzen der deutschen Bundesländer enthalten.

13) Ikrath, Michael in: ebd. (Fn. 12), S. 5.

14) Vgl. Felber, Christian (2012): Die Gemeinwohl-Ökonomie - Eine demokratische Alternative wächst. Wien.

15) Vgl. Felber, Christian; Guptara, Clemens (Mitarb.) (2014): Geld - Die neuen Spielregeln. Wien, S. 110-126.

16) Vgl. zum Beispiel Schneider, Philipp-Stephan (2013): "Es gibt auch andere Werte" - Die Raiffeisenbank Lech am Arlberg präsentierte ihre erste Gemeinwohl-Bilanz. In: Raiffeisenzeitung, Nr. 26 (27.06.), S. 17 und im Internet: http://www.lechbank.com/eBusiness/01_template1/1021675446323-8600 41005464794945-860041005464794945-NA-38-NA.html.

17) Vgl. zur Sparda-Bank München o. V. (2014): Gemeinwohl-Ökonomie - Mehr als eine gute Idee. In: cooperativ - Die Gewerbliche Genossenschaft, 142. Jg., H. 1, S. 22-23 und im Internet: https://www.sparda-m.de/gemeinwohl-oekonomie.php.

Dr. Holger Blisse , Wirtschafts- und Sozialanalytiker, Wien
Noch keine Bewertungen vorhanden


X