Sparkassen-Finanzgruppe 2011

Basel III: Nur Gleiches mit Gleichem vergleichen

Mit Spannung hat die deutsche Kreditwirtschaft auf die Entwürfe zur Umsetzung von Basel III in europäisches Recht gewartet. Die am 20. Juli 2011 schließlich veröffentlichten - als CRD IV bekannt gewordenen - Regelungen haben die hohen Erwartungen aber bei Weitem nicht erfüllen können. Würden sie so wie vorgelegt umgesetzt, so müssten insbesondere regional tätige Kreditinstitute erhebliche Benachteiligungen in Kauf nehmen. Belastet würden vor allem Finanzierungsvorgänge der realen Wirtschaft und damit Teilbereiche der Finanzwirtschaft, die nicht krisenursächlich, sondern in weiten Teilen sogar stabilisierend gewirkt haben.

Einheitslösung statt Differenzierung

Dieser von der EU-Kommission jetzt vorgeschlagene Weg, ist eine Einheitslösung, die teilweise die Baseler Vorschläge über die enge Einbindung der europäischen Aufsicht (EBA) sogar noch verschärfen würde. Wer aber allen Banken und Sparkassen die gleichen Regulierungsanforderungen mit auf den Weg gibt, blendet aus, dass es erhebliche Unterschiede in den Geschäftsmodellen von global agierenden Finanzkonzernen sowie regional tätigen und an der Realwirtschaft ausgerichteten Kreditinstituten gibt. Letztlich soll Gleiches mit Ungleichem verglichen werden, was den eigentlichen Zielen von Basel III in keiner Weise gerecht wird. Die Konsequenz aus diesen Vorstellungen muss also lauten, dass Basel III - wie in den USA - auch in Europa nur für Großbanken angewandt wird.

Natürlich unterstützen auch die Sparkassen die Bemühungen der Politik, das Finanzsystem stabiler zu gestalten. Stabile Finanzmärkte und verlässliche Rahmenbedingungen sind selbstverständlich auch im Interesse unserer Institute und ihrer Kunden. Die unterschiedlichen Finanzmärkte und die Strukturen des Bankensystems sind aber in einer Weise heterogen, die eine Anpassung von Basel III auf nationale Besonderheiten zwingend erforderlich machen. Es kann nur Gleiches mit Gleichem verglichen werden, will man zu befriedigenden Ergebnissen kommen.

Genau hier liegt aber ein wesentliches Problem der jetzt vorgelegten Umsetzungsvorschläge der EU-Kommission. Statt den unterschiedlichen Finanzmärkten mit einer Richtlinie die Möglichkeit zu geben, flexibel und in Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten reagieren zu können, sollen große Teile des Regelwerks als Verordnung allen Marktteilnehmern überall in der EU einheitlich übergestülpt werden.

Dies soll insbesondere für die Bereiche Eigenkapital und Liquidität - also den Kern der CRD-IV-Regelungen - gelten. Die Umsetzung als Verordnung würde bedeuten, dass Regelungen in Deutschland eingeführt werden, die ursprünglich vom Baseler Ausschuss explizit als Anforderungen an Großbanken in aller Welt formuliert wurden - und dies, ohne dass Bundestag und Bundesrat sich mit diesen weitreichenden Beschlüssen befassen könnten, da die Verordnung bekanntlich unmittelbar geltendes Recht ist. Es liegt die Befürchtung nahe, dass die EU-weit geltenden Standards nur noch auf Großbanken und deren Finanzgeschäfte ausgerichtet werden. Sparkassen - und auch Genossenschaftsbanken - machen in Deutschland aber vor allem Mittelstandskreditgeschäft.

Für kleinere und mittlere Institute - wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken beinhalten die geplanten Regelungen besonders große Herausforderungen. Für deren Kunden, insbesondere die mittelständisch geprägte Wirtschaft in Deutschland, drohen negative Auswirkungen. Dies zeigen sowohl die geplanten Eigenkapital- als auch die Liquiditätsvorschriften.

Übergangsregelungen beim Aufbau von Eigenkapital beachten

Sowohl von der Gründungsintention als auch von der Aufgabenstellung her fokussiert sich der Baseler Ausschuss eben im Wesentlichen auf die Regulierung von großen international tätigen Banken. Diese Ausrichtung ist bekannt, sie hat sich jüngst erst wieder bei der Ausgestaltung der neuen Eigenkapitalanforderungen gezeigt. So legte der Baseler Ausschuss fest, dass das harte Kernkapital von Instituten zukünftig nur noch aus Aktien und offenen Rücklagen bestehen dürfe. Um ein hohes Qualitätsniveau des Eigenkapitals zu erreichen, definiert Basel III insgesamt 14 qualitative Anforderungen, die Aktien erfüllen müssen, um als hartes Kernkapital zu gelten.

Immerhin, in einer Fußnote hält der Baseler Ausschuss fest, dass Institute, die nicht in der Form der Aktiengesellschaft firmieren, die qualitativen Anforderungen an das harte Kernkapital mit den ihnen zur Verfügung stehenden Kapitalinstrumenten entsprechend erfüllen können. Diese Fußnote, die nur durch intensive Verhandlungen der deutschen Aufsicht in Basel durchgesetzt werden konnte, ist beispielsweise für Sparkassen und Landesbanken, die eben keine Aktien ausgeben, wichtig.

Diese Regelung findet sich sinngemäß auch in den CRD IV-Entwürfen der EU-Kommission wieder. Danach sollen Kernkapitalinstrumente von Sparkassen, Genossenschaftsbanken und "vergleichbaren Instituten" als hartes Kernkapital anerkannt werden, wenn sie auch unter nationalen Regelungen als hartes Kernkapital anerkannt sind. Soweit so gut. Gleichzeitig wird aber auch die neue Europäische Bankaufsichtsbehörde EBA ermächtigt, Anerkennungsvoraussetzungen zu definieren, welche Institute nun überhaupt in den Anwendungsbereich dieser Regelung fallen dürfen. Das ist eine unzulässige Einengung der Beschlüsse des Baseler Ausschusses - und wenn man so will eine klare Änderung der Geschäftsgrundlage.

Verlässliche Übergangsregelungen schaffen

Eigenkapital ist nun einmal der entscheidende Produktionsfaktor für Kreditinstitute. Ohne Eigenkapital gibt es keine Kreditvergabe. Das mag banal klingen, ist aber eine Tatsache. Wenn man also schon die Eigenkapitalregeln qualitativ verschärft und obendrein die Mindestkapitalquoten erhöht, so muss man auch sicherstellen, dass Institute genügend Zeit haben, Eigenkapital aufzubauen. Hierzu bedarf es definierter Übergangsregelungen. Basel III sieht diese Übergangsregelungen auch vor. Danach sollen bestehende Kapitalinstrumente, die die neuen Anforderungen nicht erfüllen, über zehn Jahre linear abgeschmolzen werden. In diesem Rahmen gelten sie aber weiterhin als hartes Kernkapital. Aber auch diese Regeln werden von der EU-Kommission in geradezu abenteuerlicher Weise beschnitten.

Bereits im Rahmen der Überarbeitung der Bankenrichtlinien (CRD II) wurden die Anforderungen an Kernkapital von Instituten verschärft. Um Friktionen in der Kreditvergabe zu vermeiden und den Instituten Gelegenheit zu geben, sich auf die neuen Anforderungen anpassen zu können, wurde ein Bestandsschutz für bestehende stille Einlagen festgelegt. Danach sollten diese stillen Einlagen für zehn Jahre (das heißt 2011 bis 2021) in voller Höhe als Kernkapital anrechenbar bleiben und danach über weitere 20 Jahre abschmelzen. Die CRD-IV- Entwürfe hebeln diesen Bestandsschutz nun aus. Die stillen Einlagen, die derzeit unter dem Bestandsschutz der CRD II stehen, sind zukünftig nur noch als ergänzendes Kernkapital, nicht mehr als hartes Kernkapital anrechenbar.

Wenn die Verordnung am 1. Januar 2013 in Kraft treten würde, hätte dies zur Folge, dass der ursprüngliche Bestandsschutz von zehn Jahren in unbegrenzter Höhe mit folgender Abschmelzung über weitere 20 Jahre auf insgesamt nur zwei (! ) Jahre reduziert werden würde. Das ist unter Aspekten des Vertrauensschutzes ein unglaublicher und nicht akzeptabler Vorgang. Vor nur zwei Jahren haben Rat und Parlament zusammen die vorgenannten Übergangsregelungen mit beschlossen. Nun sollen diese Beschlüsse wieder ausgehebelt werden. Da darf man sich schon fragen, welche Planungssicherheit Kreditinstitute in Zukunft noch haben?

Die Eigenkapitalplanung in Instituten hat einen Horizont von fünf Jahren und mehr. Innerhalb dieser Zeit sehen sich die Institute nun schon zum zweiten Mal mit gravierenden Änderungen konfrontiert. Es wird Zeit, dass hier wieder mehr Verlässlichkeit einkehrt. Daher sollte zumindest der von der CRD II vorgesehene zehnjährige Bestandsschutz für stille Einlagen aufrechterhalten werden. Dies ist auch materiell absolut vertretbar, denn die stille Einlage hat ihre Verlustabsorptionsfähigkeit und damit ihre Tauglichkeit als Eigenkapital unter Beweis gestellt .

Bestandteile des Liquiditätspuffers ausweiten

Ein weiteres Beispiel für die einseitige Ausrichtung der Baseler Beschlüsse ist die künftige Liquiditätsdeckungskennzahl (LCR). Sie fordert von den Instituten, einen aufsichtlich vorgegebenen Liquiditätsstress mit Hilfe eines Liquiditätspuffers bewältigen zu können. Die Bestandteile dieses Liquiditätspuffers sind aufsichtlich vorgegeben. Die im Baseler Rahmenwerk vorgesehene Anrechnung von Barmitteln, Zentralbankeinlagen, ausgewählten Staatsanleihen sowie von Pfandbriefen ist hier aber zu restriktiv.

Erstens verfügen die Sparkassen über breit diversifizierte Eigenanlagen. Diese bestehen unter anderem aus deutschen Pfandbriefen, die eine hohe Bonität aufweisen und liquide sind. Gleichwohl genügen sie nicht den Anforderungen nach Basel III, sodass sie zwar faktisch im Stressfall liquidiert werden können, jedoch für die Zwecke der LCR nicht anerkannt sind.

Zweitens werden Fonds derzeit faktisch nicht als Bestandteil des Liquiditätspuffers anerkannt. Anlagen im Spezialfonds sind jedoch in Deutschland üblich. Die Vermögensanlage über Fonds ermöglicht es vor allem kleinen und mittleren Instituten Portfolios aufzubauen, die nicht nur liquide im Sinne der Baseler Vorgaben sind, sondern auch stark diversifiziert und von Experten aktiv gemanagt werden. Eine unterlassene Berücksichtigung von Fonds im Rahmen der Liquiditätskennziffer würde den Instituten zum einen die Chance nehmen, ein diversifiziertes Portfolio zu halten. Darüber hinaus würde es die Konzentration auf einige Anlagegegenstände fördern.

Angemessenes Risikomanagement

Proberechnungen zeigen darüber hinaus, dass sehr viele Institute in Europa die neuen Liquiditätsanforderungen nicht erfüllen werden. Die Fokussierung auf Staatsanleihen als Bestandteil des Liquiditätspuffers hat gesamtwirtschaftlich unerwünschte Auswirkungen. Es kommt zur Verdrängung von Finanzinstrumenten privater Investoren (zum Beispiel Pfandbriefe und Unternehmensschuldverschreibungen) mit der Folge, dass deren Finanzierung teurer wird. Für Kreditinstitute bedeutet diese Fokussierung ein Klumpenrisiko, das durch aufsichtliche Vorgaben erzeugt wird. Das schränkt die Möglichkeiten eines angemessenen Risikomanagements ein. Schließlich erscheint es fraglich, ob der europäische Finanzmarkt in der Lage sein wird, die bislang als hochliquide Aktiva zugelassenen Finanzinstrumente in ausreichendem Maße bereitzustellen.

Zusätzliche Anrechnung von liquiden Aktiva: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass nahezu alle Assetklassen in einem bestimmten wirtschaftlichen Umfeld illiquide werden können. Das Ziel, die Liquidität von Instituten sicherzustellen, kann daher eher mit Hilfe eines breit diversifizierten Portfolios als mit Fokussierung auf wenige Assetklassen erreicht werden. Daher ist es sinnvoll, weitere ausgewählte Aktiva als (hoch-)liquide Vermögenspositionen zuzulassen. Dies könnten sein:

- Vollumfängliche Anrechnung von ausgewählten Jumbo-Pfandbriefen (zum Beispiel aus Deutschland, Dänemark) als Le-vel-1-Aktiva.

- Anrechnung von ausgewählten unbesicherten Bankschuldverschreibungen (zum Beispiel staatlich garantierte Schuldverschreibungen) als Level-2-Aktiva mit einem Wertabschlag von 30Prozent,

- Anrechnung von ausgewählten Aktien als Level-2-Aktiva mit einem Wertabschlag von 40Prozent.

Diese Erweiterung würde die oben genannten Verdrängungseffekte und den Aufbau von Klumpenrisiken reduzieren. Auf die Weise wird zusätzlich sichergestellt, dass für die potenzielle Nachfrage nach hochliquiden Aktiva ein ausreichendes Marktvolumen vorhanden ist.

Anrechnung von liquiden Aktiva aus Investmentfonds: Fondsmittel dürfen nach den aktuellen CRD-IV-Entwürfen nur dann als hochliquide Aktiva angerechnet werden, wenn das Fondsvolumen 250 Millionen Euro nicht übersteigt und der Fonds ausschließlich in zugelassene hochliquide Aktiva investiert ist. Diese Regelung läuft ins Leere, da solche Fondskonstruktionen praktisch kaum vorkommen.

Sachgerecht wäre es, die in Fonds (zum Beispiel Spezialfonds, Geldmarktfonds) vorgehaltenen hochliquiden Aktiva zusätzlich für die LCR anzuerkennen. Die gesamte Zusammensetzung des Fonds sollte eine untergeordnete Rolle spielen. Maßgeblich ist das jeweilige hochliquide Aktivum. Durch vollständige Transparenz des Fonds wird gewährleistet, dass die relevanten Positionen auch in Krisenszenarien kurzfristig veräußert werden können. Gegebenenfalls sind die relevanten hochliquiden Fondsaktiva mit einem zusätzlichen Wertabschlag (zum Beispiel fünf Prozent) für die Liquiditätsreserve zu versehen.

Vorbild USA: nur für international tätige Großbanken

Insgesamt gesehen, ist die Übernahme der Baseler-Regelungen in der jetzt von der EU-Kommission vorgeschlagenen Form sicher kein Problem, wenn sie einheitlich für alle großen, international operierenden europäischen Kreditinstitute angewandt werden. Im Übrigen sollte Europa bei Basel III dem Beispiel der USA folgen. Washington hat bereits vor Monaten bekannt gegeben, dass Basel III nur für international tätige Großbanken angewandt werden soll. Es ist daher nur konsequent, wenn auch in Europa kleinere Banken von den komplett auf Großbanken ausgerichteten Basel III-Regeln ausgenommen werden. Das ist auch im Sinne der deutschen Wirtschaft.

Es ist den Kunden von Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht zu vermitteln, warum die Institute für Mittelstandskredite künftig 30 Prozent mehr Eigenkapital vorhalten müssen und sich damit die Kreditkosten verteuern, obwohl das Mittelstandskreditgeschäft nicht die Ursache für die Finanzmarktkrise war. Es wäre fatal, wenn jetzt durch eine auf internationale Großbanken ausgerichtete Regulierung die Bedingungen für kleinere Institute und insbesondere für deren Mittelstandsgeschäft verschlechtert würden. Es macht grundsätzlich Sinn, nur Gleiches mit Gleichem zu vergleichen. Es wäre wünschenswert, wenn auf diesen Grundsatz bei der Bankenregulierung künftig stärker geachtet würde.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X