Aufsätze

Basel III vor der Tür?

Steht Basel III vor der Tür? Vor einigen Jahren war nämlich geplant, dass ein neuer regulatorischer Eigenkapitalbegriff unter eben diesem Terminus in eine internationale, europäische und schließlich nationale Bankenregulierung Eingang finden sollte. Den Verwerfungen am Geld- und Kapitalmarkt, und den Erschütterungen des Finanzsystems seit Mitte 2007 geschuldet, nahmen sich die Regulatoren und Notenbanken dieses Themas jedoch schon früher an als ursprünglich vielleicht vorgesehen.

Mehrere Initiativen unter ökonomischer, regulatorischer und bilanzieller Sicht

So kommt es gegenwärtig fast zeitgleich zu einer ganzen Reihe von Initiativen, unter anderem zum aufsichtsrechtlichen Kapitalbegriff: Basel konsultiert seit 17. Dezember 2009, die EU hat 2009 in einer Anpassung der Kapitalrichtlinie (CRD)1) Vorgaben zur Abgrenzung insbesondere von Hybridkapital gemacht, CEBS publizierte dazu jüngst Guidelines und trat fast zeitgleich mit einer Konsultation zum enger gefassten Kernkapital auf den Plan.2) Es bleibt zu hoffen, dass aus dieser Gemengelage heraus, die zudem noch durch die laufenden Entwicklungen in der Rechnungslegung (IFRS, IAS 39) begleitet wird, ein in sich schlüssiges, international harmonisiertes Regulierungssystem hervorgeht.3) Dies gilt umso mehr, als einzelne Themen noch mehr als schon bisher zusammenwachsen.

Dies gilt etwa für den Ansatz, eine ökonomisch orientierte Kalkulation erwarteter Verluste für Ausfallrisiken in die Rechnungslegung der IFRS zu übertragen. Diese neue Art der Risikovorsorge soll dann - die Prozyklik der Bilanzierung mindernd - das "incurred loss"-Modell ablösen. Gleichzeitig aber erwartet die Bankenaufsicht von den Instituten, den bilanziellen Risikovorsorgebedarf von IRB-Positionen einer regulatorischen Benchmark für den expected loss gegenüberzustellen.4) Diese Größe ist bislang nicht Gegenstand der Diskussion, müsste es aber werden, wenn die Themen sinnvoll harmonisiert werden sollen; denn bisher fußt der aufsichtsrechtliche expected loss allein auf einer einjährigen Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und wird so einer ökonomischen Sichtweise nicht gerecht.

Mehr noch: Das Basler Komitee möchte, dem Vorschlag von Dezember 2009 zufolge, diesen Wertberichtigungsabgleich bei einer Unterdeckung - anders als bisher vollständig vom künftigen sogenannten harten Kernkapital abziehen. Es zeigt sich mithin bereits an diesem kleinen Exempel eine erhebliche Verquickung aus ökonomisch ausgelegter Risikorechnung, aufsichtsrechtlichen Kapital- und Risikogrößen und der Rechnungslegung.

Paradoxie durch Systemrelevanz?

Als anspruchsvoll darf neben den Inhalten an sich deshalb auch der Zeitplan für das weitere Vorgehen gelten, dem sich die internationalen Komitees um Basel, Financial Stability Board und Joint Forum verschrieben haben;5) denn letztlich soll die Gesamtschau der Auswirkungen aller geplanten Einzelheiten zum Jahresende 2010 in ein hinreichend konkretes und kalibriertes Regelwerk münden.6) Dabei ist gegenwärtig noch vieles im Fluss, manches auch noch recht abstrakt. Als Beispiel für eine der aktuell bereits etwas genaueren Vorstellungen sei die Risikogewichtung herausgegriffen, die sich bei IRB-Positionen künftig ergeben könnte.

Die Überlegung wird dabei von dem Gedanken geleitet, dass Unternehmen aus dem Finanzsektor, also etwa Banken oder Versicherungen, ab einer gewissen Größe nicht mehr oder zumindest nicht allzu schnell wachsen sollen. Es soll also verhindert werden, dass eine bereits bestehende Systemrelevanz weiter zunimmt. Deshalb erwägt man für Ausleihungen an solche Finanzunternehmen höhere Eigenkapitalanforderungen bei den Gläubigerbanken als bisher. Größe wird dabei festgemacht an den Vermögenswerten der Schuldner, und als groß gelten Institute, wenn ihre Assets mehr als 25 Milliarden US-Dollar ausmachen. Die Abbildung zeigt die damit einhergehende Veränderung in der Risikogewichtung.

Viele Detailfragen für die praktische Umsetzung sind hier zu klären wie etwa: Wie (zum Beispiel auch in welcher Währung), wann und wie häufig werden die Vermögenswerte gemessen, welche werden überhaupt miteinbezogen und worin besteht deren Werthaltigkeit?

Das hier aufgeführte Detail zu den IRB-Risikogewichten steht stellvertretend für eine Fülle von offenen Fragen, die sich aus den regulatorischen Vorhaben insgesamt ergeben.

Eher noch mehr Systemrelevanz

Vom Detail weg drängt der Blick aber schnell wieder auf das Ganze. Und so darf man wohl zu Recht fragen, ob auch im oben dargestellten Fall nicht eine gewisse Paradoxie liegt. Mutmaßend, dass trotz aller Überlegungen etwa zu "living will", Entflechtungsgesetz und "too big to fail"-Argumenten letztlich der jeweilige Staat bei großen Banken rettend eingreift, könnte die risikoadjustierte Unterlegung mit Eigenkapital ja gerade umgekehrt sein. Also niedrigere Risikogewichte für große Institute, ist deren Ausfallgefahr doch kraft vermuteten oder gar erfolgten Staatseingriffes besonders niedrig - abzulesen an den einschlägigen CDS Spreads am Kapitalmarkt. Und zeigt nicht die jüngste Vergangenheit, dass es nicht zuletzt aufgrund der Rettungsaktionen weltweit nun eher weniger Banken gibt, dafür aber größere Finanzkonzerne entstanden sind? Also solche mit noch mehr Systemrelevanz als in der Zeit vor der Krise. Offenbar wird es bei zunehmender Komplexität und Verflechtung der Themen immer schwieriger, bei aller zukünftig nötigen Detailregelung die große Linie im Auge zu behalten - eine enorme Herausforderung für alle daran Beteiligten.

Fußnoten

1) CRD = Capital Requirement Directive: Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute. Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten.

2) Siehe Basel Committee on Banking Supervision, Consultative Document: Strengthening the resilience of the banking sector, December 2009. Ferner: Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisationen zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement, im Amtsblatt der Europäischen Union vom 17. November 2009. Und weiter: CEBS: Implementation Guidelines for Hybrid Capital Instruments, December 2009 sowie ferner CEBS: Consultation Paper on Implementation Guidelines regarding Instruments referred to in Article 57(a) of Directive 2006/48/EC recast, December 2009.

3) Siehe hierzu: Suyter: "Basel II ist umgesetzt wirklich?", Bankmagazin, Februar 2008.

4) Siehe unter anderem Basel II: International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards, a Revised Framework, Comprehensive Version, Juni 2006. IRB = Internal Rating Based.

5) Siehe Suyter: Regulierungspause oder neuer Regulierungsschub?, in Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Ausgabe 14-2008.

6) Der Vizepräsident der Bundesbank, Prof. Zeitler, zeigt sich in seiner Rede schon Anfang Juni 2008 skeptisch gegenüber Bestrebungen, allzu rasch eine Art Basel III vorzubereiten: Prof. Zeitler: "Die Finanzmarktturbulenzen - Konsequenzen für die Märkte, Institute und Aufseher", Frankfurt, Bundesbanksymposium vom 3. Juni 2008.

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