Sparkassentag 2013 Aufsätze

Berlin wird Sparkasse

Sparkassen sind auf das Engste mit ihrer Region und deren Geschichte verbunden. Das gilt natürlich auch für die Berliner Sparkasse. Nun handelt es sich bei Berlin aber um eine Region mit einer - ohne zu übertreiben - besonders dramatischen Geschichte. Was das für die Sparkasse dieser Stadt bedeutet, welche besondere Geschichte sie hat, wo sie heute in ihrer Stadt steht und welche Perspektiven sie hat, wird im Folgenden umrissen.

Die Geschichte Berlins und der Berliner Sparkasse

"Am Anfang war Napoleon" schreibt der Historiker Thomas Nipperdey in seinem Standardwerk zur deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts. Berlin und seine Sparkasse sind ein lebendiger Beleg dafür.

Berlin wurde im 18. Jahrhundert zur Hauptstadt des Königreichs Preußen. Es besaß aber weiterhin mehr den Charakter einer großen Garnison und eines Verwaltungssitzes und stand im Schatten Potsdams und seiner Schlösser. Flächenmäßig umfasste die Stadt gerade einmal das, was heute dem Bezirk Mitte entspricht. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Berlin im Zuge der industriellen Revolution explosionsartig. Die politische Grundlage bildeten die Reformen nach Stein (Kommunalverfassung), Hardenberg (Heer, Gewerbe) und Humboldt (Universität), mit denen Preußen die Lehren aus seiner Niederlage gegen Napoleon ziehen und zu neuer Stärke finden wollte.

Von da an ging es Schlag auf Schlag. Mit Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 wurde Berlin ein politisches, wirtschaftliches, kulturelles und wissenschaftliches Zentrum von weltweitem Rang. Hatte die Stadt um 1800 noch 172000 Einwohner, so waren es Mitte des Jahrhunderts bereits 425 000, um 1900 waren nahezu zwei Millionen erreicht und in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts knapp vier Millionen - mehr als heute. In ihrer Technologie weltweit führende Unternehmen gingen auf Berliner Gründer zurück und hatten ihren Sitz in der Stadt. Die bekanntesten waren Siemens (Elektrotechnik, Telegrafen), Borsig (Dampfmaschinen, Eisenbahnen) und AEG (Elektrotechnik). 600 000 Industriearbeitsplätze zählte die Stadt vor dem Ersten Weltkrieg.

So rasant der Aufstieg, so rasant der Fall. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war Berlin ein Trümmerhaufen, ihre Einwohnerschaft dezimiert auf 2,8 Millionen, die jüdische Bevölkerung vertrieben oder ermordet und die Stadt zerteilt in die Besatzungszonen der alliierten Siegermächte.

Schwere Zeit der Teilung

Die anschließende Zeit der Teilung bis 1989 tat ein Übriges. Im Osten wurden große Teile der Industrieanlagen demontiert und als Reparationsleistung in die Sowjetunion verbracht. Soweit möglich zogen die verbliebenen Unternehmen aus Berlin weg in das sichere Westdeutschland. Damit war die Stadt deindustrialisiert und - darauf hat der Regierende Bürgermeister Berlins in einem Gespräch mit dem "Tagesspiegel" kürzlich hingewiesen - von der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik abgekoppelt: "Banken wären nicht in Frankfurt, Siemens nicht in München, Verlage nicht in Hamburg, wenn das anders gewesen wäre." Das Ergebnis für die Region ist bekannt.

Die Geschichte der Berliner Sparkasse ist ein Spiegelbild der Geschichte ihrer Stadt. Im 19. Jahrhundert ist es eine Erfolgsgeschichte. Sie wurde 1818 als erste kommunale Sparkasse des Königreichs Preußen gegründet. "Den hiesigen Einwohnern, ihre kleinen Ersparnisse zinsbar und sicher unterzubringen, und ihnen dadurch behilflich zu sein, sich ein Kapital zu sammeln, welches sie bei Verheiratungen, Etablierung eines Gewerbes, im Alter oder in Fällen der Not benützen können" - so beschrieb der Magistrat der Stadt den Zweck des neuen Instituts. In der Sprache der Zeit findet sich darin alles, was noch heute den öffentlichen Auftrag der Sparkasse ausmacht.

Aus den 551 Kunden des Gründungsjahrs wurden bis 1825 bereits 19 000 Kunden. Zum Ende des 19. Jahrhunderts lag die Zahl der Kunden bei 570 000. Mit der Gründung Groß-Berlins 1920 wurden auch die zuvor eigenständigen Sparkassen der Städte und Gemeinden der Region zu einem Gesamtinstitut zusammengeführt - der Sparkasse der Stadt Berlin. Aus dieser Zeit rührt auch die traditionelle Einheit aus Sparkasse und Girozentrale, die schlicht eine Abteilung innerhalb der Sparkasse war.

Teilung der Sparkasse

Nationalsozialismus, Krieg und deren Folgen bestimmten auch die Entwicklung der Berliner Sparkasse. Sie war zwar das einzige Kreditinstitut der Stadt, das unmittelbar nach Kriegsende weiter arbeiten durfte. Die Teilung Berlins erzwang jedoch auch die Teilung der Sparkasse. Ihr Hauptsitz, das 1932 von Behrens im modernen Stil erbaute Alexanderhaus, blieb die Zentrale für die Sparkasse im Ostteil der Stadt, während die Sparkasse im Westteil der Stadt im Bezirk Wilmersdorf ihre neue Zentrale errichtete.

Manche heute noch bestehende Besonderheit im Berliner Bankenwesen geht auf die Zeit der Teilung zurück. So gründete der Senat der Stadt unter Ernst Reuter im Jahr 1950 die Berliner Bank, vor allem um den Wiederaufbau zu unterstützen. Auch eröffneten deutlich mehr Kunden als in anderen Städten ein Konto bei der Postbank, bei der - mit ihrem Hauptsitz in Frankfurt am Main - das Geld als besonders sicher galt, sollte die Westhälfte der Stadt unter sowjetische Herrschaft geraten. Beides macht sich noch heute in den Marktanteilen der Berliner Sparkasse bemerkbar.

Der Fall der Mauer brachte ein Ende der Teilung auch der Berliner Sparkasse. Umgekehrt trug die Berliner Sparkasse dazu bei, die Folgen der Teilung zu überwinden. Symbolisch dafür sind die langen Schlangen, die sich an den Schaltern bildeten, als die Bürgerinnen und Bürger Ost-Berlins das Begrüßungsgeld in D-Mark abholten. Für alle, die es selbst miterlebt haben, bleibt das unvergesslich.

Allgemeine Nachwende-Euphorie

Verbunden mit der Wiedervereinigung war auch der Glaube an einen raschen Wiederaufstieg Berlins. Wirtschaft und Bevölkerung sollten anknüpfen an die große Zeit der Metropole und Berlin sollte - wie vor dem Krieg - wieder ein Bankenplatz von internationalem Renommee werden. Was heute vermessen erscheinen mag, fügte sich damals ein in die allgemeine Nachwende-Euphorie. So kam es, kurz gesagt, zur Gründung erst einer eigenen Landesbank, der LBB, dann der Bankgesellschaft Berlin - mit allem was daraus und aus ihrem Zusammenbruch 2001 folgte.

Diese wechselhafte Geschichte nahm ein für unser Haus gutes Ende, als die deutschen Sparkassen im Jahr 2007 die LBB erwarben - und damit ihren historischen und wirtschaftlichen Kern, die Berliner Sparkasse.

Das ist das Entscheidende: Die Berliner Sparkasse hat alle Höhen und Tiefen der regionalen, ja der deutschen Geschichte durchlebt und überlebt. Diese Geschichte hat manche Blessuren hinterlassen, sie hat die Sparkasse aber auch mit besonderen Fähigkeiten und Stärken ausgestattet.

Die Perspektiven Berlins und der Berliner Sparkasse

Blickt man auf Berlin, so sieht man Licht und Schatten. Bis vor Kurzem - entgegen der Hoffnungen nach dem Ende der Teilung - mehr Schatten, seit wenigen Jahren aber auch immer mehr Licht. Die Schattenseiten: Von den ehemals 600 000 Industriearbeitsplätzen waren bei Fall der Mauer gut 200 000 übrig, und auch diese Zahl hat sich bis heute nochmals halbiert. Was damit an Kaufkraft und Wertschöpfung verloren ging, mag man sich leicht denken. Alles Weitere folgt daraus. Heute sind knapp 20 Prozent der Berliner abhängig von staatlichen Transferleistungen, gegenüber neun Prozent im Bundesvergleich. Und auch die Arbeitslosenrate liegt mit über zwölf Prozent noch immer deutlich über dem Bund mit 6,8 Prozent. So verwundert es nicht, dass das verfügbare Jahreseinkommen pro Einwohner mit rund 15 000 Euro gerade einmal 60 Prozent der 25 000 Euro in Hamburg erreicht.

Aber was wäre Berlin, wenn es sich nicht "rappeln" würde, gerade wenn es kaum noch jemand erwartet. Um nur einige der Schlagzeilen aus den letzten Monaten zu nennen: "Berliner Wirtschaftswunder", "Berlin holt auf", "Berlin wird kreativer", "Berlin - Die Wissenschaftsstadt". Wohin also bewegt sich Berlin und was bedeutet das für die Berliner Sparkasse?

Eine wachsende Stadt

Berlin ist eine wachsende Stadt. Der Berliner Senat schätzt in seiner aktuellen Prognose, dass die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2030 um rund 250 000 Personen steigen wird. 250 000 Menschen - das entspricht der Einwohnerzahl einer Stadt wie Freiburg, Mönchengladbach oder Kiel. All diese neuen Berlinerinnen und Berliner werden Wohnraum, Infrastruktur sowie kulturelle, soziale und sportliche Angebote benötigen. Die Berliner Sparkasse will an diesem Wachstum teilhaben, indem sie mehr neue Kunden gewinnt - und zwar über die Rate des Bevölkerungszuwachses hinaus, denn sie will Marktanteile gewinnen.

Berlin ist eine Gründerstadt. In den vergangenen Jahren hat sich eine lebendige Gründerszene entwickelt, die international Beachtung findet und Menschen mit Ideen, aber auch mit Geld für Investitionen aus aller Welt in die Stadt führt. Besonders für Internetfirmen ist Berlin zu einem Knotenpunkt geworden. Alle zwölf Minuten wird in der Stadt ein Unternehmen gegründet oder ein Gewerbe angemeldet. Nach amtlicher Statistik lag Berlin im vergangenen Jahr mit 128 neu gegründeten Gewerben pro 10 000 Einwohner an erster Stelle unter den Bundesländern. Damit liegt es sogar vor Bayern, zu dessen Wirtschaftskraft die Berliner in der Regel ja nur anerkennend heraufblicken können.

Die Berliner Sparkasse trägt schon heute zu diesem Gründerboom bei. Dazu wurde in den vergangenen Jahren das Kompetenz-Center für Gründungen und Unternehmensnachfolge kontinuierlich ausgebaut und das wird auch weiterhin so sein. Denn die Existenzgründer von heute sind die erfolgreichen Mittelständler von morgen. Manche der betreuten jungen Unternehmen haben es schon zu überregionaler Bekanntheit gebracht, so zum Beispiel Mykita (Herstellung von Brillenfassungen aus modernsten Materialien) und Hüftgold (Modebranche - Ledergürtel und Schals, Tücher und Taschen).

Berlin ist eine Stadt des Kleingewerbes. Die Wirtschaftsstruktur stellt sich völlig anders dar, als etwa in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Die Berliner Sparkasse hat sich darauf eingestellt, beispielsweise mit einer telefonischen Direktbank für kleine Unternehmen. Sie zählt zu den Erfolgsgeschichten des Hauses. Nahezu 35 000 Gewerbekunden lassen sich dort betreuen. Das Leistungsangebot wird dabei über die telefonische Kundenbetreuung, das Internet und die SB-Terminals an den "stationären" Vertriebsstellen genutzt. Die Produktnachfrage in diesem Kundensegment ist dabei sehr homogen. Dadurch können alle Kunden von qualifizierten Fachkräften betreut werden

Zu wenig Wohnraum

Berlin ist mittlerweile wieder eine Stadt mit zu wenig Wohnraum. Noch vor wenigen Jahren war das undenkbar, als man an Leerstand und Monatskaltmieten von 4,50 Euro pro Quadratmeter dachte. Das starke Bevölkerungswachstum wirkt sich spürbar auf den lokalen Immobilienmarkt aus. Die verfügbaren Wohnungen werden knapp, die Leerstände gehen deutlich zurück und die Mieten steigen. Dies stellt den Wohnungsbau - sei er staatlich gefördert oder rein privat finanziert - vor neue Anforderungen. Die Sparkasse stellt sich darauf ein: Sie investiert insbesondere in die Finanzierung von Objekten mit 30 bis 50 Wohneinheiten, weil sie darin attraktive Wachstumschancen sieht.

Berlin ist die Stadt der Zukunftsbranchen. Gesundheitswirtschaft, Energietechnik, Unternehmen im Bereich Umwelt oder die Elektroindustrie - sie haben gemein, dass sie langfristiges und damit nachhaltiges Wachstum versprechen. Für diese Unternehmen in der Region steht die Sparkasse mit Firmenkundenberatern bereit, die sich auf diese Wachstumscluster spezialisiert haben.

Berlin, eine digitale Stadt: Die digitale Revolution - hier findet sie statt. 79,3 Prozent der Berliner nutzen bereits das Internet (Bund: 75,9 Prozent). Das bestimmt das Verhalten der Kunden. Immer mehr machen von ihrer Berliner Sparkasse Gebrauch wie von einer Direktbank. Das bedeutet aber auch, sie kommen immer seltener in die Filialen. Die Sparkasse hat darauf mit einer breit angelegten Untersuchung reagiert, um den genauen Bedarf an Beratung noch besser zu verstehen. Das Ergebnis: "Wege zum Kunden". Am Anfang stehen nicht mehr Einkommen oder Vermögen, auch keine feste Zuordnung zu den Geschäftsstellen. Dreh- und Angelpunkt ist vielmehr die Einschätzung des Kunden selbst, wie (rein online oder ganz persönlich) und in welchem Umfang (gering oder hoch) er beraten werden will. Danach richtet sich die Sparkasse.

Im Rahmen des Sparkassen-Finanzkonzepts will sie dann den individuellen Wünschen gerecht werden und die Kunden aktiv ansprechen. Für die Vertriebswege der Berliner Sparkasse heißt das, die direkte Betreuung (telefonisch, im Internet oder mobil bei den Kunden zuhause) zu stärken, die Filialen dagegen in ihrer Zahl zu reduzieren und stärker zu spezialisieren. Das sind einige der positiven Veränderungen in Berlin, die die Sparkasse vor Ort nutzen und mit vorantreiben will - zum Wohle der Stadt. Der Auftrag reicht aber darüber hinaus. Die Berliner Sparkasse soll im besten Sinn eine "normale" Sparkasse werden. In enger Zusammenarbeit mit und im Auftrag der anderen Sparkassen kann die Berliner Sparkasse sich vorstellen, eine "Zukunftssparkasse" zu sein. Eine gute Idee, die anderswo in der Sparkassen-Finanzgruppe entstanden ist - gleich, ob in Garmisch-Partenkirchen, in Erfurt oder im Schaumburger Land -, könnte in Berlin auf ihre breite Verwendbarkeit für alle Sparkassen getestet werden. Dasselbe gilt für die Ideen aus der Sparkasse oder für die gemeinsamen Pilotvorhaben der Sparkassengruppe.

Möglichst schlanke Organisation

Der laufende Umbau des Hauses zielt auch darauf ab, manche auferlegte Bürde der letzten Jahrzehnte abzutragen. Das bezieht sich auf den Aufbau, die Geschäftsfelder und das wirtschaftliche Ergebnis der Sparkasse ebenso wie auf die Stellung in der Gesellschaft der Stadt. Dafür benötigt die Sparkasse Zeit. So will sie die Last der nicht mehr erforderlichen Konzernstruktur ablegen, die Komplexität verringern und sich möglichst schlank organisieren.

Und nicht zuletzt ist die Berliner Sparkasse die "Sparkasse in der Hauptstadt" - ob sie will oder nicht und mit allen Vor- und Nachteilen. Als solche will die Berliner Sparkasse zuerst die beste Beratung für die Kunden bieten und natürlich für diejenigen Berliner, die es in Zukunft werden. Mit der kompetenten Hilfe beim Vermögensaufbau, bei der Altersvorsorge oder bei der Existenzgründung wird die Sparkasse ihrem gesellschaftlichen Auftrag zuallererst gerecht werden. Darüber hinaus will sie in Berlin sichtbarer werden, als sie das heute ist. Mit den Stiftungen und Projekten will sie zum Gemeinwohl der Stadt beitragen.

Den Schwerpunkt sieht die Berliner Sparkasse darin, Bildung und Chancengleichheit zu fördern. Schließlich wollen sie mit beidem - dem Engagement für die Kunden wie für die Stadt - in der Hauptstadt auf die einzigartige Bedeutung aller Sparkassen für Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland aufmerksam machen. Das alles lässt sich nicht von heute auf morgen verwirklichen. Aber bis zu dem 200. Geburtstag im Jahr 2018 sollte es zu schaffen sein. Auf dem Weg dahin gilt: "Berlin wird Sparkasse".

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