Aufsätze

Betriebliche Altersvorsorge: die große Unbekannte

Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) hat in Deutschland eine lange Tradition. Die Wurzeln der bAV gehen zurück auf eine Selbsthilfeeinrichtung der Bergleute im Mittelalter. Sie zahlten in eine Gemeinschaftskasse, aus der kranke, invalide oder verarmte Bergleute unterstützt wurden. Die moderne bAV ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber die wohl effektivste Vorsorgelösung - und trotzdem für viele noch eine große Unbekannte. Das zeigen zwei Studien des Direktversicherers Hannoversche.

Schub durch Rechtsanspruch auf betriebliche Entgeltumwandlung

Der ursprüngliche Gedanke prägt die bAV bis heute: Ein Teil des Bruttogehalts wird im Rahmen der Gehaltsabrechnung direkt für die Altersvorsorge umgewandelt. Durch dieses Vorgehen spricht man auch von der "Gehalts-" oder "Entgeltumwandlung". Die heutige bAV bietet im Vergleich zu anderen geförderten Angeboten in der Altersvorsorge zahlreiche Vorteile. Stichworte sind hier die hohe Steuer- und Sozialversicherungsersparnis für den Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie Mitarbeiterbindung und-motivation. Die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.

Ausschlaggebend hierfür ist die Einführung des Rechtsanspruchs auf betriebliche Entgeltumwandlung für alle Arbeitnehmer im Jahre 2002. Die Durchdringungsquoten, also der Anteil der Mitarbeiter eines Unternehmens, die an der betrieblichen Entgeltumwandlung teilnehmen, stieg rasant an. Allerdings hat die anfängliche Dynamik deutlich nachgelassen. Woran liegt das? Zwei Umfragen, die die Hannoversche beim Institut für Management und Wirtschaftsforschung (IMWF) in Auftrag gegeben hat, fragten unter anderem, wie es um das Wissen der Deutschen über die bAV bestellt ist.

Bundesbürger nicht gut informiert

74 Prozent der Bundesbürger haben nur lückenhaftes Wissen über die steuerlichen Vergünstigungen bei der betrieblichen Altersvorsorge.

So klaffen große Lücken bei dem Wissen um die Zugangsvoraussetzungen einer bAV. Die größten Unklarheiten liegen allerdings in einem weit verbreiteten Irrtum begründet: So glaubt gut ein Drittel der Deutschen, nur dann in den Genuss steuerlicher Privilegien zu kommen, wenn sich der Arbeitgeber an den monatlichen Beitragszahlungen beteiligt. Umgekehrt weiß nur rund ein Viertel der Befragten, dass die betriebliche Altersvorsorge grundsätzlich immer steuerbegünstigt ist. Selbst unter den Berufstätigen ist sich darüber nur jeder Dritte im Klaren.

Weit verbreitet ist zudem die Unwissenheit hinsichtlich der Übertragungsmöglichkeiten bei einem Arbeitgeberwechsel: So glaubt ein Viertel der Deutschen, dass die betriebliche Altersvorsorge bei einem Jobwechsel verloren geht. Nur 22 Prozent der Bevölkerung wissen, dass die einmal abgeschlossene betriebliche Altersvorsorge vom neuen Arbeitgeber übernommen und anschließend regulär über die Lohnabrechnung als "Gehaltsumwandlung" weitergeführt werden kann.

Großer Handlungsbedarf bei Geringverdienern

45 Prozent der erwerbstätigen Bundesbürger beklagen, von ihrem Arbeitgeber keine Informationen zur bAV zu bekommen. Vor allem Berufstätige mit einem Nettoverdienst zwischen 1000 und 2000 Euro im Monat gehen häufig leer aus: 54 Prozent von ihnen berichten, von den eigenen Personalverantwortlichen über keinerlei betriebliche Altersvorsorgemodelle informiert worden zu sein. Und das, obwohl der Arbeitgeber die Mitarbeiter über den Rechtsanspruch einer Entgeltumwandlung und/oder eine bestehende betriebliche Altersvorsorge informieren muss.

Wird eine bAV im Unternehmen vom Arbeitgeber aktiv angeboten/beworben, ist die Nachfrage unter den Beschäftigten groß. 85 Prozent der Arbeitnehmer, für die eine entsprechende Vorsorgemöglichkeit besteht, nehmen diese auch in Anspruch, auch wenn nicht alle Arbeitnehmer ihre vom Staat geförderten Möglichkeiten in Höhe von jährlich vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (entspricht 2688 Euro im Jahr 2012) ausschöpfen.

Trotz der großen Bereitschaft der Deutschen, eine bAV abzuschließen, sind viele Befragte unzufrieden mit der Qualität der bAV-Beratung. Knapp jeder zweite Berufstätige (47 Prozent) fühlt sich über die Möglichkeiten dieser Vorsorgeform nicht ausreichend von seinem Arbeitgeber informiert. Hinzu kommt, dass 71 Prozent der Befragten, meist nicht einmal wissen, dass sie einen Anspruch auf eine Entgeltumwandlung im Rahmen der bAV haben.

Erfolgsfaktor betriebliche Altersversorgung

Vor allem Geringverdiener sind sich ihrer Rechte in der bAV nicht bewusst. Während knapp die Hälfte aller Befragten mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3000 Euro über die Beratungspflicht ihres Arbeitgebers Bescheid weiß, sind bei den Kleinverdienern (weniger als 1000 Euro netto) 80 Prozent nicht informiert. Ein knappes Drittel der Teilzeitkräfte geben darüber hinaus an, dass die bAV nur etwas für Besserverdiener ist. Dabei profitieren auch Arbeitnehmer mit kleinem Einkommen durch die Steuer- und Sozialversicherungsersparnis von dieser Art der Altersvorsorge.

Nicht nur für Arbeitnehmer ist die bAV attraktiv, sondern auch für das Unternehmen. In Deutschland offerieren fast alle großen Unternehmen eine bAV. Aber je kleiner die Unternehmen, desto seltener eröffnen sie ihren Beschäftigten diese Möglichkeit zur Vorsorge - und verschenken dabei nicht nur bares Geld, sondern verzichten auch auf ein modernes Instrument der Mitarbeiterbindung.

Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) schrecken oft davor zurück, betriebliche Vorsorgeangebote zu offerieren. Warum? Das Thema bAV ist sehr komplex, weil sich arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtliche Regelungen überlagern. Kleinere KMU verfügen in der Regel nicht über ausreichend Know-how im Rechnungswesen und/oder in den Personalabteilungen, um sich diesem Thema genügend zu widmen. Verantwortliche fürchten zudem einen erhöhten Kosten- und Personalaufwand sowie mögliche Haftungsfragen. Dabei werden häufig die Vorteile der bAV übersehen, denn einige Anbieter von bAV-Lösungen übernehmen die rechtssichere Beratung der Arbeitnehmer und die Durchführung wie auch Verwaltung der Entgeltumwandlung in den Unternehmen. Der administrative Aufwand für den Arbeitgeber und etwaige Haftungsrisiken werden minimiert, Kosten werden reduziert.

Unternehmen sollten den bAV-Anspruch ihrer Mitarbeiter nicht als lästige Pflicht empfinden, sondern vielmehr als Erfolgsfaktor. Für Arbeitgeber bietet eine Betriebsrente eine Reihe von Vorteilen. Das Unternehmen, das eine bAV anbietet, wird attraktiver im Wettbewerb um begehrte Fachkräfte. Die Mitarbeiterbindung in Betrieben mit einer bAV ist deutlich höher - und nicht zuletzt rechnet es sich in Euro und Cent: Bei der Entgeltumwandlung werden auch beim Arbeitgeber die Beiträge zur Sozialversicherung gespart.

Eine Win-win-Situation

Richtig angewandt, bietet die betriebliche Altersvorsorge eine Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Doch wie so häufig, kommt es auf die Wahl der richtigen bAV-Modelle und vor allem eine abgestimmte Kommunikationsstrategie an, die von dem bAV-Anbieter individuell für den jeweiligen Arbeitgeber erstellt werden muss. Nur wer heute alle seine Möglichkeiten ausschöpft und erfolgreich umsetzt, wird das Modell der bAV in der Zukunft nicht mehr missen wollen.

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