Schwerpunkt

BVI-Studie Wertpapier-Spezialfonds: Anlage mit kalkulierbarem Risiko

Die höchsten Nettomittelzuflüsse seit 1998 haben dem Wertpapier-Spezialfonds ein erfolgreiches Jahr 2010 beschert. Die Spezialfonds konnten insgesamt 70,9 Milliarden Euro einsammeln, mehr als doppelt so viel wie 2009 (31,0 Milliarden Euro). Dieses erfreuliche Ergebnis wird nur dadurch ein wenig getrübt, dass der Gesamtzuwachs mit 84,4 Milliarden Euro hinter den 89,0 Milliarden Euro des Vorjahres leicht zurückbleibt. Da die Ausschüttungen von 20,2 auf 22,0 Milliarden Euro nur leicht gestiegen sind, ist das geringere Wachstum des Gesamtvolumens dadurch zu erklären, dass sich die Kapitalmärkte 2010 nicht so günstig wie in 2009 entwickelt haben.

Vor allem bleibt jedoch festzuhalten, dass das Vertrauen der Anleger in das Instrument des Spezialfonds weiterhin stabil ist und auch in Zukunft mit weiteren Mittelzuflüssen gerechnet werden kann.

Im ersten Halbjahr 2011 konnten bereits Mittelzuflüsse in Höhe von 16,9 Milliarden Euro eingesammelt werden. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass 2011 möglicherweise nicht so erfolgreich wie 2010 wird, wohl aber auf dem recht ordentlichen Niveau von 2009 liegen wird.

Anhaltender Trend zur Segmentierung

Im Vergleich zu den Publikumsfonds verwalten die Spezialfonds seit dem Krisenjahr 2008 wieder das höhere Volumen (Abbildung 1). Durch die konservativere und weniger aktienlastige Anlage der Spezialfonds sind die Wertverluste in der Finanzkrise geringer ausgefallen, als dies bei vielen aktienorientierten Publikumsfonds der Fall war. Im ersten Halbjahr 2011 hat sich der Vorsprung weiter ausgebaut. Ende Juni verwalteten die Spezialfonds 833 Milliarden Euro gegenüber 695 Milliarden in den Publikumsfonds. Das dritte Standbein der Investmentbranche, die sogenannte freie Portfolioverwaltung, hat sich in 2010 leicht reduziert. Das außerhalb von Investmentfonds verwaltete Vermögen reduzierte sich von 326 auf 307 Milliarden Euro.

Der Trend zur Segmentierung von Spezialfonds setzt sich nach den vom BVI erhobenen Zahlen weiter fort und spielt auf diese Weise den auf das Master-KAG-Geschäft spezialisierten Wettbewerbern in die Hände, vergleiche Abbildung 2. Der im Kalenderjahr 2010 beobachtete Volumenszuwachs der Spezialfonds kam fast ausschließlich den segmentierten Spezialfonds zugute, die um knapp 70 Milliarden Euro auf 479 Milliarden Euro anwuchsen. Demgegenüber konnten die nicht segmentierten Spezialfonds lediglich 13 Milliarden Euro hinzugewinnen, sodass sie jetzt über 306 Milliarden Euro verfügen.

Die Bildung von Segmenten dient dazu, unterschiedliche Anlagethemen in die Verantwortung unterschiedlicher Asset Manager zu legen und dennoch das gesamte Portfolio in einem einzigen Spezialfonds zu halten. Für segmentierte Spezialfonds hat sich der Begriff "Master-Fonds" eingebürgert, der jedoch nicht mit dem Master-Fonds im Rahmen eines Master-Feeder-Konzeptes verwechselt werden darf. Bei Letzterem investiert der Feeder-Fonds mehr oder weniger sein gesamtes Vermögen in Anteilen ein- und desselben Zielfonds, eben des sogenannten Master-Fonds. Dieses Konzept wurde am 1. Juli 2011 durch das UCITS IV-Umsetzungsgesetz zugelassen und soll unter anderem den grenzüberschreitenden Vertrieb erleichtern.

Sichere Anlagen gesucht

Die Entwicklung der Asset Allokation zeigt, dass die Wertpapier-Spezialfonds den sichereren Anlagen erneut eine höhere Bedeutung zumessen. Der Wert der festverzinslichen Papiere stieg von 375 auf 402 Milliarden Euro an. In Fortsetzung eines seit über zehn Jahren stabilen Trends wurden dabei die inländischen Renten zugunsten ausländischer Papiere weiter reduziert. Damit standen Ende 2010 inländische Anleihen im Wert von 97 Milliarden Euro ausländischen im Wert von über 305 Milliarden Euro gegenüber.

Die Aktienanlage, die 2008 von 32 Prozent auf 17 Prozent eingebrochen war, ist seither nicht wieder hochgefahren worden. Dies ist nach herrschender Meinung zu bedauern, weil eine höhere Aktienquote der institutionellen Anleger, insbesondere der Versicherungen, den betroffenen Endkunden langfristig eine höhere Rendite ermöglichen würde, auch wenn es zwischenzeitlich zu größeren Weltverlusten kommt. Entgegen den langfristigen Interessen der Anleger beziehungsweise Versicherten sehen sich jedoch die meisten institutionellen Anleger gezwungen, kurzfristige Verluste durch entsprechend risiko- und renditearme Ausrichtung der Anlageportfolios zu vermeiden; der Blick ist dabei fest auf den jeweils nächsten Bilanzstichtag zu richten, an welchem eine bestimmte Mindestverzinsung und allenfalls nur ganz geringfügige Verluste zu zeigen sind.

Die Spezialfondsgesellschaften bieten für diesen Zweck Konzepte zur Kapitalerhaltung an, die im Rahmen der vorgegebenen Risikotragfähigkeit am Jahresende ein definiertes Mindestergebnis abliefern. Die vorgefundene geringe Aktienquote lässt sich zum großen Teil auf diese Kapitalerhaltungskonzepte zurückführen.

Weitere Zunahme des Anteils der Zielfonds

Bemerkenswert ist ferner die weitere Zunahme des Anteils der Zielfonds, der zum Jahresende 9,5 Prozent des Gesamtvolumens betrug. Bis Mai 2011 stieg die Bedeutung der Zielfonds sogar um noch einen ganzen Prozentpunkt an, das Volumen betrug zuletzt 61,5 Milliarden Euro. Bei einem erheblichen Teil dieser Zielfonds dürfte es sich um ETFs, also um indexnahe börsengehandelte Investmentfonds handeln, mit denen sich sehr viele Märkte relativ preiswert und flexibel abbilden lassen.

Wie die Untersuchung der Bundesbank (Abbildung 4) zeigt, handelt es sich bei den meisten Zielfonds um inländische Sondervermögen (71 Milliarden Euro beziehungsweise 61 Prozent aller in inländischen Spezialfonds enthaltenen Zielfonds). Praktisch alle anderen Zielfonds werden in Luxemburg (27 Prozent) beziehungsweise Irland (8 Prozent) erworben. Zielfonds aus anderen Ländern summieren sich auf lediglich 4,4 Prozent.

Ziel der Bundesbank-Untersuchung, die sich auf die Monate März, April und Mai 2011 erstreckt, war jedoch die geografische Verteilung der Wertpapieranlagen der inländischen Investmentfonds.

Danach waren im Mai dieses Jahres 30 Prozent des Gesamtvolumens in inländischen Wertpapieren angelegt. Auf die PIIGS-Länder entfielen insgesamt immerhin 14,4 Prozent des Wertpapierbestandes, 106 Milliarden Euro. Noch höher, nämlich 19,5 Prozent ist der Anteil der Wertpapiere aus diesen Ländern, wenn man nur die öffentlichen Anleihen betrachtet (35 Milliarden Euro von insgesamt 181 Milliarden Euro öffentlicher Anleihen). Nach den Zahlen der Bundesbank haben die Spezialfonds sich innerhalb des betrachteten Zweimonats-Zeitraums von einem Teil der genannten Anlagen bereits getrennt. Um einmal ein Land herauszugreifen, wurden die griechischen Staatsanleihen von über 2,9 Milliarden Euro auf 2,0 Milliarden Euro reduziert. Aktuell hervorzuheben ist möglicherweise noch der mit 22,4 Milliarden Euro ziemlich hohe Betrag, der in italienischen Staatsanleihen investiert ist.

Bei der Mittelherkunft haben sich in 2010 die bereits in den Vorjahren beobachteten Trends fortgesetzt. Insbesondere geht die Nutzung des Spezialfonds für die Eigenanlagen der Kreditinstitute weiterhin zurück. Von den 151 Milliarden Euro im Jahr 2006 sind Ende 2010 nur noch 121 Milliarden Euro übrig. Dagegen wachsen die Anlagen der Versicherungen unverändert an, sie besaßen Ende 2010 Wertpapier-Spezialfonds im Wert von 256 Milliarden Euro.

Die erst seit 2004 gesondert erfassten Altersvorsorgeeinrichtungen kommen zusätzlich auf 123 Milliarden Euro. Einen erheblichen Zuwachs verzeichneten die "sonstigen Unternehmen", deren Anlagen von 159 auf 200 Milliarden Euro angestiegen sind. Bei den übrigen Anlegergruppen ergaben sich keine erwähnenswerten Veränderungen.

Versicherer als wichtigste Anlegergruppe

Die wichtigste Anlegergruppe für den Wertpapier-Spezialfonds bleiben also unverändert die Versicherungen. Umgekehrt ist der Spezialfonds für die Versicherungen eines der wichtigsten Anlageinstrumente. Ausweislich der BaFin-Statistik zum ersten Quartal 2011 haben die Erstversicherungen durchschnittlich 25 Prozent ihres gesamten Vermögens in inländischen Sondervermögen investiert. Hinzu kommen 1,1 Prozent in ausländischen Investmentvermögen. Insgesamt beträgt die Summe der Investmentanlagen 307 Milliarden Euro.

Dieser Wert berücksichtigt nicht die Anlagen der Rückversicherungen, der noch hinzuzurechnen wäre. Die Differenz zu dem in den Wertpapier-Spezialfonds festgestellten 256 Milliarden Euro erklärt sich zum Teil durch Immobilien-Spezialfonds, im Wesentlichen jedoch durch Publikumsfonds-Anteile. Diese werden zum Beispiel im Rahmen von fondsgebundenen Lebensversicherungen, aber auch zur Eigenanlage eingesetzt.

Mit dem Luxemburger Spezialfonds wächst ein Konkurrenzprodukt heran, das nach den bisherigen Zahlen keine übermäßige Gefahr für den inländischen Spezialfonds darstellt. Wie die Abbildung 6 zeigt, ist das Volumen bis März 2011 auf 25 Milliarden Euro angestiegen. Die Mittelzuflüsse für die SIF betrugen im letzten Kalenderjahr mit sechs Milliarden Euro (nur) ein knappes Zehntel im Vergleich zu den inländischen Spezialfonds. Das Luxemburger Instrument mag in einigen wenigen Einzelpunkten noch flexibler und freizügiger als das inländische sein, doch stellt dies für Versicherungen wegen der eigenen aufsichtsrechtlichen Anlagerestriktionen und Durchschauregelungen in der Regel keinen Vorteil dar. Jedenfalls stagnierte in 2010 die Anzahl der Anbieter deutscher Provenienz bei zehn Fondsgesellschaften, und die Anzahl der SIF erhöhte sich gerade einmal von 93 auf 96 Einheiten.

Über neue Wettbewerber ist für die Wertpapier-Spezialfondsgesellschaften nicht zu berichten. Während in den letzten zwölf Monaten im Bereich der Immobilien-Spezialfonds vier Neugründungen stattgefunden haben, hat sich die Zahl der Wertpapierspezialfondsanbieter erneut reduziert. Bereits berichtet wurde über die Cominvest, die planmäßig auf die AGI verschmolzen wurde.

Neuordnung der Unternehmensverhältnisse

Eine weitere konzerninterne Verschmelzung hat die Deka vorgenommen und den auf das Master-KAG-Geschäft ausgerichtete Deka Fund Master Mitte 2010 auf die Deka Investment verschmolzen. Zur Begründung wird angegeben, auf diese Weise Synergien realisieren zu können. Dies wäre schon allein aufgrund der internen Dokumentationspflichten (Stichworte: Organisationshandbuch, Prozesse, Compliance, Risikomanagement) ohne Weiteres nachvollziehbar.

Eine ähnliche Motivation lag dem Schritt der Credit Suisse zugrunde, ihre Wertpapierfondsgesellschaft CSAM im vergangenen Jahr an die SGSS zu verkaufen und auf diese Weise die gesamte Administration der Sondervermögen auf einen spezialisierten Anbieter zu übertragen. Die Verschmelzung der beiden Gesellschaften wurde Anfang 2011 durchgeführt. Das Asset Management der betroffenen Sondervermögen wird weiterhin durch die Credit Suisse verantwortet.

Bewegung bei Investmentaktiengesellschaften

Mehr Bewegung gab es im Bereich der Investmentaktiengesellschaften. Im abgelaufenen Kalenderjahr wurden zwei dieser Gesellschaften neu aufgelegt, die Varengold Investment Aktiengesellschaft mit TGV und die Luxembourg Financial Group InvAG mit TGV, beide in Frankfurt ansässig.

Ferner wurde die Humboldt Multi Invest InvAG mit TGV, Frankfurt, Anfang 2010 aufgelöst. Statistiken zum verwalteten Vermögen der Investmentaktiengesellschaften sind leider nicht bekannt. Dies ist umso bedauerlicher, als diesem Anlageinstrument im Markt offenbar Vorteile gegenüber dem Spezialfonds beigemessen werden und bereits 2008 ein inländischer Pensionsfonds eine ganze Serie von Spezialfonds im Volumen von zehn Milliarden Euro in Teilgesellschaftsvermögen von Investment Aktiengesellschaften umgewandelt hat.

Die Abbildung 8 zeigt die 28 Gesellschaften, die mehr als sechs Milliarden Euro Assets verantworten. Für jede Gesellschaft ist ablesbar, welches Volumen ausschließlich administriert wird (linker Teil der Säule: Portfoliomanagement durch Dritte), welches Volumen "komplett" verantwortet wird (mittig: Administration und Portfoliomanagement) sowie welches Volumen ausschließlich gemanagt wird (rechter Teil: Vermögensverwaltung für Dritte). Dabei ist nicht nur das Spezialfonds-Geschäft berücksichtigt, sondern auch Wertpapierdepots und andere Portfolios außerhalb des Spezialfonds.

Auftrieb für die freie Vermögensverwaltung

Seit der offiziellen Zulassung des Outsourcings durch das Investmentmodernisierungsgesetz 2004 hat die Bedeutung der sogenannten "Freien Vermögensverwaltung" stark zugenommen, wie aus Abbildung 1 deutlich hervorgeht. War das Spezialfondsvolumen Ende 2004 mit 543 Milliarden fast viereinhalbmal so groß wie das der Freien Vermögensverwaltung mit 123 Milliarden Euro, so ist der Faktor anschließend auf nur noch das 2,2-fache gefallen: in 2009 standen 729 Milliarden Euro in Spezialfonds 326 Milliarden Euro außerhalb von Investmentfonds gegenüber. Bemerkenswerterweise scheint sich dieser Trend seither jedoch gedreht zu haben. Mitte 2011 beträgt das Spezialfondsvolumen mit 833 Milliarden Euro genau das Dreifache der verwalteten freien Vermögen in Höhe von 276 Milliarden Euro. Dennoch muss festgestellt werden, dass sich die institutionelle freie Vermögensverwaltung als wichtiges Geschäftsfeld der Investmentbranche fest etabliert hat.

Viele Wettbewerber sehen ihre Kernkompetenz nicht in der Administration, sondern im Asset Management. Ob sie diese Dienstleistung ihren Kunden im Rahmen eines Spezialfonds oder außerhalb eines solchen anbieten, hängt ausschließlich von den Anforderungen und Notwendigkeiten im Einzelfall ab. Vorteil des Spezialfonds ist der klare und bewährte aufsichtsrechtliche, regulatorische und organisatorische Rahmen, während die freie Vermögensverwaltung ermöglicht, die Asset-Management-Expertise flexibel auf jede erdenkliche Erscheinungsform eines Portfolios anzuwenden.

Anhand der Abbildung 8 ist gut erkennbar, dass die Wettbewerbskonzentration der Branche recht hoch ist. Uneinholbar steht die AGI mit einem insgesamt administrieren Vermögen von insgesamt 257 Milliarden Euro an der Spitze der Liste. Nur knapp zehn Prozent hiervon werden im Portfoliomanagement durch Dritte verantwortet; hinzu kommen 18 Milliarden Euro anderweitig administriertes Vermögen, für das die AGI des Portfoliomanagement übernommen hat. Bezogen auf das administrierte Gesamtvermögen von 1,06 Billionen Euro besitzt damit allein die AGI einen Marktanteil von 25 Prozent. Rechnet man DWS, Universal, Generali und die Inka (HSBC) dazu, entfallen auf die fünf größten Gesellschaften 60 Prozent Marktanteil. Um auf 90 Prozent Marktanteil zu kommen, braucht man nur die zwölf größten Gesellschaften zusammenzurechnen. Die restlichen zehn Prozent sind auf die verbleibenden 26 Anbieter von Wertpapier-Spezialfonds beziehungsweise institutionellem Asset Management verteilt.

AIFM-Umsetzung als Einflussfaktor

Die weitere Entwicklung des Spezialfonds wird sehr stark von der Umsetzung der AIFM-Richtlinie abhängen. Dieses über 70 Seiten lange Werk ist am 1. Juli 2011 in seiner endgültigen Form veröffentlicht worden und hat zum erklärten Ziel, die Finanzmärkte durch Regulierung der Asset Manager alternativer (das heißt nicht UCITS-konformer) Anlageinstrumente vor einer neuen Krise zu schützen. Tatsächlich jedoch werden - unter anderem - die Offenen Immobilienfonds und vor allem die Spezialfonds erfasst und den Kapitalanlagegesellschaften eine Reihe zusätzlicher und zumeist unnützer Pflichten auferlegt.

Sofern es dem Gesetzgeber gelingt, den Aufwand bei den Gesellschaften durch möglichst praxisgerechte Lösungen gering zu halten, steht einem weiteren Wachstum nichts entgegen. Die deutsche Investmentbranche hat die Finanzkrise nicht verursacht.

Till Entzian , Rechtsanwalt und Notar, Frankfurt am Main
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