Gespräch des Tages

Deutsche Börse - Auf nach Europa!

Ja, die Deutsche Börse ist im Rahmen der bislang verlaufenen Konsolidierung der europäischen und US-amerikanischen Handelsplätze bei der Suche nach einem Partner leer ausgegangen. Single ist sie freilich nicht, weil sie selbst nicht gewollt hätte. Aber weder mit der Londoner Börse noch der französischen Euronext, noch dem skandinavischen Betreiber OMX hat man sich bekanntlich auf eine Ehe einigen können. Wirtschaftlich geschadet hat das bislang nicht, vielmehr trotzte das Frankfurter Unternehmen jeglichen Kritikversuchen mit immer neuen Ergebnisrekorden. Doch ausschließlich aus dem Heimatmarkt heraus wird es in Zukunft freilich schwer werden, dem immer stärker werdenden Wettbewerb zu widerstehen. Im laufenden Jahr wird man jedenfalls kaum mehr an die Steigerungen der Vorperioden anknüpfen können, das hat der Vorstand bereits bei der letzten Bilanz-PK schon deutlich klar gemacht (Kreditwesen 6-2009). Dass man aber organisch, ohne einen Zusammenschluss mit einem anderen großen Betreiber außerhalb der eigenen Landesgrenzen wachsen kann, will der Frankfurter Marktbetreiber nun mit einer Art Flucht nach vorn demonstrieren: Xetra wird europäisch, ab dem vierten Quartal dieses Jahres wird unter dem Label "Xetra International Market" der Handel in europäischen Bluechips möglich sein. Zum Marktstart beschränkt sich das Angebot allerdings lediglich auf das Eurostoxx-50-Universum. Um das Verlangen der Kunden nach mehr Anlagealternativen tatsächlich stillen zu können, sollte sich die Deutsche Börse mit der geplanten Erweiterung auf alle Papiere des Stoxx-600 also nicht allzu viel Zeit lassen.

Was die Börse dabei als großen Vorteil und Alleinstellungsmerkmal verkauft, nämlich die eigene, sogar oft kritisierte Silo-Aufstellung, kann ihr derweil nur kurzfristig dienlich sein: Zwar treten mit Eurex Clearing als Zentraler Kontrahent und Clearstream Banking als Zentralverwahrer konzerneigene Gesellschaften auf, wodurch sich bislang recht teure grenzüberschreitende Transaktion tatsächlich verbilligen könnten. Allerdings haben Abwickler wie Euroclear, über den die Deutsche Börse etwa den Anschluss an die Märkte in Frankreich, Finnland, den Niederlanden und Belgien realisieren will, bereits eigene Ambitionen hinsichtlich einer Zusammenführung des europäischen Geschäfts angekündigt. Damit könnte in den EU-Schlüsselmärkten ein Preiskampf entstehen, der die ohnehin schmalen Margen bis zur Unrentabilität verengt. Zudem treten längst verschiedene außerbörsliche Abwicklungsplattformen (Multilateral Trading Facilities, MTF) wie Chi-X Europe oder die von Banken initiierte Turquoise als paneuropäische Anbieter auf. Mit ihren Dark Pools als Alter native zu den offenen Handelsbüchern der etablierten Börsen und in Zusammenarbeit mit grenzüberschreitend agierenden Dienstleistern können diese zum Teil auf respektable Anfangserfolge verweisen, insbesondere im attraktiven Over-the-Counter-Geschäft. Und auch die großen Betreiber Nyse Euronext und Nasdaq OMX dringen stetig in diese Märkte vor.

Einen allzu harten Preiskampf allerdings kann sich der Handelsplatzbetreiber kaum leisten, insbesondere nicht in Zeiten der Finanzkrise, in denen die Gewinne ohnehin erodieren. Das gilt zwar in unterschiedlichem Maße auch für die Wettbewerber. Als strategischer Schritt greift das Vorhaben dennoch recht kurz, denn einen echten Mehrwert zum bereits bestehenden Angebot bietet der International Market nicht - vom zunächst sehr eingeschränkten Anlageuniversum ganz zu schweigen. Alleine wird der jüngste Vorstoß des deutschen Platzhirschen also kaum reichen, signifikantes internationales Geschäft auf die Plattform zu ziehen. Dafür profiliert er den Handelsplatzbetreiber zu wenig vom Wettbewerb.

Was der Börse bleibt, ist die eigene Marke. Der Name Xetra hat Gewicht, auch außerhalb Deutschlands, und die Technologieplattform genießt weithin einen guten Ruf. Daher tut man am Main gut daran, daraus Kapital schlagen zu wollen - insbesondere die jüngeren Konkurrenten müssen sich in der Breite schließlich erst noch beweisen. Und gerade im Wachstumsbereich Algorithmic Trading, den auf europäischem Level just jene MTF als wahre Goldgrube entdeckt haben, plant die Deutsche Börse für die Xetra-Plattform zusätzlich zum bereits etablierten Angebot immer neue Möglichkeiten (einen Schwerpunkt zum Thema hat die Redaktion in Heft 2-2009 der Ausgabe Technik - IT für Finanzdienstleister veröffentlicht). Auch wenn die Börse mit ihrem Xetra International Market also (noch) nicht maßgeblich in den europäischen Wettbewerb einsteigt, so gibt der Schritt wenigstens eine definierte Marschrichtung an.

Auch auf anderer Ebene schreitet übrigens die Internationalisierung der Deutschen Börse voran, indem sie versucht, europäisches Geschäft auf die Xetra-Plattform zu holen. So ist Mitte April dieses Jahres der Exchange-Traded-Funds-Anbieter Source mit zunächst 35 Produkten gestartet. Das Gemeinschaftsunternehmen von Bank of America/Merrill Lynch, Goldman Sachs und Morgan Stanley bietet zunächst 13 Exchange Traded Funds (ETF) und 22 börsengehandelte Rohstoffvehikel (Exchange Traded Commodities, ETC). Als Anlagegesellschaft für das Bankenkonsortium fungiert der Asset Manager Assenagon. Das neue Angebot wird dabei als offene Plattform angepriesen, weitere Partner nehme man gerne auf - auch in Teilbereichen. Der Börse könnten die namhaften Konsortiumsmitglieder helfen, mit ihrem erfolgreichen XTF-Segment für börsennotierte Produkte europaweit stärker Fuß zu fassen. Hinter der Floskel der angestrebten Konsolidierung in diesem Segment versteckt sich nämlich insbesondere eine Absicht: Konkurrierenden Handelsplätzen Marktanteile abzujagen.

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